Mozart: "Salzburger Sinfonien" (Divertimenti KV 136 - 138)

  • Gemeint sind natürlich die Divertimenti KV 136-138.



    Die immer wieder gestellte Frage bei diesen Werken besteht darin ob dieses Stück von Mozart für Streichquartett oder Streichorchester gemeint war.


    Soweit ich weiss wurden die Stücke zwar in Salzburg geschrieben, allerdings für ein Mailänder Orchester, insofern wäre es natürlich klar das das Stück für Orchester gedacht war. Genauso steht in der Original-Partitur die Stimmbezeichnung "Viole", ein weiteres Indiz dafür es in der Mehrfachbesetzung aufzuführen.


    Was spricht nun für die Quartett-Besetzung?
    In erster Linie einmal die Einteilung in der ersten Gesamtausgabe unter "Frühe Streichquartette". Ein weiterer Hinweis ist die relativ tiefe Bassführung die eine Bassverdopplung mehr oder weniger unnotwendig macht, andererseits fehlen ein wenig die Violin-Kantilenen die Mozart's Streichquartette sonst auszeichnen.


    Welcher Meinung seit ihr? Orchester oder Quartett? und welches sind eure Lieblings-Einspielungen dieser wunderschönen Werke?


    LG,
    Michael Flaschberger


    p.S.: Wenn dieses Thema eher ins "Kammermusik"-Forum gehört, bitte dahin verschieben. THX

  • Hallo!
    Ich kenne die Divertimenti nur als Streichquartette und habe nicht den Eindruck, daß sie in einer Orchesterfassung besser klingen würden.
    Es sind wirklich sehr schöne Werke, die von der frühen Meisterschaft Mozarts zeugen. Ich kenne nur die Aufnahme des Eder-Quartetts von Naxos, die zwar aus dem low-price-Bereich ist, aber durchaus empfehlenswert ist für Leute, die Mozart gerne "wie Mozart" hören, eingängig, klangschön, zum Mitpfeifen.
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut, Michael,


    auch die Bezeichung Divertimento stammt nicht von Mozart, ebensowenig [Salzburger] Sinfonie. Komponiert wurde die Trilogie 1772 in Salzburg.


    Erstdrucke oder -ausgaben des 18. Jahrhunderts sind vielfach fehlerhaft oder falsch, da sie stets dem Eigensinn der Verleger entsprangen, bei dem der Komponist teilweise nicht mitzureden hatte.


    Die Mozart-Forschung hat die Bezeichnung „Quartett-Divertimenti“ eingeführt, denn diese ist sich selbst bis heute nicht ganz einig, ob diese Werktrilogie in der Besetzung für Violino I, Violino II, Viole und Violoncello nun für Streichorchester oder Streichquartett gedacht ist. Die Bezeichnung der Instrumente „Violino I“ spricht eher für eine solistische Besetzung, die Werktitelgebung „Divertimento“ stammt jedenfalls nicht von Mozart selbst. Um jedoch die Bezeichnung „Quartett“ zu erhalten, fehlt in diesen drei Werken jeweils das obligatorische Menuett… zum dem bemerkt bereits der Mozartforscher Alfred Einstein (übrigens ein Cousin des berühmten Albert Einstein), dass diese drei Werke musikalisch eher italienischen Overtüren ohne Bläsern entsprechen. Erschwerend für die Einordnung dieser Werkgruppe kommt hinzu, dass Mozart im Jahre 1783 eine Serie von drei Klavierkonzerten komponierte, die bewusst so geschrieben wurden, dass sie entweder als „echtes Klavierkonzert“, d.h. Klavier in Begleitung eines Streich- und Blasorchesters oder – quasi als Klavierquintett – also Klavier mit solistischer Streicherbegleitung – gespielt werden können. Losgelöst von der musikalischen Bedeutung finden wir im Lexikon die Übersetzung des französischen Wortes „divertissement“ oder des italienischen Wortes „divertimento“: Es bedeutet „Unterhaltung, Belustigung“. Das trifft allemal zu.


    Als drei für Mailand komponierte Sinfonien kommen übrigens auch KV 128-130 in Frage, "nel mese di maggio 1772 á Salisburgo" komponiert.


    Im Quartett [Divertimento] KV 134a = 155 finden wir in der Handschrift "Quartetto I." und "Violini /Viole [korrigiert in 'Viola'] / Violoncello / Baßo".


