Papst Kesting

  • Sagitt meint:


    Natürlich kann dies keine Götterdämmerung sein. Das was Kaiser im Bereich des Klavierspiels repräsentiert, ist Jürgen Kesting im breich des Gesang. Eine mehrbändige Anthologie über Sänger und eine unebdliche Zahl von Sendungen über Sänger sind Ausweis seiner Kompetenz.
    Es könnte interessant sein, sich im Forum darüber einmal auszutauschen, zumal ja einige sehr mit Stimmen beschäftigte und im Gesang bewanderte Menschen sich hier treffen.


    Ich fange mit zwei kleinen Aspekte an: Kesting ist ja sehr kritisch, auch ein Fischer-Dieskau wird von ihm nicht verschont. Mein Eindruck ist, das seine Vorliebe eher in der Frühzeit der Gesangskunst liegen, soweit diese Kunst dokumentiert ist ( K. muss eine Unmenge von Aufnahmen kennen/besitzen).
    Der zweite Aspekt ist, dass für mich der Liedgesang deutlich zu kurz kommt. Sänger sind für Kesting Opernsänger. Ich hingegen meine, dass sich die Kunstfertigkeit eines Sängers viel eher zeigt, wenn er/sie die Mikroform des Liedes gestalten kann.


    Ich bin gespannt,ob wir über Kesting und seine Ansichten in Diskussion kommen.

  • Zitat

    Original von sagitt
    Ich bin gespannt,ob wir über Kesting und seine Ansichten in Diskussion kommen.


    Hallo sagitt, sollten wir?


    Kesting arbeitet sehr gut und kennt sich aus. Er versteckt seine Vorlieben nicht, man kann sich mit seinen Sendungen und Texten gut bedient fühlen.


    Gruß

  • Hallo,


    ich glaube, das Kesting in seinem Buch interpretatorische Fähigkeiten in den Vordergrund stellt, die in einem hochkomplexen Umfeld erbracht worden sind. Beispiel: Ein Schubertlied zu singen ist etwas anderes als sich in einer 'Wagnerschen Explosion' zu behaupten.


    Mein Lieblingssänger Wolfgang Windgassen erfährt bei Kesting eine ehrliche Behandlung.


    Danke fürs Lesen, hoffentlich versteht Ihr mich....


    Oliver

  • Lieber Oliver ,
    der grosse Wolfgang Windgassen vielleicht .
    Cum grano salis kann man über J. Kesting sagen ( einschliesslich seiner Radio- und FAZ-Beiträge ) :
    Callas , Callas , Callas ,
    Gobbi , Gobbi , Gobbi .
    Bei Giuseppe Taddei muss ihm dr heilige Geist beigestanden haben !
    Das Buch regt mich auf seit es erschienen ist . Arroganz , Ignoranz . Alles wie bei J. Kaiser . Stell Dir vor der hiesse statt Kaiser "Klavier-Müller-Meier" !
    Grüsse
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Hallo,


    mit ist aufgefallen ds Jürgen Kesting (zuerst) und Malte Fischer (etwas später) ihre Bücher sher ähnlich aufgebaut haben- Fischer und Kesting sind sich in vielerlei Hinsicht einig. Nur manchmal erscheint es, Fischer wolle Kesting absichtlich in der Einschätzung einzelner Stimmen widersprechen, damit sein Buch ausreichend eigenständig ist...
    Was beide Autoren wunderbar beherrschen: Sie vermitteln durch Sprache einen sehr genauen Eindruck stimmlicher Eigenarten, so dass man z.B. fast Körperlich nachempfinden kann, wo die Stimme von Sänger XY "sitzt".


    In bezug auf die Einschätzung, dass Joachim Kaiser der "Kesting der Pianisten" ist, kann ich nur bedingt zustimmen. Mir scheint, er habe die Auseinandersetzung irgendwann aufgegeben - Pianisten der jüngeren Generation kommen kaum vor und Bestrebungen sein -gewiss gut verkäufliches- Pianisten-Buch für eine Neuauflage um die letzten 20 Jahre zu aktualisieren, scheint er offenbar nicht zu haben, oder?


    Grüße! Daniel

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  • Hallo Daniel,


    Zitat

    Original von Daniel Behrendt


    mit ist aufgefallen ds Jürgen Kesting (zuerst) und Malte Fischer (etwas später) ihre Bücher sher ähnlich aufgebaut haben- Fischer und Kesting sind sich in vielerlei Hinsicht einig. Nur manchmal erscheint es, Fischer wolle Kesting absichtlich in der Einschätzung einzelner Stimmen widersprechen, damit sein Buch ausreichend eigenständig ist...


    Welche Punkte meinst Du da zum Beispiel ? Ich kenne das Buch von Fischer wesentlich besser als das von Kesting, da ja letzteres leider nicht mehr erhältlich ist und ich bisher auf nichtentleihbare Bibliotheksexemplare angewiesen war. (leider ein typisches Problem im Bereich Stimmen, die Bücher von John Steane sind ja mehrheitlich leider auch nicht mehr erhältlich.)


    Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, das Fischer Kesting absichtlich widersprechen will. Ein kritischer Streitpunkt zwischen beiden ist sicherlich die Beurteilung von Fischer-Dieskau und Maria Callas, aber die erhebe ich in diesem Punkt schon zum Spezialfall, da es mir da eher erscheint, es werden musikalische Tatsachen entsprechend gewichtet, um persönliche Sympathien für den Menschen hinter dem Künstler transportieren zu können.


