Eure UNliebsten letzten Takte einer Oper - Worst of

  • Als ich mir meine liebsten letzten Takte von Opern überlegte, fielen mir auch einige ein, die ich aus verschiedenen Gründen lieber anders oder bisweilen auch lieber gar nicht hätte. Um solche soll es in diesem Thread gehen.


    Bei mir zählen dazu:

    • Puccini, Suor Angelica (bei diesem Ende ist die Musik für mich noch unerträglicher als die Regieanweisungen, die man wenigstens durch radikales Regietheater außer Kraft setzen könnte!)
    • Massenet, Werther (zwischenzeitlich gefällt mir ja die Oper sehr gut, aber das Weihnachtslied der Kinder gefällt mir schon am Anfang nicht und wirkt am Ende etwas parodistisch)
    • Strauss, Rosenkavalier (ich weiß, dass viele genau gegenteiliger Meinung sind, aber ich finde, Strauss hätte nach dem Terzett aufhören sollen...)


    Liebe Grüße,
    Martin

  • Lieber Martin,

    Zitat

    Strauss, Rosenkavalier (ich weiß, dass viele genau gegenteiliger Meinung sind, aber ich finde, Strauss hätte nach dem Terzett aufhören sollen...)


    Eigentlich hätte Strauss mit dem "Rosenkavalier" aufhören sollen, ehe er damit angefangen hat, aber wenn schon... - ...dann natürlich nach dem Terzett aufhören. Aber da Strauss ein - scheinbar - genialer Schlüssekomponierer war, hat er im "Rosenkavalier" deren gleich drei gebastelt:
    1) Terzett
    2) Duett
    3) Das ganz allerliebste Negerlein


    Schon peinlich, wenn einem - angeblichen - Spitzenkomponisten so etwas passiert. Seine größte Geschmacksverirrung unterläuft ihm aber am Schluß der "Daphne": Da komponiert er zuerst eine Kantilene mit einem wirklich schönen Orchestersatz - und dann kommt ein Jodler drauf, der für den Musikantenstadl zu primitiv wäre.


    :hello:

    ...

  • Mein schlecht informierter Eindruck ist, daß Strauss den Rosenkavalier entweder als Monodrama für die Marschallin allein oder als Kammeroper, mindestens auf die Hälfte eingekocht, hätte komponieren sollen. So hat man ein paar beeindruckende Szenen und zwischendurch endlose übersüßte Langeweile, die Karies, Magenverstimmung und Diabetes verursacht...


    Aber interessanter sind solche Fragen ja bei Opern, die man eigentlich schätzt...
    Einen nicht unproblematischen Schluß (deswegen gibts ja auch zwei Fassungen) hat der Don Giovanni. Ich finde allerdings das übliche lieto fine nicht so verkehrt, auch wenn es nach der grandiosen Höllenfahrt ein wenig antiklimaktisch wirkt. Lebbe geht weider..


    Der Meistersinger-Schluß ist mir ein bißchen zu bombastisch und die Ironie, die man vorher manchmal angesichts des selbstherrlichen Pomps der Meister zu spüren meint, scheint mir hier am Ende zu fehlen.


    Insgesamt wirken heute viele Opernschlüsse in Barock und selbst der Klassik auf mich ein wenig fad (zB auch Mozarts Entführung). Ulli hat das im anderen thread schon angedeutet. Musikalisch scheint hier ähnlich wie bei der Sonate die Idee zu dominieren, daß die komplexesten Sätze weiter vorne stehen (in der Oper dann meist das Finale des ersten Aktes bzw. des 2. bei 4 Akten oder andere große Ensembles zwischendurch) und der Schluß leichteren Charakter hat.
    Und dann wirken, besonders im Barock, viele der happy endings natürlich ziemlich übers Knie gebrochen...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich bekomme am Schluss der "Frau ohne Schatten" so ein unbestimmtes Magendrücken, wenn die "Stimmen der Ungeborenen" ihren zuckersüßen Fruchtbarkeitsjubel anstimmen und einem so die Moral des Stückes eintrichtern: Weib, sei gehorsam und gebärfreudig!

