Strauss, Richard: Don Juan Op. 20 - Tondichtung nach Nikolaus Lenau

  • Zu meinem Entsetzen muss ich feststellen, dass es zu diesem Werk, einem der unbestritten großen Würfe der Musikgeschichte, noch keinen eigenen Thread gibt.
    Das soll sich nun ändern!


    Don Juan, Op. 20 ist die zweite Tondichtung des Komponisten Richard Strauss und makiert den Beginn seiner Reifephase. Mit diesem Werk gelang ihm der endgültige Durchbruch und erstmals breite internationale Anerkennung. Die Uraufführung am 11. November 1889 in Weimar war ein großer Erfolg für den gerade 25-jährigen Komponisten. Ursache könnte u. a. sein, dass sich Strauss nun endgültig vom "Brahms-Epigonentum" gelöst hatte und einen eigenen, unverkennbaren Stil erschaffen hat, zudem aber mit Sicherheit auch die Wahl des Programms, das dem lebensbejahenden Naturell des Komponisten weit näher entsteht als beispielsweise das des vorherigen, bis heute eher unerfolgreichen Versuches, dem Macbeth.


    Nun, kommen wir zum Werk: Formal handelt es sich wie gesagt um eine Tondichtung in der Nachfolge der Liszt'schen Tradition der sinfonischen Dichtungen, wobei deutlich der Einfluss durch Wagners Tristan zu spüren ist (besonders im ständigen, ununterbrochenen Fluss der Musik und der orchestralen ("Schein-")Polyphonie), von dem Strauss bereits in seiner Jugend eine Partitur besessen hatte, die er eifrig studierte. Oft wird versucht, das musikalische Geschehen in eine Sonatenhauptsatzform oder eine Rondoform zu pressen, wobei mir letzteres am plausibelsten erscheint. Wichtigsteste Grundlage für die Formgebung ist allerdings das Don Juan-Fragment von Nikolaus Lenau. Ich denke, es kann nicht schaden, dieses voranzustellen, ich habe lange danach gesucht.


    "Den Zauberkreis, den unermesslich weiten,
    Von vielfach reizend schönen Weiblichkeiten
    Möcht' ich durchziehn im Strome des Genusses,
    Am Mund der Letzten sterben eines Kusses.
    O Freund, durch alle Räume möcht' ich fliegen,
    Wo eine Schönheit blüht, hinknien vor jede
    Und, wär's auch nur für Augenblicke, siegen.

    Ich fliehe Überdruss und Lustermattung,
    Erhalte frisch im Dienste mich des Schönen,
    Die einzle kränkend schwärm' ich für die Gattung.
    Der Odem einer Frau, heut Frühlingsduft,
    Drückt morgen mich vielleicht wie Kerkerluft.
    Wenn wechselnd ich mit meiner Liebe wandle
    Im weiten Kreis der schönen Fraun,
    Ist meine Lieb' an jeder eine andre;
    Nicht aus Ruinen will ich Tempel bauen.

    Ja! Leidenschaft ist immer nur die neue;
    Sie lässt sich nicht von der zu jener bringen,
    Sie kann nur sterben hier, dort neu entspringen,
    Und kennt sie sich, so weiß sie nichts von Reue.
    Wie jede Schönheit einzig in der Welt,
    So ist es auch die Lieb' der sie gefällt.
    Hinaus und fort nach immer neuen Siegen,
    So lang der Jugend Feuerpulse fliegen!

    Es war ein schöner Sturm, der mich getrieben,
    Er hat vertobt und Stille ist geblieben.
    Scheintot ist alles Wünschen, alles Hoffen;
    Vielleicht ein Blitz aus Höh'n, die ich verachtet,
    Hat tödlich meine Liebeskraft getroffen,
    Und plötzlich war die Welt mir wüst, umnachtet;
    Vielleicht auch nicht; - der Brennstoff ist verzehrt,
    Und kalt und dunkel ward es auf dem Herd."