    Ansonsten ist es sicher normal, dass die beiden in vielen Fällen zu einer ähnlich gelagerten Einschätzung gelangen, da beide erstmal durchaus vom Fach sind und deshalb keine absurden Charakterisierungen von Stimmen vornehmen, wie man sie teilweise in auch renommierten Tageszeitungen lesen muss ( Wo XXX gelobt wird, obwohl dies objektiv eher die technische Schwäche des Sängers YYY ist und jeder es hören kann. ). Weiterhin kann man ja schön nachlesen, dass die beiden durchaus ähnliche Ansprüche an den Gesang stellen.


    Mir scheint allerdings Fischer eine Spur offener für die pure Faszination der Stimme, also des Materials an sich zu sein, (oder empfindlicher bei dessen Fehlen wie bei z.B. Maria Callas) weshalb bei Ihm Del Monaco weitaus besser abschneidet als bei Kesting. Ein gutes Beispiel ist auch das (selbstverständlich immer auf das Material beschränkte) Lob über Ernst Kozub bei Fischer, über den sich aber nun sängerisch wirklich wenig gutes vermelden lässt. Vielleicht liegt darin auch die Abneigung gegen Theo Adam begründet, der ja in Fischers Buch mit einer für mich ungerechtfertigten Nichtachtung gestraft und dessen isoliert betrachtetes Stimmmaterial ja auch durchaus diskutabel ist.


    PS: Falls jemand weiß, wo man noch die vergriffenen Bücher von Kesting oder von John Steane (die "Singers of The century") auftreiben kann, außer bei dubiosen Onlineauktionen, wo ich das Buch nicht sehen kann - ich bin für jeden Tipp dankbar. Volume 2 kann man angeblich bei JPC ordern, ich glaube zwar nicht daran, werde es aber im neuen Jahr mal versuchen.


    Gruß
    Sascha

  • Habe vor kurzem die drei Bände Kesting antiquarisch für 75 Euro kaufen können. Muß leider feststellen, dass Kesting und Fischer zu ähnlich gelagerten Einschätzungen kommen müssen, da ihre "Erkenntnisse" aus denselben Quellen gespeist werden, um es einmal vorsichtig auszudrücken.


    Bei Fischer viel mir z. B. auf, dass er im Beitrag über Sigrid Onegin nur das nachbetet, was in der hagiographischen Biographie ihres Gatten steht.


    Bei Kesting stört mich, dass er als Autor von Schallplattencovern Hymnen auf Aufnahmen schrieb, die er später - finanziell wohl unabhänig geworden - in Bausch und Bogen verrissen hat.


    Ist eigentlich das Buch von Wolf Rosenberg "Die Krise der Gesangskunst" schon ganz vergessen? Würde meiner Meinung nach auch dringend einer Neuauflage bedürfen.


    Gruß Amneris

    Amneris

  • Hallo Sascha,


    Zuerst finde ich bemerkenswert, wie oft sich Fischer im Text direkt auf Kesting bezieht, um ihn zu bekräftigen oder zu widersprechen.
    Ich selbst besitze auch nur das Fischer-Buch, hatte das Kesting Buch aber eine ziemlich lange Zeit leihweise von einem Freund (der hatte es vor ein paar Jahren in einer Billig-Neuauflage erworben, die es aber auch nicht mehr gibt.)
    Im Grunde war das (zuerst gelesene) Kesting-Buch der Anlass, mir das Fischer-Buch zuzulegen. Mein erster Gedanke beim Blättern im Fischer war: "genau wie der Kesting". Schön ist allerdings, dass Fischer ein Glossar anfügt, das Fachtermini nachvollziehbar erläutert. Allerdings könnte auch das umfangreicher sein - z.B. felhlt eine Erläuterung des "Vokalausgleichs" (was naheliegd gewesen wäre, wenn man schon auf den Registerausgleich zu sprechen kommt) Bei beiden Büchern finde ich problematisch, dass gleich mit "anekdotischen" Sängerbeschreibungen losgelegt wird, anstelle in ein paar vorangestellten Kapiteln wesentliche Erläuterungen über das Singen zu geben - das sollte für Kenner wie Kesting und Fischer ein leichtes sein und würde beiden Werken die Allgemeingültigkeit eines Nachschlagewerks verleihen. Darüber hinaus würden sich auch Neueinsteiger in die Materie ein deutlich plastischeres Bild von den beschriebenen Stimmen machen können.
    Grundsätzlich glaube ich, dass es (aufgrund der Ähnlichkeiten) reicht, nur eines der beiden Bücher zu haben.
    Schöne Grüße!
    Daniel

  • Hallo Antracis (und alle anderen),


    die Bücher von Kesting und Steane sind momentan eher schwer zu bekommen. Bei zvab.com gibt es von Kestings "Sängern" nur die stark gekürzte einbändige Ausgabe von 1993 und die dreibändige Ausgabe von 1986 wird bei amazon gebraucht ab 350 Euro aufwärts angeboten ( ein anderer will dafür sage und schreibe 850 Euronen haben! :wacky: ). Den 2. Band von Steanes "Great Singers of the Century" kann man bei amazon neu für 47 Euro erwerben. Lohnender, weil umfassender, finde ich persönlich aber Steanes "Grand Tradition" (Duckworth), wo er auf ca. 640 Seiten 70 Jahre Gesang auf Schallplatte Revue passieren läßt (aber wohl schwierig zu bekommen). Lohnend auch der Erwerb der von Kesting oft zitierten Bücher "The Record of Singing" von Michael Scott (2 Bände, 51,50 Euro bei amazon) und "Opera on Record" (3 Bände, allerdings teuer (ab ca. 160 Euro bis 450 Euro bei zvab.com)).


