Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 28 A-Dur

  • Joseph Haydn: Symphonie Nr. 28 A-Dur


    Entstanden 1765 für den Fürsten Esterhazy.


    Vier Sätze:
    1. Allegro di molto
    2. Poco adagio
    3. Menuet: Allegro molto – Trio
    4. Presto assai


    Besetzung: 2 Oboen, 2 Hörner, Streicher.


    Im erhaltenen Autograph der Sinfonie fehlt der Finalsatz. Da auch einige frühe Abschriften die Sinfonie nur dreisätzig überliefern, ist davon auszugehen, daß es sich bei der dreisätzigen Fassung um die ursprünglich von Haydn vorgesehene Gestalt dieses Werks handelt und er das Presto-Finale erst später hinzukomponiert hat. Lessing geht davon aus, daß es sich bei den Sätzen zwei und drei ursprünglich um Zwischenakt- oder Begleitmusiken für Schauspiele gehandelt hat, die von Haydn nachträglich in ein sinfonisches Werk umgestaltet wurden. Hierbei würde es sich keineswegs um einen Einzelfall handeln, hat Haydn doch – auch darauf weist Lessing hin – für seine Sinfonien Nr. 60 und 63 ebenfalls auf Bühnenmusiken zurückgegriffen.



    Zu den Sätzen:


    Beim im 3/4-Takt stehenden Kopfsatz des Werks handelt es sich um ein Beispiel für Haydns Fähigkeit, mit einem überaus eng begrenztem thematischen Material eine farbige und mitreißende Musik zu schaffen. Der Satz (Sonatenform) ist monothematisch und hebt unmittelbar mit dem treibenden Thema an, das von einem an das Hauptthema des Kopfsatzes von Beethovens 5. erinnerndes Motiv bestimmt wird. Dieses Motiv gibt den Puls für den gesamten Satz vor und verleiht der Musik eine vorwärtsdrängende und treibende Atmosphäre. Plötzliche Dynamikwechsel und die intensiv-dramatische Mollwendung des Themas in der Durchführung lassen bereits den Haydn der Sturm-und-Drang-Phase erahnen. Besonders schön auch der Einfall nach der dramatischen Mollwendung das Thema von einer solitisch geführten Oboe wieder durig vortragen zu lassen. Sowohl für die Exposition als auch für Durchführung/Reprise hat Haydn Wiederholungen vorgeschrieben.


    Der im 2/4-Takt stehende 2. Satz ist ein ausgedehntes Poco-Adagio, der – wie es häufig in den langsamen Sätzen der Haydn-Sinfonien der Fall ist – allein von den Streichern getragen wird. Dabei sind für Violinen und Violen Dämpfer vorgeschrieben, während Celli und Kontrabasse explizit ungedämpft zu spielen sind, was zu einer bemerkenswerten Klangkonstellation des Satzes beiträgt. Das ganze musikalische Geschehen spielt sich, bis auf wenige plötzliche Forte-Einwürfe, im piano-Bereich ab. Hinsichtlich des thematischen Materials stellt Haydn einem eher lyrisch-sanglichen Thema eine Motivgruppe entgegen, die von pochenden, von einer Solovioline im staccato vorgetragenen Tönen bestimmt ist.


    Das Menuet, das die für einen solchen Satz eher ungewöhnliche Tempovorschrift Allegro molto trägt, wirkt insgesamt weniger tänzerisch als martialisch-derb. Prägend ist ein fanfarenartig anmutendes Motiv, mit dem der Satz auch gleich anhebt. Das in a-moll stehende, den Streichern vorbehaltene Trio, kontrastiert stark.


    Das atemlos voraneilende Finale (6/8-Takt) ist ein an eine Gigue erinnernder tänzerischer Satz mit Kehrausfunktion.


    Eine insgesamt überaus farbige, abwechslungsreiche und schöne Sinfonie – der Kopfsatz ist mir einer der liebsten Sätze im Kontext der frühen Haydn-Sinfonien.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Hallo, Medard!


