Diese Sinfonie wird in der Regel auf 1765 datiert. Laut Michael Walter ist aber auch eine geringfügig spätere Entstehungszeit in Erwägung zu ziehen: also entweder 1766 – ob Haydn in diesem Jahr überhaupt eine Sinfonie komponiert hat, ist unklar – oder 1767, das erste Jahr der sog. Sturm-und-Drang-Periode Haydns. Stilistisch steht das Werk zweifellos an der Schwelle zu diesem Schaffensabschnitt und ist wohl etwa gleichzeitig mit der stürmischen Nr. 39 in g-moll entstanden.
Merkwürdigerweise wird die Tonart von Nr. 34 häufig doppelt angegeben, als „d-moll/D-dur“. Dabei war ich immer der Meinung, ausschlaggebend sei der Kopfsatz eines Werkes – und der steht hier sowohl anfangs als auch am Ende in d-moll. Bei Nr. 83 kommt ja auch niemand auf die Idee, die Tonart als „g-moll/G-dur“ offenzulassen, obwohl G-dur hier bereits in der Reprise des Kopfsatzes erreicht wird. Möglicherweise spielt bei Nr. 34 eine Rolle, dass die Sätze 2-4 ausnahmslos in D-dur stehen und der (langsame) Kopfsatz als eine Art „verschobener“ zweiter Satz interpretiert wird. Wie dem auch sei: ich entscheide mich für d-moll, zumal diese Tonart im Mittelteil des Finales nochmal kurz auftaucht.
In der Satzabfolge, bei verschiedenen Charakteristika und möglicherweise ja auch von der Datierung her gibt es Parallelen zur Nr. 49 (La passione). Eventuell sind beide Werke als programmusikalische „Theatersinfonien“ geschrieben worden – Nr. 34 basiert demnach auf dem Goldoni-Schauspiel Il filosofo inglese (diese Hypothese entstammt einem Aufsatz von Elaine R. Sisman, Haydn’s Theater Symphonies, in: Journal of the American Musicological Society, Vol. 43, No. 2, S. 292-352, hier 333ff., auf den ich über den englischen Wiki-Artikel zu Nr. 34 aufmerksam geworden bin). Hier existiert ein interessanter Dissens zu Michael Walter, der das Werk als deutlichen Schritt zu einer „absolut-musikalischen“ Gestaltung interpretiert.
Die Sinfonie beginnt mit einem ausgedehnten Adagio im 3/4-Takt, das als Sonatensatz aufgebaut ist. Übereinstimmend wird diesem Satz eine „Tiefe“ der musikalischen Sprache zugeschrieben, die früheren langsamen Sinfoniesätzen Haydns (auch denjenigen in Moll) noch abgehe. Das ist nicht von der Hand zu weisen: bereits der Aufbau des Hauptthemas in drei übereinanderliegenden, annähernd gleichwertigen „Schichten“ fasziniert: Bratschen, Celli und Bässe formulieren ein von Pausen durchsetztes, abwärtsgerichtetes Thema; die zweiten Violinen legen eine ausdrucksvolle Bewegung in Achteln darüber – und die ersten Geigen verharren erst länger als zwei Takte auf dem a, bevor sie synkopisch und dann in einer Gruppe von vier Sechzehnteln eine dominierende melodische Phrase konturieren. Das Thema entwickelt sich über 18 Takte sehr expressiv überwiegend in den Geigen und staut sich dann in einer Fermate auf. Es folgt ein harmonisch labiles, aber in B-dur stehendes Seitenthema, in dem ausdrucksvolle Sechzehntelbewegungen dominieren. Die Durchführung verdichtet zunächst das erste Thema in einem Dialog zwischen ersten und zweiten Violinen und führt dann zu einer ebenfalls intensivierten Bearbeitung des Seitenthemas. Die Reprise ist verkürzt und führt auch das zweite Thema regelgerecht nach Moll. Der Satz ist fast ausschließlich von den Streichern dominiert, Oboen und Hörner treten nur selten und überwiegend als klangfarblicher Hintergrund auf: das aber sehr bewusst – die Hörner sind dem Hauptthema vorbehalten, die Oboen dem Seitenthema. Erst in der Reprise erklingen die beiden Bläsergruppen auch mal zusammen.
Das ändert sich im zweiten Satz, einem 4/4-Allegro, ebenfalls in Sonatensatzform. Dieses entwickelt beachtliche thematische Vielfalt. Es kommen vor: ein Hauptthema in Halben mit großen Intervallsprüngen, eine Unisono-Fanfare, das Seitenthema, in dem die Oboen führen und die Geigen unwirsch antworten, ein temperamentvoll akzentuiertes Tremolo-Themengebilde und eine mit eigenwilligen Vorschlägen versehene Schlussgruppe. Das ist alles, auch und gerade in der Durchführung, recht dicht und unter schöner Ausnutzung der Bläserklangfarben gearbeitet. Insgesamt hat der Satz einen durchaus stürmischen Charakter.
Das Menuett (Moderato) wirkt keineswegs tänzerisch, sondern bemüht sich 3/4-Monotonie zu vermeiden. Ganz reizend das walzerartige Trio, in dem die Bläser endgültig dominieren: die Oboen stimmen eine Melodie an, die Hörner begleiten sehr hübsch zweistimmig in Synkopen und die Streicher markieren nur den Takt.
Schließlich das sehr kurze Finale, Presto im 2/4-Takt: ABA gebaut, monothematisch, fast durchgehend in Achteltriolenbewegung gehalten und mit einem etwas verschatteten Mittelteil, in dem nochmal d-moll auftaucht. Kein komplexer Satz, aber auch kein ungetrübt-simpler Kehraus.
Interessanterweise findet Michael Walter alle vier Sätze sehr interessant, während Lessing zwar den Kopfsatz sehr lobt, die folgenden Sätze aber als konventionell abwertet. Ich kann letzteres nicht nachvollziehen, selbst beim zugegebenermaßen relativ einfachem Finale nicht. Zu Lessings Wertung könnte die überproportionale Länge des Kopfsatzes beigetragen haben, der bei Beachtung aller Wiederholungen je nach Tempo 11-13 Minuten dauert und somit etwa so lange wie die restlichen drei Sätze zusammen. Die mir vorliegenden Einspielungen lösen das „Problem“, das m.E. keines ist, durch die Fortlassung aller Wiederholungen im Kopfsatz (Fischer) bzw. derjenigen von Durchführung und Reprise (Müller-Brühl) und die Befolgung fast aller Wiederholungen in den restlichen Sätzen.
Von der Wiederholungsfrage abgesehen: Fischer ist im ersten Satz sehr expressiv, allerdings auch sehr langsam – Müller-Brühl trifft vielleicht (!) eher das für das 18. Jahrhundert angemessene Adagio-Tempo, ist dafür aber etwas spannungsärmer. Beim zweiten bis vierten Satz hat Fischer deutlich die Nase vorn, viel pointierter und artikulatorisch abwechslungsreicher als der etwas vor sich hinläppernde und allenfalls mit ein paar konventionellen Dynamikabstufungen auffallende Müller-Brühl. Vorzüglich gelingt Fischer wieder einmal das Trio, dafür hat er ein Händchen.
Viele Grüße
Bernd