Der Reiz des Neuen

  • Hallo Tamino!


    Als ich 2005 begann Klassik zu hören, da wusste ich noch nicht einmal, dass Bach vor Mozart war. Es war für mich unwahrscheinlich spannend, dass alles in eine Reihenfolge zu bekommen, die historischen Hintergründe zu erfahren und die Epochen zu ergründen mit dem Ziel irgendwann Mal wenigstens grob das halbe Jahrhundert und den einen oder anderen Komponisten raushören zu können… Eine kleine aber feine Sammlung, die für jeden Anlass, für jede Stimmung das Richtige parat hält wollte ich mir zulegen und letztendlich natürlich auch die Fähigkeit aneignen mit zielsicherem Griff dann auch den jeweils angemessenen Silberling aus dem Regal zu fischen. Über all dies wurde ich zum absoluten Liebhaber klassischer Musik, bin es auch geblieben und werde es vermutlich immer bleiben.


    Doch, die beschriebenen, unbewusst gesteckten Ziele sind längst erreicht. – Klar, Neues zu entdecken gäbe es natürlich noch Vieles: Die Komponisten der zweiten und dritten Reihe, vergessene Werke, verschiedene Einspielungen ein und desselben Werkes, ich könnte mich dem Notenlesen und den Partituren widmen, eine Biographie nach der anderen lesen und und und…


    Es wäre aber nicht das Selbe wie damals. Kein gewachsenes Bedürfnis. Seit einigen Tagen schnuppere ich in das Thema Jazz. Und siehe da, da ist es wieder. Dieser Drang etwas zu erfahren über das völlig Unbekannte. Wie ist er entstanden – der Jazz? Was für Stile gibt es? Wie hießen die Protagonisten von damals? Wer hält heute das Zepter in der Hand? Welche Rolle spielte der Jazz damals, welche spielt er im Jahre 2008?


    Wir wollen uns an dieser Stelle nicht im Jazz verlieren, auch wenn sich das Thema natürlich auf beliebige Musikrichtungen oder gar auf sämtliche Bereiche des Lebens übertragen ließe. Ich würde es gerne im Kontext der klassischen Musik mit Euch diskutieren.


    Spielt oder spielte der Reiz des Neuen in Bezug auf die klassische Musik überhaupt eine Rolle für Euch, oder seid Ihr einfach mit den großen Meistern aufgewachsen?


    Geht’s Euch einfach nur um das Hören von schöner bzw. interessanter Musik oder ist es wirklich eine Leidenschaft, und habt den Drang das Thema ganzheitlich zu betrachten und möchtet soviel wie möglich darüber wissen? Und werdet Ihr dann dabei nicht auch manchmal etwas müde?


    Viele Klassikhörer interessieren sich ja chronologisch gesehen nur bis Mahler oder Strauss Richard. Für die gibt es schon mal keine neuen Kompositionen mehr - „nur“ noch neue Interpretationen. Bedroht dieser Umstand auch den Mark Klassische Musik?


    Brauchen wir deshalb/deshalb ständig neue Mitglieder?


    Liebe Grüße
    GalloNero

    ... da wurde mir wieder weit ums Herz ... (G. Mahler)

  • Ich bin nicht ganz sicher, ob ich das verstehe. Nachdem ich 3-4 Jahre klassische Musik gehört hatte, war ich etwa 18 oder 19 Jahre alt. Ich kannte praktisch nichts. Und alles nur oberflächlich.
    Ich kannte die Sinfonien und Konzerte Beethovens,, die von Mozart, Brahms, ein paar von Haydn, Schuberts Unvollendete ein paar von Bruckner fingen gerade an mich zu interessieren, von Mahler vielleicht zwei. Fidelio, die Zauberflöte und ein paar Auszüge aus anderen Opern. Ein wenig Kammermusik von Mozart, Beethoven, Brahms. Eine Handvoll Beethovensonaten und Quartette. Ganz vieles aber noch nicht:


    Ich kannte keinen Ring, keinen Tristan, keine italienische Oper, keine Barockoper, keine Händel-Oratorien, keine Corelli-Konzerte, keine Haydn-Quartette, keinen Monteverdi, keinen Purcell, keinen Sibelius oder Nielsen, fast keine Klaviermusik von Schumann, Schubert und Chopin, Kammermusik von Mendelssohn, nur sehr wenige Lieder Schuberts, vielleicht zwei oder drei Bach-Kantaten, nichts von seiner Klavier- und Kammermusik, keine Strawinsky, keinen Berg, keinen Debussy usw.


    Ich höre jetzt seit etwa 20 Jahren klassische Musik; folgende Werke aus dem Standardrepertoire kenne ich nicht oder nur oberflächlich:


    - Opern von Rossini, Bellini, Donizetti
    - Puccini außer Tosca (ein paar andere so halbwegs, aber nicht gründlich)
    - Verdi außer Rigoletto, Traviata, Maskenball nur sehr oberflächlich
    - jegliche franz. Oper außer Carmen und Berlioz' (keine Opern) Damnation & Romeo&Juliet
    - jegliche russische/slawische Oper (außer ein wenig Boris Godunow)
    - Opern von Strauss, außer Salome (Elektra/Rosenkavalier oberflächlich)
    - Klaviermusik von Liszt, Rachmaninoff, Scriabin, Prokofieff (mit ein paar Ausnahmen)
    - etwa die Hälfte der Sinfonien von Schostakowitsch nur sehr flüchtig
    - viele Bach-Kantaten


    Da habe ich noch keinen "Kleinmeister" oder weniger Bekannte genannt, nicht sehr viel Musik des Barock, der Renaissance, des MA, des 20. Jdhs., die ich kaum kenne. Oder Musik, die ich ein wenig kenne, aber lange nicht so gut, wie sagen wir, Mozarts g-moll-Sinfonie oder Beethovens 5. Und ich habe den Eindruck, zu den eher "breiten" Hörern im Forum zu gehören...


    Ich habe also gewisse Schwierigkeiten, nachzuvollziehen, warum Dir nach drei oder vier Jahren das Neue ausgegangen ist! ;)


    Oder wie ist es gemeint? Wie "neu" muß es sein?


    Ich sehe ein, daß die "Neuheit" der n+1. Haydn-Sinfonie, wenn man n kennt, sich in Grenzen hält, auch daß Ries nichts wahnsinnig Neues ist, wenn man die anderen Wiener Klassiker schon kennt. Aber Monteverdi? Ockheghem? Vaughan Williams? Ligeti? Boulez?


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Der Reiz für mich, Neues zu entdecken, ist, in den Genuss von toller Musik zu kommen, die ich bisher noch nicht kenne. Nehmen wir an, ich würde nur die Hälfte der Beethovensinfonien kennen: Schrecklich, was ich alles verpassen würde, mal davon abgesehen, dass man sich, wenn man immer dasselbe hört, die Musik auch irgendwann satt gehört hat.
    Das gilt natürlich für das Repertoire, das mir gefällt (bzw. gefallen würde), von dem ich wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte kenne, genauso. Deshalb muss der Rest nach und nach entdeckt werden. 8)
    Ich denke, das reicht schon als Erklärung für das Verhalten. Natürlich kann man auch einen gewissen Stolz entwickeln, sich überall auszukennen und über jeden Komponisten bescheid zu wissen - aber der wäre bei mir noch unangebracht. :D

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Lieber Gallo,


    ehrlich gesagt, meine erste Reaktion beim Lesen war: was, nach drei Jahren ist der DURCH? Das kann ja wohl nicht sein!


    Du fragst im Grunde nach unseren Hörerbiografien und wie die weitergehen können. Bei mir war es eigentlich umgekehrt wie bei dir. Ich habe mit fünfzehn mit Jazz angefangen und war mit Anfang 20 durch damit. Die Platten stehen noch alle rum, werden aber äußerst selten aufgelegt. Es war aber eine nostalgische Freude, in dem thread, der seit einiger Zeit immer recht weit oben steht, die alten Davis- und Coltrane-Cover wiederzuentdecken...


    "Klassik" dauert bei mir länger. Es gab immer Phasen. Die waren nicht schnell abzuarbeiten. Ein Brucknerjahr, zwei Mahlerjahre, eine halbe Beethovendekade. Eine sehr intensive Klaviermusikphase. Von den allermeisten Werken muss ich mehrere, viele Aufnahmen hören. Habe noch nach der vierten, siebten, neunten Interpretation den Eindruck: das war noch nicht alles, da muss noch mehr drinstecken, anderes, bisher nicht Gehörtes. Das geht langsam, langsam bei mir. Manchmal komme ich vorläufig zu einem Ziel. Mravinsky mit den letzten Tschaikowsky-Symphonien war so etwas: das riesige Glücksgefühl, dass es perfekter nicht geht, dass diese Interpretation alles Erwartbare übersteigt. Oder Carlos Kleiber mit Brahms 4. Manchmal gelange ich an einen Komponisten, vor dem alle bisherigen Lieblingsdirigenten zu versagen scheinen (bei Bruckner ging mir das so). Dann tauchen wieder ganz neue Interpreten auf.


