Akademische Ehren - Joseph Haydn: Sinfonie Nr 92 "Oxford"

  • Liebe Taminoianer


    Nein Sie wird nicht zu den "Londoner Sinfonien gezählt, obwohl sie zeitlich, stilistisch und dem Anlass nach dazuzuzählen wäre:
    Die Rede ist von Haydns Sinfonie Nr 92 in G-dur mit dem Beinamen "Oxford" Sie verdankt diesen Titel der Tatsache, daß ihre Uraufführung 1791 anlässlich Haydns Promotion in Oxford im Jahre 1791
    stattfindet, drei Jahre nachdem sie (eigentlich für Paris) komponiert worden war.



    Verhalten uind leicht melancholisch ist der Beginn, immer wieder von kräftigen und lebensfroheren Akzenten unterbrochen. Im wunderbaren 4. Satz wandelt sich jedoch die Stimmung und die Sinfonie kommt rhytmisch und jubelnd ans Ende.


    Wie schon vorher angedeutet, gehört diese Sinfonie zum Spätwerk Haydns und braucht mit den "Londoner Sinfonien keinen Vergleich zu scheuen.


    Meine Referenzaunahmen benene ich zu einem späteren Zeitpunkt


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Erst kürzlich erworben und so zufrieden damit, dass es mich nach keiner weiteren Aufnahme zum Vergleichen verlangt:



    Haydn, Symphonien Nr. 91 & 92
    +Scena di Berenice H24a:10
    Bernarda Fink, Freiburger Barockorchester, Rene Jacobs (HMF)


    Gruß, Cosima

  • Hallo zusammen,


    selten liegen in einer Haydn-Sinfonie Gelehrsamkeit und Ausdruck so eng beieinander wie in dieser, der Sinfonie Nr. 92 in G-Dur. Vor allem der Schlusssatz bietet eine Fülle von "gelehrten" Details und polyphonen Satztechniken - und das tolle ist: Man merkt es gar nicht wirklich.


    Die Einleitung des ersten Satzes ist noch bemerkenswert verhalten, keineswegs feierlich oder pompös, sondern eher introvertiert - umso stärker fällt das verspielte Thema des Hauptsatzes auf, das nach zögerndem Einsatz von Lebensfreude kündet, und das über ein sehr kurzes Seitenthema sofort in die Durchführung gerät, die eher düster beginnt. Der langsame Satz fällt beim ersten Hören vor allem auf, weil sehr ungewöhnlich Pauken und Trompeten immer wieder in den formal einfach gebauten Satz einbrechen. Der Schluss des Satzes gehört für mich zu den bemerkenswertesten Stellen in Haydns Schaffen überhaupt. Das Menuett erscheint mir eher beschaulich denn wild, ein gemütlicher, fast großväterlich wirkender Tanz. Der "gelehrige" letzte Satz zeigt, dass Spass und Gelehrsamkeit nicht getrennt sein müssen - wer mag, kann sich an der Fülle polyphoner Details freuen, wer's nicht mag, wird von dem Wirbel des Satzes dennoch mitgerissen.


    Die Jacobs-Aufnahme, die Cosima nannte, interessiert mich sehr. Ich will hier auf eine hinweisen, die wegen "Kleinlabels" sicher nicht unbedingt jedem geläufig sein wird: Hugh Wolff und das RSO Frankfurt bemühen sich seit dem Amtsantritt Wolffs kontinuierlich darum, Haydn für das "moderne" Sinfonieorchester zurückzugewinnen. Auf dem HR-eigenen Label hr-musik.de haben sie so auch eine Aufnahme dieser Oxforder Sinfonie vorgelegt:



    Das Orchester benutzt in Hörner, Trompeten, Pauken und Flöten moderne Kopien von "historischen" Instrumenten, die Streicher sind "modern" besetzt. Wolff ist nicht daran gelegen, ein streng "historisches" Klangbild zu schaffen, sondern die Sinfonie in ihrer ganzen Fülle heute erfahrbar zu machen. Er hat ein ungewöhnliches Faible für Haydn, was erfreulich ist, da er seinen Zugang Musikern und Publikum gut zu vermitteln weiss (wer das einmal live gesehen hat, wird nie wieder behaupten, es gäbe heute keine Dirigenten mit Charisma mehr....). Holz und Streicher (die Violinen gegenüber gesetzt, so dass das Wechselspiel zwischen 1 und 2 gut herauskommen kann) sind sehr gut ausbalanciert, die Tempi und die Phrasierung erscheinen auf mysteriöse Weise "richtig", spontan und nie "gewollt" einstudiert. Den Spass, den alle beteiligten an den Aufnahmen im Sendesaal des HR hatten, merkt man in jeder Sekunde, und die Spannung springt einen durch die Lautsprecher noch an - was will man mehr! Eine Aufnahme, die auf's beste zeigt, dass es heute durchaus herausragendes gibt - man muss es nur suchen und finden ;)


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Meine favorisierte Aufnahme ist folgende (wobei ich leider nur wenige kenne, vielleicht sollte ich versuchen, Wolffs zu finden[edit: die von Claus genannte CD Wolffs/RSO FFM sowie eine weitere mit 88, 89 und 91 bestellt =)]), mit dem hier bisher kaum erwähnten Hans Rosbaud