    Kesting liegt insgesamt sehr auf Linie der anglo-amerikanischen Autoren, die er genau studiert hat Wichtig sind ihm die Einhaltung der technischen Parameter des klassischen italienischen Belcanto: Singen auf dem Atem, Beherrschung des Messa di voce, keine außermusikalischen Affekte etc. Daher steht er auch den gesangstechnischen Entwicklungen seit Caruso sehr kritisch gegenüber, insbesondere dem Verismo und dem damit verbundenen "rhetorischen" Gesangsstil. Er hat natürlich seine kleinen Eigenheiten und weicht manchmal von seiner strengen Linie ab, wenn ihn ein Sänger oder eine Sängerin faszniert (wie etwa bei Callas). Diese vermeintliche "Strenge" (ich würde es eher als Konsequenz bezeichnen) hat ihm auch einen gewissen Ruf eingetragen (Everding sprach in seiner "da capo"-Sendung von ihm halb ernst, halb ironisch immer vom "bösen Kesting"). Inzwischen hat sich bei ihm im Laufe der Zeit aber wohl so etwas wie "Altersmilde" eingestellt, wenn man so seine Zeitungsartikel liest (ich kann mich noch gut an aufgeregte und heftige Diskussionen insbesondere nach seinen öffentlichen Vorträgen hier in Hamburg vor etwa 15 Jahren erinnern, insbesondere beim Thema Wagnergesang!).


    Gegenüber Kesting erscheint Jens Malte Fischer weniger zugespitzt und konzilianter, wenn er auch in der Sache die Urteile Kestings oft teilt. Fischer hat gegenüber Kesting allerdings den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß er selbst eine Gesangsausbildung hinter sich gebracht hat, so daß er die Anforderungen, die der Sängerberuf mit sich bringt, wohl etwas besser einschätzen kann. Daher rührt vielleicht auch seine größere Bereitschaft, sängerische Defizite bei der Beurteilung eines Sängers dann nicht so schwer zu gewichten, wenn der Betreffende ein begnadeter Bühnendarsteller war oder ist (z.B. George London), oder von prächtigem Material fasziniert zu sein (wie etwa bei del Monaco oder Lanza, dem er einen besseren Lehrer und mehr Fleiß gewünscht hätte). Daß er sich im Text sooft auf Kesting bezieht, hat wohl auch damit zu tun, daß Kesting nun einmal d i e führende deutsche Kritiker-Autorität auf dem Gebiet des Gesanges darstellt(e), an dem sich jeder nachfolgende Aspirant erst abarbeiten muß.


    Das Buch von Rosenberg ("Krise der Gesangskunst") kenne ich leider auch nur aus der Bibliothek. Da es aber schon vor fast 40 Jahren geschrieben wurde uind der Autor auch schon lange tot ist, ist mit einer Wiederauflage wohl nicht mehr zu rechnen (zumal der damals konstatierte Verfall der Gesangskunst heute wohl etwas differenzierter dargestellt werden müßte, auch im Hinblick auf den triumphalen Wiederaufstieg des verzierten Gesanges, den Kesting vor 20 Jahren prognostizierte)


    Grüße


    GiselherHH


    P.S.: Wer sich mehr mit den theoretischen Grundlagen des Singens beschäftigen will, dem sei Franziska Martienssen-Lohmanns Klassiker "Der wissende Sänger" empfohlen.

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo GiselherHH,
    du scheinst ja ein echter Connaisseur der Sängerliteratur zu sein.
    Hast du etwas von John Steane gelesen? (Heißt er so?) Auf diesen Herren beziehen sich sowohl Kesting als auch Fischer auffallend oft und, wie mir scheint, mit einer gewissen Ehrfurcht.
    Dann gibt es nooch dieses berühmte Sängerlexikon von Kutsch/Riemens. Ist wohl unerschwinglich... Weißt du, ob es laufend aktualisiert wird? Vollständigkeit und Aktualität wären bei einem solchen Standardwerk ja irgendwie wünschenswert...


    Schöne Grüße! :hello:
    Daniel

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  • Hallo Daniel,


    na ja, "Connaisseur" wäre vielleicht dann doch etwas zu hoch gegriffen (solche Begriffe würde ich den Herren Kesting, Fischer, Steane, Blyth, Scott etc. vorbehalten). Ich bin doch eher ein Amateur mit gewissen Kenntnissen, da ich mich ein wenig durch die Sängerliteratur gelesen habe, u.a. auch durch Steanes "Great Singers of the Century" und "The Grand Tradition" (wovon ich nur letzteres auch mein Eigen nennen kann). John Steane war ja bis vor ein paar Jahren regelmäßiger Rezensent und Kolumnist des englischen Magazins "The Gramophone". Insbesondere seine Kolumne "Quarterly Retrospect", in der er alle drei Monate eine Rückschau auf die aus seiner Sicht wichtigsten vokalen Neuerscheinungen und Wiederveröffentlichungen hielt, war sehr lesenswert und instruktiv. Ein wirklicher Meister seines Faches!


    Das Sängerlexikon von Kutsch/Riemens gibt es nicht bloß in Buchform, sondern aktualisiert auch auf CD-ROM im Rahmen der "Digitalen Bibliothek" (kostet ca. 90 Euro). Ich selber habe noch eine ältere Buchausgabe von 1993. Die CD-ROM gab es mal für nur 50 Euro bei "2001" (habe ich leider verpasst), vielleicht kriegen sie die ja mal wieder ins Programm...