    Zitat

    Original von Klawirr
    Der Satz (Sonatenform) ist monothematisch und hebt unmittelbar mit dem treibenden Thema an, das von einem an das Hauptthema des Kopfsatzes von Beethovens 5. erinnerndes Motiv bestimmt wird. Dieses Motiv gibt den Puls für den gesamten Satz vor und verleiht der Musik eine vorwärtsdrängende und treibende Atmosphäre. Plötzliche Dynamikwechsel und die intensiv-dramatische Mollwendung des Themas in der Durchführung lassen bereits den Haydn der Sturm-und-Drang-Phase erahnen.


    Dieser Satz ist etwa das Gegenteil von dem, was ich bei einer A-dur-Symphonie erwartet hätte. Da ist ziemlich viel Moll dabei, oder?
    Jedenfalls hat mich dieser Satz auch beeindruckt.
    Die Oboen-Stelle ist cool.


    Zitat

    Der im 2/4-Takt stehende 2. Satz ist ein ausgedehntes Poco-Adagio, der – wie es häufig in den langsamen Sätzen der Haydn-Sinfonien der Fall ist – allein von den Streichern getragen wird. Dabei sind für Violinen und Violen Dämpfer vorgeschrieben, während Celli und Kontrabasse explizit ungedämpft zu spielen sind, was zu einer bemerkenswerten Klangkonstellation des Satzes beiträgt. Das ganze musikalische Geschehen spielt sich, bis auf wenige plötzliche Forte-Einwürfe, im piano-Bereich ab.


    Auch der zweite Satz hat mich sehr positiv überrascht.
    Ein so zart dahingehauchter Satz - das sind ja schon Kontraste zwischen den Sätzen wie bei Beethoven.


    Zitat

    Das Menuet, das die für einen solchen Satz eher ungewöhnliche Tempovorschrift Allegro molto trägt, wirkt insgesamt weniger tänzerisch als martialisch-derb. Prägend ist ein fanfarenartig anmutendes Motiv, mit dem der Satz auch gleich anhebt.


    Dieses Motiv bricht die Ruhe des 2. Satzes wirklich gewaltsam. Diesen Klangeffekt, den Haydn da verwendet, nennt man Bariolage (wie ich nachgelesen habe). Das Trio klingt irgendwie "schief", ich weiß aber nicht warum.


    Zitat

    Das atemlos voraneilende Finale (6/8-Takt) ist ein an eine Gigue erinnernder tänzerischer Satz mit Kehrausfunktion.


    Auf den Satz hätte ich verzichten können. Ich bin für die dreisätzige Version.


    Zitat

    Eine insgesamt überaus farbige, abwechslungsreiche und schöne Sinfonie – der Kopfsatz ist mir einer der liebsten Sätze im Kontext der frühen Haydn-Sinfonien.


    Ich finde die drei ersten Sätze alle toll, jeden auf seine Weise.
    Die 28. gefällt mir deutlich mehr als die 30., die ich mir ausgesucht habe.


    Welche Aufnahme hast Du denn gehört? Der Fischer ist ziemlich gut, finde ich.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Mir gefällt am besten das Menuett :untertauch:
    Bariolage ist ein cooler Effekt (eine favorisierte Stelle, wo das eingesetzt wird, sind die letzten paar Takte in op.132,i!). Das Trio erntete wohl aufgrund seiner balkanmäßigen Schrägheit einige Kritik.
    Den 2. Satz finde ich ziemlich langatmig (bei Hogwood mit allen Wdh. 11 min ist er mir wirklich zu lang). Insgesamt gefällt mir Fischer hier auch sonst besser (ist auch einer der spätesten Einspielungen der Box, von 2000, der Kontrast zu 25 u. 27 , die 10 Jahre vorher aufgenommen wurden, ist frappierend). Hogwood ist mir im Kopfsatz zu schnell. Bei dem Höllentempo ist von Phrasierung, Kontrasten und Gliederung nicht mehr viel übrig. Außerdem klingt es hier erstaunlich kratzig und die Dynamik scheint mir etwa eingeebnet.
    Das Finale ist nicht herausragend, aber doch ein besserer Abschluß als ein Menuett (stellt mich in Sinfonien nie als Schlußsatz zufrieden, auch in 26 und 30 nicht)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Pius
    Welche Aufnahme hast Du denn gehört?