    1006816.jpg


    Sehr energisch (und schnell) in den Ecksätzen, dabei jedoch mit dem Gewicht eines vollen Orchesters. Den Kopfsatz habe ich nie als "spielerisch (trotz der virtuosen Oboensoli), sondern als einen recht unwirsch beginnenden, insgesamt sehr dramatischen Satz empfunden, die Einleitung sogar als melancholisch. Wie einige anderen Sinfonien Haydns hat das Hauptthema "offenen" Charakter und geht praktisch übergangslos in motivisch-kontrapunktische Verarbeitung über; eine "tour de force", wie im Finale vollkommene Verbindung von "gelehrtem" Stil mit klassischer Form.
    (Rosen stelt sie diesbezüglich, was auch zeitlich etwa hinkommt, Mozarts Prager Sinfonie, die bei extrem geweiteten Dimensionen ähnliche Charakteristika aufweist, an die Seite)
    Sehr deutlich, fast brutal werden die Kontraste im langsamen Satz herausgearbeitet. Diese Eigenschaften werden durch den etwas trockenen Monoklang noch unterstützt. Begleitet von vergleichbar strengen, IMO ebenfalls maßstäblichen Aufnahmen von #104 (etwas langsam in Kopfsatz und Menuett allerdings)) und des 4. Mozartkonzerts (obwohl die Oxford wirklich heraussticht).
    Die in Boxen verborgenen Einspielungen von Dorati und Scherchen sind sehr gut, allerdings mir beide im Finale zu gemäßigt (d.h. zu langsam und nicht energisch genug, um das wettzumachen).


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Dann will ich meinen heute geschriebenen Wikipedia Artikel zu Haydns Oxford-Sinfonie mal hier veröffentlichen :) meiner Meinung nach kommt der Oxford-Sinfonie ein ganz besonderer Stellenwert zu! Näheres nun:


    Joseph Haydns 92. Sinfonie in G-Dur ist unter dem Beinamen Oxford bekannt und nimmt eine besondere Stellung in Haydns sinfonischen Schaffens ein. In ihr wird die Verschmelzung von Orchester- und Kammermusik deutlich.


    Orchestermusik wurde im 18. Jahrhundert vorwiegend komponiert, um das breitere Publikum zu unterhalten, während Kammermusik zum eigenen Gebrauch diente und gewöhnlich kompositorisch anspruchsvoller war. Mit den Londoner Sinfonien - die Oxford-Sinfonie wurde unmittelbar davor komponiert - bindet Haydn diese intellektuellen Aspekte in seine Orchesterwerke ein. Dies zeigt sich besonders deutlich im ersten Satz der 92. Sinfonie. Sie ist nicht auf klassische Weise klar gegliedert, sondern zeichnet sich durch höchste motivisch-thematische Arbeit aus, wobei das gesamte Material schon in der langsamen Einleitung vorgestellt wird. Das viertaktige Hauptthema, welches nach der Einleitung folgt, kehrt als Motiv (Musik) sieben Mal wieder, wobei Harmonisierung und Orchestration sowie die Funktion variieren.
    Der Name der Sinfonie ist insofern missverständlich, da sie eigentlich schon vor Haydns Englandreise, 1788 auf Schloss Esterhaza, für Auftritte in Paris komponiert worden war. Haydn führte sie auf, als ihm an der Universität in Oxford die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Sie steht in vier Sätzen:


    Adagio - Allegro spiritoso
    Adagio
    Menuett und Trio: Allegretto
    Presto


    Die größere Besetzung zeigt den oben angesprochenen Wandel in Haydns sinfonischem Schaffen: Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner in G, 2 Posaunen, Pauken in G und D, Streicher (Violine 1 u. 2, Viola, Cello, Kontrabass)


    Wem Lücken auffallen und wer ergänzen will, kann dies übrigens gerne auch bei Wikipedia tun, der Artikel ist unter 92. Sinfonie (Haydn) zu finden :yes:


    Als Aufnahme empfehle ich das Adam-Fischer Set, welches auch alle anderen Sinfonien beeinhaltet. Wirklich großartig! Auf modernen Instrumenten gespielt, klingt es dennoch sehr leicht und richtig wie Haydn. Der Humor kommt deutlich rüber und man spürt richtig, dass des dem Orchester Spaß macht, zu spielen.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

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  • Salut,


    Zitat

    Original von rappy
    Dann will ich meinen heute geschriebenen Wikipedia Artikel zu Haydns Oxford-Sinfonie mal hier veröffentlichen :)


    das nenne ich einen braven Tamino! :jubel:


    Zitat


    Die größere Besetzung zeigt den oben angesprochenen Wandel in Haydns sinfonischem Schaffen: Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner in G, 2 Posaunen, Pauken in G und D, Streicher (Violine 1 u. 2, Viola, Cello, Kontrabass)


    Wodurch wurde dieser "Wandel" verursacht? Ich vermute - wie so oft - durch das Vorhandensein des dortigen tüchtigen und - großen! - Orchesters.


    Ich finde es übrigens interessant, dass Haydn in so einem Falle - wie auch Mozart - nicht zwei, sondern lediglich eine Flöte vorschreibt; wobei die übrigen Holzbläser [hier ohne Clarinette] jeweils doppelt besetzt sind.


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli


    Trompeten (trombe), nicht Posaunen (trombone)!!!
    Meines Wissens tauchen in einer Sinfonie (nicht Opernouverture) zum ersten Mal in Beethovens op. 67 Posaunen auf (steht so jedenfalls in jedem Konzertführer...).
    Die Besetzung von #88 ist so weit ich weiß identisch. Bei #86 und #90 bin ich mir nicht ganz sicher, vermute aber auch. #82 hat Trompeten/Hörner alternierend, d.h. entweder von denselben Musikern gespielt oder die Quellenlage ist nicht ganz klar (es gab diese Hörner in B oder C "alto", die eine Oktave höher erklingen als notiert); es dürfte auch noch ein paar frühere geben (vielleicht aber ohne Flöte). Kann das momentan leider nicht nachschauen. Aber seit den "Pariser Sinfonien" (1785) ist für Haydn Flöte, Oboen, Fagotte, Hörner Standard, Trompeten und Pauken treten je nachdem, meist in C- und D-Dur-Werken, hinzu. 88, 92 (diese waren ja auch für Paris) und die Londoner haben dann alle Trompeten/Pauken, egal in welcher Tonart.