    So, nun aber zurück zum Musikalischen. Das Werk steht in E-Dur, wobei es recht ungewöhnlich beginnt: mit rasanten, auftaktigen Sechzehnteln in den Streichern, die in einen strahlenden C-Dur-Akkord (mit Hinzunahme der Holzbläser, Hörner und einer Posaune) münden. Strauss beginnt also auf einer entfernten Terzverwandtschaft. Das Leitmotiv des Titelhelden kadenziert aber sogleich nach E-Dur ab.



    Zusätzlich zur Harmonik verleihen drei wesentliche rhythmische Merkmale dem Leitmotiv seine Prägnanz: die Triole (T. 2), die Punktierung auf der 4 im selben Takt sowie die akzentuierte Synkope. Das Motiv erstreckt sich über 3 Oktaven und eine kleine Terz. Der gewaltige Aufstieg in den ersten drei Takten signalisiert den Titelhelden: hier öffnet sich der Vorhang für den zielstrebigen, lustvollen Don Juan. Dieser wird nun ungeheuer suggestiv - von vier lauten Paukenschlägen angekündigt - mit einem leidenschaftlichen Thema in den ersten und zweiten Violinen zum Vorschein gebracht.



    Wie stellt Strauss nun den Charakter des Titelhelden musikalisch dar?
    Die Keimzelle des Themas ist ein aufwärts strebendes, aus einer punktierten Achtel (bzw. Achtel + Sechszehntelpause), Sechzehntel und anschließenden (punktierten) Halben als Zielpunkt bestehendes Motiv. Durch Sequenzierungen bastelt Strauss hiermit sein Thema, wobei die Linie in den ersten 4 Takten wieder stetig nach oben steigt. Durch die Punktierungen entsteht ein zielstrebiges Vorwärtsdrängen - der Held stürzt sich begeistert und erwartungsvoll in die Welt der Abenteuer. Auffällig ist der Sturz nach unten im 5. Takt (und ein weiteres Mal im 7.) (die Taktzahlen beziehen sich immer auf die Notenbeispiele) - doch kein Stolperstein scheint den Held zu stören, es geht immer wieder aufwärts. Ebenfalls markant sind die häufigen Akzente auf die letzte Sechzehntel und die vom Blech unterstützten Crescendi.
    Das Thema der Geigen wird von den Trompeten abgelöst und durchgeführt. Nach erneuten Erscheinen des Leitmotivs beginnt die quasi Überleitung zur ersten Liebesepisode. Statt wahrer Liebe strebt Don Juan jedoch nach Abwechslung: ein kleines "Zwischenspiel" könnte man als einen kurzen Stop zum Flirt deuten. Doch dieser dauert nicht lange - schon wieder erklingt das Leitmotiv und der Titelheld ist wieder auf und davon.
    Die bisherige Thematik wird weiter durchgeführt und das Leitmotiv endet abrupt in einem pianissimo-Tremolo der hohen Streicher und des Glockenspiels - die erste Liebesszene kündigt sich an, Don Juan verschwindet aus der Realität und taucht ein in die Traumwelt. Ein äußerst sinnlicher Septnonakkord (mit großer None) über Fis (vorher g-Moll) im ppp mit Hinzunahme der Harfe erklingt und führt in die Dominanttonart H-Dur (Argument für die Sonatenhauptsatzform - allerdings: Das Thema der ersten Liebesszene, was in dem Falle das zweite Thema wäre, taucht später nur noch andeutungsweise auf.). Die erste Geige - bei Strauss bekanntermaßen die Frau im Orchester - trägt nun ein lyrisches, verträumtes Solo vor (abwechselnd mit dem Glockenspiel). Durch vierfach geteilte Bratschen und Celli sowie den vollen Bläserapparat im ppp schafft Strauss hier einen wunderbaren Klangteppich - Vortragsbezeichnung tranquillo. Das Solo der Geige verarbeitet übrigens die bisherige Thematik und nimmt gleichzeitig Elemente des kommenden Themas vorweg - ein Bindeglied zwischen der konträren Thematik sozusagen.
    Eingeleitet durch aufsteigende Chromatik in den 2. Geigen und Bratschen erklingt nun das 2. prägnante Thema des Werkes - molto espressivo in der ersten Klarinette.


    usw.


    Natürlich handelt es sich auch hier nicht um klassische Periodenbildung. Das Thema wird von den Violinen kanonisch aufgefangen und expressiv (v. a. durch Chromatik und sehr sinnliche Harmonisierung) fortgeführt. Betrachtet man das Thema als Umarmung der Liebhaberin, lässt sich der Dialog zwischen den beiden Stimmen als gegenseitiges Umarmen deuten. Eine lange und intensive Steigerung mündet in einen Höhepunkt im fff. Das Ende wird angekündigt, in den Celli erklingt im piano wieder das Leitmotiv - Vortragsbezeichnung: senza espressione. Don Juans Geliebte versucht ihn bei sich zu behalten, doch der Held reißt sich bald endgültig von ihr los und flieht zurück in die Realität - in klarem C-Dur kehrt nun das stürmische Hauptthema zurück und wird weiter durchgeführt, wobei in verschiedenste Tonarten ausgewichen wird (u.a. in die in diesem Stück so häufig verwendeten Terzverwandschaften, hier A-Dur u. Es-Dur).


    Eine weitere Episode beginnt nun, Tonart g-Moll. Don Juan macht wieder Halt, er hat ein neues Ziel gefunden. Celli und Bratschen tragen molto appassionato ein leidenschaftliches und intensives Thema vor. Der Held versucht die Geliebte für sich zu gewinnen.



    Doch dissonante, chromatische Vorhalte in der Flöte deuten das Scheitern des Versuchs an. Ein zweites Mal versucht es Don Juan noch leidenschaftlicher und letztendlich verklingt auch der "Spott" der Flöten - erneut ist es ihm gelungen, in eine Traumwelt einzutauchen. Ein Klangteppich in G-Dur von ungeheurer Schönheit breitet sich aus, bewerkstelligt durch vierfach geteilte Kontrabässe (!), zarte Klänge in Harfe und Pauken (ppp) und "Scheinpolyphonie" in den Celli, Bratschen (das aufsteigende Motiv verbildlicht wiederum die schwelgerische Leidenschaft der Szene) und das ersten Horn (mit Dämpfer).
    Die vielleicht bekannteste und gelungenste Episode des Werkes erklingt. Die erste Oboe trägt sehr getragen und ausdrucksvoll ein idyllisches Thema vor.



    Das Thema beginnt markant mit einem Oktavsprung aufwärts, bewegt sich dann aber zumeist in Sekundschritten weiter (bis zum expressiven Quintsprung in T. 11). Auch dieses Thema ist von Synkopen geprägt, die stets die Leidenschaft des Titelhelden und seiner Geliebten versinnbildlichen. Nach einer Weile treten weitere Soloinstrumente hinzu (u. a. Horn, Klarinette) und die lyrischen Melodielinien umschlingen sich - derselbe Effekt, der in der ersten Liebesszene durch den kanonischen Dialog erzeugt wurde.
    Natürlich hat auch diese Episode ein Ende - das Begleitmotiv der Celli bäumt sich auf, wandert in die hohen Streicher und endet stringendo in einem gewaltigen Triumph: über einem Tremolo der Violinen tragen 4 Hörner im unisono molto espressione e marcato ein Siegesthema vor. Don Juan hat die Traumwelt wieder verlassen und feiert seinen Erfolg!



