Dolcevillico - Franz Xaver Süßmayr

  • Salut,


    für meinen heutigen 400. Thread habe ich mir etwas „besonderes“ ausgesucht:


    wurde 1766 [das genaue Geburtsdatum ist unbekannt] in Schwanenstadt geboren. Süßmayr [bis 1795 auch Sießmayr oder italianisiert Dolcevillico genannt] erhielt ersten musischen Unterricht in Gesang, Violine und Orgel bei seinem Vater Franz Karl Sießmayr, welcher Mesner, Chorregent und Schulleiter war.


    Süßmayr kam im Jahre 1779 nach Kremsmünster und besuchte dort als Angehöriger des Konvikts bis 1784 das Stiftsgymnasium, dann bis 1787 die ebenfalls dort befindliche Ritterakademie, wo er Unterricht in Philosophie und Jura erhielt. Er wirkte bei Musikaufführungen in Kirche, Kammer und Theater als Altist und Organist mit, ab 1781 im Fache Tenor und Violine oder Orgel. Die musikinteressierten Patres [u.a. Beda Plank, Placidus Fixlmilner] förderten den jungen Musikus, in Musiktheorie wurde er von Maximilian Piessinger und G. von Paterwiz unterwiesen.


    Seit 1785 tritt Süßmayr als bemerkenswerter Komponist in Erscheinung. Seit 1788 befindet sich Süßmayr in Wien, wo er sich zunächst als Privatlehrer und mit Gelegenheitsdiensten durchschlug. Erich Duda schreibt: Im gleichen Jahr hat er bereits Mozart kennen gelernt, denn in einem Brief erwähnt er, dass seine Operette "Der rauschige Hans", die er mit 6. März 1788 datiert hat, "unter der Leitung des seeligen, unsterblichen Mozart" entstanden ist.


    Vielleicht bereits 1790 – mit Sicherheit aber 1791 – wird Süßmayr Adlatus [Kopist und gelegentlicher Mitarbeiter] von Wolfgang Amadé Mozart. Es ist bekannt, dass Süßmayr die [heute bekannten] Rezitative der Oper La Clemenza di Tito verfasst und Teile des Requiem ergänzt bzw. vollendet hat. Süßmayrs Notenschrift ist der Mozartischen extrem ähnlich, was der Musikwissenschaft bis heute „Freude“ bereitet.



    [„Mozart erläutert Süßmayr die Vollendung des Requiems“ - Erich Duda schrieb an mich: Es handelt sich um eine Lithographie, die im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien aufbewahrt wird, aber auch in vielen Drucken existiert. Das Original wurde von Friedrich Leybold (nach Franz Schamms) angefertigt und im Jahr 1857 vom Österreichischen Kunstverein angekauft. Da es lange nach dem Tod Suessmayrs entstanden ist, kann man davon ausgehen, dass es nicht dessen tatsächliches Aussehen zu Lebzeiten wiedergibt. Anlass für dieses Bild ist wohl der Bericht Sophie Webers [der Schwester Constanzes: …da war der Sissmaier bey M: am Bette dan Lag auf der Deke das Bekannte Requiem und M: Explicirte jhm wie seine Meinung seie dass er es Nach seinem Todte Vollenden sollte.]


    Nach Mozarts Tod nahm Süßmayr Unterricht bei Antonio Salieri, mit dem er bereits zu Mozarts Lebzeiten Kontakt pflegte. 1792 feiert Süßmayr in Wien und Prag große Bühnenerfolge und wird am 9. Juli 1794 Kapellmeister der deutschen Oper im k.k. Nationaltheater zu Wien. Süßmayr pflegte Freundschaften zu Anton Stadler [Clarinettist und Clarinettenbauer, dem u.a. auch ein Clarinettenkonzert in D-Dur komponierte], Michael Haydn [dem etwas weniger berühmten Bruder Joseph Haydns], dem Komponisten Pavel Vranicky [auch Paul Wranitzky], Ignaz Schuppanzigh. Im Jahre 1801 fand eine Begegnung mit Ludwig van Beethoven statt.



    [Autographes Titelblatt der Oper Der Spiegel von Arkadien, uraufgeführt am 14. November 1794 im Theater auf der Wieden, Libretto: Emanuel Schikaneder.]