    Zitat


    Ich finde es übrigens interessant, dass Haydn in so einem Falle - wie auch Mozart - nicht zwei, sondern lediglich eine Flöte vorschreibt; wobei die übrigen Holzbläser [hier ohne Clarinette] jeweils doppelt besetzt sind.


    Ich hätte gehofft, Du wüßtest, warum? Gibt es sogar noch vereinzelt bei Beethoven (4. Sinfonie). Haben die letzten drei Mozart-Sinfonien 2 Flöten?
    Bei früheren Stücken werden Oboen und Flöten ja häufig von den gleichen Musikern gespielt (in einem Mozartschen Violinkonzert wird für den Mittelsatz gewechselt). Aber das kann ja nicht der Grund für nur eine Flöte und die restlichen Holzbläser paarweise sein...


    viele Grüße


    JR

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  • Ich glaube Mozarts 40. hat auch nur eine Flöte, bin mir aber nicht sicher.


    Danke für die Berichtigung bezüglich der Verwechselung Posaunen/Trompeten.
    Hab mich wohl verlesen.


    Schon verwunderlich dass bis Beethoven nie Posaunen verwendet wurden und dann auf einmal 3 (!) zur Standardbesetzung gehörten - mehr als alle anderen Bläser (außer Hörner). Weiß jemand warum?

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Salut,


    KV 504 treibt je zwei Flöten und Oboen auf, KV 503 ist wieder unser Thema. KV 543 nur eine Flöte, keine Oboen, aber 2 Clarinetten., KV 550 und 551 wieder 1:2. Die DG-Ouvertüre hat den gesamten Holzbereich doppelt besetzt. Haydns Trompetenkonzert ist diesbezüglich auch merkwürdig.


    Bei Mozart und Haydn übrigens wurden die Trompeten als "Clarini" deklariert...


    :hello:


    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Salut,


    vielleicht war es doch DAS:


    Mozart rechtfertigt sich seinem Vater gegenüber über das beschwerliche Vorankommen bei der Komposition eines der Flötenkonzerte für Wendling:


    […] daß ich es nicht hab fertig machen können, ist ganz natürlich. ich habe hier keine ruhige stund. Ich kann nichts schreiben, als nachts; mithin kann ich auch nicht früh aufstehen. zu allen zeiten ist man auch nicht aufgelegt zum arbeiten. hinschmieren könnte ich freylich den ganzen tag fort; aber so eine sach kommt in die welt hinaus, und da will ich halt daß ich mich nicht schämen darf, wenn mein Namm drauf steht. Dann bin ich auch, wie sie wissen, gleich stuff wenn ich immer für ein instrument /: das ich nicht leiden kann :/ schreiben soll. […]


    [14. Februar 1778 aus Paris]


    Dennoch glaube ich, dass Mozart – wie übrigens Haydn auch – Instrumentationsspezialisten waren; gerade und besonders, was die Holzbläser betrifft. Die Flöte setzt Mozart zumeist als dramatisches Element ein [zum besonderen Beispiel: Idomeneo].


    Die Gründe für die einfache Besetzung der Flöte liegen für mich daher entweder bei einem Mangel an [guten] Flötisten [schwer vorstellbar!] oder einfach in der Klangvorstellung, die der jeweilige Komponist hatte.


    Die im Trompetenkonzert-Thread vertretene These [Reibung] schließe ich aus, dazu gibt es zuviele Gegenbeispiele.


    Cordialement
    Ulli

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  • Dass diese Gründe ausreichen, glaube nicht. ;) Haydn u.a. dürften diese Abneigung nicht geteilt haben, irgendwie muß es einen historischen Grund geben über einzelne Komponisten hinaus, warum eine einzelne Oboe völlig ausgeschlossen wäre, aber eine Flöte reicht.
    Im Barock gehören die Oboen ja zum "Standard" und spielen häufig mit den entsprechenden Violinstimmen mit bzw. asl Kontrast gegen dei Streicher mit dem Fagott als "Trio" (kommt IIRC aus der frz. Tradition, Lullist?); eine oder mehrere Flöten im Barock-Orchester sind eher ein zusätzlicher "Luxus". In der Frühklassik ist ja die häufigste Besetzung für Sinfonien Streicher, 2 Oboen, 2 Hörner, evtl. ein Fagott, das meist aber nur mit Bässen und Celli spielt, dazu bei festlichen Stücken evtl. Trp./Pk. Das zweite bzw. überhaupt selbständig geführte Fagott ist schon eine Erweiterung, ebenso wie die Flöte.
    Die Oboen waren sozusagen von Anfang an dabei, das ist aber noch keine gute Begründung. Wie sieht es mit dem Tonumfang aus? Vielleicht kommt die Flöte einfach nicht tief genug, um tonsatzmäßig so wichtig zu sein wie die 2. Oboe??? Oder liegt es an der aus der Militärmusik stammenden üblichen "Harmonie"-Besetzung. Die drei großen Bläserserenaden von Mozart kommen ja ganz ohne Flöten aus. Vielleicht waren Flöten zu leise für Freiluft- und Militärmusik, daher Flötisten tatsächlich viel seltener?


