Charles-Auguste Bériot - der belgische Paganini ?

  • Hallo,


    heute möchte ich über eine kürzliche Entdeckung meinerseits berichten.
    Da ich Violinkonzerte sehr schätze, habe ich mir diese CD zugelegt.



    Für diejenigen, die Bériot bisher genauso wenig kannten wie ich:


    Er war ein belgischer Komponist und Violinvirtuose (1802-1870), der viel für sein Instrument mit und ohne Orchester komponiert hat, darunter allein zehn Violinkonzerte. Durch seine Ehe mit der berühmten Sopranistin Maria Malibran, an die Cecilia Bartoli kürzlich erinnerte, ist er scheint' s wieder mehr ins Licht der Öffentlichkeit gekommen. Meine Musiklexika (Reclam, Dorling KIndersley, Cambridge-Buch der Musik) kennen ihn aber nicht, dagegen gibt es einen Wikipediaartikel.


    Dieser benennt als Bériots großes Vorbild Paganini, und das hört man den auf dieser CD präsentierten Konzerten auch immer an, besonders dem 2., op. 32.
    Sicherlich epigonal, manchmal auch nah am Kitsch der Walzerseligkeit bieten sich doch viele anmutige Passagen, die mich wundern lassen, dass die Konzerte so selten zur Aufführung gelangen. So ist zum Beispiel das Adagio des Konzerts Nr. 3, op. 44 sehr schön anzuhören.


    Wie sieht's bei euch aus? Gibt es Bériot-Kenner und wenn ja, welche Konzerte würdet ihr empfehlen.


    Auf eine Antwort freut sich


    tukan

  • Liebe Tukan, mir ist Bériot bei meinen Recherchen zu Maria Malibran begegnet. Er war ihr Geliebter und Ehemann und wurde dann im Schatten seiner Mega-Star Gattin schnell zum geigenden Prinzgemahl.


    Bériot muss ein sehr virtuoser Geiger gewesen sein, er wird in meinen Quellen zur Malibran in der Rangliste gleich hinter Paganini genannt.


    Er war aufgrund seines blendenden Aussehens und seiner Virtuosität ein ausgesprochener Salonliebling und in den Salons, in denen damals "tout Paris" verkehrte, lernte er auch seine spätere Frau Maria kennen.


    Aus allen Briefen /Quellen,die ich gelesen habe geht hervor, dass er von eher schwachem und passivem Charakter war und sich geduldig in die rolle des "mitgekauften" Geigers schickte, wenn er zusammen mit seiner Frau Konzerte gab, in denen sie der unumstrittene Star war.
    Obschon von Natur aus eher ein phlegmatischerer Familienmensch folgte er den wahnwitzigen Reisen und Konzerttourneen Maria zwischen England, Belgien, Frankreich und Italien.
    Er komponierte ihr auch mit der Violine duettierende Stücke in die Kehle, die dann beliebte "Zirkusnummern'" bei den gemeinsamen Konzerten wurden.


    Nach Marias qualvollem Tod in Manchester fiel er zunächst in eine schwere Depression und zog sich ein Jahr von der musikalsichen Bühne zurück.
    Er heirate einige Jahre später noch einmal und verliess weitgehend die Konzertbühne , nahm aber eine rege Lehr-und Kompositionstätigkeit auf.
    Auch diese zweite Ehefrau starb tragischerweise jung(mit 36 Jahren) und Bériot erblindete kurz darauf.


    Seine Werke , von denen ich leider noch keines gehört habe, werden in meinen Quellen als eher konventionell und virtuos bezeichnet. Anhand der hier empfohlenen Cd werde ich mir hoffentlich selbst ein Urteil bilden können.


    Fairy Queen

  • Der Vollständigkeit halber möchte ich noch auf zwei weitere Einpielungen mit Violinkonzerten Bériots hinweisen:



    Die cpo-Einspielung enthält die Violinkonzerte Nr. 2, 4 und 7.

  • Hallo Tukan,
    ich liebe auch Violinkonzerte (spiele seit eineinhalb Jahren selber Geige ) und bekam vor Wochen von einem guten Freund diese CD geschenkt, sehr schön! :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    Violinkonzerte Nr. 1, 8,9


    * CD i
    * Erscheinungstermin: 20.1.2003
    * Verfügbarkeit: lieferbar innerhalb einer Woche
    (soweit verfügbar beim Lieferanten) i


    Detailinformationen


    * Künstler: Nishizaki, RTBF SO, A. Walter


    Als Beriot-Kennerin kann ich mich leider nicht bezeichnen. :O


    Mit lieben Grüßen,


    diotima.

  • Hallo,


    ich besitze eine CD von Beriots Konzerten, und zwar mit dem 1., 2. und 9. Das sind denke ich auch die bekanntesten. Auf Beriot kam ich, da ich das 9. mal selbst spielen durfte (allerdings mehr schlecht als recht). Ein sehr schönes Konzert mit tollen melodischen Einfällen.
    Leichte Musik, aber wer Paganini etwas abgewinnen kann, sollte sich auf jeden Fall auch diese Konzerte einmal anhören!

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Hallo,


    vielen Dank für eure Antworten und dir, Fairy Queen, insbesondere für die weiteren Ausführungen zu Bériot.
    Mich wundert ein wenig, dass Bériot, auch wenn er sicher mehr virtuos und epigonal als strukturell innovativ begabt war, so wenig bekannt ist und auch in Konzertführern, die sich auch recht oft den "Hinterbänkler-Komponisten" widmen, fast nie vorkommt.


    Denn seine Konzerte würden sicherlich beim Publikum gut ankommen, haben übrigens meiner Meinung durchaus auch was aus der romantischen italienischen Oper abbekommen (was an der Profession seiner berühmten ersten Gattin liegen mag).


    Prima auch eure weiteren CD-Tipps: Für trübe Herbst- und Wintertage
    sind Bériots Konzerte durchaus stimmungsaufhellend. Bei unserer geminsam erstellten Auswahl-Discographie fehlen jetzt nur noch 1 und 10!


    Grüße


    tukan

  • Liebe Tukan, Bériot galt bereits zu seiner Zeit zwar als begabtester Violinist nach Paganini, aber war als Komponist nicht unumstritten.
    Ihm wurde von Kollegen, wie z.B. den Pianisten Moscheles und Liszt vorgeworfen, das er trotz seiner aussergewöhnlichen Begabung "minderwertige Musik spiele", die nur aus Showeffekten und Süsslichkeiten bestehe.
    Insbesondere solche Werke, die er selbst komponiert habe.
    An den Komponsitionen aus der gemeinsamen Zeit mit Maria Malibran soll sie laut Moscheles nicht geringen Anteil gehabt haben.


    In Briefen aus dem Bekannten/Freundeskreis des Paares, wird sein Spiel als kalt und berechnend beschrieben.
    Es gibt auch etliche Briefstellen, die dasselbe seinem Interesse an der Malibran und insbesondere ihrem horrenden Gagen unterstellen.


    Das Leben als Prinzgermahl war offenbar kein Zuckerschlecken für de Bériot.
    Aber die Tatsache, dass die von ganzen Kohorten umschwärmte Maria Malibran sogar (dem genauso schönen und noch begabteren)Bellini um seinetwillen einen Korb gegeben hat, spricht ja eher für seine Person........ ;)


    Nach ihrem Tode wurde er der Gründer der berümten belgischen Violinschule und sein bekanntester Schüler war Henri Vieuxtemps.
    Seine Tätgikeit als Lehrer ist sicher weitaus unumstrittener als seine Kompositionen.


    F.Q., die inzwischen ganz neugierig auf diese Musik ist.