    Viele Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo GiselherHH,


    die CD-Ausgabe des Kutsch/Riemens habe ich auch nrulich im Netz entdeckt. Was mich interessieren würde, da Du die Buchausgabe ja besitzt:
    Gehen die Autoren eigentlich auch detailiert ( wie beispielsweise Steane/Kesting/Fischer/Blyth ) auf die Stimmen bzw. künstlerischen Leistungen der Sänger ein, oder handelt es sich "lediglich" um ein minutiöses Verzeichnis bibliographischer und diskographischer Daten der einzelnen Künstler ? (letzteren Eindruck hatte ich bisher immer, wenn von diesem Standardwerk die Rede war.


    Gruß
    Sascha

  • Hallo Sängerfreunde,
    bei ZVAB gibt es relativ viele Exemplare des Kutsch/Riemens zu vertretbaren Preisen. In 2, 3 oder 5 Bänden, auch als CD-Rom und als kleines Büchlein für ein paar Euro (allerdings von 1966).
    Ich habe kürzlich in den "dicken" Kutsch/Riemens in der Stadtbibliothek reingeschaut. Es ist ein sehr ausführliches, fast erschöpfendes Lexikon, wie mir scheint. Meines Erachtens ist der Tonfall, den die Autoren anschlagen, etwas weniger anekdotisch und durchweg sachlicher als bei Fischer und Kesting.


    Schöne Grüße
    daniel :hello:

  • Hallo,


    also der "Kutsch-Riemens" ist eigentlich eher eine Auflistung biographischer Details (Ausbildung, Engagements, Rollen, Diskographie), wobei eigentlich, im Gegensatz etwa zu Kesting, kaum kritisch gewertet, sondern bestenfalls summarisch gelobt wird ("glanzvolle Karriere als Oratorienbaß" etc.). Wenn man etwas über Details von Sängerkarrieren wissen will, ist man mit diesem Lexikon gut bedient. Ausführliche (und kritische) Urteile über Stimmen findet man aber woanders.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Sagitt meint:


    im aktuellen fonoforum werden manche der auf dem Markt befindlichen Aufnahmen von Mozartopern besprochen und Kesting teilt mal wieder kräftig aus.Fischer-Dieskau kriegt sein Fett ebenso weg wie Karajan.
    Die meisten Sänger können vor dem Kesting-Thron ohnehin nicht bestehen.
    Wenn man liest, was er über einen Giovanni mit Karajan live aus Wien 1960 schreibt,kann ich jedem empfehlen, höre dir das an und lies dann, was Kesting darüber schreibt. Und bilde dir dann ein Urteil ....

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  • Hallo,
    J. Kestings Sendung im N3 am Di. 21.00 Uhr war - so lange sie lief - meine Leib- und Magensendung. Mit großem Gewinn hörte ich Kestings Kommentare zu den Stimmen, die er mit Gesangsbeispielen belegen konnte. Da man Text und Musik nacheinander hörte, konnte man sich durchaus ein eigenes Urteil bilden. Dass er einige meiner Lieblingssänger (z.B. Nikolai Ghiaurov) ziemlich streng bewertete, habe ich ihm sehr übel genommen - zunächst. Nach wiederholtem Hören meiner Lieblinge unter Berücksichtigung der kritischen Einwände (z.B. Ghiaurov singe zu oft mit offener, lauter Stimme, moduliere zu wenig) habe ich im Nachhinein Kesting Recht geben müssen- auch wenn es mir schwerfiel, meine Bewunderten angekratzt zu sehen. Und trotzdem schätze ich die Kritisierten. Ich jedenfalls bin Kesting dankbar, dass sich mein Urteil über Sänger von reiner Schwärmerei oder auch unberechtigter Ablehnung zu einer etwas fundierteren Sicht geändert hat.
    Gruß
    Lohengrin

  • Habe jetzt Kestings 3 Bände auftreiben können, fast einen Bandscheibenvorfall, und kaum noch Platz im Zimmer. :D
    Ich kannte bisher nur die gekürzte Fassung. Nun wurde die letzten Wochen viel gelesen und viel gehört, und ein paar Gedanken drängen sich auf:


    Erst mal ist Kestings Analyse in Umfang und Tiefgang ein großer Wurf, es gibt auch international gesehen nur sehr wenig vergleichbares.
    Nachvollziehbare Kritik setzt natürlich einen festen, für den Leser auch fassbaren, Wertemaßstab voraus. Die Meßlatte, welche Kesting anlegt, hat GiselherHH ja schon oben vorgestellt. Die Tugenden des klassischen Belcanto haben oberste Priorität. Kesting reagiert infolgedessen äußerst allergisch auf entsprechende Stimm- oder Gesangsfehler, am konfliktreichsten erweist sich das Zusammentreffen von außermusikalischen Affekten mit den Sinnen des Kritikers. Überhaupt ist dramatische Darstellungskunst ein sensibles Thema. Während Ihn viele künstlerische Bemühungen gar nicht erst erreichen, überschreitet andererseits so manches schnell seine Reizschwelle - so z.B. der von einigen anderen Fachkollegen durchaus geschätzte Amfortas von George London, den er als „lachrymos“ kritisiert.
    Das er selbst einmal beide Augen zudrückt bei Künstlern, die nach seinen eigenen Aussagen nicht ausschließlich nur mit gesanglichen Mitteln zu messen seien, bestätigt als Ausnahme eher die Regel, zumal in Fällen wie Callas und Jon Vickers Konsens darüber herrschen dürfte, dass es sich um Ausnahmekünstler handelt, wenn auch polarisierende.