    (vielleicht sollte man das in einen anderen thread verschieben?)


    viele Grüße


    JR

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  • Zitat

    Original von C.Huth
    Ich will hier auf eine hinweisen, die wegen "Kleinlabels" sicher nicht unbedingt jedem geläufig sein wird: Hugh Wolff und das RSO Frankfurt bemühen sich seit dem Amtsantritt Wolffs kontinuierlich darum, Haydn für das "moderne" Sinfonieorchester zurückzugewinnen. Auf dem HR-eigenen Label hr-musik.de haben sie so auch eine Aufnahme dieser Oxforder Sinfonie vorgelegt:



    Das Orchester benutzt in Hörner, Trompeten, Pauken und Flöten moderne Kopien von "historischen" Instrumenten, die Streicher sind "modern" besetzt. Wolff ist nicht daran gelegen, ein streng "historisches" Klangbild zu schaffen, sondern die Sinfonie in ihrer ganzen Fülle heute erfahrbar zu machen. Er hat ein ungewöhnliches Faible für Haydn, was erfreulich ist, da er seinen Zugang Musikern und Publikum gut zu vermitteln weiss (wer das einmal live gesehen hat, wird nie wieder behaupten, es gäbe heute keine Dirigenten mit Charisma mehr....). Holz und Streicher (die Violinen gegenüber gesetzt, so dass das Wechselspiel zwischen 1 und 2 gut herauskommen kann) sind sehr gut ausbalanciert, die Tempi und die Phrasierung erscheinen auf mysteriöse Weise "richtig", spontan und nie "gewollt" einstudiert. Den Spass, den alle beteiligten an den Aufnahmen im Sendesaal des HR hatten, merkt man in jeder Sekunde, und die Spannung springt einen durch die Lautsprecher noch an - was will man mehr! Eine Aufnahme, die auf's beste zeigt, dass es heute durchaus herausragendes gibt - man muss es nur suchen und finden ;)


    ich zitiere c.huth so ausführlich, weil es schon so lange her ist.
    thomasbernhard, ein philanthrop aus frankfurt (ich weiß nicht, was diese österreicher immer gegen ihn haben :D ) hat sie mir mitgebracht, und ich bin ganz begeistert!
    :hello:

  • Salut,


    so kommt man also zum Doktortitel: Indem man die Franzosen um eine Sinfonie betrügt und den Briten eine falsche unterschiebt... :D



    dann zitiere ich JR, der sie an mich abgetreten hat. Stimmt eigentlich alles. Ich finde sie insgesamt extrem abwechslungsreich: Die Einleitung rückt Haydn schon in die Nähe Gustav Mahlers [in langsamen Sätzen], was folgt ist dann fast überraschend spritzig! Die Klangqualität aber finde ich insgesamt eher dürftig, da gibt es ältere Aufnahmen, die klangqualitativ besser sind. Trotzdem ist dies kein Grund, die Einspielung nicht zu hören. Ohnehin ist der Hauptsatz dieser Sinfonie irre kurios, mit einem Septimen- resp. Tritonusthema beginnend, was sicherlich nichts Ungewöhnliches für unsere Ohren sein sollte: Es ist es dennoch!


    Was auch absolut stimmt ist, dass die enthaltene Nr. 104 äußerst mysteriös beginnt...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Salut,


    in einem fiktiven Tamino-Haydn-Sinfonien-Ranking ist die 'Oxford' derzeit meine liebste. Aus den Gründen:


    Das Anfangsthema des 1. Satzes [nach der lgs. Einleitung] ist im Prinzip nichts anderes als die vorweggenommenen Schlußtakte der Coda der Exposition [septimenbehaftet]. Nicht nur allein, dass das Thema kurios wirkt - die Genialität Haydns zeigt sich hier eigentlich erst dann wirklich, wenn die Exposition wiederholt wird: Dann ergibt sich nämlich ein perpetuum mobile - man weiß nicht, wo sich der Kreis wirklich schließt, wobei vorher noch im Laufe der eigentlichen Coda der Beginn der Durchführung vorgegaukelt wird.


    Das ist großartig!


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Salut,


    bewaffnet mit einem neuen Sinfonienklotz von Haydn gehts in die nächste Runde - auch die Pariser Sinfonien Nr. 82-87 werden bald an der Reihe sein!


    Nun aber kurz zu:



    Joseph Haydn [1732-1809]
    Sinfonie Nr. 92 "Oxford"


    La Petite Bande
    Sigiswald Kujiken


    Die Einspielung hat mir sehr gemundet! :] Das Tempo des 2. Satzes ist hier relativ zügig, so dass keine rosbaudsche Kriegsdynamik aufkommt - dennoch ist der Satz überwältigend gut interpretiert, sehr zackig und kräftig. Besonders die Pizzicati sind sehr schön hör- und fühlbar, die Bässe ausgezeichnet tief und sauber, die Fagotte unverschwommen in den akustischen Vordergrund drängend. Überhaupt sind die Bläser insgesamt sehr gut - selten hört man so exaktes und unaufdringliches Blech!


    Die Zeiten:


    [07:38] I Adagio - Allegro spiritoso
    [07:20] II Adagio
    [05:07] III Menuetto Allegretto
    [05:44] IV Presto


    Schön!


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Zum Thema Flöten/Oboen muß man wissen und berücksichtigen, daß zu Haydns Zeiten oft beide Instrumente von den gleichen Spielern bedient werden konnten!