    Süßmayrs Œvre umfasst nach dem SmWV nach Erich Duda rund 820 Werke, darunter viele Opern bzw. Singspiele, z.B. Moses oder der Auszug aus Ägypten, Die Drillinge, Der Bürgermeister, Piramo e Tisbe, Meister Schnaps, Idris und Zenide, Die edle Rache, Die Freiwilligen, Der Wildfang, Liebe macht kurzen Prozeß, Die drei Sultaninnen oder: Soliman II, Gülnare, oder: Die Persische Sklavin, Phasma, L’imbarazzo degli amanti, Einlagen zu in Wien aufgeführten Opern anderer Meister, Kantaten, Sinfonien, Kammermusik aller Art und Formation, Missa solemnis in D, 2 Messen in C, 2 Messen in B, 1 Te Deum, 6 Offertorien, Gradualen, Vespern, Lieder, 1 Klavierkonzert, 1 Klarinettenkonzert, Ballette, Divertimenti, Märsche, Tänze, Cassationen, …


    Zu Süßmayrs Klarinettenkonzert schreibt Erich Duda in den acta mozartiana Juli 1998 Heft 1/2, S. 22: […]Stadler sei angeblich sein Koffer mit Noten und Instrumenten gestohlen oder, nach anderen Angaben, verpfändet worden. […]Es scheint daher durchaus möglich, dass mit dem autograph von Mozart Konzert KV 622 auch das Autograph des Süßmayr-Konzertes abhanden gekommen ist […].


    Süßmayr starb am 17. September 1803 in Wien an Lungentuberkulose. Sein musikalischer Nachlaß wurde zum Großteil vom Hause Eszterházy erworben und wird gerade „entdeckt“. Allen Interessenten empfehle ich, sich weitergehend unter http://www.suessmayr.at zu informieren. Hier gibt es auch eine handvoll Hörbeispiele [z. T. aus live-Aufnahmen].


    Gerber schreibt, dass Süßmayr zu Lebzeiten einer der beliebtesten und würdigsten dramatischen Komp[onisten] war. Ludwig van Beethoven schrieb sechs Klaviervariationen über das Terzett Tändeln und Scherzen aus der Oper Soliman II.


    Cordialement,
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli


    Vielleicht bereits 1790 – mit Sicherheit aber 1791 – wird Süßmayr Adlatus [Kopist und gelegentlicher Mitarbeiter] von Wolfgang Amadé Mozart. Es ist bekannt, dass Süßmayr die [heute bekannten] Rezitative der Oper La Clemenza di Tito verfasst und Teile des Requiem ergänzt bzw. vollendet hat. Süßmayrs Notenschrift ist der Mozartischen extrem ähnlich, was der Musikwissenschaft bis heute „Freude“ bereitet.


    Ungeachtet der Ähnlichkeit bei der Schrift benötigt man zumindestens bei Requiem nur ein einigermaßen gutes Gehör und etwas Hirn und man weiß wo er er fertig "gestümpert" hat!
    Das Hirn übrigens um das Signal der Ohren in ein:"Eigentlich sollte man hier abschalten" zu übersetzen :stumm:

  • Ich glaube daß die Musikwissenschaft Süßmayr bitter unrecht tut.
    Nach allem was wor über den unduldsamen Perfektionisten Wolfgang Amadeus Mozart wissen, würde er NIE einen "Stümper" um sich geduldet haben, und ihn schon gar nicht mit der Vollendung seines Requiems beauftragt haben


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich glaube daß die Musikwissenschaft Süßmayr bitter unrecht tut.
    Nach allem was wor über den unduldsamen Perfektionisten Wolfgang Amadeus Mozart wissen, würde er NIE einen "Stümper" um sich geduldet haben, und ihn schon gar nicht mit der Vollendung seines Requiems beauftragt haben


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred


    @Alfred.


    Das heißt Du "hörst" nicht ab welcher Stelle er "vollendet" hat?
    "Stümper" ist sicherlich ein zu hartes Urteil, aber ein Genius alla Wolferl war er ja nun nicht! oder? :D

  • Zitat

    Das heißt Du "hörst" nicht ab welcher Stelle er "vollendet" hat?


    Totenmessen sind nicht meine Spezialität, weißt Du - da kneife ich.
    Verursacht mir Depressionen.


    Aber natürlich hab ich michj theoretisch damit befasst. Soweit mir bekannt, ist sich nicht mal die Musikwissenschaft sicher, sagen zu können, wer wo aufgehört und wer wo begonnen hat....


    Beste Grüße Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Nach allem was wor über den unduldsamen Perfektionisten Wolfgang Amadeus Mozart wissen, würde er NIE einen "Stümper" um sich geduldet haben, und ihn schon gar nicht mit der Vollendung seines Requiems beauftragt haben


    Ganz meine Rede!


    Salut,


    Richard: Hörst Du etwa, dass Süßmayr die Rezitative zu Titus geschrieben hat?


    Wann kann endlich mal jemand außer mir die Leistung dieses viel zu unterschätzten Süßmayr anerkennen? Keine andere Requiem-Rekonstruktion hält der von Süßmayr stand!


    Zitat

    Aber natürlich hab ich michj theoretisch damit befasst. Soweit mir bekannt, ist sich nicht mal die Musikwissenschaft sicher, sagen zu können, wer wo aufgehört und wer wo begonnen hat....


    Es lässt sich heutzutage ganz gut nachvollziehen, aber es gibt noch immer "Stellen" = Takte, Noten, die nicht zweifelsfrei identifizierbar und zuzuordnen sind.


    Aber: Lassen wir doch das Requiem...


    Cordialement,
    Ulli


    P.S. ICh werde demnächst Handschriften von Süßmayr erhalten und Vergleiche anstellen.

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Wann kann endlich mal jemand außer mir die Leistung dieses viel zu unterschätzten Süßmayr anerkennen? Keine andere Requiem-Rekonstruktion hält der von Süßmayr stand!


    Hatte ja keinen Vergleich zwischen Süßmayr und anderen Rekonstruktionen hier angestellt, sondern "lediglich" darauf hingewiesen, daß IMO Mozart (als Genius) das Requiem auf gleich hohem Niveau fertig gestellt hätte.


    Da Süßmayr allerdings aufgrund der Situation die besten Möglichkeiten hatte zu rekonstrurieren ist ja nun auch "logisch"! ;)

  • Salut,


    interessant ist übrigens - ich vergaß, dies zu berichten -, daß Süßmayr ein wirklich eleganter "Stilklauer" war. Seine Kompositionen der Jahre 1788-1791 sind voll auf Mozart eingestimmt (mal anhören), ab 1792 springt er zu Salieris italienischem Stil über (ab da hat er bei Salieri studiert). Es gibt somit eigentlich keinen reinen Süßmayr... und dieses Hin- und Herspringen ist für mich eine besondere Kunst, keine Stümperei! Mozart konnte das übrigens auch trefflich (Bach, Händel).


    Cordialement,
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Salut,


    interessant ist übrigens - ich vergaß, dies zu berichten -, daß Süßmayr ein wirklich eleganter "Stilklauer" war. Seine Kompositionen der Jahre 1788-1791 sind voll auf Mozart eingestimmt (mal anhören), ab 1792 springt er zu Salieris italienischem Stil über (ab da hat er bei Salieri studiert). Es gibt somit eigentlich keinen reinen Süßmayr... und dieses Hin- und Herspringen ist für mich eine besondere Kunst, keine Stümperei! Mozart konnte das übrigens auch trefflich (Bach, Händel).


    Cordialement,
    Ulli


    Ähm, bei Mozart und vielen nennenswerten Komponisten würde ich es eher als Ergebnis einer intersiven Beschäftigung bezeichnen! Hin und Herspringen und sich einfach gerade so leiten lassen wie hier beschrieben bei Süßmayr ist doch eher ein Zeichen fehlender Eigenständigkeit!

  • So ein Quatsch!


    Zitat

    Ähm, bei Mozart und vielen nennenswerten Komponisten würde ich es eher als Ergebnis einer intersiven Beschäftigung bezeichnen! Hin und Herspringen und sich einfach gerade so leiten lassen wie hier beschrieben bei Süßmayr ist doch eher ein Zeichen fehlender Eigenständigkeit!


    Schreibe Du mal drei Jahre lang jedes Orchesterwerk Mozarts aus der Zeit 1788-1791 erstens in Partitur und zweitens in Einzelstimmen ab... DAS IST STUDIUM!!! Das Hin- und Herspringen habe ich vielleicht ein **bisschen** blöde ausgedrückt - Mozart war ja tot, Süßmayr musste demnach zu einem anderen Meister [Salieri] wechseln. Ein Wunderkind war er sicher nicht, sonst hätte er nicht mit 26 noch "studiert" - wobei das auch wieder keine Schande ist. Dazulernen kann man immer! Süßmayr war übrigens seit 1779, wie Du vielleicht gelesen hast, eigenständig - also bereits mit 13 Jahren! Das war z.B. Mozart mit 36 noch nicht!