    Seit zwei oder drei Jahren stecke ich tief in der Italienische-Opern-Phase, noch mal eine ganz neue Welt. Bei Puccini und Verdi kenne ich mich inzwischen ganz gut aus. Das heißt: ich kenne fast alle Werke, die wichtigen habe ich in acht oder zehn Aufnahmen gehört. Dazu Biografien und einiges nebenher gelesen. Bellini, Donizetti: nur mal reingeschmeckt. Mozartopern: klar, irgendwie mitgenommen im Laufe der Jahre, aber das KENNE ich doch nicht.


    Also, was ich sagen will: je mehr ich höre, desto mehr stehe ich am Anfang, desto mehr wird mir bewusst, was es noch alles gibt. Und dieses Forum ist ein wunderbares Medium, genau dieses Gefühl zu verstärken... LULLY?! war zum Beispiel mal eine meiner Reaktionen hier. Irgendwann werde ich den auch hören. Irgendwann Monteverdi. Seine Marienvesper hat mich vor zwanzig Jahren mal sehr gerührt, seitdem bin ich nicht auf ihn zurückgekommen. Es steht immer mehr noch vor mir. Irgendwann werde ich begreifen, was die Leute an Svjatoslav Richter finden: noch ein blinder Fleck; ich weiß, dass da was sein muss, aber ich hab's noch nicht rausgefunden. Irgendwann werde ich tagelang die "Etudes Australes" von Cage hören, oder Morton Feldmans Kammermusik. Ich "kenne" diese Werke, weil ich sie schon mal gehört habe vor Jahren, aber ich KENNE sie nicht, sie haben mir, um es ganz pathetisch zu sagen, ihre Rätsel noch nicht offenbart. Es sind wohl tatsächlich die Offenbarungsmomente, die ich suche ...


    Schwarzer Hahn, wie kannst du DURCH sein?!


    Viele Grüße,
    Micha

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    folgende Werke aus dem Standardrepertoire kenne ich nicht oder nur oberflächlich:


    - Opern von Rossini, Bellini, Donizetti


    Und? Willste das wirklich intensiv kennenlernen... ? :untertauch:


    [SIZE=7]p.s.: ich hätte da einiges günstig abzugeben...[/SIZE]

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  • Mir geht es wie Micha, seit ich bei Tamino bin, wird mir immer mehr und mehr bewusst, was ich alles NICHT kenne, was es noch zu entdecken gibt, und manchmal erfasst mich regelrechte Torschlusspanik, dass meine Lebenszeit nicht einmal annähernd dafür ausreichen wird.....
    Momentan schwelge ich in Rameau - vor zwei Jahren wusste ich gar nicht, dass es den überhaupt gibt :O :O :O, und so wird es mir noch oft ergehen.
    Ich glaube nicht, dass man mit klassischer Musik jemals "durch" sein kann :no:


    Lieber JR,
    wenn du von Verdi nur Traviata, Rigoletto und Ballo kennst, wundert mich deine reservierte Einstellung zu ihm nicht :D Versuch mal Simon Boccanegra, Macbeth, Otello, Falstaff....
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von severina
    Versuch mal Simon Boccanegra, Macbeth, Otello, Falstaff....


    Und Don Carlos. Und Aida! Von mir aus auch unter Auslassung der Triumphmärsche und Priesterszenen.


    Gute Idee, Severina: ab welchem Alter sollte man anfangen, sich Fünfjahres-Hörpläne anzulegen, damit die Lebenszeit noch reicht?


    Grüße,
    Micha

  • Hallo Gallo,


    interessanter Thread.
    Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann sprichst Du dieses Ausgelutsch-Gefühl an - beim Hören der ersten großartigen Oper überkommt einen ein irre Gefühl, bei der 50 + x. dann wird lediglich mit Bekanntem verglichen und das Werk eingeordnet, so richtig aus dem Sitz haut es einen dann nicht mehr... :wacky:
    Nachdem man sich in alle möglichen Seitenäste verirrt hat, aus denen man dann wieder zum eigenen Kernrepertoire zurückkommt und dieses dann doch als qualitativ einfach überragender betrachtet, sich aber leider daran auch halb satt gehört hat, kann man schon einmal denken:
    Wie geht´s nun weiter?
    Will ich nun wirklich weiterhin Sachen erkunden, die mir doch viel weniger geben als mein Beethoven zu Beginn oder die Mozart-Klavierkonzerte, als ich sie das erste Mal hörte?


    Auch neurobiologisch ist klar ersichtlich, dass das erste Mal einfach viel interessanter ist und sich mehr einprägt als die x. Wiederholung oder die y. ähnliche Begebenheit. Wie bei den Erlebnissen in der Kindheit denkt man dann wehmütig an die Zeit zurück, als man gerade Feuer gefangen hat...
    Beschäftigt man sich mit einem neuen Gebiet, in das man eindringen kann, dann sieht man schnell einen neuen Kosmos vor sich, der irre interessant ist. Das ist dann wohl auch nicht zu vergleichen mit den Entdeckungen in (auch nie enden wollenden) Seitenästen des anderen Universums. Nicht Jeder findet so viel Gefallen an der quasi wissenschaftlichen Durchdringung eines Themenkomplexes, dass ihm dies mehr Freude bereitet als die Entdeckung von völlig Neuem; denke hier gibt es auch eine gewisse Sättigungskurve...


    Soweit die Gedanken zum Montagabend :faint:


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von severina
    wenn du von Verdi nur Traviata, Rigoletto und Ballo kennst, wundert mich deine reservierte Einstellung zu ihm nicht :D Versuch mal Simon Boccanegra, Macbeth, Otello, Falstaff....


    Ich bin nicht Edwin :D
    Und die drei genannten Opern gefallen mir eigentlich alle recht gut ;)
    Ich habe Otello, Falstaff, Don Carlos und ich glaube auch Trovatore im Regal stehen und vermutlich je einmal oder anderthalb mal gehört. Opern interessierten mich zwischendurch mal etwas mehr als jetzt gerade.


    Klawirr: Nö, nicht alles und nicht intensiv. Ich habe den Barbiere und den Liebestrank. Wie schon angedeutet, ist das gerade nicht dran, aber ich habe beim seinerzeitigen Reinhören auch nicht recht verstanden, was daran so faszinierend sein soll. Ich kann vermutlich auch ausschließen, daß ich mich jemals mit den Nebenwerken der italienischen (oder irgendeiner anderen) Opernschmiede befassen werde. Aber eine intensivere Beschäftigung mit z.B. Verdis Otello oder wenigstens je einer oder zwei exemplarischen von Bellini etc. habe ich irgendwann mal vor.


    Ich habe übrigens gelogen, ich kenne bei Schostakowitsch ein Drittel der Sinfonien halbwegs (1,5,8,9,10), ein Drittel ein wenig (4,6,15) und den Rest kaum, auch wenn ich sie vermutlich alle mindestens einmal gehört habe.
    Auch von Mahler oder Bruckner kenne ich kaum eine Sinfonie so gut wie ich alle Beethoven- oder Brahmssinfonien kenne. Ich habe in den letzten Monaten gemerkt, wie oberflächlich ich einige scheinbar wohlbekannte Sinfonien Haydns nur kannte. :rolleyes:
    Natürlich würde ich Bruckners 6. oder Mahlers 3. usw. sehr schnell bei blindem Hören identifzieren können, sie sind mir schon irgendwie bekannt. Aber auch da sind Peinlichkeiten nicht ausgeschlossen. Neulich wieder im Radio einen Satz gehört: vage, bekannt, ein Streichquartett? Klingt wie Beethoven, ist aber keines von seinen (die kenne ich einigermaßen). Aber was dann? Früher Schubert? So klang es nicht.. Kleinmeister? Klingt wie Beethoven.
    Es war natürlich Beethoven! Streichtrio c-moll! Sollte ich eigentlich auch erkennen, bzw. drauf kommen, wenn es kein Quartett sein konnte.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich bin nicht ganz sicher, ob ich das verstehe.


    Ich glaube nicht wirklich. Hätte ich jetzt aber auch nicht erwartet ;).



    Zitat

    Original von Michael M.
    Lieber Gallo,


    ehrlich gesagt, meine erste Reaktion beim Lesen war: was, nach drei Jahren ist der DURCH? Das kann ja wohl nicht sein!


    Und lieber Michael, ich bin natürlich nicht durch. Und mein Eröffnungsbeitrag sollte auch nicht verstanden werden als "Klassik war gestern, es lebe der Jazz." Barezzi bringt es ziehmlich gut rüber wie ich meine. Wenn Du, wie ich gerade beim Jazz, völliges Neuland betrittst, das ist dann einfach was anderes als sich den Beethofschen Trios hinzugeben nachdem man die Quartette in jeweils 3 unterschiedlichen Einspielungen durch hat.


    Ich werde Zeit meines Lebens Klassikliebhaber bleiben. Das weiss ich. Das Thema ist jetzt auch nicht abgehakt, nur weil ich Bach von Mozart und Bruckner von Mahler unterscheiden kann. Ich liebe Klassik, aber die vielen brennende Fragen der Anfangszeit wurden erstmal beantwortet. Jetzt kann ich das Ganze etwas kontrollierter angehen. Das macht aber nicht so viel Spaß und treibt mich nicht allabendlich vor den Rechner.


    Das mit dem Jazz verselbstständigt sich gerade irgendwie. Aber auch das legt sich wieder. Ja, der Ring, der steht bei mir auch noch auf der Liste und viel mehr Live Musik und und und... :wacky:


    Liebe Grüße
    GalloNero

    ... da wurde mir wieder weit ums Herz ... (G. Mahler)

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  • Zitat

    Original von Michael M.
    Also, was ich sagen will: je mehr ich höre, desto mehr stehe ich am Anfang, desto mehr wird mir bewusst, was es noch alles gibt.


    Ich gestehe, ich bin ein Sammler. Nicht unbedingt von Bild- und Tonträgern, obwohl das nebenbei auch abfiel, sondern von immer neuen Eindrücken. Die sammle ich dann allersings eher in die Tiefe als in die Breite. Da habe ich dann meine mehrjährigen Phasen, in denen ich mich mal vor allem mit Sinfonik, Oper, Pop, Film, Musicals usw. beschäftige. Sogar eine Kammermusikphase hatte ich mal. Die hielt aber nicht so lange. Was immer es ist, ich beschäftige mich dann damit derart intensiv und fast exklusiv, dass die übrigen Interessen eher mitlaufen, wenn auch nie ganz beiseite gelegt sind.


    Deshalb kann ich Gallo duchaus nachfühlen, dass er auch Phasen hat, in denen ihn die Beschäftigung mit einer bestimmten Gattung "langweilt" und es ihn nach Abwechslung drängt, und zwar gründlich, nicht "nur" in Gattungen oder Perioden klassischer Musik. Ich glaube nicht, dass er das Gefühl hat, mit der Klassik "durch" zu sein, eher ein Bedürfnis nach Kontrasten oder, in seinen Worten, ein Gefühl des total Neuen. Ich finde das legitim, vielleicht sogar natürlich.


    Mit der Zeit kommt man dann auf das eine oder andere zurück und staunt selbst, wie ich seit einem Jahr bei Tamino, was man alles schon "kennt", wenn auch nicht so gut, dass man beim Blindhören alles gleich erkennen und auch noch dem richtigen Komponisten zuordnen kann. Beim Erstellen oder Lösen von Rätseln zum Beispiel muss ich genauso nachschlagen wie jeder andere auch, obwohl es natürlich Schwerpunkte gibt, die bei mir fast komplementär zu denen JRs zu verlaufen scheinen.


    Manches bleibt abgelegt, wie bei mir z. B. Tschaikoswkis Orchesterwerke, an denen ich mich irgendwann überhört habe, auch wenn ich sie nach wie vor sehr schön finde, anderes entdecke ich wieder und staune, wie gut das tatsächlich ist, wie z. B. die Musicals oder anderes von Gershwin oder Bernstein. Wieder anderes muss und kann ich mir jetzt erst langsam erschließen, weshalb ich Guercoeur um seine intime Kenntnis so vieler fantastischer Werke aus der vermeintlich zweiten Reihe der Spätromantik u. a. beneide und mich gerade mit wachsender Faszination an der Rameau-Euphorie beteilige, auch ohne sie so rückhaltlos zu teilen wie einige hier. Irgendwann wird wahrscheinlich einer von den anderen Schwerpunkten wieder in den Vordergrund rücken, aber eines stellt sich immer deutlicher als nur zu wahr heraus, je mehr Eindrücke, gleich auf welchem Gebiet, ich gesammelt habe, nämlich der Sokrates-Satz


    Ich weiß, dass ich nicht weiß.


    Das gilt übrigens auch für Menschen, die manche Musikeuphoriker womöglich zu leicht übersehen, während sie sich in ihren Neuentdeckungen und Hörgenüssen vergraben. Stimmt eigentlich mein Eindruck, dass die Neigung zum Vollständigkeitssammeln und Sammlungsausstellen eine sehr männliche Eigenschaft ist?


    Auch deswegen kann ich den Schwarzhahn verstehen. Ob man es wissen will oder nicht: es gibt nicht nur eine Musikwelt jenseits der bevorzugten Musik, sondern sogar eine jenseits der Musik. Auch die fordert Aufmerksamkeit, Neugier und ein ganz besonderes Interesse. All das kostet Zeit noch und noch. Alles zu kennen ist nicht weniger unmöglich als alles zu können.


    Leider ist nämlich die Lebenszeit der meisten von uns geringer als unsere Aufnahmefähigkeit.


    Umgekehrt wäre es trotzdem schlimmer.


    Soweit mein Wort zum Dienstag in Form einer nur lose zusammenhängenden Asoziationskette


    :hello: Jacques Rideamus

  • Gehe ich recht in der Annahme, daß es u.a. auch um die Frage geht, ob man jetzt eher der reine Konsument ist - sei es nun einmal die Woche oder jeden Tag - oder ob man sich auch für Zusammenhänge der und auch hinter der Musik interessiert?
    Also Musikhistorie, allg. Musiktheorie, Ästhetik und Rezeption (im Wandel der Zeit), Konzertbetrieb, Musikvermarktung etc.


    So habe zumindest ich Gallos Hauptanliegen verstanden.


    :hello:
    Wulf

  • Tja, einiges kann ich verstehen, anderes wieder nicht....


    Für mich stellet "klassische Musik" nie etwas "Neues" dar, ich kannte sie von Kindheit an - obwohl meine Familie diese Richtung meines Wissen nie bevorzugt hatte.


    Aber es gab einen Radioapparat. später eine engagierte Musiklehrerin in der Schule.


    Aber es kann nicht an der Ausbildung gelegen sein, schon in frühester Kindheit - im Kindergarten - wurde uns Rachmaninoffs "Peter und der Wolf" vorgespielt. Ich habe mich dabei stets gelangweilt und die Musik als spröde und nichtssagend empfunden - daran hat sich bis heute nichts geändert. Mozarts Lied "Komm lieber Mai und mache" sang ich hingegen mit Begeiisterung selbst. Auch hier blieb ich meinem Geschmack treu: Ich liebe das Lied - und auch das Klavierkonzerrt Nr 27, welches das gleiche Thema verwendet....


    Gelernt habe ich den Beruf eines Buch- und Musikalienhändlers, was zur Folge hatte, daß ich Gelegenheit hatte in der Arbeitszeit andauern von Klassik meiner Wahl berieselt zu werden. - Und ich konnte nicht genug davon bekommen. ....


    Allerdings waren es Opernquerschnitte (oft in deutscher Sprache -der Zeit angepasst) und "Ohrwürmer" - "Best of" Platten - und ich gestehe es ungern - oft nur einzelne Sätze aus Instrumentalwerken. Alles wo Andante oder adagio drüberstand ließ ich systematisch aus - es langweilte mich. Musik musste feurig, ja gelegentlich sogar aggressiv sein. Diese Phase habe ich erst mit ca 22 Jahren überwunden.


    Geblieben ist mir jedoch die Liebe zum gefälligen , ohwurmartigen Thema in das man versinken, oder in das man sich bis zur Extase hineinsteigern kann. Als Beispiel was gemeint ist erwähne ich den Finalsatz der 7. Beethoven, oder Teile aus Schuberts großer C.Dur Sinfonie....