  • 1788/89 – also etwa gleichzeitig mit Mozarts letzter Trias – komponierte Haydn drei Sinfonien, die in für ihn ungewöhnlich hohem Maße zyklisch konzipiert sind (Nr. 90-92): ihre Grundtonarten (C-Es-G) ergeben den c-moll-Dreiklang, langsame Einleitung und Hauptsatz stehen immer im 3/4, die langsamen Sätze immer im 2/4-Takt, es gibt strukturelle Gemeinsamkeiten usw. Haydn zeigte sich bei der Verwertung des Dreigestirns als geschäftstüchtig, um es milde auszudrücken: er schickte die Werke gleich zwei Auftraggebern, die voneinander nichts wussten: einmal (wie die Pariser Sinfonien) dem Comte d’Ogny in Paris für das Concert de la Loge Olympique, zum anderen dem Fürsten Kraft Ernst zu Oettingen-Wallerstein, der für seine angesehene Hofkapelle drei Sinfonien bestellt hatte. Während Paris die Autographen bekam, erhielt der Wallersteinsche Fürst nur Stimmenkopien, diese auch noch verspätet – eine ziemliche Dreistigkeit, die sich Haydn aber inzwischen aufgrund seines enormen Renomées leisten konnte.


    Ihren Beinamen Oxford-Sinfonie erhielt das heute als Nr. 92 gezählte Werk bekanntlich, weil Haydn es 1791 aus Anlass seiner Ehrenpromotion an der Universität Oxford aufführte. Offensichtlich schätzte der Komponist die Sinfonie in besonderem Maße, und enorme Wertschätzung wird ihr bis heute entgegengebracht. Sie zählt zu den am häufigsten aufgeführten Werken Haydns und Robbins Landon hielt sie für die bedeutendste der bis dato von Haydn komponierten Sinfonien.


    Der erste Satz beginnt mit einer auch für Haydn’sche Verhältnisse wunderschönen Adagio-Einleitung: einzigartig, wie sich – von Pausen unterbrochen – ein gesangliches Thema mit reichen Mittelstimmen in den Streichern entwickelt und wie sich anschließend eine insistierende Achtelbewegung nach Moll wendet und dynamisch gesteigert wird. Auf die kühne Überleitung zum Allegro-spiritoso-Hauptsatz hat weiter oben bereits Ulli hingewiesen: die Musik stockt, die ersten Geigen artikulieren sich suchend, rezitativisch auf der Doppeldominante – und dann beginnt das Hauptthema ungewöhnlicherweise auf dem Dominantseptakkord. Erst nach dem ab- und aufwärtskurvenden Thema wird mit dem Tutti-Forte in T. 25 die G-dur-Tonika bestätigt. Die Dichte der thematischen Arbeit in diesem Satz ist bemerkenswert: bereits in T. 35, lange vor seinem eigentlichen Erscheinen, wird in den Holzbläsern der Rhythmus des Seitenthemas angedeutet. Das Hauptthema erscheint immer mehr „angereichert“, bei seinem dritten Auftreten sogar mit einem veritablen Gegenthema, das dann in der Durchführung eine wichtige Rolle spielen wird. Das Seitenthema kommt zunächst harmlos musikantisch daher und wird nur kurz ausgeführt – gleich zu Anfang der Durchführung allerdings ändert der Themenkopf radikal seinen Charakter und tritt recht herrisch im Unisono auf. Es folgt ein Abschnitt mit ungemein konzentrierter thematischer Arbeit, bei der Haupt- und „Gegen“-Thema sowie das Seitenthema miteinander kombiniert werden, und die in eine äußerst energiegeladene, von durchgehender Sechzehntelbewegung begleiteter Passage mündet, die triumphierend auf der Tonika endet. Ungewöhnlich die Gestaltung der Reprise: zunächst wird das Hauptthema von Violinen und Flöte im Kanon gespielt, dann scheint es regulär weiterzugehen – bis zu einer von Chromatik durchsetzten Stelle, in der sich eine Abspaltung des Hauptthemas festrennt. Viel zu früh taucht das Seitenthema auf, zudem in der falschen Tonart, und wird in konzentrierter Form mit den anderen Themen verknüpft (eine Art zweiter Durchführung). Erst eine weitere Tutti-Passage führt zur „richtigen“ Reprise des Seitenthemas. In der spannungsreichen Coda kommt es schließlich zu einer Art Apotheose der beiden Haupthemen: das erste erscheint schmetternd im Fortissimo, das zweite wird von brillanten Sechzehntelläufen der Holzbläser umspielt.


    Das Adagio im 2/4-Takt zählt zu den schönsten langsamen Sätzen Haydns. Es lässt sich als dreiteilige Liedform beschreiben: die Rahmenteile werden von einer leicht melancholisch verschatteten Cantabile-Melodie in D-dur dominiert, die gleich zu Anfang von wunderbaren Mittelstimmen begleitet wird und sich dann chromatisch mit Seufzermotiven eintrübt. Besonders schön finde ich, wie Haydn bei der Überleitung zu einer variierten Wiederholung die tiefen Lagen von Geigen und Bratschen nutzt (T. 21-22, variiert mit origineller Fagottstimme in T. 84-85). Der in d-moll stehende Mittelteil besteht aus einem energischen, mehrfach variiert wiederholtem Marschmotiv, in dem Trompeten und Pauken zur Geltung kommen, und einer unruhig-klagenden Antwort in den Streichern, dann im Holzbläsersatz. Die verkürzte Wiederholung des D-dur-Teils fasziniert klanglich in „romantisch“ wirkenden Streicherpartien (T. 88ff.), einer sich verselbständigenden 32tel-Figur, die sich harmonisch verirrt (T. 93ff.), einem überraschenden, aber nach Dur aufgehellten Wiederaufgreifen der Motivik des Mittelteils in den Holzbläsern (T. 99ff.) und einem wunderschönen Abgesang mit Molleintrübungen (T. 107ff.). Das alles in dichtester Folge.