    Cordialement,
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
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  • Zitat


    Original von Alfred_Schmidt
    Nach allem was wor über den unduldsamen Perfektionisten Wolfgang Amadeus Mozart wissen, würde er NIE einen "Stümper" um sich geduldet haben, und ihn schon gar nicht mit der Vollendung seines Requiems beauftragt haben.


    Salut,


    das ist übrigens so nicht ganz korrekt; es ist eher ein Umkehrschluss. Richtig ist wohl, dass Süßmayr „Instruktionen“ von M: erhalten hat, wie das Requiem zu vollenden sei. Als Erster wurde jedoch am 21. Dezember 1791 Joseph Eybler, ebenfalls Schüler Mozarts und Nachfolger Salieris mit der Fertigstellung der Requiempartitur beauftragt. Im Januar 1792 wirken Franz Jacob Freystädtler und vermutlich auch Maximilian Stadler an der Partitur mit. Erst Mitte Januar vermutlich erhielt Süßmayr, der sich übrigens der übertragenen Aufgabe nicht annehmen wollte, die unvollendete Partitur und vervollständigte sie bis Ende Februar 1792.


    Christoph Wolff schreibt in Mozarts Requiem:


    Zitat


    Die erste Seite […] trägt die Autorenangabe: „di me W: A: Mozart mppa. | 792“. Lange wurde diese Aufschrift als autograph angesehen und man nahm an, dass Mozart mit der Angabe 1792 das Jahr der voraussichtlichen Vollendung vorweggenommen hatte. Doch zeigt eine nähere Untersuchung, dass es sich hier tatsächlich um eine Fälschung handelt: die Aufschrift stammt eindeutig von der Hand Süßmayrs. Seine Handschrift kommt derjenigen Mozarts gerade hier außerordentlich nahe (diese Fähigkeit zur täuschend ähnlichen Nachbildung von Mozarts Schrift hatte wohl Constanze mit dazu veranlasst, Süßmayr mit der Reinschrift für den Besteller zu beauftragen). Tatsächlich beweist denn auch die gesamte Requiem-Partitur, dass sich Süßmayr in der Noten- und Textschrift um einen Mozart-ähnlichen Duktus bemüht hatte, denn seine Notenschrift zeigt sonst deutlich andere Züge.


    Nun aber Schluß mit Requiem – sonst kommt wieder das Schild…


    Cordialement,
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut,


    Erich Duda schreibt mir soeben via eM@il:



    Cordialament,
    Ulli

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  • Salut,


    ich habe soeben dankenswerter Weise von einem amrikanischen Freund einen Link erhalten, der die vollständige Overtüre zur F. X. Süßmayrs Spiegel von Arkadien wiedergibt:


    F. X. Süßmayr: Overtüre zu "Der Spiegel von Arkadien"


    Sicherlich wird es für viele, wie auch mich, ein Erlebnis sein, diese erstmals zu hören. Es ist ein Live-Aufnahme!


    Anmerkung: Beim "ersten Mal" klappt es nicht so richtig wegen einiger Zwischenladeschritte - vermutlich je nach Standard des Systems. Nach dem ersten kompletten Download ist dann aber der Genuss pur... ohne Unterbrechnung


    Viel Spaß dabei!


    Cordialement,
    Ulli

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  • Salut,


    just diese Tage erhielt ich Post aus Vienna - - -


    von Dr. Erich Duda. Inhalt der Sendung: Süßmayr pur, Noten über Noten. Darunter eine Klaviersonate B-Dur [SmWV 702], ein Adagio für Klavier F-Dur [SmWV 701] und eine fragmentarische Sonate für Horn und Klavier in Es [SmWV 612]. Als Krönung ein "Ave Verum", jenem Mozarts recht ähnlich, auch für den selben auftraggeber komponiert.


    Es ist ein unglaubliches Gefühl, Musik, die Jahrhunderte in irgendwelchen Archiven schlummerte, quasi "erstmals" wieder zu spielen.