    Das untermalt, dass Mozart hier während oder nach dem Kompositionsvorgang seine Absicht geändert hat. Ähnliches wird auf KV 136-138 zutreffen.


    Ein ähnliches Problem ergibt sich übrigens auch bei der "kleinen Nachtmusik", welche für "2 Violini, Viola e Baßi" komponiert wurde. Die im Plural genannten Bässe widersprechen dem Singular der Bratsche.
    Ich denke, dass die Art der Besetzung für Mozart relativ egal gewesen ist.


    Ganz haarig wird es in Mozarts späten Orchesterwerken, wo er stets "2 Violin(i), 2 Viole ..." vorschreibt.


    Mit "2 Violini" meint Mozart im Orchesterwerk letztlich zwei Gruppen, bei solistischen Werke zwei einzelne Violinen. Möglich, dass er mit "Viola" auch die Gruppe im Orchester meinte. "Baßi" ist jedenfalls eindeutig [mindestens] ein Violoncello, verstärkt durch [mindestens] einen Kontrabaß. Im Streichquartett war es nicht üblich, das Cello zu verstärken. Für die kleine Nachtmusik könnte daher die "Übersetzung": 2 Violin-Gruppen, 1 Viola-Gruppe, Bässe gelten. Ebenso könnte Mozart bei den besagten vergnüglichen Stücken mit "Baßo" die Bass-Gruppe gemeint haben.


    Rein stilistisch betrachtet halte ich die Drillinge in jedem Fall für Orchesterwerke. Ich kenne und liebe beide Versionen. Die filigrane solistische Ausführung hat so ihre Tücken...


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo!


    Es gibt bei mir eine klare Antwort und die heisst Streichorchester, da ich nicht unbedingt ein Fan von Streichquartetten bin!


    Zur einspielung: Kurpfälzisches Kammerorchester Mannhei unter Florian Heydrich und Orchester des Salzburger Mozarteum unter Hans Graf


    Mfg Joschi

  • Hallo!
    Gestern habe ich KV 138 im Radio gehört (Orchesterfassung), und die Ansagerin hat gesagt, daß Mozart sich in einem Brief wohl geäußert hat, daß das Werk sogar mit größerem Orchester mit ad libidum hinzugefügten Bläserstimmen aufgeführt werden kann. Was meinst Du dazu, Ulli?
    Ansonsten enthielt die Ansage noch die Information, daß die Bezeichnung "Divertimento" damals eine Art Synonym für "Kammermusik" war.
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut,


    leider gibt es keine Bläserstimmen zu diesen Divertimenti. Da hat die Gute wohl was verwechselt... vgl. meine Ausführungen weiter oben. Die [schlecht recherchierte] Briefstelle bezieht sich eindeutig auf die drei Klavierkonzerte KV 413, 414 und 415. Zudem steht auf dem Autograph deutlich "Quartetto", also VIER Stimmen - das sind numal [nur] Streicher. Mir ist nicht bekannt, dass noch später komponierte Bläserstimmen aufgetaucht sind... außer, Alfred stiehlt mir wieder einmal die Show... es gibt nicht mal eine Werkbearbeitung von fremder Hand...


    "Divertimento" bedeutet "Vergnügen" und nicht zwingend Kammermusik [könnte was für den Stilblütenthread sein].


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ich kenne beide Versionen und denke, die Divertimeni sind ursprünglich für Streichquartett gemacht. Ich zitiere Ulli:


    "Die filigrane solistische Ausführung hat so ihre Tücken..."


    Genau darum. Besonders die zweite Violine hat ja in den Begleitfiguren recht anspruchsvolle Aufgaben. Ich denke, im Orchester wird das zu dick, da geht m. E. viel von der Filigranität verloren. Also - ich vote für die Quartettfassung.


    Ähnlich gelagert sind übrigens Mozarts "Lodronische Nachtmusiken" (KV 247 & 287). Hier treten zum Quartett zwei Hörner. Ich besitze eine solistische und eine orchestrale Version. Die erste Violinstimme dieser beiden Divertimenti ist sehr virtuos geführt - teilweise ist die Unsauberkeit auf der CD bei chorischer 1. Violine regelrecht peinlich (Camerata Bern).


    Normann

  • Salut, Normann,


    287 scheint definitiv für Solisten komponiert. Zunächst steht auf dem Autograph: Divertimento a 6 stromenti [ebenso 246], zudem schreibt Mozart:


    [...] zu guter letzt spiellte ich die letzte Casation aus dem B von mir [...] da schauete alles gros drein. Ich spiellte als wenn ich der gröste geiger in ganz Europa wäre [...].


    287 beinhaltet übrigens zwei nennenswerte Zitate aus dem Volkmusikbrauch: Das Tema con sei variazioni [= 2. Satz] variiert das Lied Heissa, hurtig, ich bin Hans und bin ohne Sorge. Nach dem "Rezitativ" im letzten Satz folgt das Lied Die Bäurin hat d'Katz verlorn...



    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Lieber Ulli,


    meine Güte, was man alles herausfinden kann... Kompliment! Meine Lieblingsvariation im 2. Satz von KV 287 ist überigens die, wo die Hörner eine Dreiklangsfigur (oder so) abwärts unisono spielen. Traumhaft!


    Grüße zu Nacht,
    Normann

  • Zitat

    Original von Normann
    Lieber Ulli,


    meine Güte, was man alles herausfinden kann... Kompliment! Meine Lieblingsvariation im 2. Satz von KV 287 ist überigens die, wo die Hörner eine Dreiklangsfigur (oder so) abwärts unisono spielen. Traumhaft!


    Grüße zu Nacht,
    Normann


    Salut,


    das ist die 3. Variation... Hörner in F, F-Dur-Dreiklang abwärts. Bestechende Einfachheit...


    In der NMA [Neue Mozart Ausgabe] übrigens sind die Divertimenti 247 und 287 im Supplement Kammermusik, die Divertimenti KV 136-138 im Supllement Orchesterwerke zu finden. :baeh01: [was natürlich kein Beweis ist...]


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich finde solche Diskussionen immer wieder interessant, weil sie zeigen, wie stark noch immer romantische Konzepte weiterwirken. Erstmal: Werke wurden zu Mozarts Zeiten nicht für Verlage, sondern als Auftrag und für den Eigengebrauch geschrieben. Notfalls schrieb man einfach ein neues Divertimento. Die Bearbeitungspraxis jener Tage war eine freie: Hat man ein Orchesterchen, wo vielleicht auch zwei Oboen und ein Fagott dabei sind, kann man sicherlich auch die Divertimenti fallweise colla parte verstärken. Mozart hätte sicher auch nichts dagegen, wenn man sie für Blockflötenquartett, Synthesizer oder Gambenconsort bearbeiten würde - er hat ja nicht mit einer derart puristischen Nachwelt gerechnet, die aus solchen Fragen einen Dogmenstreit macht ... Gerade in Besetzungsfragen der Musik vor 1800 sollte gelten (im Sinne einer historisch informierten Praxis): Erlaubt ist alles, was möglich ist, gegeben ist, geschmackvoll ist und gefällt. Also bitte: Wer die Divertimenti solistisch bevorzugt, nur zu (meine Frage wäre: sollte man ein Generalbaß-Tasteninstrument hinzuziehen?). Chorische Besetzung? Gern!
    Für Kammerorchester bearbeiten? Warum nicht? Oder für Bläser-Besetzungen? Kein Problem!
    Herzliche Grüße
    Benjamin

  • Salut Ben,


    vom Grundsatz her vermag ich Dir Recht geben. Man beachte aber, dass viele dieser "Gelegenheitswerke" eben für eine spezielle Besetzung komponiert wurden und auf die Belange und Besonderheiten der Instrumente, die zur Verfügung gestanden haben, Rücksicht genommen wurde. Ganz so auf die "leichte Schulter" ist es daher nicht zu nehmen. Für den speziellen Fall der Umbesetzung wurden separate Partituren neu geschrieben, die musikalisch wie stimmlich im Detail teilweise extrem abweichen. Mozart hat deswegen beispielsweise - um solche Probleme zu verhindern - die Klavier-Konzert-Trilogie KV 413, 414 und 415 so komponiert, dass Bläser ad libitum genommen oder weggelassen werden können.


    Im Übrigen führen wir hier keinen Dogmenstreit - ich jedenfalls nicht. Ich gebe nur das wieder, was die Mozartforschung in jahrelanger Detailarbeit eruiert hat. Ein Paradebeispiel für Besetzungstechnische Fragen ist geradezu die Sinfonie g-moll KV 550, deren Besetzung Mozart bekanntlich bewußt verändert hat. Wenn Du die einzelnen Bläser-Stimmen [originär und nach Veränderung] vergleichst, wirst Du feststellen, dass ein "einfacher Austausch" der Instrumente auch für Mozart nicht immer ganz einfach war.


