Ein Stern fällt vom Himmel
I
4-3-1904 Joseph Schmidt wird in Davideny (Rumänien) geboren
1914, als WK I begonnen ist, siedelt die Familie um nach Czernowitz.
1918 singt der dann 14-Jährige Schmidt schon im Kirchenchor.
1922 Beginn seines Sangunterrichts bei Felicitas Lerchenfeld-Hrimaly.
November 1924 gibt Schmidt sein erstes Konzert in Czernowitz.
Frühling 1925 Anfang des Studiums an der Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik und Gesang in Berlin.
Von 1926-1927 wird das Studium wegen des Militärdienstes unterbrochen.
18. April 1929 debütiert Schmidt beim Berliner Rundfunk.
August 1929 erfolgt sein Bühnendebut.
20. Februar 1933 letzter Auftritt beim deutschen Rundfunk, weil die Nazis etwas später das Auftreten für Juden verboten.
9. Mai 1933 Premiere des Filmes “Ein Lied geht um die Welt”. Ein Film, der auf Schmidt zugeschnitten war. Andere Filme folgen.
1936-1937 spielt Schmidt in Amerika in Filmen mit und macht dort eine Tournee.
1937 kehrt er nach Wien zurück, nur um dort den Anschluß zu erleben und fliehen zu müßen.
In den letzten Jahre vor Beginn des WK II ist er oft in Frankreich, Belgien und die Niederlanden zu bewundern. Besonders in Holland ist er außerordentlich populär, und er macht sogar einige Plattenaufnahmen in der niederländischen Sprache.
Als WK II ausbricht, beginnt für Schmidt eine schreckliche Reise, wobei Unglück eine wichtige Rolle spielt.
Am 9. Oktober 1942, als ihm die Flucht in der Schweiz gelungen ist, meldet er sich (gezwungenermaßen) bei der Zürcher Polizei. Er kommt in einem Internierungslager. Dort erkrankt er.
16 November 1942 stirbt dieser sehr große Sänger im Alter von 38 Jahre.
II
Für viele Menschen gilt: "Den Film 'Ein Lied geht um die Welt (1933)' hat Joseph Schmidt seine Berühmtheit zu danken. Er war ein berühmter Schlagersänger". Wenn etwas aber nicht stimmt, dann ist es wohl diese Behauptung.
Er gehört m.E. zu den großen Tenören. Und das, obwohl er eigentlich nur einmal eine Oper auf der Bühne sang. Seine Stimme hat ein wunderbares Timbre, in der Höhe strahlend und mühelos, aber im tiefen Register etwas heiser.
Am 4. März 2004, anlässlich des 100. Geburtstages von Joseph Schmidt fand im Rathaus von Köpenick ein Festakt statt. Die Musikschule des Bezirks Treptow-Köpenick erhielt dabei den Namen "Musikschule Joseph Schmidt".
Der im Dorf Davideny (nicht unweit von Czernowitz) geborene Rumänen Joseph Schmidt war das dritte Kind und der erste Sohn eines Kantors. Jene Regio, Bukowina, gehörte zum Staatenbund der K.u.K. Monarchie. Gerade die Einwohner jüdischer Abstammung dort galten als Träger der deutschen Kultur.
Er war schon von Jugend an begeistert von Musik, und sang als Alt im Gemeindechor.
Zitat"Manchmal muß sich die ganze Familie auf die Suche nach ihm machen und findet ihn am Waldrand, wo er auf spielenden Zigeunern zuhört". Mit der Zeit entwickelt Schmidt sich zum singenden Wunderkind."
Als WK I ausbrach, siedelte die Familie um nach Czernowitz. Schmidt erhielt hier Klavier- und Violinunterricht. Ab seinem 14. Jahre sang er bereits im Chor des Tempels von Czernowitz. Wollte er zuerst Schauspieler werden, bald realisierte er sich, daß seine Große (1,54 Meter) ihm zum Verhängnis werden könnte. Darum entschloss er sich seine Stimme professionell schulen zu lassen und wurde Schüler bei der Stimmpädagogin Felicitas Lerchenfeld-Hrimaly. Dort fiel er durch seine überdurchschnittlichen Leistungen auf: Problemlos sang er Skalen bis zum hohen C und darüber hinaus; außerdem konnte er prima vista unbekannte Werke singen. Als er November 1924 sein erstes Konzert in Czernowitz mit traditionellen jüdischen Lieder gegeben hatte, sowie Arien von Verdi, Puccini, Rossini und Bizet, berichteten die lokalen Zeitungen positiv, und die Kritiker prophezeiten dem jungen Sänger eine große Zukunft.
Schon 1925 zog Schmidt nach Berlin, und bekam dort Klavier- und Sangunterricht von Professor Hermann Weissenborn. Nach einem Jahr mußte er aber zurück nach Rumänien, um seinen Militärdienst beim 2. Gebirgsjägerbataillon in Radautz abzuleisten. Das heißt: er war 20 Monate mit der Militärkapelle verbunden (Geige und Klavier). Ja, er scheint sich sogar dort als Schlagzeuger in der Jazzband betätigt zu haben.
Ende 1927 wurde er entlassen, und sputete er sich nach Berlin zurückzugehen um sein Studium fortzusetzen. In Berlin wurde er Kantor in eine Synagoge.
Joseph Schmidt als Kantor in Berlin, 1928
Bereits 1929 begann seine internationale Karriere: in Belgien (Antwerpen). Und da sollte sie auch ihr Ende finden, als der Krieg dort ausbrach.
Und auch begann damals seine Rundfunkkarriere. Der Leiter der musikalischen Abteilung, der berühmte Kammersänger Cornelis Bronsgeest, suchte nach neuen Talenten. Joseph Schmidts Rundfunkdebüt geschah am 18.April 1929 um 20.00 Uhr mit jener schweren Rolle des Vasco da Gama in einer Übertragung von Giacomo Meyerbeers "Afrikanerin". Sofort war Schmidts Namen etabliert. Rundfunk und Schallplatte waren fortan das Podium für Schmidts Karriere. Für die Opernbühne war der knapp 1,58 m Tenor nicht geeignet. Dafür war er doch zu klein. Seine Stimme war aber fast prädestiniert für dieses neue Medium.
Zitat"Allein 1929 wirkt Schmidt in neun Gesamtübertragungen mit, zehn weitere Werke folgen im Jahr 1930, elf sind es im Jahr 1931 und zwölf im Jahr 1932."
Er machte eine Menge Aufnahmen für die Schallplatte. Zuerst für Ultraphone, später für Odeon/Parlophone. Und auch wirkte er in mehreren Filmen mit, sowohl Deutsch- als Englischsprachig.
August 1929 fand sein Bühnedebut in Berlin statt mit "Den drei Musketieren". Auch wurden Aufnahmen von jüdischen liturgischen Liedern gemacht. Die noch erhaltenen Gesänge zählen zu den besten Aufnahmen die er je eingesungen hat.
1933 ist das Wendepunkt seiner Laufbahn. Trotz der Machtergreifung der Nazis und des seit 1. April 1933 staatlich erzwungenen Berufsverbot für Juden stieg Schmidts Stern. Obwohl sein Vertrag mit dem Rundfunk Berlin verfiel. Dadurch fand am 20. Februar 1933 Schmidts letzte Aufführung für einen Deutschen Reichssender statt (Der Barbier von Bagdad).
Den 9. Mai 1933 findet die Uraufführung statt von "Ein Lied geht um die Welt". Anwesend war u.a. Joseph Goebbels, der Propagandaminister. Als Schmidt am Ende des Films auf der Bühne erscheint, wird er von einem begeisterten Publikum begrüßt.
ZitatDie Zeitung der NSDAP, "Völkischer Beobachter", berichtet: "…Aber er ist sooo begabt und so edelmütig, so rührend, kein Engel ist so rein… Und was man nicht sagt, aber desto deutlicher sieht: er ist ein Jude. Jener Typ demütiger Volljude, mit dem einstmals so gerne hausieren ging…"
Aber vorläufig konnte er noch weiter auftreten in Filmen.
Liliane Dietz und Joseph Schmidt (Wenn du jung bist, gehört dir die Welt).
1933 trat er in der Schweiz auf, wo er das Publikum begeisterte. Österreich, Belgien und Frankreich folgten. Ende 1933 siedelt er um nach Österreich.
Joseph Schmidt in Antwerpen (1933)
1934 gastiert er in Palästina.
Er wird so geschätzt und bewundert, dass berühmte Sänger mit ihm zusammen auftreten: Leo Slezak und Grace Moore zum Beispiel.
1936 spielt Schmidt in der Amerikanischen Version von "Ein Lied geht um die Welt". Und ernt dort allerorts Beifall.
Dort singt er oft das berühmte Hallelujah von Mozart (aus Exsultate, jubilate), dass eigentlich für einen Kastraten geschrieben war, und und dass wir eigentlich nur als Sopran-Arie kennen. Am 7. März 1937 debütierte Schmidt als gefeierter Tenor in der New Yorker Carnegie Hall.
Obwohl Schmidt allerwegen in Amerika geschätzt wird, hat er doch Heimweh nach Europa. Und darum kehrt er zurück nach Wien. Fünf Tage vor dem "Anschluss" flieht Schmidt aus Wien nach Belgien, zusammen mit Lotte Kohn und ihrem gemeinsamen Kind Otto.
Ab Januar 1939 stellte er in Brüssel auf der Opernbühne Rudolf in La Boheme dar. Es folgte eine Tournee über Lüttich, Gent, Antwerpen, Brügge, Courtraus, Ostende und Verviers. Innerhalb eines Jahres durfte er diese Rolle 24 Mal auf der Bühne darstellen.
In den Beneluxstaaten war er außerordentlich populär und wurde er sehr geschätzt. 1940 ging er nach Frankreich, wo er interniert wurde, weil er deutscher Jude war.
In jener Zeit hat Schmidt es nicht einfach. Ein für März 1942 in Marseille geplantes und ausverkauftes Konzert wird von der Prefecture verboten, denn jüdische und "arische" Künstler dürfen nicht gemeinsam auftreten.
Ich habe diese Passage nicht wiederfinden können, aber habe dies behalten:
Eine Flucht nach Amerika misslang. Ein anderer hatte sich unter seinen Namen eingeschifft. Damit war die letzte Möglichkeit vergeben Europa zu verlassen.
Nach einige missglückten Versuchen gelang es ihm September 1942 die schweizerische Grenze zu überqueren. Die Flucht hat seine Gesundheit sehr geschädigt. Dadurch brach er in Zürich auf offener Straße zusammen. Als illegaler Flüchtling wurde Schmidt in das Auffanglager Girenbad "einquartiert".
Ende Oktober 1942 wurde er in eine Zürcher Klinik aufgenommen, wegen einer Entzündung des Kehlkopfs und der Luftröhre. Seine Beschwerden über Brustschmerzen werden von den Ärzten völlig ignoriert. Man verweigerte eine weitere Untersuchung!!
Als 'offiziell geheilt' wurde er am 14. November aus dem Spital entlassen und ins Auffanglager zurückgeschickt.
Zwei Tage später, den 16. November 1942, verstarb dieser Sänger an einem Herzversagen, erst 38 Jahre alt.
Einen Tag nach seinem Tode lag seine Arbeitserlaubnis vor, und wäre er frei gewesen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bemühte Schmidts Mutter Sara sich vergeblich, eine Ausreisemöglichkeit in die Schweiz zu erlangen. Letztendlich bekam sie eine Ausreisegenehmigung nach Österreich. Bevor sie aber die Reise zum Grabe ihres Sohnes antreten konnte, starb sie.
Schmidt wurde auf dem Israelitischen Friedhof "Unterer Friesenberg" in Zürich bestattet. Auf seinem Grabstein ist oberhalb des Davidsterns der Satz "Ein Stern fällt" eingemeißelt.
"Ein Lied geht um die Welt!
Ein Lied, das Euch gefällt!
Die Melodie erreicht die Sterne,
Jeder von uns hört sie so gerne!
Von Liebe singt das Lied,
Von Treue singt das Lied,
Und es wird nie verklingen,
Man wer es ewig singen.
Flieht auch die Zeit.
Das Lied bleibt in Ewigkeit."
LG, Paul
NB: Joschi sei Dank für seinen Beistand.