    Alle Werke sind sehr mozartisch, was aber nicht maßgebend ist. Interessant sind die, nennen wir sie "typisch Süßmayrschen" Abweichungen von Mozarts Stil. Er würde sich wahrscheinlich im Grabe umdrehen, wenn es eines gäbe ;)


    Nein, die Werke sind erstklassisch. Die B-Dur-Sonate ist technisch gut zu bewältigen [viele Läufe und Umspielungen], etwa Richtung KV 454.


    Der Sonatensatz für Horn und Klavier in Es ist sehr typisch für [Wiener klassisches] Horn konzipiert, leider nicht vollendet. Aber es ist soviel ausgearbeitetes Skizzenmaterial vorhanden, dass eine Vervollständigung absolut kein Problem darstellt. Es fehlt lediglich der Übergang von der "zweiten Durchführung" [nach der Reprise] zur Coda.


    Man/frau sollte mehr von Süßmayr spielen!


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut,


    ich möchte ein weiteres bedeutungsschwangeres Werk Süßmayrs hier vorstellen:


    Sein Clarinettenconcerto D-Dur bzw. das, was uns davon heute erhalten geblieben ist, das Fragment des ersten Satzes:


    Süßmayr begann mit der Komposition seines Clarinettenconcertes Mitte 1791, vermutlich in Prag, während der Proben zu La clemenza di Tito des Kollegen Mozart; darüber gibt das verwendete böhmische Notenpapier Auskunft. Zudem war auch Anton Stadler, Entwickler der Bassettclarinette, in Prag zugegen und erhielt im Tito einen instrumentalen Solopart. Es steht daher ausser Zweifel, dass Süßmayr, wie sein Kollege Mozart, das Konzert für Stadler komponierte. Die Arbeit an dem Konzert wurde offenbar durch Mozarts Tod und die übernommene Aufgabe, dessen Requiem zu vollenden, unterbrochen. Lange Zeit glaubte man, das Konzert sei Fragment geblieben, denn es sind heute nur noch zwei halbfertige Skizzen bzw. Particelle/Entwürfe zum ersten Satz erhalten geblieben.


    Dr. Erich Duda beschreibt, dass Ende der 1990er Jahre ein Konzertprogramm aufgefunden wurde, welches neben dem Mozartischen auch das Süßmayr'sche Klarinettenkonzert enthält. Das Konzert fand im März 1794 in Riga statt, Solist war: Anton Stadler. Das Konzert muss also von Süßmayr vollendet worden sein.


    Offenbar sind die autographe von Mozarts und Süßmayrs Klarinettenkonzerten durch ein Versehen Anton Stadlers abhandengekommen. Die beiden Süßmayrschen Fragmente sind glücklicherweise in unterschiedlicher Weise so ausgearbeitet, dass eine Rekonstruktion sehr leicht war. Es gibt mittlerweile verschiedene Einspielungen dieses wunderbaren Satzes, wovon mir die Einspielung mit Bassettclarinette von Thea King besonders am Herzen liegt:



    Begleitet wird Thea King vom English Chamber Orchestra, geleitet von Leopold Hager.


    Musikalisch und konzeptionell ist der Konzertsatz durchaus lieblich, reizt den Tonumfang des seltenen Instrumentes voll aus und erinnert an Mozarts Hornkonzerte, denen er meiner Ansicht nach durchaus gleichzustellen ist. Im ersten Ritornell könnte man thematisch Teile der Ouvertüre zur Clemenza heraushören. Wen wundert's?


    * * *


    Für interessierte Süßmayrianer stelle ich hier nun als "Weltpremiere" meine akribische "Rekonstruktion" eines Adagio in F für Clavier von Franz Xaver Süßmayr [SmWV 701] als link zum kostenlosen download zur Verfügung. Das Stück ist liebreizend und erfordert keine allzu großen pianistischen Fähigkeiten. Ich würde mich über Resonanz zu diesem Stück sehr freuen.


    Hier sind die Links:


    Link1: F. X. Süßmayr: Adagio in F, Seite 1


    Link1: F. X. Süßmayr: Adagio in F, Seite 2

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Nur wenige Musikfans wissen, dass Franz Xavier Süssmayr (1766-1803)
    auch ein wundervolles Ballett geschaffen hat.


    IL NOCE DI BENEVENTO
    Das Ballett in vier Akten wurde am 25. April 1812 an der Mailänder Scala inszeniert.


    Die Handlung:
    Umgeben von einem Wald steht in der Mitte der Bühne ein riesiger
    Nussbaum. Um Mitternacht versammeln sich hier Jungfrauen, die von Dämonen hergebracht werden. Hexen und böse Geister wollen hier mit ihnen den Hexensabbat feiern.


    Roberto und seine Frau Dorilla haben nicht die geringste Ahnung, dass hier um zu nächtlicher Stunde eine Partie steigt. Sie haben sich auf der Jagd verirrt, kommen vor Anbruch der Dunkelheit nicht mehr nach Hause und nächtigen unter dem Baum. Es nähern dich zwei Hexen, die Hexe des Guten und die Hexe des Bösen. Mit viel Zauberspuk und Hokuspokus fallen die Hexen über die beiden her. Dorilla findet sich im Bauch eines Hirsches wieder.Ihr Mann hört ihre Stimme, sucht sie aber vergeblich.


    Irgendwann bricht der Tag an, und der Zauberspuk funktioniert nicht mehr. Die Eheleute sind glücklich, dem Unbill entronnen zu sein. Man tanzt, feiert und ist fröhlich miteinander.
    :P


    Nicolò Paganini hat das Ballett so sehr gefallen, daß er das Oboensolo zum "Auftritt der Hexen" in seine Violinvariationen mit aufnahm. Das Musikwerk führt den Titel "Le streghe".


    Franz Xavier Süssmayr hat noch weitere Ballettmusiken komponiert:


    La figlia dell'aria.
    Giochi istmici.
    La lotta della ragiona coll'erore


    Kennen die Forianer noch mehr Ballett von Xaverl?


    Wie schade, dass es die Ballettmusiken noch nicht auf Tonträger gibt. Viele Fans würden sofort danach greifen.


    :angel:

    5 Mal editiert, zuletzt von Engelbert ()

  • Hallo,


    beim Schmökern bin ich ganz zufällig über eine CD gestolpert, auf der sich eine Süssmayr Symphonie befindet!




    Cavalli Records
    Best.Nr. CCD 422
    EAN 4028183004222

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Salut,


    auch hier soll die CD ihren Platz finden:



    Franz Xaver Süßmayr [1766-1803]
    Der Spiegel von Arkadien


    [Harmoniemusik]


    Neuveroffentlichung Februar 2006


    Nach einer mysteriösen langsamen Einleitung folgt eine spritzige Ouvertüre in Paisiello-Manier. Die von Johann Nepomuk Wendt [1745-1801] für Blasoktett [2 Oboe, 2 Clarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner] arrangierten Arien sind sehr [volks-]liedhaft, witzig, charmant und voller harmonischer Überraschungen.


    Sehr zu Empfehlen!


    :jubel:


    Cordialement
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Ulli, stammt die Kadenz im Fragment des Klarinettenkonzerts von Süssmayr selbst oder von Stadler ?? Ich höre eben die Aufnahme in der Kopplung mit dem Eybler-Konzert...


    Bislanng war ich, um ehrlich zu sein, vom Süssmayrschen Oevre nicht sonderlich angetan; seine Kantate "Das Namensfest", die ich vor geraumer Zeit hörte,überzeugte mich wenig und wurde von mir als ausgespochen unoriginell empfunden.
    Bei dem Konzert jedoch bedeure ich es sehr, daß es im Moment wohl nur das Fragment greifbar (und aufführbar ist!) Aber wer weiss, manachmal genügt es, nur gründlich zu suchen ! :D

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Salut,


    ich bin gerührt.


    Die Kadenz dürfte weder von Süßmayr noch von Stadler sein [sicher bin ich allerdings nicht]. Das einst vollständige dreisätzige Werk ist ja leider verschollen [vermutlich Dank Stadler zusammen mit dem Autograph des Mozartkonzertes]. Man hat lediglich einen weitgediehenen Entwurf zum ersten Satz, der z.B. von Michael Freyhan ergänzt wurde. Ich nehme daher an, dass auch die Kadenz [zumindest in meiner Einspielung] auch von ihm stammt oder ggfs. von der Solistin Thea King [m. E.].


    Wer ist der "Ergänzer" in Deiner Einspielung?


    Die Namensfestkanatate kenne ich auch. Ich habe mir einst eine Kopie von einer Schallplatte machen lassen. Schlecht finde ich sie keineswegs - sie ist aber ein Geschenk für Süßmayrs Großvater und recht einfach gehalten.