    Übrigens finde ich es nicht sonderlich korrekt, die Musik des 18. Jahrhunderts in besetzungstechnischen Fragen abzuwerten [so kommt es bei mir jedenfalls an...]. Sicherlich wäre es dann auch möglich, Bruckner oder Mahler mit Theorben einzuspielen. ;)


    Die Verwendung eines Generalbassinstrumentes ist gerade in der Zeit ab Mitte des 18. Jahrundert in Umbruchstimmung gewesen. Mozart benutzt beispielsweise in seinen Klavierkonzerten der "späteren Zeit" das Klavier gleichzeitig noch als Generalbassinstrument. Dies hängt aber eher damit zusammen, dass er während seinen Spiels gleichzeitig "dirigierte" bzw. das Orchester [an-]leitete, somit also ein kleine "Hilfe". Bei den Sinfonien aber entfällt der GB spätestens mit der Pariser Sinfonie...


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Mir ging es lediglich darum, darauf hinzuweisen, daß man Besetzungsfragen immer in einem großen Kontext diskutieren muß. Bruckner selbst hat beispielsweise seine Sinfonien auf der Orgel improvisierend weiter verwertet.
    Für welche Besetzung ein bestimmtes Werk ursprünglich auch immer geschrieben sein mag - in welcher Besetzung wir es heute aufführen mögen, bestimmt der Kontext. Musik des 18. Jahrhunderts läßt einfach auch heute weitaus mehr Gestaltungsmöglichkeiten, als die romantischen Imperative des Zeitalters der Industrialisierung beschränken wollten ...
    Weitaus trauriger ist, daß solche Fragen leider für die meisten Aufführenden bis heute nicht von Belang zu sein scheinen, weil sie ihnen zu "musikwissenschaftlich" anmuten ...

  • Salut,


    auch auf die Gefahr hin, als „stur“ abgestempelt zu werden, so sehe ich dennoch keine Gestaltungsmöglichkeiten, die man als „geduldet“ bezeichnen könnte. Insbesondere Mozart als einer der „besten“ Vertreter der Musik des 18. Jahrhunderts hatte ziemlich detaillierte Vorstellungen von „seiner Musik“. So hat er beispielsweise sein Flötenkonzert D-Dur [KV 285d] für Oboe umgeschrieben. Obwohl es sicherlich auch in D-Dur auf der Oboe spielbar wäre, hat er es nach C-Dur transponiert. Da ich das KV heute ausnahmsweise nicht unterm Arm dabei habe, könnte die Sachlage auch andersherum gewesen sein, also eine Transskripition vom Oboenkonzert in C-Dur in das Flötenkonzert D-Dur. Ja, ich glaube, so rum war es. Hinzukommt noch die Frage des „Klarinettenkonzertes“ KV 622, welches eigentlich für die von Stadler entwickelte Bassettclarinette komponiert wurde. Die häufigsten heutigen Wiedergaben dieses Konzertes werden auf einer modernen Böhm-Klarinette gespielt, was grundlegend falsch ist, aber niemandem vorgeworfen werden kann, der von der Existenz der Stadlerschen Bassettclarinette nicht weiß oder wusste. Der Klang des gesamten Konzertes ist dadurch verfälscht, die Bassettclarinette reicht mithin rund 2 Oktaven tiefer, was ein ganz anderes – viel schöneres – Klangbild an entsprechender Stelle produziert. Und so war es auch von Mozart beabsichtigt. Hier gebe ich Dir wiederum Recht, wenn Du meinst, [Zitat] Weitaus trauriger ist, daß solche Fragen leider für die meisten Aufführenden bis heute nicht von Belang zu sein scheinen, weil sie ihnen zu "musikwissenschaftlich" anmuten ... [Zitatende]. Diese Form der Musikwissenschaft, finde ich, gehört einfach dazu, wenn man ein Werk aufführen möchte.


    Sicherlich wurden bereits im 18. Jahrhundert die „Gassenhauer“ aus den Opern und Konzerten auf anderen Instrumenten wiedergegeben; aber: was das im Sinne des Komponisten? Ich denke, in der Regel kann man davon ausgehen, dass der Autor überwiegend diese Dinge geduldet hat, da es seinem Bekanntheitsgrad förderlich war, sicherlich aber nicht aus innerster Überzeugung...