    Das Menuett klingt zunächst scheinbar konventionell, ist aber bereits im A-Teil ziemlich komplex gegliedert: in zwei sechstaktigen Phrasen werden asymmetrisch vier Motive entwickelt (ABC und AD). Der Mittelteil wird dann unversehens fast aggressiv – mit einer wilden Synkopenbewegung, gefolgt von einer erschreckten Generalpause. Darauf erscheint eine Durchführung der verschiedenen Motive, die diese gar nicht mehr als konventionell erscheinen lässt und zeitweise marschartige Züge annimmt. Das Trio ist in besonders origineller Weise nicht als Kontrast, sondern als Fortführung des Menuetts mit anderen Mitteln angelegt. Dessen synkopierte Passage wird zu einem Motiv umgeformt, dem ein ländlerhaftes, an Motiv C aus dem Menuett angelehntes Thema antwortet. Es kommt auch hier zu einer sehr dicht gearbeiteten Durchführung; schließlich verselbständigt sich der Anfang des aus C entstandenen Themas und wandelt sich unmerklich zum Auftaktmotiv von A – das Trio führt also „organisch“ in das Menuett zurück. Sehr kunstvoll!


    Der letzte Satz, Presto im 2/4-Takt, zählt zu den zugleich mitreißendsten und konzentriertesten Finali Haydns. Ein Thema mit Kehrauscharakter, allerdings von Chromatik durchsetzt, erscheint ohne Mittelstimmen über dem permanent repetierten G der Celli. Es wird in vielfacher Form thematisch verarbeitet – auseinandergenommen (T. 32ff.), von Gegenstimmen kontrastiert (T. 54ff. und T. 97ff.), nach Moll gewendet und vorwärtsstürmend, aber gleich vor die Wand einer Generalpause laufend (T. 113ff.), kontrapunktisch durch den Wolf gedreht (T. 129ff. und noch einmal – besonders schön – T. 257ff.), feurig im Unisono auf die Reprise zustürmend (T. 203ff.), kurz vor dem Schluss fast innehaltend und von zarten Pizzicati begleitet. Dem steht ein perpetuum-mobile-artiges Seitenthema in Achtelbwegung gegenüber (T.79ff.), das sich ebenfalls zu beachtlicher thematischer Arbeit in der Lage zeigt und am Ende der Durchführung seine Ähnlichkeit mit dem Hauptthema enthüllt (T. 195ff.). Es handelt sich formal um einen regelgerechten Sonatensatz, trotzdem bleibt der Finalcharakter unverkennbar. Das Gleichgewicht zwischen fast trotziger Energiegeladenheit und fantasievollstem thematischen Spiel ist mirakulös. Summa cum laude!



    Viele Grüße


    Bernd

  • Es gibt viele ausgezeichnete Aufnahmen der Oxford-Sinfonie - einige seien hier kurz erwähnt.



    Nicht ganz zu Unrecht der unangefochtene Star unter den HIP-Einspielungen der Sinfonie dürfte Jacobs mit dem Freiburger Barockorchester sein. Das Ensemble spielt atemberaubend - schnell und wild im Finale (ein paar kleinere Noten werden allerdings verschluckt), ungeheuer klangschön, lyrisch und mittelstimmenbetont in der langsamen Einleitung und im Adagio. Sehr abwechslungsreiche, aber nur selten manierierte Artikulation. Toll! Von Jacobs und den Freiburgern wünsche ich mehr Haydn.





    Hervorragend aber auch die oben von Ulli erwähnte Aufnahme mit Sigiswald Kuijken und seiner kleinen Bande. Eine Interpretation ohne die aparten Radikalitäten bei Jacobs - aber man hat stets das Gefühl, alles sei hier "richtig". Ebenfalls herausragend klangschönes und - wenn notwendig - akzentuiertes Orchesterspiel.





    Dagegen fällt die beileibe nicht schlechte Brüggen-Aufnahme doch etwas ab. Goodman kenne ich nicht.



    Bei den Nicht-HIP-Einspielungen muss ich schon wieder auf die neuen Aufnahmen mit Adam Fischer hinweisen (nicht die aus der großen Box!). Äußerst pointiert, jederzeit historisch informiert, mit bemerkenswert schnellen Tempi in den langsamen Teilen (schneller als die HIPper) und wie immer im Menuett etwas langsamer, aber nicht behäbig, sondern höchst abwechslungsreich.





    Ja, und ich finde auch die neue Rattle-Aufnahme mit den Berlinern gut. Hier wird vorbildliche Detailarbeit geleistet, Rattle kennt sich hörbar mit historischer Aufführungspraxis aus. Sehr schönes Spiel aller Instrumentengruppen, je nach Geschmack könnte man sich noch ein etwas kantigeres Klangbild vorstellen. Nur wenige, aber interessante Manierismen.





    Wer eine gute, von allen HIP-Erkenntnissen freie, aber mit vernünftigen Tempi aufwartende Einspielung möchte, trifft mit Bernstein und den Wiener Philharmonikern keine schlechte Wahl:





    Jetzt bin ich mir nicht sicher, ob das noch eine Empfehlung ist: aber wer eine HIP-freie Zone mit unvernünftigen Tempi betreten will, kann unbesehen zu Klemperers gerade neu wieder aufgelegten Aufnahmen greifen. Einleitung und Adagiosatz kommen in brucknerischer Schwere mit beträchtlichem Vibrato daher, auch die anderen Sätze können nicht gerade als beschwingt bezeichnet werden. Aber manchmal holt Klemperer (mit wie immer tollen Holzbläsern) eben doch unerwartete Dinge aus der Musik heraus, etwa im ersten Satz oder im Mittelteil des Menuetts.





    Viele Grüße


    Bernd

  • Durchgehend benutzt Roy Goodman in den Einspielungen mit der Hannover Band herausgegeben vom Label Hyperion ein Tasteninstrument als Continuo.


    Kleine Ausschnitte sind auf der Internetpräsenz der englischen Firma zu hören:


    hyperion-records.co.uk/tw.asp?w=W924&t=GBAJY9152109&al=CDH55125


    Auch Sigiswald Kuijken mit dem Orchestra of the Age of Enlightement benutzt ein Cembalo in seinen Einspielungen.


    Gruß
    Jörg

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  • Auch bei Jacobs ist stellenweise deutlich ein Fortepiano zu vernehmen (oder ich habe Halluzinationen :untertauch:).


    An einer Stelle wiederholt das Hammerklavier ein Motiv der Flöte (glaube ich; muss mal wieder reinhören) - ich hab mich schon so daran gewöhnt, dass ich es in anderen Einspielungen vermisse.

  • Salü,


    mir scheint aber der Gebrauch des Cembalo resp. Hammerflügels bei den Sinfonien ab etwa 80 völlig überflüssig zu sein, wie auch bei Mozarts Sinfonien etwa ab KV 338. Nicht umsonst stellt Haydn in seiner Nr. 98 eine Persiflage auf den Cembalogebrauch her.


    Ich muß allerdings zugeben, daß das Cembalo mich bei Sigiswald Kuijken nicht sonderlich gestört hat. Wäre es ein Hammerflügel gewesen, was m. E. zeitgemäßer gewesen wäre [unabhängig davon, daß der Gebrauch von Continuoinstrumenten zwar nicht unüblich aber überflüssig war], hätte es mich vermutlich wegen des deutlicheren Klangs mehr gestört.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Arietis
    Durchgehend benutzt Roy Goodman in den Einspielungen mit der Hannover Band herausgegeben vom Label Hyperion ein Tasteninstrument als Continuo.


    [...]


    Auch Sigiswald Kuijken mit dem Orchestra of the Age of Enlightement benutzt ein Cembalo in seinen Einspielungen.


    Nur dass man bei Goodman manchmal weniger ein Continuo als ein Cembalo- bzw. Klavierkonzert zu hören vermeint (vgl. dazu den Thread zur Nr. 102)... :D



    Zitat

    Original von bachiana
    Auch bei Jacobs ist stellenweise deutlich ein Fortepiano zu vernehmen (oder ich habe Halluzinationen :untertauch:).


    An einer Stelle wiederholt das Hammerklavier ein Motiv der Flöte (glaube ich; muss mal wieder reinhören) - ich hab mich schon so daran gewöhnt, dass ich es in anderen Einspielungen vermisse.


    Jacobs lässt in der Tat ein (sehr schön klingendes) Hammerklavier continuieren, das sich gerade im langsamen Satz schon mal gerne etwas verselbständigt. Hier passt das Instrument aber ausgezeichnet zum Streicher- und Holzbläserklang. Goodman hat die Instrumente wohl eher bei Ikea eingekauft.


    :untertauch:



    Viele Grüße


    Bernd

  • Ich habe jetzt noch keine Zeit gehabt nochmal in Jacobs reinzuhören. Bei Hugh Wolff/RSO Frankfurt klimpert ein Cembalo mit.


    Ich mache aber keinen Hehl daraus, daß ich ein Continuo bei Haydns Sinfonien für überflüssig bis störend halte. Nachweislich (sofern man Abwesenheiten nachweisen kann) spielte im Eszterhazyschen Orchester in den 1760er/70er Jahren kein Tasteninstrument mit (vgl. dazu Ausführungen in den Beiheften der Hogwoodschen Aufnahmen).
    Und ich bezweifle sehr stark, daß bei den erwünschten/tatsächlichen Besetzungen für die Sinfonien ab Nr. 82 (40 violin, 10 bassi und die Bläser alle doppelt...) ein Tasteninstrument irgendeinen Sinn hat, unabhängig davon, ob seinerzeit eines verwendet wurde oder nicht. Unhörbar im tutti, kann es allerhöchstens delikat instrumentierte piano/solo-Stellen verderben. Eine "Stützung" wie in der Barockmusik ist musikalisch unnötig, es könnte allenfalls einen praktischen Nutzen (da kaum geprobt wurde) gehabt haben.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • die ich aber noch nicht in HIP Aufnahmen habe, wenn aber auch diverse andere bereits. Vielleicht liegt es daran, dass ich mit nachstehenden drei Aufnahmen derart vertraut bin, dass ich mir kaum etwas anderes vorstellen kann.




    Scherchen ist extravangant wie immer (Das Finale beschleunigt recht ordentlich).


    Szells Aufnahme finde ich klassisch in den Sinne, dass ich mir so vorstelle, das ein größeres Orchester diese Sinfonie darbietet. Eine wunderbar ausgewogene Aufnahme, die mir aber im 2. Satz etwas zu zackig geraten ist.


    Tja, und dann Klemperer! Oben schon erwähnt, ist es eine sehr langsame und geradezu intim ausgehörte Aufnahme.
    Es war übrigens sein letztes Dirigat im September 1971 und er hatte die 92. vorher nie!! eingespielt. Zum Abschluss seiner Karriere sozusagen noch eine Premiere.
    Und was für eine!.
    Denn hier geht sein Schildkrötentempo endlich mal auf. (Bei Beethoven ist es eher lästig). Ausschnitte aus den Proben gibt es bei You Tube. Suche "Otto Klemperer Long Journey"


    Gruß S.