    Fischer und Hogwood.


    Zitat

    Der Fischer ist ziemlich gut, finde ich.


    Finde ich auch. Hat gegenüber Hogwood - da stimme ich JR zu - insgesamt deutlich die Nase vorn. Allerdings liegt das nach meinem Empfinden daran, daß Hogwood das Adagio (ganz ähnlich wie nin der 26.) auf die Streckbank spannt. Der Kopfsatz ist bei Hogwood zwar ziemlich hurtig, das gefällt mir aber sehr gut. Kann ich nicht verhetzt finden. Und das Menut macht Hogwood doch eigentlich sehr, sehr gut, oder? Die Kratzigkeit scheint mir doch ganz außerordetlich gut zum Charakter des Satzes zu passen.


    Fischer bietet aber in jedem Fall die ausgewogenere und - gerade weil er solche Tempomarotten, wie Hogwood sie hier pflegt, vermeidet - IMO auch schlüssigere Interpretation.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    Original von Pius
    Ich finde die drei ersten Sätze alle toll, jeden auf seine Weise.


    Sehe ich genauso wie Pius, mit einem leichten Prä für den wirklich tollen ersten Satz und für das Menuett. Unter den Haydn-Sinfonien bis zum Einsetzen der Sturm-und-Drang-Phase (also bis zur etwa gleichzeitigen oder wenig späteren Komposition von Nr. 39) ist diese mein Favorit.


    Die ersten Takte des Menuetts sind mir seit meiner Kindheit so vertraut wie die Anfänge der Kleinen Nachtmusik oder von Beethovens Fünfter: Anfang der 70er Jahre lief zu unserem Frühstück regelmäßig der WDR-Hörfunk, und der Beginn des Menuetts war das Signal für irgendeine Sendung (ich meine, es war der sog. Schulfunk, aber sicher bin ich mir nicht). Anders als bei Nachtmusik oder Fünfter habe ich aber nie gewusst, woher das Thema stammte - und als ich vor wenigen Jahren nach dem Erwerb der Fischer-Box mal Nr. 28 hörte, durchfuhr es mich wie ein Blitz...


    Auch unabhängig von solchen nostalgischen Erlebnissen faszinieren aber die Schrägheit sowohl des Menuett-Hauptsatzes wie auch diejenige des Trios (das bei Fischer wirklich hinreißend musiziert ist).



    Viele Grüße


    Bernd

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  • Es ist vermutlich bei den Haydn Sinfonien dieser Epoche so, daß es sehr von der Interpretation abhängt , ob sie einen beeindrucken oder nicht.

    Mir hat - in diesem Fall der 2. Satz, der mit 8 von 19 Minuten (in meiner Aufnahme) den Löwenanteil der Spielzeit beansprucht. Die Balance wär ohne den anstückelten 4. Satz noch unausgewogener. Damit könne ich allerdings leben, denn IMO stellt dieser rabiat-wilde Schlußsatz einen Fremdkörper dar. Ich war eigenrtlich über die ausführiche und positive Würdigung dieser Sinfonie hier im Forum recht erstaunt, denn im Boklet und den Konzertführern scheint man nicht allzuviel mit ihr anfangen zu können, sie wird mit einer kurzen Bemerkung abgetan.

    Auch das Publikum der mir zur Verfügung stehenden Live Aufnahme (Stuttgarter Kammerorchester - Dennis Russell Davies) war - dem flauen Schlussapplaus nach zu urteilen - nicht unbedingt begeistert.....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !