Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 20 C-Dur

  • Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 20 C-Dur


    Entstanden vermutlich 1762



    4 Sätze:
    Allgegro molto (C-Dur, 177 Takte, 2/4-Takt)
    Andante cantabile (G-Dur, 84 Takte, 2/2-Takt)
    Menuet (C-Dur, 54 Takte, 3/4-Takt)
    Presto (C-Dur, 245 Takte, 3/8 )


    Besetzung: 2 Hörner, 2 Oboen, 2 Trompeten in C, Pauken, Streicher.
    Aufführungszeit: ca. 18 Minuten.



    Michael Walter datiert die Sinfonie Nr. 20 (ein Autograph ist nicht erhalten) auf das Jahr 1762 und rechnet sie damit in die früheste Phase der Sinfonien, die Haydn für den Hof Esterházy komponierte. Nun weist die Sinfonie neben der üblichen Bläserbesetzung (Oboen und Hörner) zusätzlich zwei Trompeten in C und Pauken auf. Matthew Rye, Autor des Booklets zur Goodman-Einspielung, datiert diese Sinfonie aufgrund dieser Besonderheit in Haydns Morzins-Zeit zurück, da bis ins Jahr 1773 am Hofe Esterházy weder Trompeten noch Pauken vorhanden gewesen seien. Ähnliches liest man bei Walter Lessing, der nicht allein die Instrumentation als Argument für eine Entstehung im Morzin-Kontext anführt, sondern auch den »betont festliche[n], glanzvollen Charakter« der Sinfonie (S. 75), mit dem Haydn an die Tradition des Barock anknüpfe (S. 75). Analog hatte Rye ja auch schon im Hinblick auf die Sinfonie Nr. 18 argumentiert.
    Das scheint erstmal ganz überzeugend. Allerdings liest man im Apparat zu der von S. Gerlach und U. Scheideler besorgten kritischen Ausgabe der Werke Haydns, daß die Trompeten- und Paukenstimmen vermutlich nicht authentisch sind, sondern nachträglich und zudem nicht von Haydn eingefügt worden sind.


    Daraus folgern wir mal, daß Michael Walter richtig liegt und die Sinfonie tatsächlich erst am Hofe Esterházy entstanden ist. Dafür spricht übrigens auch die Anlage der Sinfonie. Zwar hatte Haydn schon in der Morzin-Zeit viersätzige Sinfonien geschrieben (etwa die Dritte), aber die formale Ausgewogenheit des festlich drängenden Kopfsatzes und insbesondere das Faktum, daß die Durchführung (54 Takte) dieses in Sonatenform gehaltenen Satzes beinahe genauso lang ist wie die Exposition (65 Takte) weist auf eine stärkere Akzentuierung der thematisch-motivischen Arbeit hin, als es bei den frühen Werken der Fall war. Das gilt auch für das durchkomponierte, ausgelassen-flotte, ebenfalls durch den Einsatz von Pauken und Trompeten festliche Finale, das zwar durchaus Kehrauscharakter hat, aber einen ausgreifenden, dramatisch anmutenden Mittelteil in c-moll aufweist.


    Das an zweiter Stelle stehende Andante cantabile (ABA'-Form) ist – wie häufig bei Haynds frühen Sinfonien – den Streichern vorbehalten. Über einer schreitenden Achtelbewegung (Vl. II) entspinnt sich eine von den 1. Violinen getragene, sangliche Melodielinie. Die tiefen Streicher begleiten mit Pizzicati.


    Das zweiteilige Menuet (1-8; 9-29), in dem wieder das volle Orchester eingesetzt wird hat – wie Kopfsatz und Finale – festlichen Charakter. Das in F-Dur stehende, ebenfalls zweiteilige Trio (30-38; 39-59) wird von den Streichern allein bestritten. Interessant ist, daß Menuet und Trio komplementär gebaut sind.


    Ich besitze die Sinfonie in zwei Einspielungen: Roy Goodman mit der Hanover Band und Adam Fischer mit dem Haydn Orchester (Brilliant-Kiste). Goodman ist hier wieder ganz klar erste Wahl: dynamisch und vorwärtsdrängend, dabei den festlichen Charakter fast ein wenig exaltiert übertreibend – mir gefällt das sehr gut (man muß natürlich den schroffen Klang der Trompeten und die knüppelharten Pauken mögen :D). Fischer ist, wie fast immer bei den frühen Sinfonien, eher neutral und tendenziell ein wenig schwerfällig. Er braucht für die Sinfonie zwar deutlich weniger Zeit als Goodman (Fischer: 3:24 / 4:35 / 3:05 / 3:23; Goodman: 4:53 / 5:53 / 3:50 / 2:56), ist in den Sätzen aber mit deutlich gedrosseltem Motor unterwegs. Die kürzere Spielzeit bei Fischer ergibt sich daraus, daß er einige bzw. die meisten der vorgeschriebenen Wiederholungen wegläßt (im Kopfsatz wiederholt er nur die Exposition, nicht den Durchführungs-/Reprisen-Teil; im zweiten Satz läßt er, wenn ich mich recht entsinne, keine der für die Teile A und BA' vorgeschriebenen Wiederholungen spielen).