    Süßmayr hat es bedeutend schwerer, als andere Zeitgenossen Mozarts, wenn man sein Requiem und sein Ave Verum mit jenen Mozart vergleicht. Ich versuche immer, Mozart "auszublenden" - beim Clarinettenkonzert allerdings ist ihm wohl mindestens ein Geniestreich gelungen, auch so beim "Spiegel von Arkadien".


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Hallo Ulli,


    Es gibt noch ein anderes Werk von Süßmayr.



    Ich hatte "Das Namensfest" schon viele Jahre auf Hungaroton-LP.
    Als ich einmal nach neuer CDs schaute, bemerkte ich plötzlich daß Hungaroton diese LP digitalisiert hatte und in der Reihe "White Label" ausbracht.


    Ich entnehme das Einlageheft:
    Franz Xaver Süssmayr is mainly known as the pupil of the younger Mozart who completed his teacher’s Requiem. His activity as a composer is little known these days. He was one of the popular Singspiel composers of his time. Apart from his stage works, many of his cantatas for specific occasions have come down to us as well. “Das Namenfest” (The Name-Day) is a curious piece for child soloists, children’s choir and orchestra. It was performed on the name-day of a certain Baron Lang by his six grandchildren. This children’s cantata resembles the operatic style of Haydn and Cimarosa. Its exacting coloratura arias require great skills on the part of the little performers.


    LG, Paul


    P,S. Ich hatte eher bei Dr. Erich Duda nachgeschaut, bevor ich deinen Thread entdeckte. Er hatte diese CD nicht und besaß nur eine Kassette-Aufnahme. Ich vermute, daß er inzwischen auch die CD hat, denn ich habe ihn getippt.

  • Hallo Ulli, bei meiner Aufnahme handelt es sich um die CD mit Dieter Klöcker als Solisten, und ich vermute, daß die Kadenz von ihm ist: im Booklet wird sie allerdings nicht explizit erwähnt.
    Ich hörte, wie gesagt, das "Namensfest" vor etlichen Jahren und las etwa zeitgleich ein Interview mit N. Harnoncourt, in dem dieser Süssmayr als "inferioren Komponisten" bezeichnete...
    Damals mochte ich dem widerspruchslos zustimmen, heute seh ich das, nachdem ich einige Werke mehr zumindest auszugsweise kenne, schon differenzierter.
    Bedauerlich bleibt für mich trotzdem, daß es Eybler letztendlich ablehnte,
    das "Requiem" zu vervollständigen, ich halte ihn wirklich für einen bedeutenden Komponisten, diesen Eindruck hatte ich schon, als ich seine Vokalwerke kennenlernte und der verstärkte sich noch nach dem Hören seiner eben bei CPO erschienenen 2 Sinfonien !
    Süssmayr dagenen bekam ganz offensichtlich von Mozart detaillierte Anweisungen, WIE das Requiem zu vollenden sei und ich halte auch jene Teile, von denen Süssmayr angibt, er habe sie alleine verfasst, für zumindest von Mozart vorgegeben. Er wird sie ihm auf dem Sterbebett vorgesungen haben. So gesehn MUSS natürlich jeder Vollendunsgversuch des Werkes dem Süssmayrschen unterlegen sein, denn nur er wusste als Einziger genau, (Mozart:"mach das so und so...")
    was der Komponist wollte. Bis in die Instrumentierung hinein reichten Mozarts letzte Vorgaben allerdings nicht und genau hier sehe ich die erkennbaren und nicht wegzudiskutierenen Schwachstellen in Süssmayrs
    Arbeit.


    Die CD, von der ich eingangs sprach, ist übrigens jene:


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Salut,


    auf Deine Anregung hin höre ich nun die "Namensfestkantate" in dieser Einspielung:



    Ich habe eine exzellente Kopie einer LP, auf der sich auch die selten gespielte Cantata comica von Giovanni Paisiello befindet. Süßmayrs Werk wurde am 24.05.1964 im Konzertsaal der Hochschule für Musik in Bundapest aufgeführt und mit der Chorleiterin Valéria Botka und dem Dirigenten Dr. László Csányi aufgenommen, wie Dr. Duda schreibt.


    Die Ouvertüre ist sehr spritzig und wie ich finde in Paisiello- und Haydn-Manier komponiert. Interessant finde ich die ungarische Färbung der Aussprache. Die Musik ist durchaus opernhaft und sehr charmant. Die Ouvertüre und auch einige Gesangsnummern enthalten sehr hübsche Clarinettensoli. Die Soloparts erinnern mich teils sehr an die Weisungen der Drei Knaben aus Mozart Zauberflöte. Das Werk ist eines der wenigen, welches von Süßmayr selbst datiert ist: 20.11.1799.


    Cordialement
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von musicophil


    Ich entnehme das Einlageheft:
    Franz Xaver Süssmayr is mainly known as the pupil of the younger Mozart who completed his teacher’s Requiem. His activity as a composer is little known these days. He was one of the popular Singspiel composers of his time. Apart from his stage works, many of his cantatas for specific occasions have come down to us as well. “Das Namenfest” (The Name-Day) is a curious piece for child soloists, children’s choir and orchestra. It was performed on the name-day of a certain Baron Lang by his six grandchildren. This children’s cantata resembles the operatic style of Haydn and Cimarosa. Its exacting coloratura arias require great skills on the part of the little performers.


    Salut,


    ja, so kann ich mich täuschen lassen - nicht Süßmayrs Großvater ist der Widmungsträger, sondern offenbar Baron Lang. Das tut dem Werk aber keinen Abbruch.


    Entgegen dem Text des Booklets empfinde ich mehr Paisiello, als Cimarosa.


    Dr. phil. Duda hat die Aufnahme übrigens auch, keine Frage.


    Meine nächste in Planung stehende Anschaffung wird das Requiem von F. X. Süßmayr sein:



    Ich wollte die CD erst nicht kaufen, um der Masse an Mozart-Requien zu entgehen - aber, was solls...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut BBB,


    die Lösung ist einfacher, als ich dachte: Ich habe Prof. Klöcker angerufen. Er meinte, die Kadenz sei von Stadler, sie befinde sich im Original in London. Ganz sicher war er sich allerdinfs auch nicht [mehr], die aufnahme dürfte ~ 20 Jahre zurückliegen. Er zumindest habe diese Kadenz gespielt, keine eigene.


    @Alfred:


    Ebenfalls meinte Prof. Klöcker, er habe das Booklett zur Harmoniemusik vom "Spiegel von Arkadien" verfasst. Die Lebensdaten von Wendt, die hier besprochen wurden, wurden tatsächlich mit Triebensee vertauscht. Das sei aber nicht sein Fehler, er habe gar keine Lebensdaten angegeben! Scheint somit ein Lapsus von oberschlauen Mitarbeitern des Labels zu sein, der bei einer Neuauflage korrigiert wird. Somit haben wir eine fast wertvolle Ausgabe, Alfred! Da weiß ich gleich, wohin damit...



    :hello:


    Grüßle
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut,


    das Quantz-Kollegium hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kammermusik verschiedener "vergessener Komponisten" in Konzerten aufzuführen und gelegentlich eine CD zu produzieren. Auch Franz Xaver Süßmayr gehört zu diesen Komponisten - und hier wurde sein Quintett D-Dur SmWV 602 für Flöte, Oboe, Violine, Viola und Violoncello eingespielt:



    Jochen Beier, Flöte
    Christine Bender, Oboe
    Ines Then-Bergh, Violine
    Nicola Birkhahn, Viola
    Bernhard Lörcher, Violoncello


    Das Werk besteht aus drei Sätzen: Allegro con brio - Adagio - Rondo allegretto und ist sehr hörenswert, wie die übrigen Stücke dieser CD ebenfalls [sie beinhaltet neben einem Flötenquartett von Mozart noch je ein Quartett von Louis Massonneau für Oboe und Streicher sowie von Adalbert Gyrowetz für Flöte und Streicher].


    Ich denke, man kann das Werk durchaus neben Mozarts mittlere Kammermusik mit Blasinstrument, insbesondere also neben die Flötenquartette und das Oboenquartett stellen. Das Werk hat durchaus Unterhaltungswert und zeugt von guter Komposition, gehört aber eher in die Kategorie der höherwertigen U-Musik.


    Insbesondere scheint mir die Kombination von Flöte und Oboe in einem streicherbegleiteten Kammermusikwerk eher selten zu erscheinen. Jedenfalls sorgt dies für die m. E. notwendige Abwechslung. Der letzte Satz übrigens erinnert mich melodisch stark an Könnte jeder brave Mann... aus Mozarts Zauberflöte.


    Das Ensemble, welches ich am Samstag live erleben durfte, spielt übrigens ganz hervorragend [unHIP].


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)