    Als Faustformel würde ich sagen: Je mehr der Leser geneigt ist, aufgrund der Begeisterung für das pure Stimmmaterial und die Rollengestaltung eines Künstlers eine gewisse Toleranz bei Stimm- und Gesangsfehlern zu zeigen, desto öfter wird er vermutlich zu einer deutlich anderen Einschätzung kommen.


    Im Zweifelsfall schlägt Kestings Herz immer für den herausragenden Sänger. Ein gutes Beispiel ist der Osmin in der Interpretation von Kurt Moll und Gottlob Frick. Beide kommen gut weg, Moll singt besser, Frick interpretiert schärfer. Der Favorit des Autors ist hingegen klar.
    Mir ist auch der von Kesting hochgelobte Hunding von Kurt Moll zu „zahm“, Timbre und Temperament lassen eine wirklich treffende Charakterzeichnung nicht zu. Dafür durchgehend gut gesungen. Ebenso wie der Holländer von Franz Crass, dem die letzte dämonische Dimension fehlt, dafür hat das wohl nie einer so schön vom Gesang her dargeboten. (Zum "Belcanto"- Holländer steht ja schon einiges im Holländer-Thread) . Aber das sind halt individuelle Gewichtungen, denn es handelt sich ja hier durchaus nicht um reine „Schönsänger“, die keine Rollendarstellung bieten. Nur geraten halt rein aus dem Belcanto entwickelte, gewichtige Darstellungs-Rollen für den einen oder anderen Geschmack schnell etwas matt in der Darstellung.


    Dennoch: Kestings Wertungen sind aus seiner strengen Sicht meist alle nachvollziehbar, und der Beurteilungsmaßstab ist durchsichtig. Der denkende Leser wird also beim Abgleich mit seinen individuellen Vorlieben durchaus abwägen können, welche Schlüsse er zu ziehen hat. Lobend zu erwähnen auch, dass anders geartete Urteile von (meist angloamerikanischen) Kollegen in wichtigen Fällen immer erwähnt werden, ebenso wie Fischer ja auch Bezug auf Kesting nimmt.
    Problematisch erscheinen mir aber vor allem zwei Punkte:


    Wie oben bereits in einem anderen Beitrag zu lesen ist: Der Entwicklung der Gesangskunst seit Caruso steht der Kritiker ausgesprochen skeptisch gegenüber, darstellerische Intensität wird bei Ihm regelmäßig als Tarnung für vokale Schwächen zu entlarven versucht, was ich als Vereinfachung empfinde. Eine gewisse Entwicklung hin zu anderen Schwerpunktsetzungen in der Gesangskultur ist meiner Ansicht nach nicht zu leugnen, bedingt durch die Anforderungen, die Repertoire, Regietheater und nicht zuletzt das Publikum an die Sänger stellen. Nicht zuletzt deshalb wird Fischer-Dieskau bei aller nachvollziehbaren Kritik an seinem Gesang ,und insbesondere der Repertoireauswahl, von Kesting gleichsam an den Pranger gestellt:
    Da war einer, der hatte immensen Erfolg beim Publikum, indem er mit einer von der Deklamation ausgehenden Gestaltung des Gesangsvortrages die Intensität erreichte, die laut Kesting ausschließlich mit Belcantotugenden zustande kommen soll. Kesting spricht tatsächlich davon, dass Fischer-Dieskau fingiert, gleichsam das Publikum täuscht. Womit er natürlich auch indirekt dem Publikum vorwirft, dass es sich täuschen lässt.
    Deshalb kommt der Sänger dann auch auf den Scheiterhaufen: Der Großinquisitor verbrennt ihn ( und schreckt dabei auch vor aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten nicht zurück), weil man zwar so gerne singen, aber bitte schön nicht Erfolg haben darf - denn es ist einfach ein Irrweg, der nicht beschritten werden dürfe. Dies ist aus meiner Sicht eine gewisse Verblendung eines Kritikers, der aus Überzeugung an einer (großartigen!) Tradition festhält, die er für unantastbar erklärt. Ich hingegen glaube nicht, dass die von Ihm bevorzugten Tugenden vollkommen dem Verfall preisgegeben sind. Vielmehr bleibt halt einiges bestehen, einiges ändert sich aber auch. Nur wie gesagt: Das alles ist sehr durchsichtig geschrieben, so dass jeder intelligente Leser sich nicht ärgern muss, sondern seine eigenen Schlüsse ziehen darf.


    Störender, und da komme ich zum zweiten Punkt, ist für mich da schon der derbe Stil des „bösen“ Kesting. Offenbar ist es die harte Schule des Zeitungsfeuilletons, die es teilweise anzustreben scheint, die gescheiterte künstlerische Bemühung publikumswirksam der Lächerlichkeit preisgeben zu müssen. Das mag man je nach Gemüt oder persönlicher Anteilnahme mögen oder auch nicht. Störend wirkt allerdings, dass sich in der drastischen Schreibweise Kestings zuweilen die Nuancen, welche zwischen höchstem Lob und Veriss liegen, aufzulösen scheinen. Er steigert sich dann im Bemühen um möglichst publikumswirksames Nachtreten derartig in seine Fehleranalyse hinein, dass man sich fragt, wie die entsprechenden Künstler überhaupt auch nur je in einen Laienchor Eingang finden konnten, wo sie doch andererseits teilweise über viele Jahre international die erste Wahl für einige Rollen gewesen sind. Und man reibt sich verwundert die Augen, wenn dann gerade diese jüngst zerrissenen Künstler (freilich mit ausgewählten Tugenden) einige Seiten später von Kesting im Vergleich lobend herangezogen werden. Für mich eine Unsitte, sie sich aus dem natürlich problematischen Spagat zwischen sachlicher Darstellung und unterhaltsamer Lektüre ergibt, die solche Kritiken schließlich auch sein sollen. Aber wie gesagt störend, weil mitunter ein durchaus vorhandenes, differenziertes Urteilen unnötig verschleiernd. (Bösartig könnte man Kesting vorwerfen, dass er seinen aufrichtigen Vortrag durch übertriebene, aufgesetzte Affekte ausschmückt :stumm: )



    Dennoch: Sehr lesenswert, sehr lehrreich. Viel Fachwissen wird vermittelt und noch mehr profitiert man von den Hinweisen auf die eine oder andere interessante Aufnahme. Aber man darf halt nie vergessen :
    Auch wenn die Gesangskunst sicher zu einem großen Maß objektivierbar ist - was ja gleichsam die Existenzberechtigung für so einen Wälzer darstellt –bleibt immer noch ein Rest „Zauberei“. Nur ein einfaches Beispiel: Der große Nicolai Gedda, ein absolut untadeliger, großer Gesangstechniker mit kaum zu überbietender Vielseitigkeit in einem immensen Repertoire, welches er quer durch alle Opern-Sprachen idiomatisch korrekt gesungen und dafür durch die Gesangsfachliteratur die höchsten Weihen erhalten hat, landet im Tamino-Sänger-Ranking auf Platz 68. Noch hinter singenden Grobmotorikern wie Corelli oder del Monaco, hinter problematischen Technikern wie di Stephano und Carreras. Andererseits gibt es einige Gesangsliebhaber des Forums mit großem Fachwissen, für die selbst ein Theo Adam seinen Reiz entwickelt, der so ziemlich in jedem Standardwerk der Gesangskritik in seine tremolierenden Einzelteile zerrissen wird.


    Gruß
    Sascha

  • Hallo Sascha,


    vielen Dank für Deinen ausführlichen und lesenswerten Bericht über Jürgen Kesting. Aufmerksam geworden bin ich auf Kesting durch den Rundfunk. Der grosse Vorteil gegenüber der reinen Lektüre: die passenden Hörbeispiele zeigen, was Kesting mitteilen will. Besonders nachhaltig war bei mir die Beschäftigung Kestings mit Maria Callas - eigentlich der Auslöser für meine Begeisterung für diese Sängerin. Seine Callas-Biografie hat mir sehr gefallen, vor allem auch, die gute Lesbarkeit und die grosse Fähigkeit, die menschliche Stimme zu beschreiben.


    Dadurch neugierig geworden, musste auch ich feststellen, dass sein Hauptwerk z. Zt. nicht lieferbar ist, genauso wie das von J. Steane.


    Mir geht es genauso, wie den anderen, die hier schon ähnliches berichtet haben: man wird im Detail vielleicht zu einer anderen Wertung finden, als Kesting das tut, aber man wird doch immer sagen müssen, dass er seine Position nachvollziehbar darlegt.


    Was mich, seit ich das Callas-Buch gelesen habe, beschäftigt: dieser Mann muss doch in einer normalen Opernvorstellung, vielleicht an einem mittleren Haus, den ganzen Abend über höllische Qualen leiden, bei seinem Anspruch an den Gesang und die ausführenden Sängerinnen und Sänger.


    Einen grossen Pluspunkt hatte der Reszensent Kesting bei mir mit einer Besprechung des "Trovatore" in Hannover erzielt: die Grundtendenz seiner Kritik war negativ - aber wie er differenzierte, wie er begründete und vor allem seine Subjektivität in den Vordergrund stellte, hat mir sehr gefallen.


    LG


  • Hallo Alviano


    Offenbar reicht es auch schon, die Bücher längere Zeit auf dem Küchentisch liegen zu haben, um zu leiden. Siehe mein Möchtegern-Kesting-Post im aktuellen Thread über Vogts Lohengrin.
    Da habe ich in der Tat auch gelitten, wohl vor allem, weil ich mich gerade just zeitgleich mit der thematik Legato im allgemeinen und Lohengrin im speziellen beschäftigte. Schon wird man in die kestingneske Ausdrucksweise gedrängt, die man eben noch kritisierte... :rolleyes:


    Gruß
    Sascha


    PS: Das mit den Büchern ist echt ärgerlich. Es gibt eine Menge hervorragende Bücher über Sänger, aber wie schon festgestellt: Fast alles vergriffen. Kesting habe ich immerhin in der Bibliothek entleihen , Steane im Antiquariat auftreiben können. Aber z.B. "Opera on Record" dürfte auch viel Geld oder kriminalistischen Spürsinnes bedürfen.

  • Hallo Sascha,


    jaja, der Kestingsche argot kann schon ziemlich abfärben :yes:. Das ist ja auch nur ganz natürlich, wenn Du Dich wochenlang mit den drei Schwarten beschäftigst. Man kommt an ihm eben nicht vorbei, wenn man sich mit deutschsprachiger Sängerliteratur auseinandersetzt. Wenn man den Blick dann weitet, merkt man aber schnell, dass die vermeintlichen Bösartigkeiten Kestings im angloamerikanischen Sprachraum gang und gäbe sind (er zitiert sie ja auch ausgiebig: etwa Fischer-Dieskaus "big white father", "hectoring imitation rasper" und Schwarzkopfs "first lady´s smile"). Im harmoniesüchtigen Deutschland und besonders im ziemlich verlogenen Opernbetrieb (Küßchen hier, Küßchen da und hintenrum wird dann gelästert) kommt solch pronociert vorgetragenes Urteil nicht gut an. Ich fand und finde diese Offenheit sehr erfrischend. Und da sehe ich ihm das eine oder andere Mal nach, wo er sich ein wenig vergalloppiert hat.