    Viele Grüße,
    Medard

  • Sofort nach den ersten Klängen war mit klar, dass diese Sinfonie für mich in Zukunft zu den Lieblingssinfonien von Joseph Haydn zählen wird, der festliche, gelegentlich fast triumphierende Charakter zu beginn des ersten Sates hat sofort meine Aufmerksamkeit und meine Sympathie erregt. Natürlich hatten die Trompeten und Pauken einen hohen Anteil daran, wobei diese Intruimente angeblich erst im Nachhinein hinzugefügt worden sein könnten , und möglicherweise nicht von Haydns Hand seien. Wie dem auch sei, das Ergebnis überzeugt (mich)

    Der langsame Satz ist eher verträumt als melanchulisch, er trübt nicht die freundliche oder festliche Stimmung. Dritter und vierter Sat wieder mit vollem Temperament, leicht plakativ, wie schon der erste Satz, aber dadurch die Wirkung besonders eindringlich zu formen.



    Wikipedia indes schreibt in diesem Zusammenhang:


    Zitat

    Nach H. C. Robbins Landon zeichnen sich diese frühen C-Dur Sinfonien für „großes“ Orchester durch eine eher unpersönliche Atmosphäre aus, die an die kalte Eleganz barocker österreichischer Klöster erinnere


    Schinbar habe ich eine Affinität zu unpersönlicher Atmospäre

    Oder zu kalter Eleganz

    Oder sollten es die österreichischen Klöster sein ?

    Ich weiß es nicht


    mfg aus Wien

    Alfred


    PS: Mit meiner Lieblingsaufnahme von Roy Goodman gehört

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Also, ich habe keinerlei Affinität zu kalter, unpersönlicher Eleganz, auch ist mir die oberösterreichische Klosterwelt aus eigener Anschauung nicht bekannt, jedoch gefällt mir diese Symphonie auch sehr gut.


    Wobei ich da eigentlich nichts so Kaltes oder Unpersönliches heraushöre. Ich finde den Kopfsatz vor allem tänzerisch-beschwingt; elegant sicherlich, aber keineswegs majestätisch oder bombastisch.


    Den zweiten Satz empfinde ich auch als etwas geziert-harmlos, dekorativ, jedoch einnehmend in seinem schlichten Schönklang. Wikipedia zitiert die humorvolle Aussage: "Um es mit Tovey zu sagen: An diesem Satz ist nichts auszusetzen, aber man ist dankbar, dass sich Haydn dieses Stils nicht so oft bedient hat."

    Ansonsten mag ich sehr das Menuett, das durch die Trompeten und Pauken, die ja bereits erwähnt wurden, sehr reizvolle Farbtupfer erhält.


    Das Presto des Finalsatzes klingt sehr übermütig, energiegeladen und pointiert; ein würdiger Ausklang dieser schönen Symphonie.


    Ich lauschte der Einspielung unter Antal Dorati:

    https://images-na.ssl-images-a…I/51gu5jazr8L._SY355_.jpg51gu5jazr8L._SY355_.jpg

    [am]B01KAU9PXW[/am]


    Auch auf youtube:



    liebe Grüße

  • Gestern hörte ich zunächst Adam Fischer / Austro-Hungarian Haydn Orchestra. Da kam beim ersten Satz sofort die Assoziation 'höfisch-zeremonieller Barock" ins Spiel. Im Vergleich zu Dorati ist das etwas gestelzter, Letzterer überzeugt mich mit etwas mehr Frische und Lebendigkeit. Der zeremonielle Charakter jedenfalls hat für meine Begriffe nur bedingt etwas mit den Pauken/Trompeten zu tun - die mag ich beim Dorati durchaus gern und ziehe ihn z.B. auch Hogwood (auf Youtube ja zu hören) vor.

    Sehr schön in der Tat die Durchführung des ersten Satzes (siehe Eingangsposting): Da hatte sich das mit der oberflächlichen Barock-Assoziation dann auch schnell erledigt.