    Irgendwann - und nur aus diesem Grund schreibe ich diese "Bekenntnis" - hatte auch ich eine "Krise"
    Ich konnte weder Beethoven, noch Mozart, noch Haydn oder Schubert hören.
    Was tun ?
    Nun ich hörte sie in der Tat einige Zeit kaum, sondern war auf der Jagd nach Mozart.Zeitgenossen. So entwickelte ich mich mit der Zeit zu einem Spezialisten für unbekannte "Wiener Klassik" und ihre Vor- und Ausläufer, soweit das damals möglich war. Immerhin gabe es Johann Christian Bach und Hummel . Während mir Bach zu spröde war und ich über das "musikalische Opfer" damals sagte, es wäre in der Tat ein Opfer es zu hören (zu meiner Entschuldigung sei gesagt, daß ich es mit dem Stuttgarter Kammerorchester unter Münchinger hörte).
    Hingegen begeisterte ich mich für Vivaldi - immerhin gab es einige Schallplatten, die andere Werke als die 4 Jahreszeiten enthielten....


    Irgendwann kam ich drauf, daß Werke in verschiedenen Interpretationen völlig unterschiedlich klingen konnten, (aber nicht MUSSTEN)., teilweise war ein Stück kaum wiederzuerkennen.
    und so lernte ich Interpreten und Operndirigenten bzw Stimmen kennen - und ich war fasziniert.


    Es gab dann wieder eine Zeit, wo ich zur Erkenntnis kam, daß nicht jedes Stück, das aus dem 18. Jahrhundert stammte , ein musikalischer Geniestreich war.


    Eine weiter Phase war, daß ich mich mit Stimmen der Schellackzeit zu befassen begann - eigentlich nur aus Neugier - und ich fragte mich, wer solche Aufnahmen je mit Genuss hatte hören können.


    Im Laufe der Zeit gewöhnte ich mich jedoch an den Klang.
    Während es bem Abhören von Patti aufnahmen der Kitzel war, daß hier eine Sängerin vor dem Trichter gestanden hatte, welche sogar in Oscar Wildes "Bildnis des Dorian Gray" und in weiteren Romanen der Weltliteratur erwähnt wurde, gab es immer wieder Stimmen, die mich so in ihren Bann zogen, daß ich die Aufnahmtechnik vergaß. Da war beispielsweise Karl Erb, Conchita Supervia, Jussi Björling und andere.
    Diese Stimmen waren so einzigartig, daß sie jeder kennen sollte......


    Allmählich - ich war inzwischen 25 (sammelte also bereit seit 10 Jahren)
    kam neues Repertoire dazu, Mendelssohn mochte ich eigentlich immer schon - zumindest die Italienische Sinfoni, desgleichen Berlioz, gefolgt von der bombastischen Orgelsinfonie von Saint Saens.


    Ich verdiente nun einigermaßen gut, was dazu führte, daß die ersten - damals sauteuren Operngesamtaufnahmen für mich erschwinglich waren.
    Ich habe meine ersten Schritte in dieser Richtung noch einigermaßen im Kopf: Da waren Verdis Rigoletto und die Traviata , beide von der DGG als Kassete in dunkelrotem Leinen mit Golddruck verpackt und der Aufschfift "In Collaborazione di Teatro alla Scala"
    Wen störte es da, daß Dietrich Fischer Dieskau ein höchst akzentbetontes Italienisch sang ? Es folgten die Zauberflöte unter Böhm - ich wählt jene der Decca, die ich noch heute für geringfügig besser erachte als jene mit Wunderlich, der die Aufnahme allerdings unverzichtbar macht. Und dann noch Rossinis Barbier...Ich hatte ihn in mehreren Aufnahmen, bis ich jene unter Abbado kaufte. Sie enttaüsche mich ein wenig, weil sie nicht so "spritzig war wie ihre Vorgänger......


    Ab jetz kaufte ich CDs aus Interesse , neues kennenzulernen, neuse, das aber ähnlich klingen sollte wie das was ich schon besaß......


    Irgendwann besaß ich auch Brahms Tschaikowsky und begann mich für englische Lautenmusik mit oder ohne Gesang zu interessieren......


    Dann war die CD da - ich war inzwischen 30.
    Obwohl mir bewusst war, daß ich die Platten der letzten 15 Jahre abschreiben konnte , so war ich doch ein Verfechter der neuen Technik, der Rauschfreiheit und der Halbarkeit wegen..


    Ich lernte erstmals Musik auf Originalinstrumenten kennen, die Nicht vom "Collegium aureum" gespielt wurde ,und The English Konzert unter Pinnock wurde eine Lieblingsformation von mir.


    Ich verbrachte nun Jahre meines Lebens, Wiederveröffentlichung alter Aufnahme nachzujagen, denn ich wollte nicht 2 Tonsysteme nebeineiander fahren müssen...


    Da erschien die Nachricht, daß CDs sich nach ca 10 jahren zersetzen sollten. So stoppte ich meine CD-Einkäufe für 5 Jahre


    Je nach musikalischem Bekanntenkreis - man besuchte sich regelmäßig gegenseitug und hörte vergleichend CDs (oder Schallplatten) erweiterte sich langsam aber sicher mein Horizont - und somit meine Sammlung.


    2001 oder 2001 kam ich ins Internet. Ich war begeister, daß es Websiten über Edison Phonographen (mit Hörbeispielen !!) gab - und war enntäuscht über die vorhandenen Internetforen.


    Kaum Leute, kaum Kompetenz, kaum Beiträge.
    Ich wechselte von Forum zu Forum und fand überall vereinzelt Musikfreunde - aber keine universelle Klassikplattform. Mehrere Versuche, diese Foren aufzubauen, scheiterten.


    Dennoch habe ich in dieser Zeit nicht nur Leute kennengelernt, die heute bei Tamino sind, sondern mir wurden zahlreiche Lücken in meiner Sammlung bewusst. 2002 besass ich nicht mal alle Mozart Klaviersonaten (Auf Vinyl jedoch schon) und heute besitze ich "nur" etw 80 Haydn Sinfonien (davon einige jedoch 5 und mehrere Male)....


    Nach vielen Irrwegen gründete ich auf Anraten etlicher Klassikfreunde ein eigenes Forum
    Es entwickelte sich erts überhaupt nicht, sodaß ich nach ca 3 Wochen aufgeben wollte -was ich aber verschob. Nun fing das Forum an zu florieren und die Themen wurden immer skurriller. So sah ich mich genötigt mich auch ein wenige mit der Moderne auseinanderzusetzen
    Stawinsky und Orff kannte ich ja bereits. Aber Schostkowitsch war Neuland, Ich besitze nun zwar alle Seine Sinfonien - gehört habe ich vielleicht die Hälfte......


    So kommt immer was dazu - ach ja, ein wenig (uralten) Jazz höre ich gelegntlich auch.......


    Zum Abschluß


    Warum brauchen wir immer wieder neue Mitglieder ?


    Diese Frage habe ich mir auch schon oft gestelll:


    Wir sollten nicht imme die Gründe ausschließlich beiTamino suchen - aber natürlich AUCH bei Tamino


    Ältere verlassen unter Umständen das Forum, weil jetzt zunehmend Künstler besprochen werden, deren Namen sie gar nicht kennen.
    (Auffallend, daß Kalrl Böhm vor 2 und mehr Jahren stets einen der vordersten Plätze im Ranking belgt hat, zur Zeit nicht mal unter "ferner liefen" geführt wird....


    Jüngere verlassen es, weil sie sich verliebt haben, den Freundeskreis gewechselt haben.Aber auch Umzug in eine internetfreie Bude wäre eine erklärung, ebenso wie "Schulstress" oder Einstieg in den Beruf, Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz ohne Möglichkeit des Surfens in der Dienstzeit,,,,,


    Die Streit- und Lebensanschauungs -Austrittsgründe mal ganz beiseite gesehen....


    mfg aus Wein
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Naja, wenigstens können mit dem Jazzkeller die abdrünigen Jazzer gehalten werden :D.


    Gute Nacht
    Gallo

    ... da wurde mir wieder weit ums Herz ... (G. Mahler)

  • Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    Das gilt übrigens auch für Menschen, die manche Musikeuphoriker womöglich zu leicht übersehen, während sie sich in ihren Neuentdeckungen und Hörgenüssen vergraben.


    Das war in der Vor-Internet-Zeit am Sammeln das Schöne: Man lernte beim Stöbern nach vergriffenen Schätzen bei den Gebraucht-Hökerern quer durch Europa die sympathisch skurrilsten Typen kennen und ging schon mal nach dem Wühlen beim Trödler in der letzten Ecke der alten Markthalle von Cardiff anschließend zusammen ins Pub, den Staub runterspülen, stellte dann vielleicht fest, dass auch der andere selbst Musik macht und ging dann noch Jammen oder setzte die angeregte Diskussion, in die ich z.B. immer bei meinem Lieblings-Second-Hand-Händler in Bologna geriet, anschließend in einer Tratoria fort. Mit manchen dieser Jazz-, Blues- und avancierteren Rock-Sammlern bin ich noch heute befreundet, so dass ich in diesen Bereichen meine Austauschnetzwerk habe. Erst als ich meine Sammelgebiete erst auch auf Klassische Moderne und Neue Musik, dann auch weit darüber hinaus, quer durch die Klassik erweiterte, brauchte ich dafür solch ein Forum, wie dieses und bin froh, es gefunden zu haben.


    Zitat

    Stimmt eigentlich mein Eindruck, dass die Neigung zum Vollständigkeitssammeln und Sammlungsausstellen eine sehr männliche Eigenschaft ist?


    Das ist wohl im Allgemeinen so und ist ein ernster Schwachpunkt, übers Sammeln sympathische Leute kennenzulernen. Aber einige wenige Ausnahmen gibt es doch und mit einer sehr sympathischen italienischen Musikwissenschaftlerin und Jazzjournalisten habe ich mich dann gleich zusammengetan :D. ). Aber bei Freunden habe ich einige ernste Partnerschaftskonflikte und Trennungen beobachten müssen, weil die beständige Suche und Begeisterung nach Neuem, während natürlich auch die alten "Lücken" gefüllt werden müssen, irgendwann auf wenig Gegenliebe stieß, wenn z.B. wegen irgendeiner großen Ramschaktion oder Geschäftsaufgabe ein Kredit aufgenommen und der Urlaub gestrichen wurde oder auf der Urlaubsstrecke doch zufällig :pfeif: lauter interessante Plattenläden lagen, in denen man nur kurz eben schauen mußte und dann stundenlang drin blieb, oder in der Wohnung nur noch schmale Gänge blieben, weil, nachdem alle Wände einregalt waren, sich die LP- und CD-Kisten überall stapeln.


    Aber zum Thema: Ich kann GalloNero insofern verstehen, weil ich die Erfahrung, dass sich ein neuer Kontinent erschließt und man Aufnahmen hört, von denen man noch fast nichts versteht, auch noch nicht so genau weiß, ob man das wirklich mag, aber irgendwie ist man doch fasziniert und bleibt dran, auch als aufregend, ja manchmal fast berauschend in Erinnerung habe. Zuletzt hatte ich dieses Erlebnis, als ich Xenakis für mich entdeckte. Aber die Aufregung, einen völlig fremden Kontinent zu betreten, habe ich heute leider fast gar nicht mehr. Auch bei Neuentdeckungen ist jetzt zumindest soviel mir auf Anhieb transparent, dass ich Struturen höre, Vergleiche ziehen kann usw. Dafür fallen mir jetzt Feinheiten besser auf, Details können begeistern, die ich früher gar nicht wahrgenommen hätte, Querverweise und Vergleiche werden immer interessanter, ich entdecke den unaufdringlichen Charme von Werken, Aufnahmen oder Musikern, die ich früher zu schnell als langweilig abgetan hätte oder wirklich beiseite geschoben habe.
    Kurz: An die Stelle der expansiven Phase der Suche und Faszination nach dem Neuen tritt eine intensive Phase.


    Leider ist die Lebenszeit viel zu kurz. Man muß ja auch noch Kohle ranschaffen. Außerdem habe ich noch ein Paar andere Interessen, z.B. philosophische Bücher Sammeln :D - naja, auch noch anderes, indem ich auch neue Erfahrungen mache und sogar gelegentlich feststelle, dass auch Menschen interessant sein können, die noch nie Leibowitz Beethoven gehört und noch nicht einmal die wichtigsten Coltrane-Scheiben im Regal haben. Insofern relativiert sich das dann alles auch wieder.


    :hello: Matthias

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  • Zitat

    wurde uns Rachmaninoffs "Peter und der Wolf"


    Prokofjew...


    Zitat

    Ich habe mich dabei stets gelangweilt und die Musik als spröde und nichtssagend empfunden - daran hat sich bis heute nichts geändert


    Stimmt schon, da es von Rachmaninoff diese Komposition nicht gibt, ist dieses nicht vorhandene Werk von Rachmaninoff nichtssagend, im Gegensatz zum vorhandenen Werk dieses Namens von Prokofjew.


    @Matthias,

    Zitat

    lauter interessante Plattenläden lagen, in denen man nur kurz eben schauen mußte und dann stundenlang drin blieb


    sowas habe ich mich jahrelang nicht mehr getraut, habe dafür allerdings viele Jahre in Damenschuhabteilungen in irgendwelchen Kaufhäusern oder in irgendwelchen Tinnefkaschemmen, welche außerdem noch Glasschmuck, Glasperlen, Pfauenfedern oder sonstwie unnützen Kram verkaufen, verbracht, meist noch verbunden mit dem Vorwurf, daß ich mich ruhig etwas mehr für dieses Zeug interessieren könnte.
    Dadurch wurde ich zum Frauenhasser..................... :stumm:

  • Hallo GalloNero,


    Zitat

    Original von severina
    Ich glaube nicht, dass man mit klassischer Musik jemals "durch" sein kann :no:


    Auch ich bin mittlerweile fest davon überzeugt, daß ich mit der Entdeckung von zu Unrecht sträflich vernachlässigten Komponisten und Werken jemals an ein Ende kommen werde.


    Zitat

    Original von GalloNero
    Spielt oder spielte der Reiz des Neuen in Bezug auf die klassische Musik überhaupt eine Rolle für Euch, oder seid Ihr einfach mit den großen Meistern aufgewachsen?


    'Die großen Meister' - Wer soll das sein??? ?(
    Der überwiegende Anteil der Musik, den ich seit dem Beginn meiner Klassikbegeisterung kennenlernte, war und ist beim Großteil des Abonenntenpublikums kaum bekanntes Repertoire. Und auf diesem Gebiet zeigt sich für mich der ungeheure Reichtum und die Vielfältigkeit der Klassischen Musik, wenn ich z. B. im Lauf der Jahre entdeckte, daß im 20. Jahrhundert ein Schostakowitsch oder Mahler als Symphoniker nicht alleine auf einem hohen Podest steht, sondern ein Carl Nielsen, ein Karol Szymanowski, Eduard Tubin, Vaughan Williams oder wie sie alle heißen, eben keine Komponisten der zweiten oder dritten Reihe darstellen, sondern ebenso Wichtiges und Wahrhaftiges in einem ganz eigenständigen Stil zu sagen hatten wie Mahler oder Schostakowitsch.


    Somit wirst Du vielleicht verstehen, daß ich Dein "Problem" nicht wirklich nachvollziehen kann.

    Zitat

    Original von GalloNero
    Doch, die beschriebenen, unbewusst gesteckten Ziele sind längst erreicht.


    Das Gefühl, bereits das Ziel erreicht zu haben, rührt meiner Ansicht nach nur daher, nicht mehr wirklich neugierig auf neues bzw. aufregendes Repertoire zu sein. Ein Zustand, der mich hoffentlich niemals ereilen wird. :wacky:


    LG
    Johannes

  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    [@Matthias,


    sowas habe ich mich jahrelang nicht mehr getraut, habe dafür allerdings viele Jahre in Damenschuhabteilungen in irgendwelchen Kaufhäusern oder in irgendwelchen Tinnefkaschemmen, welche außerdem noch Glasschmuck, Glasperlen, Pfauenfedern oder sonstwie unnützen Kram verkaufen, verbracht, meist noch verbunden mit dem Vorwurf, daß ich mich ruhig etwas mehr für dieses Zeug interessieren könnte.
    Dadurch wurde ich zum Frauenhasser..................... :stumm:


    :hahahaha: Kannte ich früher auch. In Gegenden mit solchen Läden ging ich immer irgendwie aus Versehen verloren :pfeif: Bis ich wiedergefunden wurde, - wo wohl? - hatte ich Zeit. Aber zugegeben, diese Damen gingen mir dann auch schnell verloren.


    Meine italienische Lady war dann genauso wenig aus Plattenläden und Buchhandlungen herauszubekommen, wie ich, und wenn sie sich als chice Mailänderin auch noch in irgendwelchen Modeläden herumtreiben wollte, hat sie mich als Ballast irgendwo zum Saufen abgesetzt. Bis sie mich wieder abgeholt hat, ist sogar mir irgendwas eingefallen, mit dem ich meiner Bewunderung Ausdruck geben konnte. Dumm nur, wenn sie dann schon wieder den ganzen Kram umtauschen wollte und eigentlich dafür eine Bestätigung erwartete. :wacky:


    :hello: Matthias


    P.S.: „I should never have switched from Scotch to Martinis.“ - Sehr richtig! Wer macht auch sowas? :no: Das kann ja nicht gut gehen! Slainté!

  • Was mir spontan als Erstes einfiel, war: Ihr habt ja vielleicht Probleme! 8o


    Unsereiner fragt sich , wie sie es im Leben noch schaffen soll, die Musik intensiv zu hören, die wirklich am Herzen leigt und all das Neue auf-und wahrzunehmen, das von allen Seiten auf mich einströmt.
    Ohne, dass ich etwas tue oder mich darum bemühe oder gar sammeln würde-einfach so.
    Wie wahr auch im Hinblick auf die Musik mene Signatur ist, wird mir gerade deutlch bewusst.
    Irgendjemand fragte hier, ob Sammeln typisch männlich ist.
    Mmmmmmmm ?(


    Ich lasse mich einfach jedenTag neu überraschen und da, wie Guercoeur , JR und Severina schreiben, die Lebenszeit viel zu begrenzt für all die Musik, die die Welt hat, kann ich mir niemals vorstellen, "durch" zu sein.


    Wahreschienlich liegt das auch daran, dass ich mich weigere, jedenTag zig Cds zu hören sondern mich auf serh Weniges konzentriere und das dann tagelang versuche zu erhören und zu internalisieren oder eben beim zweiten bzw dritten Mal auf den Müll der Geschichte werfe, weil es mir überhaupt ncihts sagt.


    Was dei Neuentdeckungen angeht, die kommen wie gesagt ständig von ganz alleine.
    Seit ich bei Tamino bin, liegen hier stapelweise Musiken aller Gattungen und Epochen, die ich langsam abarbeite und entweder fasziniert oder gelangweilt bin.
    Inzwischen kennen mich all die Musik-Weinhnachtsmänner und -frauen so gut, dass die Langeweile nur noch höchst selten ist und die Aha und OHHH! Erlebnisse zum täglich Brot werden.


    Wie man da jemals durch sein kann? ?(


    Vollkommen ausgeschlossen, fidne ich. Und kann Gallos Problem leider nciht nachvollziehen, im Gegenteil!



    Um sich die Liebe zu Dingen und Menschen, mit denen man ein Lebenlang Umgang hat bzw haben WILL, zu bewahren, darf man nciht in Quantitätsmassstäben sondern muss unbedingt in Qualitätsmassstäben denken.
    Also tief statt breit.
    Finde ich.


    Noch ein Wort zu dem wirren Kla, das nicht in der Lage ist,die Qualitäten von Bellini zu erkennen:
    Zum einen zeugt es schon von totaler Ignoranz, diese drei Italiener in einen Sack zu werfen.
    Um Bellini zu lieben, muss man zuallererst eine Leidenschaft für reine Melodie entwickeln bzw haben -das ist wohl nciht Jedem gegeben.... :D
    Zum Anderen: bitte alles günstig Abzugebene erst mal mir anbieten. :yes: :yes: :yes:



    Und was last but not least die "Probleme" der selbsternannten "Frauenhasser" angeht :D:


    Wieso kann man sich nicht bei Einkaufstouren von vorneherein trennen und zu einem bestimmten Zeitpunkt wiederverabreden? Das schont die Nerven und vor allem die Beziehung.
    Wenn mein Mann z.B. in Kunst-Museen den Ausgang nciht findet und ich nach einer Stunde ncihts mehr aufnehmen kann: Treffpunkt Café 3 Stunden später und Alles bestens.
    Wer von unwilligen Männern erwartet, durch Modeläden zu schlurfen, ist selber Schuld!
    Mich würde das viel eher nerven und lähmen und mann ist doch hundertmal zufiredener und umgänglicher wenn er in dieser Zeit seinen eigenen Interessen nachgeht.
    Nein, die Checkkarte reicht als Mann-Ersatz in solchen Dingen vollkommen aus, :angel:.
    Vorführen kann man die Einkäufe ohnehin viel besser zu Hause und seit wann sind (verliebte ) Männer gute Berater in Sachen Kleidung? ?(
    Da eignet sich die beste Freundin tausendmal mehr.


    Umgekehrt ist die Sache allerdings nciht selten existentiell...... :wacky:


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Noch ein Wort zu dem wirren Kla, das nicht in der Lage ist,die Qualitäten von Bellini zu erkennen:
    Zum einen zeugt es schon von totaler Ignoranz, diese drei Italiener in einen Sack zu werfen.
    Um Bellini zu lieben, muss man zuallererst eine Leidenschaft für reine Melodie entwickeln bzw haben -das ist wohl nciht Jedem gegeben.... :D


    Die Geschichte von dem Hund und der Klingel und dem Speichelfluss kennst Du, oder? ;) Dazu weiter unten mehr...


    Gallos Frage (ein »Problem« ist das hoffentlich nicht) kann ich eigentlich recht gut nachvollziehen. Nicht, dass es mir so ginge, dass ich das Gefühl hätte, »durch« zu sein. Aber dass der Hunger nach Neuem durchaus ein Vehikel der Musikleidenschaft (und auch der Beteiligung an diesem Internetforum ist) kann ich nicht abstreiten. Dabei findet man Neues allerdings häufig gerade da, wo man glaubt, dass man es mit Altbekanntem zu tun hat.


    Ich höre jetzt seit knapp 30 Jahren Musik – ebensolange spielt klassische Musik eine bedeutende Rolle und zwar mit zunehmender, wenn auch nicht immer gleichbleibender Intensität (es gibt ja auch noch andere Dinge auf der Welt). Ich höre ziemlich viel und ziemlich in die Breite, habe zwar deutliche Vorlieben – aber es gibt eigentlich keinen Bereich, für den ich ein Spezialistendasein zu führen beabsichtige. Nun gibt’s in diesem Kosmos immer noch einige schwarze Löcher. Ich kenne längst nicht jeden Komponisten oder jedes Werk, es gibt genug Tonsetzer und Werkgruppen, die ich wenig oder kaum kenne, bzw. die mir fremdgeblieben sind – und zwar durchaus auch Sachen aus dem sogen. Kernrepertoire. Nur um mal ein paar Namen zu nennen: Bruckner, Tschaikowsky oder Rachmaninoff haben mich bisher nicht zu extensiver Beschäftigung mit ihrem Werk reizen können. Wird vielleicht eines Tages dran kommen, aktuell drängt es mich aber auch nicht besonders dazu.
    Die schwarzen Löcher betreffen aber auch umfassende Repertoirebestände: Klaviermusik etwa spielt bei mir bis heute eher eine Stiefkindrolle (weiß gar nicht warum), Kammermusik musste bis vor gar nicht langer Zeit vor 1780 oder nach 1900 komponiert worden sein, um es überhaupt auf den Plattenteller oder in meinen Player zu schaffen.


    Hier gibt es immer noch viel neues zu erschließen.


    Aber dann gibt es es eben auch immer wieder Momente, in denen man einen Komponisten, eine Werkgruppe oder einzelnen Werk, den/die/das man (mehr oder weniger) gut zu kennen glaubte, völlig neu entdeckt; dass man plötzlich eine Musik ganz neu hört und es einen dazu treibt, sich neu und intensiv damit zu beschäftigen. So ging es mir vor einigen Jahren mit Berlioz; dann war es mal die französische Oper von Meyerbeer über Gounod und Thomas bis hin zu Massenet, Chabrier und anderen; kurz bevor ich diesem Forum beigetreten bin, hatte ich (tatsächlich!) eine Phase, in der Bellini, Donizetti und Mercadante extensiv gehört werden wollten und mich – wenn auch nicht richtig nachhaltig – zu faszinieren wussten (was dann zu einigen unnötigen Repertoireüberschüssen geführt hat); im letzten Jahr war das der Bibersche Rosenkranz und jetzt aktuell ist es Mahlers 3. Symphonie, ein Werk, dass ich seit sicherlich 15 Jahren (gut) zu kennen glaubte, das mich aber jetzt ganz neu fesselt, nicht loslässt und sich ganz weit oben in meine Favoritenliste eingeschrieben hat.


    Abgesehen davon kann es aber nicht schaden, seinen Horizont auch jenseits klassischer Musik zu erweitern und hin und wieder auch mal was ganz anderes zu hören. Jazz ist da sicherlich nicht das verkehrteste...


    Viele Grüße,
    Medard

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  • Die Geschichte von dem Hund und der Klingel und dem Speichelfluss kennst Du, oder? Dazu weiter unten mehr



    Na klar kenn ich den und will dir ja nur den Spass daran nciht verderben.....wie gesagt: geteilte Freude ist doppelte Freude! :]


    F.Q.

  • Die Entdeckerfreude und der Reiz des Neuen, die GalloNero hier beschrieben hat, kann ich gut nachvollziehen, habe aber noch nie das Gefühl gehabt, damit "durch" zu sein.