    :hello:


    GiselherHH


    P.S.: Bei "Opera on Record" hat meine Suche mehr als 10 Jahre gedauert (u.a. erfolglose Suche in London), bis ich vor etwa vier Jahren bei zvab.com auf das Angebot eines schwedischen Antiquariats stieß. Die wollten für den kompletten Satz (Hardcover mit Schutzumschlag, Erstausgaben, sehr guter Zustand) nur 70 Euro plus Porto haben. Ich konnte mein Glück kaum fassen und schlug natürlich sofort zu. Und so bin ich nun stolzer Besitzer dieser unter Opernliebhabern weltweit so gesuchten Bücher. Also: immer dranbleiben und Ausschau halten!

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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  • Hallo Sascha,


    also, ich sags mal so: ich hätte die Zwischenatmer gewiss nicht gezählt - da hätte mir die allgemeinere Feststellung, dass da einer die Phrasen zerhaut, gereicht. Aber jetzt bin ich ja der letzte, der bei Sängern besonders unkritisch wäre :wacky:


    Deshalb finde ich so ein wenig mehr "Pingeligkeit" durchaus positiv, auch bei grossen Namen (ich habe vorhin eine Domingo-Aufnahme gehört, die ich vor 25 Jahren richtig gerne mochte - nach wenigen Takten habe ich mich nach Jon Vickers gesehnt...).


    Wenn Kesting allso dazu Anreiz bietet, genauer hinzuhören, kritischer zu sein - dann finde ich das begrüssenswert.


    Zwei Dinge will ich noch loswerden: ich kann mir diesen aktuellen Vogt-Ausschnitt nicht anhören. Ich habe den Tenor vor ca. 5 Jahren gehört, da war der noch relativ unbekannt, seit dem nicht mehr.


    Das zweite: mir hat Deine Beschreibung von Franz Crass als Holländer gut gefallen, das deckt sich mit meiner eigenen Einschätzung. Jetzt würde mich interessieren, wie Du Anja Silja bewertest (ich sags gleich: ich steh da drauf :untertauch:..). Bei Greindl wären wir vermutlich dann wieder einer Meinung...


    Gruss zurück

  • Hallo Alviano,


    fürs Zählen hab ich ja schon von Siegfried Dresche bekommen. :D Ich hatte aber gehofft, dass das nicht allzu ernst genommen wird, zumal ich ja nach den zahlenwerten noch mal ausführlich Stellung bezogen habe. ;)


    Silja finde ich genial, sie entspricht eigentlich genau meiner Vorstellung von einer Senta und durch die Oktavsprünge der Ballade kommt sie gut durch. Allein: Ich kenne keine andere Senta. :O Habe sonst nur noch die Klemperer-Aufnahme, da singt sie ja auch. (Im Vergleich habe ich die beiden Einspielungen noch nicht gehört!). Und insofern bin ich mit meinem Urteil noch etwas vorsichtig...


    Ansonsten hätte ich die Anja auch gerne mal auf der Bühne erlebt, Ihre darstellerische Intensität wurde ja hinreichend gelobt und auch dem alten Klemperer scheint sie den Tag versüsst zu haben.
    In dem Kestingbuch ist ein Foto von Ihr drin als , Salome...den dazu passenden Smilie kann ich leider nicht bringen, den zensiert die Forensoftware. :angel::D


    Gruß
    Sascha

  • Liebe Taminos,


    auch weil ich im Prey-Thread bereits mit Kestings Zitaten angeeckt bin, hier mein Eindruck:


    Ich habe die "Großen Sänger" als Sonderausgabe (wohl gekürzt) für 25 Euro bei Dussmann erstanden, das dürfte jetzt etwa sechs Jahre her sein. Den Fischer habe ich auch im Schrank, Steane, Ardoin etc. aber nicht.
    Zunächst etwas, das mich an Kesting ausnehmend stört: Die "Wiederverwurstung" seiner Artikel in diversen Feuilletons, vornehmlich der FAZ, teils Wort für Wort aus altem Material übernommen. Zudem nervt mich die Blasé-Inszenierung seiner Reihen im Fernsehen (Kesting im leeren Raum vor dem Grammophon).
    Aber: Seine Analysen sind immer fundiert, auch wenn man selbst zu anderen Ergebnissen kommen mag (und das kommt sicher recht häufig vor!). Seine ätzende Kritik beruht stets auf Nachhörbarem - ob man das ebenso gewichtet wie JK, bleibt einem überlassen. Außerdem zwingt der äußerst elitäre Zugriff des Kritikers dazu, jeden Vortrag auf die Parameter des Gesangs zu durchleuchten - und so zu differenzierten Urteilen zu kommen.
    Man sollte ihm auch nicht vorwerfen, Callas oder Gobbi mit anderen Maßstäben zu sehen als andere - er hat durchaus harte Kritik für beide parat.


    In jedem Fall ein Gewinn, ihn zu lesen!


