Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 75 D-Dur

  • Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 75 D-Dur


    entstanden um 1780 (1781 erstmals im Druck erschienen)


    Besetzung: Flöte, Fagott, je 2 Oboen, Hörner [Trp. & Pk. fragwürdiger Authentizität ergänzt, sie fehlen bei Goodman, Fischer setzt sie mit überzeugendem Effekt ein], Streicher


    Rosen nimmt die Tatsache, daß Mozart sich des Anfang des Werkes vermutlich für eine geplante Aufführung notiert hatte, zum Anlaß, einige Besonderheiten des Kopfsatzes anzusprechen. Walter bespricht sie vergleichsweise ausführlich (S. 69 f.). Lessings Kopie habe ich leider verlegt oder vergessen zu kopieren (71 und 73-81 sind da...)


    1. Grave
    Diese Einleitung beginnt zuerst verhalten, steigert sich in feierlich-düsterem Moll mit punktierte Figuren zu wuchtiger Erhabenheit und verklingt wieder im piano
    - Presto
    der "gelassene" piano Beginn nach der erinnert Rosen wohl nicht zu unrecht an Mozarts Ouverture zu Don Giovanni. Man behalte die drei Viertel, die als forte-Schläge die erste Phrase des Themas beschließen, im Blick. Wiederholung des Themas im lärmenden Tutti. Nach einer bewegten Überleitung folgt das ruhigere zweite Thema, das mit einer Vorschlagsfigur beginnt und die Schlußgruppe, wieder bewegter mit Achtelläufen, die wir schon aus der ersten Themengruppe kennen.
    Die Durchführung arbeitet zunächst mit dem Themenkopf und den drei Viertelnoten aus dem 4. Takt des Themas, ein Schulbeispiel "thematischer Arbeit" (wie auch Walter hervorhebt). Ein neuer Anlauf klingt fast schon nach Reprise verläuft sich aber in der aus der Exposition bekannten Achtelbewegung. Die Überleitung zur Reprises wird durch laute Tutti-Schläge , die von der Vorschlagsfigur des zweiten Themas beantwortet werden, vorbereitet. Ein mehrfaches "suchendes" Ansetzen führt dann zur Reprise, in der das Hauptthema gleich im forte einsetzt. Anstelle des 2. Themas folgt dann noch einmal eine angesichts der Knappheit des Satzes recht ausführliche Verarbeitung des Hauptthemas als Kanon (Rosen erläutert wie diese Stelle aufgrund ihrer harmonischen Struktur die ausgesparte Passage "ersetzen" kann). Daraus entwickelt sich ein triumphaler Schluß.



    2. Poco adagio


    Vier kontrastreiche Variationen über ein sehr einprägsames (es kommt einem vage bekannt vor, Rosen sieht einen möglichen Einfluß auf ähnliche Melodien Mozarts, z.B. später in der Zauberflöte), sowohl liedhaftes als auch "choralartiges" Thema, das zuerst von den Streichern vorgestellt wird
    Var. 1: Figuration der Geigen
    Var. 2: Gegenüberstellung von Streichern und Oboen, später auch den Hörnern mit fanfarenähnlichen Motiven im Wechsel vom piano forte, insgesamt etwas lebhafterer Charakter.
    Var. 3: bewegtes Cello-Solo, Thema in den restlichen Streichern (+ pizzicato-Begleitung)
    Var. 4: Thema in den Bläsern mit lebhafter Streicherbegleitung, deutliche Steigerung; es folgt eine kurze Coda.
    Walter weist darauf hin, daß die Instrumentation und rhythmische Struktur sich hier zwar zunehmend von der der Themenvorstellung entfernen, aber die ersten Variationen melodisch-thematisch am weitesten vom Thema sind, während die 4. beinahe Reprisencharakter aufweist.



    3. Menuetto. Allegretto


    Wie bei den meisten Menuetten in dieser Zeit verzichtet Haydn auf sonatenähnliche thematische Arbeit, sondern stellt zwei kontrastierende Themen gegenüber, die beide von rustikalem Charakter sind, das erste eher stampfend im Tutti, das zweite fließend bewegt in Achteln durch verschiedene Stimmen.
    Auch im Trio scheint die sparsam begleitete Geige direkt vom Tanzboden zu stammen, was bei Fischer durch eine solistische/reduzierte Besetzung noch unterstrichen wird.



    4. Finale. Vivace


    Ein sehr knapper (nur etwas über 3 min.) Satz in Rondoform mit einem typischen Haydn-Thema, das so ähnlich auch über 10 Jahre später in einer der Londoner Sinfonien auftreten könnte. Das elegante Rondothema wird zuerst im piano ausführlich vorgestellt (mit Wiederholung), es folgt eine dramatische durchführende Moll-Episode mit vollem Orchester. Die Wiederkehr des Refrain ist instrumentatorisch angereichert und führt in die
    nächste kürzere Episode mit eher spielerischer Verarbeitung
    Der nächste Refrain wird von Bläsersoli dominiert, durch ein paar Orchesterschläge abgebrochen und nach einem lärmenden Tutti-Auftritt des Themas folgt eine Coda mit mehreren den Zuhörer narrenden Beinahe-Schlüssen.
    Hier sind schon alle Zutaten für die Finali der späteren Sinfonien beisammen, wenn auch noch in vergleichsweise bescheidener, aber schon sehr wirkungsvoller und unterhaltsamer Weise.



    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Eine Sinfonie, die zu Unrecht sehr im Abseits steht. Außerhalb von Gesamtaufnahmen findet man sie vermutlich nur äußerst selten. Durch die später ergänzten Trompeten und Pauken gewinnt sie m. E. doch deutlich an Gewicht. Ist es gar die letzte Haydn-Sinfonie vor den Parisern, die mit Pauken daherkommt? Ich habe die Sinfonien Nr. 76 bis 81 zwar nicht so präsent im Ohr, meine mich aber zu entsinnen, dass das dort ausgespart wurde.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • 76-81 sind alle ohne Trompeten/Pauken. Außerhalb von D-Dur und C-Dur werden diese Instrumente damals noch eher selten in Sinfonien eingesetzt. Es kommt aber natürlich immer auf den Kontext an; die Sinfonien 76-81 hat Haydn ja für "auswärts" komponiert, die sollte vermutlich mit möglichst unterschiedlichen Aufführungsbedingungen kompatibel sein, daher zwar keine minimale, aber eine verbreitet übliche Besetzung.
    Selbst von den Pariser Sinfonien, bei denen Haydn ja wusste, dass es dort ein stark und gut besetztes Orchester gab, sind nur 82 und 86 mit Trompeten/Pauken. Sie fehlen auch noch bei 89 und 91. Erst die Londoner haben sie durchgehend.

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)