    Den großen Kontrast zwischen beiden Welten erzeugt Strauss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln:
    Vorher ein Klangteppich aus tiefen Liegetönen, träumerisches G-Dur, piano und pianissimo, kleinschrittige Soli, Tempoanweisung tranquillo bzw. sehr getragen (Oboenidylle)
    Nun: Scharfe Tremoli in den hohen Streichern, die sich bei der Wiederholung des Hornthemas mit den hohen Holzbläsern reiben, "Realitätstonart" C-Dur, forte und fortissimo, laute Paukenwirbel und von 4 Instrumenten marcato vorgetragenes Thema, a tempo. Das Bassfundament, das die ganze vorherige Episode vierfach geteilt (in den Kontrabässen) erklang, setzt nun vorerst komplett aus.
    Das Hornthema beginnt mit einem prägnanten Oktavsprung und ist auch wieder durch Synkopen gekennzeichnet. Es endet auf einem Halbschluss - ein nervöses Zwischenspiel der Oboe, eine Art Parodie auf das Oboenthema der vorherigen Episode, agitato vorgetragen, hält die Spannung (-> Wut der Geliebten?), bevor das Siegesthema erneut erklingt. rapidamente kehrt nun auch wieder das Leitmotiv zurück, was zu einer mit a tempo, giocoso gekennzeichneten Episode überleitet. Kurze Achtel mit Sekundvorschlägen unterstreichen den scherzhaften Charakter, während verschiedene Themen verarbeitet bzw. parodiert werden (z. B. das Heldenthema im Glockenspiel). Die Episode wirkt spöttisch, unsicher. Der Beginn des Leitmotivs mischt sich ein, der Held versucht sich wieder aufzubäumen, und das Ganze endet in einem gewaltigen Tumult. Das Orchester blüht auf, die Themen eifern um die Wette, die Musik gewinnt an Dramatik. Die Tonart E-Dur wird wieder erreicht, doch diesmal auch dessen Parallele cis-Moll. Don Juan bekommt Selbstzweifel und schließlich stürzen die Streicher mit einem verminderten Arpeggio den Titelhelden weit in die Tiefe. Im fff endet das Desaster auf einem tiefen h, die Kontrabässe spielen ein furchteinflößendes, vom Paukenwirbel unterstütztes Tremolo. Nun erklingen erneut die drei Themen des Liebesepisoden (1. Flirt, 2. kanonisches Thema, 3. Oboenidylle), allerdings fad und fern - der Held denkt zurück. Überaus suggestiv löst sich nun der H-Septakkord, über dem die Themen erklangen, in einem pizzicato auf. Die Herausforderung des Vaters einer Geliebten kündigt sich an. Das Leitmotiv Don Juans entwickelt sich langsam über dem noch klingenden Orgelpunkt h und die Spannung steigt. Der Held schöpft hörbar neue Kraft. Mit der Wiederkehr des Hauptthemas beginnt der Kampf. Von einer Sonatenhauptsatzform ausgehend, würde nun die Reprise beginnen. Für mich ist es eher die Wiederkehr eines Rondothemas, wenn man überhaupt in tranditionellen Formen argumentieren will. Der Höhepunkt orchestraler Farbenpracht wird nun erreicht. Don Juans Themen erstrahlen in glänzendem E-Dur, das Hornthema kehrt zurück und triumphiert in den Violinen. Ein F-Dur-Akkord mit Beckenschlag kündigt den Höhepunkt des Kampfes an, Don Juans Leitmotiv erklingt nach einer kurzen Generalpause und verkündet seinen Sieg. Eine triumphale Steigerung suggestiert den endgültigen Triumph - doch die Steigerung endet im Nichts auf der Dominante, worauf eine weitere Generalpause folgt. Wir sind beim letzten Abschnitt angelangt - das Ende des Titelhelden wird mitgeteilt. Ein a-Moll Akkord im pianissimo, tutti erklingt. Don Juan gibt sich dem Todesstoß seines Gegerns hin, der in den Trompeten durch ein dissonates f erklingt. Im Tremolo bewegen sich die Geigen in Terzen abwärts, klingen leer aus und kadenzieren ebenso hohl nach e-Moll (Molldominante). Die Tondichtung endet mit drei Pizzicato-Oktavklängen auf dem Ton e. Don Juan hat gesiegt, aber nichts erreicht.



    Was lässt sich nun über die Bedeutung des Werkes sagen? Wir betrachten Richard Strauss von heute aus gesehen oft als rückständigen Komponisten, wenn wir sein Schaffen im 20. Jahrhundert ins Auge nehmen. Dieses Werk, 1888 vollendet und 1889 uraufgeführt, muss aber für das damalige Publikum ungeheuer modern geklungen haben. Als Strauss 1887 mit der Arbeit an dem Werk begann, hatte Brahms gerade sein letztes Orchesterwerk - das Doppelkonzert - vollendet. Zwei Jahre vorher schrieb dieser seine letzte Sinfonie.
    Trotz der Kühnheiten und modernen Tonsprache setzte sich der Don Juan sofort durch - er traf den Zeitgeist voll und ganz.
    Im Konzertführer von Attila Csampai und Dietmar Holland liest sich sehr schön:
    "[...] der endgültige Durchbruch zum Reifestil der Gattung und das Selbstbewusstsein des Komponisten werden hier zum Ausdruck eines Lebensgefühls der damals jungen Generation. Die kraftvolle, in Sinnenfreude schwelgende Diesseitigkeit steht in scharfem Kontrast zu der problembeladenen, um letzte Geheimnisse ringenden Symphonik Mahlers. [...] Das Werk ist voll von Schwung und schier schäumenden Temperament [...]"


    Bezüglich der Aufnahmen (von denen es unzählbar viele gibt) gebe ich das Wort mal weiter. Ich kenne Karajan und Kempe, bei ersterem glänzt und strahlt das Orchester wie gewohnt, letzterer ist mutiger und wilder und bietet rauhere Tempowechsel.


    So, das wars erstmal von meiner Seite. Ich hoffe, hiermit wären gängige Vorurteile wie "Strauss war ein schlechter Melodiker" endgültig beseitigt. :D Zumindest in jungen Jahren kann man das nicht von ihm behaupten. Im Alter sagte er ja sinngemäß: "Solche Einfälle wie damals im Don Juan und in Tod und Verklärungen, dafür bin ich natürlich mittlerweile zu alt."

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Großartige Werkeinführung, Rappy! Mit Notenbeispielen 8o, da könnte man fast neidisch werden... ;)


    Don Juan halte ich für die gelungenste, auf jeden Fall konziseste Tondichtung von Strauss. Es führt diesen strauss-spezifischen, orchestral brillanten, durchaus komplexen, schwungvoll-optimistischen, aber immer absturzgefährdeten Tonfall in die Musikgeschichte ein, den ich auf dem Niveau dieses Werks sehr reizvoll finde - auch wenn ich verstehe, dass man ihn irgendwann satt haben kann. Oder sich nie mit ihm anfreundet...


    Für meinen Geschmack packst Du die Beschreibung der Form etwas zu sehr von der programmusikalischen Seite an (Identifizierung von einzelnen Themen und musikalischen Episoden mit Figuren, Geschehnissen etc.) - mir scheint, dass Strauss hier auch sehr fantasievoll mit der Sonatensatzform umgeht. In den nächsten Tagen, wenn ich mehr Zeit habe, schreib ich nochmal was dazu.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo Rappy,


    Deine Einführung zu diesem schönen Werk übertrifft jeden Konzertführer und ist druckreif für meinen Klassikordner (Ja, sowas habe ich, denn ich hasse losen Papierkram).


    Nun nach dieser Werkeinführung - welche Aufnahme favorisiert/st Du/Ihr ?


    Mein Einstieg war die Aufnahme, damals aauf LP, mit
    Karajan / Wiener PH (Decca, 1960), die ich auch heuite noch zu den Erlesensten zählen würde.
    Bei meiner Richard Strauss - Vorliebe habe ich aber jede Menge weiterer Aufnahmen, denn Don Juan wird gerne und oft immer mit draufgepackt.


    Sehr gute CD-Aufnahmen die ich habe sind in dieser Folge:
    **** Solti / Chicago SO (Decca)
    **** Dohnanyi / Wiener PH (Decca)
    **** Maazel / Wiener PH (Decca)
    **** Kempe / Staatskapelle Dresden (EMI/Brillant)
    **** Szell / Cleveland Orchestra (CBS)
    *** Ashkenazy / Cleveland Orchestra (Decca)
    *** Metha / Los Angeles SO (Decca-LP)


    Die genanten Aufnahmen sind zudem alle in klangtechnischer Höchstform.



    Eine überraschend ganz schwache Aufnahme ist:
    * Muti / Berliner PH ? (Philips), die mit Aus Italien gekoppelt war.
    So langweilig hatte ich Don Juan nie wieder gehört. Erst am Schluß der CD beim Neapolitanischen Volksleben in Aus Italien wurde Muti wach. CD - lange verhökert.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo,


    vielen Dank an euch beide. ;)
    Bernd, ich stimme dir bei deinem Urteil über den Don Juan voll und ganz zu. Ich bin gespannt auf deine Ausführung bezüglich der Sonatenhauptsatzform. Ich fand diese Sichtweise bisher nicht so wirklich überzeugend, die Menge der Thematik geht ja schon deutlich über den traditionellen Dualismus der Sonatenform hinaus und die programmatischen Bezüge halte ich für sehr schlüssig.
    Aber vielleicht kriegst du mich ja überzeugt :P


    lg

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo Rappy,


    auch ich bin von Deiner Einführung, die ich heute in einer Arbeitspause las, sehr beeindruckt und weiß nicht, was ich dem noch hinzufügen könnte. Vielleicht etwas später, wenn ich das Stück MIT Deiner Einführung mal wieder höre, was ich sehr gerne tue, denn es ist eines meiner orchestralen Lieblinge.


    Wahrscheinlich werde ich sie mir in dieser, schon beim DON QUIJOTE empfohlenen Einspielung von Fritz Reiner und dem Chicago SO anhören:



    Damit beantworte ich auch Teletons Anfrage aus meiner Sicht. Ich habe das Werk in vielen Einspielungen, darunter den kompetentesten wie Furtwängler, Karajan, Kempe, Krauss, Maazel, Toscanini und sogar Richard Strauss selbst, aber keiner von ihnen hat mich mehr überzeugt. Allein, wie Reiner die Streicher vor dem orgiastischen Ausbruch des Hauptthemas versammelt und damit Hochspannung erzeugt, macht ihm in dieser grandiosen Weise niemand nach. Aber hier stimmt nicht nur das, sondern einfach alles.


    Die übrigen, Kempe wegen der Tonqualität voran, wären gute bis exzellente Alternativen. Von den sonstigen von Teleton genannten Aufnahme wäre ich noch besonders neugierig auf die mir unbekannten Aufnahmen von Dohnanyi und Szell, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass oder gar wie sie das besser machen könnten als Fritz Reiner.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Hallo Jacques,


    ich bin nach Durchsicht Deines Beitrages gleich zu meinem LP-Schrank gelaufen, in dem sich nur noch LP-Raritäten befinden, die ich nicht abgeben wollte. Ansonsten höre ich keine LP´s mehr.
    Darin befindet sich die RCA-Reiner-LP mit Don Quixote. Allerdings ist auf der LP die Rosenkavalier - Walzerfolge drauf.
    Das Fritz Reiner zu den ganz großen Aufnahmen des Don Juan zählt kann ich mir sehr gut vorstellen.


    :yes: Ich bin damals als Schüler mehr zufällig auf viele Reiner - Schallplatten gestoßen - es war ein Glücksfall: Diese wurden damals in der RCA-Reihe VICS für 10,-DM verkauft. Das lag in meinem Taschengeldbuget und so kaufte ich diese Platten gerne, weil sich dahinter immer gute Aufnahmen verbargen und TOP-Interpretationen. Heute weis man welche Edelsteine man damals für 10,- DM hatte und teils heute noch besitzt.