    Meine Liebe zur Musik wurde, als ich Kind war, in der Familie eher als „nette Spielerei“ betrachtet. Musik war etwas, das man vielleicht nebenbei hören konnte, aber eine intensive Beschäftigung damit wurde eher mit Kopfschütteln quittiert.


    Ich habe als junges Mädchen sehr viele verschiedene Musikrichtungen gehört und beschränke mich auch heute nicht auf die klassische Musik. Instrumentalmusik höre ich häufig aus dem Bestreben heraus: Das willst du jetzt auch mal kennenlernen. Interesse ja, Sammelleidenschaft weniger.


    Gesangsgeschichte hat sich dagegen bei mir zu einem richtigen Hobby entwickelt: Ich höre einen Interpreten, es macht das berühmte „Bing“ und ich will a) möglichst viel von ihm hören, b) etwas über den entsprechenden Stil und das Repertoire wissen und c) kommt dann meist noch eine intensivere Beschäftigung mit den zeittypischen Komponisten dazu. Querverbindungen zur Literatur werden dann auch gern gezogen usw.


    Der Kreis wird immer größer und ich wage mich immer weiter vor – genau wie bei der Spielfreude, die ich auch als Erwachsene immer noch habe, kommt dabei auch in der Entdeckerfreude wohl etwas von dem Kind in mir zum Vorschein, das im Alltag oft der Vernunft weichen muss.


    Ob das „Sammeln“ eine typisch männliche Tätigkeit ist? Das habe ich mich, ehrlich gesagt, nie gefragt. Ich bin in dieser Beziehung wohl doch ein Kind der 70er Jahre ;): Es wurde damals nicht mehr so stark nach Geschlechtern typisiert wie in den Jahrzehnten davor und noch nicht so stark wie heute. Wobei ich nicht ausschließen will, dass da etwas dran ist (gerade im historischen Bereich sind es wohl meist wirklich Männer, die sammeln, warum so wenig Frauen dabei sind, ist mir auch ein Rätsel), aber wenn ich in mein weiteres Umfeld schaue, sind die Interessen dort bunt verteilt und scheren sich wenig um Chromosomen.


    Zum "Beziehungsmuster": Ich kann stundenlang in Schallplatten- bzw. CD-Läden herumstöbern, mein Mann würde eher ein Filmmuseum vorziehen oder ein Antiquariat nach Büchern mit entsprechender Thematik durchwühlen. Danach geht´s dann an den Austausch der Neuentdeckungen.


    Das Thema „Schuh oder Scheibe” stellt sich bei uns demnach auch nicht wirklich: Wenn wir auch in modischer Hinsicht gern etwas Neues erstehen, das sehen wir ganz pragmatisch: Die Hauptsache ist der Effekt :P - und die Suche danach für keinen von uns eine Leidenschaft.


    :hello: Petra

  • Meine Lieben,


    Neugier erhält - innerhalb biologischer Grenzen - jung. Wenn ich nicht mehr neugierig bin, dann eben endgültig dement. Insofern hoffe ich, nie "durch" zu sein oder dieses Gefühl auich nur ernsthaft zu empfinden. Aber neu ist für mich nicht nur Unbekanntes, noch nicht Gehörtes, sondern auch die zum hundersten Mal gehörte "Pastorale" oder "Traviata" oder "Kleine Nachtmusik", weil man die auch immer wieder neu "entdecken" kann, immer wieder neu erlebt.
    Aber auch , wenn ich Bekanntes wieder neu sehe oder höre, so hat doch das Unbekannte einen spezifischen Reiz, der aber aus ganz verschiedenen Komponenten besteht, wobei der Sammlerleidenschaft sicher eine wichtige Rolle zukommt (der Steinzeitmensch in mir regt sich zweifellos mächtig).


    Klassik begleitet mich seit der Jugend, obwohl ich damals nicht dauernd hören konnte. Genährt wurde diese Neigung durch viele Leute um mich herum. Gezielt selber zu neuzuhören und zu sammeln begann ich aus äußeren Gründen relativ spät, was damals durch das vorzügliche Plattenprogramm einer gewissen Buchgemeinschaft erleichtert und gefördert wurde. Die dortorts für dieses Angebot verantwortliche graue Eminenz - nach ihrem Weggang ging es mit dem Musik-Niveau der BG steil bergab - soll heute eine bedeutende Rolle als Obermeister im Klassikforumsektor spielen. :pfeif: Das erfuhr ich aber erst später, als ich schon Mitläufer war.


    Der Reiz des Neuen! Dazu fällt mir die alte Anekdote aus dem 19.Jahrhundert ein: Ein leutseliger Herrscher besucht einen Gelehrten, gibt sich locker und fragt den weisen Mann: "Na, lieber Professor, was gibt es denn Neues?" Der kluge Weißbart lächelt: "Kennen Eure Majestät eigentlich schon das Alte?"


    LG


    Waldi

  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem


    Prokofjew...


    Stimmt schon, da es von Rachmaninoff diese Komposition nicht gibt, ist dieses nicht vorhandene Werk von Rachmaninoff nichtssagend, im Gegensatz zum vorhandenen Werk dieses Namens von Prokofjew.


    Ich habe mich aber bei Prokofjews "Peter und der Wolf" gelangweilt, lieber Micha. :P


    Ansonsten bin ich vermutlich noch mehr als Alfred eine Ausnahme. Er schaut noch über seine Grenzen bei Komponisten, die ihm kaum was sagen. Ich tue das nicht einmal.
    Ich bleibe bei "meinem" Gebiet. Und dieses Gebiet hat als Bedingung, daß es eine Melodie in dem Werk haben muß, die nicht weltstürzend und konfrontierend ist. Die Melodie muß schön sein, angenehm klingen. Wenn sie was von Ohrwurmqualität hat, ist das schon ein "prae".


    Eben darum genieße ich von Kompositionen von Ulli. Wer seine letzte Komposistion hört, die leider noch unter Embargo bei mir ist, weiß was ich meine.
    Aber darum mag ich auch diese "Fluchen in der Kirche" Bearbeitungen von z.B. Tom Parker von Melodien von klassischen Komponisten. Diejenigen, die meine Easy Lis'nin'-CDs kennen, wissen vermutlich jetzt, was ich nur stammelnd versuche anzudeuten. Ich kann es nicht sagen, habe es nie gekonnt.
    Vielleicht ist es noch am Besten zu beschreiben mit "Meine Musik muß immer ausgewogen sein, muß nicht Konflikten innehalten, muß irgendwie lieblich klingen, ohne langweilig zu sein."


    Neuigkeiten? Ja, wenn sie diese Bedingungen erfüllen. Sonst gilt "Vade retro". :baeh01:


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Und dieses Gebiet hat als Bedingung, daß es eine Melodie in dem Werk haben muß, die nicht weltstürzend und konfrontierend ist. Die Melodie muß schön sein, angenehm klingen. Wenn sie was von Ohrwurmqualität hat, ist das schon ein "prae".


    Bei der Beschreibung denkt man doch gleich an Prokofjews Peter und der Wolf...


    :P

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

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  • Zitat

    Original von rappy


    Bei der Beschreibung denkt man doch gleich an Prokofjews Peter und der Wolf...


    :P


    Lieber Rappy,


    Erfahrungen & Geschmäcker sind eben verschieden. Ich denke, dass es nicht unerheblich für meine Liebe zu diesem Stück von Prokofjew war, dass ich es nicht in der Schule kennen gelernt habe - mit dem riesigen didaktischen Zeigefinger, der so häufig jede Lust an etwas erdrückt.


    Liebe Grüße Peter

  • Auch einige Gedanken und "Bekenntnisse" von mir:


    In meiner Kindheit und Jugend hat klassische Musik quasi nicht existiert. Erst im Musikunterricht vor dem Abitur bekam ich mal eine Sinfonie von Beethoven (Eroica) und Tschaikowsky (Pathetique) zu hören. Dennoch hat mich der Musikunterricht ziemlich abgeturnt. Erst einige Jahre später fiel mir wieder ein, dass mir die Pathetique gefiel, und kaufte sie mir als erste klassische Schallplatte. Ich habe die Platte zigmal am Stück gehört, und sie gefiel mir mit jedem mal besser und besser, ich erkannte immer mehr. Das damit verbundene euphorische Erlebnis kennt wohl jeder hier. Nach einer weiteren LP von Tschaikowsky und einem zu hörenden Kratzer schaffte ich mir meinen ersten CD-Spieler an. Ziemlich schnell und abrupt verlor ich das Interesse an Pop- und Rockmusik. Es folgte weiteres von Tschaikowsky, Beethoven (erst die Sinfonien, dann die Konzerte, später Klaviersonaten, ...), etwas Mozart (einige Klavierkonzerte und Sinfonien), Dvorak (Sinfonien 7-9), Brahms (Sinfonien und Konzerte), Rachmaninoff, ein wenig Chopin. Achja, ganz "früh" kennengelernt habe ich auch Strawinsky Le Sacre, Petrsuschka und den Feuervogel (letzteren fand ich immer schon am langweiligsten von den dreien), aber ich fand (damals) die Musik auch immer ziemlich "kalt". Und Maler habe ich ganz vergessen, zu der Zeit nur die Sinfonien 1 und 5, die ich sehr gerne hörte. Auch heute noch, kenne (und schätze) ich nur etwa die Hälfte der Malersinfonien (die rein instrumentalen).


    Dann, so Mitte der 90er, befand ich mich als Musikhörer in einer Krise. Ich brauchte irgendetwas neues. Auf einer Glenn Gould CD (ich glaube, es war ein Sampler) befand sich der Finalsatz der 7. Klaviersonate von Prokofjew, den ich faszinierend fand. So lernte ich Prokofjew kennen, erst die Klavierkonzerte, Romeo und Julia sowieso, dann die Sinfonien, später einige Klaviersonaten. (Ein Thema der Sinfonie classique konnte man damals auch immer bei einer Kultursendung im Fernsehen bewundern.) Mir gefielen Dissonanzen. Klassische Musik reizte mich wieder vermehrt. In dieser Übergangszeit habe ich auch einiges von Scriabin gehört. Rachmaninoff höre ich auch heute noch oft, obwohl er wenig innovativ war.


    Als ich gerade so alle Sinfonien und Konzerte von Prokofjew kannte, kam ich auf Schostakowitsch. Ich kann wohl nicht verschleiern, dass ich einen Hang zum Slawischen habe. Schostakowitschs 8. Sinfonie. Gerade nach Prokofjews 6. Sinfonie war sie nicht so anders, aber dennoch war eine ganz andere Art von Energie zu spüren. Und es tat sich mit jeder Sinfonie und jedem Konzert für mich eine neue Welt auf...


    Und hier bin ich hängen geblieben. Schostakowitsch hat mich nie gelangweilt. Ich höre ihn bestimmt zu 80 bis 90 Prozent. Weiterhin etwas Rachmaninoff, etwas Prokofjew, Bartok, auch mal Maler, aber fast ausschließlich Musik des 20. Jahrhunderts. Ich sagte ja schon, Dissonanzen gefallen mir, ich mag nur noch selten auf sie verzichten. Das ist vielleicht so wie der Unterschied zwischen Wasser und Wein...


    Es ist auch so, dass manche Werke länger brauchten, um von mir "erobert" zu werden. Es ist umso euphorischer, wenn es dann doch gelingt, und diese Werke wird man dann für immer lieben. Unkomplizierte Werke dagegen werden oft sehr schnell langweilig.


    Das Werk Schostakowitschs ist sehr reichhaltig und abwechslungsreich, ich kenne noch längst nicht alles. Gerade in letzter Zeit habe ich viele neue Stücke für mich entdeckt. Ich bin etwas abgekommen von den Sinfonien, ich höre immer mehr kammermusikalische Werke. Auch immer lieber Werke mit Gesang (was ich früher eher gemieden habe). Die Opern habe ich in diesem Jahr für mich "erschlossen". Auch sehr das Spätwerk, wohl auch, weil für mich das Thema Tod eine sehr persönliche Bedeutung bekommen hat.


    Also, obwohl es den Anschein hat, dass ich beim Musikhören nicht so sehr in die Breite gehe, sind mir auch "Neuentdeckungen" innerhalb dieses spezialisierten Gebiets sehr wichtig und motivierend, und es gibt immer noch viele euphorische Erlebnisse dabei.


    Jazz. Ich gehe sehr gerne in Livekonzerte, kaufe dann auch ab und zu mal eine CD. Aber ich höre sie dann doch kaum. Jazz zuhause als Konserve zu hören, gibt mir nicht so viel.


    maticus

  • Zitat

    Original von pbrixius
    Erfahrungen & Geschmäcker sind eben verschieden. Ich denke, dass es nicht unerheblich für meine Liebe zu diesem Stück von Prokofjew war, dass ich es nicht in der Schule kennen gelernt habe - mit dem riesigen didaktischen Zeigefinger, der so häufig jede Lust an etwas erdrückt.


    Du hast schon recht, Peter, die Beschreibung war nur zu passend, dass der Kommentar einfach kommen musste.
    Übrigens war es bei mir genau andersrum, gerade die Stücke, die ich im Unterricht kennen gelernt habe, gefallen mir eigentlich alle sehr gut, weil a) es meistens große Werke waren und b) man die Stücke analysiert hat und Hintergrund erfahren hat, so dass die "Verständnishürde" nicht mehr bevorsteht.


    Ich habe eigentlich noch kein "großes" Werk kennengelernt, mit dem ich mich näher beschäftigt habe und das mir trotzdem gar nichts gegeben hat. Wahrscheinlich richte ich mich gerade deswegen auch gerne nach dem Geschmack der Allgemeinheit (... von Kritikern natürlich, nicht Klassik-zum-Einschlafen-Hörermasse ;-) )

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo ihr Lieben,
    ich lese immer von "meinem" Problem oder "meinem" Anliegen. Ich habe kein Problem und Anliegen hatte ich nur eins. Ein Erfahrungsaustausch zum Thema "Der Reiz des Neuen" in Verbindung mit klassischer Musik. Dachte mir, das Thema gibt genug her um ein bisschen Schwung in die Bude zu bringen. Scheint ja auch gelungen zu sein :D.


    Ich bin mir sicher, dass ich schon bald wieder Neuland in Sachen Klassik angehen werden. In der Tat möchte ich mal ganz Tief in den Ring eintauchen. Das scheiterte bisher am Geld. Auch aus dem Thread "Auf den Leib geschrieben" werde ich noch ettliche Projekte ableiten müssen. Bei Bach hab ich gerade das Gefühl ich stehe irgendwie wieder am Anfang. Ich möchte mir eine Mahlerbiographie holen und das Gelesene auch musikhörenderweise nachvollziehen. All das und vieles mehr möcht ich tun. Wann? Weiss noch nicht. Mir ist ja dieser verdammte Jazz dazwischen gekommen 8) :D.


    Bei dem oben Beschriebenen habe ich eine Vorahnung, was auf mich zukommen wird. Bei diesem Jazz Ding betrete ich ABSOLUTES Neuland. Das oben MOECHTE ich mal machen. Das mit dem Jazz MUSS ich machen - jetzt! Das ist kein Vorhaben, das ist ein Drang. Ein Trieb.


    Ein ähnliches Thema hatten wir übrigens neulich. Es wurde die Vermutung ausgesprochen, die eigene Anfangszeit hier bei Tamino würde von vielen als die beste, schönste, interessanteste Phase des Forums empfunden. Glück, Zufall oder der Reiz des Neuen eben? Wer erinnert sich?


    Liebe Grüße
    GalloNero




    Liebe Grüße
    GalloNero

    ... da wurde mir wieder weit ums Herz ... (G. Mahler)

  • Hallo F.Q.

    Zitat

    Wieso kann man sich nicht bei Einkaufstouren von vorneherein trennen und zu einem bestimmten Zeitpunkt wiederverabreden? Das schont die Nerven und vor allem die Beziehung.


    Wenn BEIDE Parteien damit einverstanden sind, gerne.


    :D
    Hast Du schon mal in Venedig mehrere Stunden nach Deiner besseren Hälfte gesucht, nachdem diese genau nach diesem Vorschlag beleidigt abzog?
    Venedig ist groß...........


    Also im Ernst:
    Ich bin natürlich kein Frauenhasser, aber es gibt leider manche Dinge,welche Frauen an Männern auszusetzen haben.


    Ziemlich viele Dinge, um ehrlich zu sein. :stumm:


    Und bestimmte Sammelleidenschaften gehören oft dazu.


    Hast Du schon einmal erlebt, daß Du eine wichtige Auktion bei ebay nur darum verloren hast, weil Dein Schatz genau in dem Augenblick, wo Du sekundengenau Dein entscheidendes Angebot machen wolltest, einen Kuß einforderte?


    Und zwar nach dem Motto:
    Was? Das ist Dir wichtiger als ein Kuß von mir?


    Ne, ehrlich......hmpfffffff......... :D :angry:


    Also, natürlich ist das humorvoll gemeint gewesen mit dem "Frauenhasser" , aber Probleme gibt es einige zwischen Mann und Frau, so viel ist sicher. :pfeif:

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