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  • Weiter oben wurde diskutiert, warum nur eine Flöte in der Oxford-Sinfonie verlangt sein möge (und genauso in Beethovens 4. Sinfonie), warum aber andererseits eigentlich immer zwei Oboen verlangt werden.


    Das lässt sich durch das damalige Ensemble der "Harmoniemusik" erklären: 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Hörner, 2 Fagotte. Solche Ensembles gab es. Mag denke z. B. an die Harmoniemusiken nach Mozarts Opern.


    Mit einem solchen Ensemble ließ sich halt ein vorhandenes Streichercorps zu einem Orchester machen. Wenn Flöten da waren - eine oder zwei - schön.


    Ein weiteres Argument ist, dass im dreistimmigen Satz eine Flöte und zwei Oboen besser klingen als umgekehrt. Man höre die entsprechenden Stellen in Beethovens Sinfonien.


    Ferner wurde oben diskutiert, warum es immer drei Posaunen sind. Zum einen stimmt das nicht - in Beethovens 6. Sinfonie sind es nur zwei (Alt + Tenor), zum anderen gab es auch bei den Posaunen Ensembles, meistens aus einer Alt-, einer Tenor- und einer Bassposaune. Bruckner hat beispielsweise sogenannte "Aequale" (=Stücke für gleiche Instrumente) für drei Posaunen geschrieben, mit genau dieser Besetzung. Das heißt: Im Bedarfsfalle konnte man auf ein solches Posaunentrio zurückgreifen. - Im Opernorchester waren sie ohnehin besetzt. - Im Renaissance und Frühbarock konnte der dreistimmige Posaunensatz nach oben mit einem Zink zum vierstimmigen Satz ergänzt werden (bis hin zu Bachkantaten, in denen Alt, Tenor und Bass colla parte mit Posaunen verstärkt werden).

  • Kujiken und Jacobs erste Sahne. Aber R. Goodman, A. Fischer und H. Wolff konnten es auch. Leider gibt es die Nr. 92 nicht mit dem COE unter Abbado und der Tafelmusik unter Weil.


    LG,


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)



  • Doch, brauchst Du! ;) Die 92 ist schon eine der Großartigsten! Leider ist das mit den Aufnahmen offenbar etwas komplizierter als bei den Londonern und Parisern, ich bin auch noch auf der Suche nach der perfekten (insbesondere hat Harnoncourt die Symphonie offenbar noch nicht aufgenommen :D ).

    Jacobs hat die beste 92. vorgelegt, die ich je gehört habe, ob HIP oder nicht. Sehr paukenstark. Zudem bekommt man noch eine ebenso fabelhafte 91. mit. Zugreifen!


    Hallo Frank und Josef,


    Danke für Eure Empfehlungen. Ich antworte Euch hier im passenden Thread.
    Harnoncourt (WARNER) ist für die Londoner auch mein Favorit. Ich hatte auch schon nachgesehen, ob ich Nr. 88-92 mit Harnoncourt bekommen kann --- leider gibt es da noch keine Aufnahme.


    Eine recht flotte Aufnahme der Sinfonien Nr.88 - 92 soll Rattle (EMI) sein, die aber harsche Kritik einstecken muss, weil bei Nr.91 hineingeklatscht wird - ansonsten sind es alles LIVE-Aufnahmen aus der Berliner PH.


    Und die Empfehlung mit Jacobs/Freiburger Barockorchester werde ich mir mal gedanklich vormerken; aber da ich im Prinzip kein HIP-Fan bin, werde ich jetzt nicht drauf fliegen.


    :!: Ich habe noch von einem heissen TIPP für die Sinfonie Nr.92 (und nicht nur diese) gelesen, dem ich es unbedingt zutrauen würde: George Szell / Cleveland Orchestra. Leider sind auf der preiswerten SONY-Einzel-CD die Sinfonien Nr.88 und 104 in Mono; die Nr.92 in Stereo.
    Die flotten Spielzeiten der Nr.92 (im Vergleich zu Bernstein/Wiener PH auf DG) sprechen eindeutig für sich: 7:44 - 7:25 - 4:06 - 4:18


    ;)8-) Das sieht ganz danach aus, dass Szell mit dem mich bei Bernstein nervenden Menuet (DG; dort lasche 6:15) aufräumt und das Finale Presto (DG; dort 5:41) noch fetziger bringt. Ich denke diese CD muss ich haben. Vielleicht auch die 4CD-Box mit allen Szell-Haydn-Sinfonien-Aufnahmen ... soll "hammermässig" sein.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die flotten Spielzeiten der Nr.92 (im Vergleich zu Bernstein/Wiener PH auf DG) sprechen eindeutig für sich: 7:44 - 7:25 - 4:06 - 4:18


    ;) 8-) Das sieht ganz danach aus, dass Szell mit dem mich bei Bernstein nervenden Menuet (DG; dort lasche 6:15) aufräumt und das Finale Presto (DG; dort 5:41) noch fetziger bringt. Ich denke diese CD muss ich haben. Vielleicht auch die 4CD-Box mit allen Szell-Haydn-Sinfonien-Aufnahmen ... soll "hammermässig" sein.


    Ich würde spontan vermuten, dass Szell im Kopfsatz und Finale die Expositionswiederholungen nicht spielt und dort v.a. deswegen die kurzen Spielzeiten erreicht. 6:15 für das Menuett bei Bernstein klingt allerdings wirklich langsam, 4:xx-Zeiten sind da glaube ich eher üblich (langsame Menuette hat Bernstein ja auch bei den Parisern, z.B. 86).


    Viele Grüße
    Frank