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Insgesamt wirken heute viele Opernschlüsse in Barock und selbst der Klassik auf mich ein wenig fad (zB auch Mozarts Entführung). Ulli hat das im anderen thread schon angedeutet. Musikalisch scheint hier ähnlich wie bei der Sonate die Idee zu dominieren, daß die komplexesten Sätze weiter vorne stehen (in der Oper dann meist das Finale des ersten Aktes bzw. des 2. bei 4 Akten oder andere große Ensembles zwischendurch) und der Schluß leichteren Charakter hat.
    Und dann wirken, besonders im Barock, viele der happy endings natürlich ziemlich übers Knie gebrochen...


    Das muß noch ein Relikt der Opera seria sein - hier sind ja die Finali ultimae zumeist sehr kurz und knacking und dauern nur wenige Sekunden bis Minuten. Dafür, daß in einem Opernwerk keine einzige Melodie wiederholt wird und somit die formale Vollendung der dramatischen Handlung quasi ausgeschlosssen wurde, setzte sich Johann David Heinichen [1683-1729] sehr stark ein. Finali dieser Art, die in der Tat "ziemlich übers Knie gebrochen" daher kommen, dienten dem Knalleffekt, der eine Seria überhaupt erst "spannend" machte. Erst allmählich entwickelten sich aus den "erlaubten" Duetten, Terzetten oder anderen mehrstimmigen Zwischenaktfinali die berühmten Kettenfinali á la Paisiello, Martín y Soler und nicht zuletzt Mozart. Wobei letzterer dies dann auch auf die Scenae ultimae übertrug, was sicherlich eine nicht ganz unumstrittene Neuheit war. Denn vergleichsweise dauert die letzte Scene aus Martín y Solers Capricciosa Corretta [Libretto: da Ponte!] knappe 7 Minuten, das der bekannteren Cosa rara [Libretto: da Ponte!] bereits 13 Minuten. Bei Mozart sind die Strukturen in den da-Ponte-Opern noch wesentlich komplexer - er bindet den Opernbesucher z.B. bei Cosí fan tutte ganze 20 Minuten an ein ausgefeiltes dramatisches Finale II.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Insgesamt wirken heute viele Opernschlüsse in Barock und selbst der Klassik auf mich ein wenig fad (zB auch Mozarts Entführung). Ulli hat das im anderen thread schon angedeutet. Musikalisch scheint hier ähnlich wie bei der Sonate die Idee zu dominieren, daß die komplexesten Sätze weiter vorne stehen (in der Oper dann meist das Finale des ersten Aktes bzw. des 2. bei 4 Akten oder andere große Ensembles zwischendurch) und der Schluß leichteren Charakter hat.
    Und dann wirken, besonders im Barock, viele der happy endings natürlich ziemlich übers Knie gebrochen...



    Du kennst eindeutig zu wenig :D


    Natürlich gibt es Opern deren letzte Szene ziemlich apprupt ist, aber dann ist das immer auch entsprechend vorbereitet - und kann auch gar nicht anders enden.


    Aber es gibt auch schon bei Lully Opernfinali die entsprechend groß angelegt sind, allein in Cadmus et Hermione, Psyche oder Amadis, die letzte Chor-Chaconne dauert über eine viertel Stunde.
    um da mal einen Einblick zu bekommen, hier ein Ausschnitt


    http://www.arte.tv/fr/accueil/…/2151166,CmC=2264210.html


    (der Link ist legal, das ist Arte tv und das sind Clips die einige Konzerte in Versailles zeigen)


    aber um zum Thema zurück zukommen.


    Es gibt einige Opern in denen es immer mal wieder schwache Szenen gibt, vor allem bei Händel und Vivaldi,
    aber bei Richard Strauss beginnen die ungeliebten Takte bereits mit den ersten Tönen und das endet erst für mich, wenn der Kram vorbei ist.


    :untertauch: :untertauch: :untertauch:

  • Bei mir ist es bisher genau andersrum :D
    In einer Händeloper bin ich mal fast eingeschlafen. Aber es war wohl auch keine gute Inszenierung (in Trier) und die Oper war glaub ich auch nicht gerade die bekannteste.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould