Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 71 B-Dur
Besetzung: Flöte, je zwei Oboen und Hörner, Fagott, Streicher
entstanden ca. 1778-80, veröffentlicht 1781 gemeinsam mit 62, 63, 70, 74, 75 als 'Oeuvre XVIII'; die Werke wurden aber ziemlich sicher nicht alle speziell für diese Veröffentlichung komponiert, es handelt sich nicht um einen systematischen Zyklus
1. Adagio (4/4)
die kurze wuchtige Einleitung (Streicher/Fagott) mit typischen punktierten Figuren und forte-piano-Wechseln führt zum
- Allegro con brio (3/4)
Das leicht beschwingtes Hauptthema enthält in der der zweiten Phrase ein markantes Doppelschlagmotiv, das sogleich in einer Überleitungspassage verarbeitet wird. Die weitere Überleitung entwickelt ein eher melancholisches Motiv und staut sich zunächst in einer Fermate. Darauf folgt das Seitenthema, dessen Beginn mit dem Überleitungsmotiv identisch ist; eine deutlich lebhaftere Schlußgruppe beendet die Exposition.
Die Durchführung kontrastiert zuerst eine ruppige Figur aus dieser Schlußgruppe mit einer Phrase in den Oboen, eine bewegte Verarbeitung eines kurzen Motivs führt sehr bald zu einer Scheinreprise, die sich als solche erweist, sobald sich das Doppelschlagmotiv selbständig macht; den Rest bestreiten weitgehend Achtelfiguren aus der Schlußgruppe.
Die Reprise (T.169-232) ist dann auch gerade in den Überleitungspassagen deutlich verkürzt, das Hauptthema geht unter Auslassung des Doppelschlagmotivs sofort in die "melancholische" Entwicklung zum Seitenthema über, das somit die Reprise dominiert; den lebhaften Abschluß bildet die kaum veränderte Schlußgruppe.
2. Adagio (F-Dur, 2/4)
Variationen (aufgrund der Länge des Satzes ignoriert Fischer hier sämtliche Wiederholungszeichen)
1.Var. Figurationen der 1. Vl.(2. Teil Holzbläser)
2.Var. Thema in Flöte/Fagott Figurationen in 2. Vl.; im 2. Teil tritt die Oboe dazu
3.Var. Triolen in Bratsche und Bass, später auch in den restlichen Streichern, das Thema wird von Oboen gerade so angedeutet
Anschließend folgt (4. Var.) das Thema satt instrumentiert als "Reprise" und noch eine etwas freiere Coda.
3. Menuett
Nach einem konventionellen 8-Takter wird im B-Teil ein kleines Motiv kurz spielerisch verarbeitet, bevor die Anfangsphrase wiederkehrt.
Das Trio bildet einen deutlichen Kontrast durch die reduzierte Besetzung: 2 Soloviolinen in Oktaven, restliche Streicher begleiten meist pizzicato, der Ton ist eher rustikal als galant.
4. Finale Vivace (4/4)
Das Thema des Finales erinnert geradezu frappierend an Mozart (etwa an die mitunter als "Salzburger Sinfonien" bezeichneten Divertimenti). An Mozart erinnert auch der für ein Haydn-Finale eher ungewöhnliche Reichtum an (sehr eingängigen) thematischen Gestalten. Es gibt sowohl ein charmantes Zwischenthema, das von Hauptthema abgleitet ist, als auch ein munter plapperndes Seitenthema in Oboen und Fagott (auch hier höre ich Mozart, z.B. Sinfonie Nr. 33, Finale, ist zwei Jahre später entstanden...). Es handelt sich um einen vollständigen, ziemlich umfangreichen Sonatensatz (der durchaus auch als Kopfsatz denkbar wäre)
Die Durchführung beginnt mit dem Hauptthema in Des-Dur, wobei Haydn "per licentiam" (mit einer gewissen Freiheit im Tempo und Ausdruck) notiert hat. Anschließend geht es nach es-moll und g-moll. Insgesamt ein recht wirkungsvoller Kontrast, der eine beinahe romantische Stimmung erzeugt; es schließt sich eine lebhaftere Entwicklung an und ein mehrfacher, gebremster Anlauf führt dann zur Reprise.
Die Reprise bringt unmittelbar nach dem Haupthema eine erweiterte entwickelnde Passage, entspricht ab dem "Zwischenthema" dann ziemlich genau der Exposition.
Der Satz ist insgesamt für Haydn beinahe zu regelmäßig und etwas glatt. Ähnlich charakterisiert auch Walter das gesamte Werk etwas abschätzig: "routiniert","ohne originelle Einfälle"; als Erklärung mutmaßt er, daß Haydn hier kein Risiko eingehen wollte, da er vielleicht in Absicht auf Veröffentlichung für ein unbekanntes Publikum komponierte.
Lessing ehrt das Stück dagegen durch eine recht umfangreiche Besprechung, legt ausführlich einige Besonderheiten wie die Schein- und die veränderte tatsächliche Reprise des Kopfsatzes dar und weist auf harmonische Besonderheiten im Adagio und Finale hin.
JR