    Was ich nicht verstehe ist, wie der Kontext bestimmen soll, in welcher Besetzung ein Werk gespielt wird. Sollte es nicht eher anders herum sein, dass das Werk passend zum Kontext ausgesucht wird?


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Lieber Ulli: Soll man deshalb allen, die Lust haben, das Konzert zu spielen, aber nicht über eine Stadlersche Klarinette verfügen, verbieten, das Stück zu spielen?
    Oder einem Bratscher verbieten, daß er es sich als Viola-Konzert transkribiert?
    So dezidiert bestimmte Werke im 18. Jahrhundert für bestimmte Anlässe, Solisten, Ensembles auch komponiert wurden, so sehr muß man halt auch heute in Betracht ziehen, das Komponisten, die auch ausübende Musiker waren, in Besetzungsfragen längst nicht so apodiktisch waren wie wir. Mir ist dann lieber, jemand spielt das Klarinettenkonzert auf einer modernen Klarinette, begleitet von den XYZ-Philharmonikern, als wenn da einer zu einer Bassettklarinette greift, vom Darmsaiten-Orchester begleitet wird, doch keiner von den Damen und Herren weiß dann beispielsweise, daß bei einem fp unter einer verbalkten Notengruppe daß forte für die ganze Gruppe gilt, oder keiner von denen weiß, daß Mozart dolce als Abschwächung des piano verstand ...
    Außerdem ist es heutzutage leider NICHT so, daß ein Werk passend zum Kontext ausgesucht wird. Leider ist es für die meisten heute ohne Belang, ob sie Werke, die nicht für 1500 bis 3000 Zuhörer fassende Säle komponiert wurden, dennoch in solchen aufführen sollten oder nicht. Oder ob beispielsweise dieses oder jenes Mozart-Konzert zu einer Bruckner-Sinfonie paßt oder nicht. Das sind immer ganz andere Gründe: Das Management muß dann beispielsweise noch Solist XYZ unterbringen, und der hat gerade nichts anderes drauf, und so kommt dann das Jeunehomme-Konzert vor Bruckners Vierte. Was solls? Außerdem: Mozart always sells a hall.

  • Salut,


    nein, so engstirnig bin ich nun wieder nicht. Natürlich kann und soll man es nicht verbieten, Werke zu transskribieren. Wer's mag, soll's gerne tun [lernt ja auch was dabei ;)] und spielen. Für mich gilt allenfalls, dass ich mir solches nicht anhören werde, da ich [vielleicht leider?] zu sehr vom Original abhängig bin.


    Zitat

    doch keiner von den Damen und Herren weiß dann beispielsweise, daß bei einem fp unter einer verbalkten Notengruppe daß forte für die ganze Gruppe gilt, oder keiner von denen weiß, daß Mozart dolce als Abschwächung des piano verstand ...


    Genau das finde ich extrem schade... da frage ich mich dann wirklich, wozu überhaupt Musik studiert wird... [es soll sich jetzt bitte niemand angegriffen fühlen].


    Ich jedenfalls suche die Konzerte, die ich ggfs. besuchen möchte, ziemlich detailliert nach dem Programm aus. In den meisten Fällen ist bei Konzerten, die ich besuche, gar kein Mozart dabei...


    Dein Kollege Dr. Erich Duda schreibt zum [Bassett-]Klarinettenkonzert von Franz Xaver Süßmayr:


    Zitat

    [...] Das Konzert verliert seine klangliche Eigenart durch das Fehlen der tiefen Töne. Wie wesentlich diese 'Tiefe' für die dafür geschriebenen Werke ist und wie stark deren Fehlen die Wirkung derselben abschwächt, hat schon Birsak anhand des Mozart-Konzertes KV 622 ausführlich dargelegt. [...]


    Dem kann ich nur voll zustimmen. Weiter schreibt Dr. Duda:


    Zitat

    [...]Die Zusammenfassung der neuesten Erkenntnisse über die Bassettklarinette und der bekanntesten Konzerte für dieses Instrument soll dazu dienen, diese bemerkenswerten Forschungsergebnisse [...] im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen, was bisher nicht ausreichend der Fall war. [...]


    Abschließend wird der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß auch die Experten auf diesem Gebiet sich den angeführten, durch Fakten und begründete Überlegungen untermauerten Argumenten anschließen [...]


    Vielleicht sollten wir jetzt aber wieder zu den Quartett-Divertimenti KV 136-138 zurückkehren...


    beste Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)