    LG,


    Christian

  • Zitat

    Original von Il Grande Inquisitor
    Zunächst etwas, das mich an Kesting ausnehmend stört: Die "Wiederverwurstung" seiner Artikel in diversen Feuilletons, vornehmlich der FAZ, teils Wort für Wort aus altem Material übernommen.


    Kesting formuliert oft sehr gut, treffend und nuanciert. Warum sollte er eine einmal gefundene Formulierung, die seiner Meinung nach weiterhin den Punkt trifft, nicht erneut verwenden? Hat man etwas erst einmal auf den Punkt formuliert, ist diese Formulierung im Hinblick auf denselben Punkt eben nicht mehr beliebig. Bei Joachim Kaiser (dem anderen "Papst") ist das übrigens nicht anders.


    Loge

  • Klar, Loge.


    Mir ging es aber nicht um einzelne Formulierungen, in denen Kesting seine Ansicht wiederholt, sondern um ganze Textblöcke, die ungekennzeichnet in angeblich neue Artikel (etwa Nachrufe etc.) übernommen werden. Das ist journalistisch schlicht unsauber, leider aber Usus in der Branche.


    LG,


    Christian

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  • Ich habe mich schonmal in einem anderen Thread ziemlich über gewisse Urteilskriterien des Hernn Kesting aufgeregt und will das trotz seiner für noch unbestrittenen Verdienste nochmal wiederholen:
    Ich finde es sehr suspekt und geradezu unverschämt, wie er über ien ganzes Stimmfach herfällt und azahlrecihe Berühmte und vielgeliebte Sängeirnnen der Vergangenheit als minderwertig brandmarkt. Der Mann muss eine Phobie gegen Koloratursoprane haben, aus welchen Grûnden auch immer. Jedenfalls lässt er solche Grôssen wie Beverly Sills, Rita Streich, Erika Köth, Reri Grist, Erna Berger, Elly Ameling, Anneliese Rothenberger usw nur als Rokokkofigürchen durchgehen und spricht ihnen die Ausdruckskraft schlichtweg ab.
    Bei der Lektüre seiner grossen Sänger-Anthologie hat mich bei aller Bewunderung für diese profunde Sammlung des öfteren die schiere Wut über diese Ignoranz gepackt. :boese2: :motz: :angry:
    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen: Der Mann muss eine Phobie gegen Koloratursoprane haben, aus welchen Grûnden auch immer. Jedenfalls lässt er solche Grôssen wie Beverly Sills, Rita Streich, Erika Köth, Reri Grist, Erna Berger, Elly Ameling, Anneliese Rothenberger usw nur als Rokokkofigürchen durchgehen und spricht ihnen die Ausdruckskraft schlichtweg ab.


    ... die kommen wenigstens noch vor in seiner Anthologie (ich habe die einbändige gelesen); Lina Pagliughi erwähnt er, glaube ich, nur einmal als negatives Beispiel am Rande :angry:


    Aber davon abgesehen, habe ich das Buch gern gelesen und insbesondere seine Rundfunksendungen gern gehört. Das "Belcanto-Museum" (der Titel wurde später durch "Große Stimmen" ersetzt) oder die Serie über Maria Callas zum 20. Todestag in 26 Folgen - die war wirklich spannend und informativ. Und das ist, so meine ich, auch der Knackpunkt bei Kestings Aversion gegen leichtere Koloratursoprane: Er hält Maria Callas so hoch, dass die anderen für ihn nur noch darunter durchlaufen können ...


    :hello: Petra

  • Liebe Feenkönigin,


    hier doch einmal ein Widerspruch, was bei uns ja nur selten vorkommt.
    Kesting wertet keinesfalls alle leichten Koloratursoprane ab. Amelita Galli-Curci, Selma Kurz, Maria Ivogün - die kommen ziemlich gut weg. Es wird aber von Kesting eine exzeptionelle Qualität gefordert, um den reinen Soubretten-Status zu verlassen. Durchaus gelobt wird etwa auch Edith Mathis, Kathleen Battle kommt etwa gar nicht vor.
    Auch mir kommen seine Ausschlußkriterien arg rigoros vor; wenn er allerdings - was er immer tut - mit den großen alten Damen anrückt, fällt der Vergleich mit Reri Grist, Erika Köth u. a. nicht unbedingt zum Vorteil der Jüngeren aus. Rita Streich kommt aber eindeutig unter Wert aus Kestings Mühle.
    Übrigens ignoriert Kesting einige Sänger von Rang - besonders heftig bei Ludwig Weber.


    LG,



    Christian

  • Zitat

    Original von Il Grande Inquisitor
    Übrigens ignoriert Kesting einige Sänger von Rang - besonders heftig bei Ludwig Weber.


    Christian


    Wobei das an der Auswahl liegt, in der dreibändigen Ausgabe kommt Weber vor, wenn ich mich nicht sehr irre. Das Problem stellt sich aber bei jedem derartigen Werk ; Fischer mußte auch etliche Leute weglassen, die er eigentlich drinhaben wollte. Aber der Verlag jammerte ohnehin schon über den Umfang. Übrigens ist eine aktualisierte und eventuell erweiterte Ausgabe angedacht.

  • Lieber Armin,


    ich habe die leidigen Verlagsvorgaben vergessen - das ist also die Crux (bzw. die gekürzte Fassung). Eine Neuausgabe wird sehnlichst erwartet; mein Exemplar fällt schon in mehrere Teile auseinander. Was mich verwunderte, war, daß in meiner Version Ludwig Weber auch im Index nicht auftauchte, alos auch in Querverbindungen nicht genannt wird. Liege ich da falsch?


    LG,


    Christian

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