    Offtopic, aber passt trotzdem:
    Ich hatte auch die RCA-Reiner-LP mit Also sprach Zarathustra. Diese mich langjährig begleitende Aufnahme wurde später (für meinen Geschmack) höchst erfolgreich durch die Decca-Solti-CD abgelöst. Ich meine es wäre auch Don Juan auf dieser RCA-Reiner-LP drauf gewesen !?!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo teleton,


    mir ging es damals ebenso wie Dir, denn auch mein Budget war sehr knapp bemessen. Auch ich habe also den Reiner - DON JUAN, gekoppelt mit ZARATHUSTRA, "nur" auf LP, ebenso wie den mit den ROSENKAVALIER-Walzern gekoppelten DON QUIJOTE. Die o. g. cd habe ich leider (noch) nicht, aber dennoch hier zitiert, weil es mir um die Aufführung ging, deren Top-Ranking, wie überhaupt der Einschätzung Reiners (nicht nur) als einer der größten Strauss-Interpreten, ich nur unterstreichen kann.


    Deshalb finde ich auch, dass es höchste Zeit ist, diesen Thread wieder aufleben zu lassen:
    Fritz Reiner - Vergessen?


    Leider fehlt mir im Augenblick die Zeit dazu. Vielleicht magst Du das tun, oder jemand anders, und ich werde mich dann später gerne daran beteiligen. Ich werde in Kürze damit beginnen, indem ich diesen Meinungsaustausch, der hier in der Tat leicht OT ist, in diesen Thread verschieben werde.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    mir scheint, dass Strauss hier auch sehr fantasievoll mit der Sonatensatzform umgeht. In den nächsten Tagen, wenn ich mehr Zeit habe, schreib ich nochmal was dazu.


    Ich warte noch ;)


    @J. R. II: Ich hab jetzt auch die Gelegenheit gehabt, in die Reiner-Aufnahme reinzuhören. Wirklich sehr packend! Der Ansatz ähnelt ein bisschen dem von Kempe. Karajan ist eher ein Gegenpol, nicht ganz so hastig, aber dennoch stets mit Drang nach vorne. Vor allem die Klangteppiche in den Solopassagen leuchten wunderbar bei ihm. Und die 1a Klangqualität tut dem Stück natürlich sehr gut. Ich kann nicht sagen, was ich besser finde.


    lg

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von rappy


    Ich warte noch ;)


    :pfeif:


    Da ich mich dauernd mit Haydn rumschlage, muss Papa Richard noch ein bisschen warten :D. Kommt aber bestimmt. :yes:


    Ich habe auch schon ein wenig Literatur zur Kenntnis genommen und halte das mit der Sonatensatzform nicht mehr aufrecht... Werde aber natürlich trotzdem Contra geben ;).



    Viele Grüße


    Bernd

  • Gestern hörte ich zufällig im SWR2 eine Aufnahme des Don Juan mit dem RIAS-Sinfonieorchester, Leitung: Ferenc Fricsay (Aufnahme 1952)


    Nun bin ich nicht gerade ein R.-Strauss-Freund und dieses Werk schätze ich auch nicht besonders - doch was mir da aus dem Autoradio in die Ohren drang, überraschte und beeindruckte mich denn doch wegen der klanglichen Finessen und der Energie in der Interpretation derart, daß ich mich frage, ob diese Aufnahme auf irgendeiner CD veröffentlicht ist. Müßte doch eigentlich, oder?


    Über die üblichen Wege bin ich allerdings bislang nicht fündig geworden. Wer weiß was?

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  • Zitat

    Original von Gurnemanz
    Über die üblichen Wege bin ich allerdings bislang nicht fündig geworden. Wer weiß was?


    Schau mal hier - zumindest ein Angebot existiert z.Zt.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Gurnemanz
    Gestern hörte ich zufällig im SWR2 eine Aufnahme des Don Juan mit dem RIAS-Sinfonieorchester, Leitung: Ferenc Fricsay (Aufnahme 1952)


    Nun bin ich nicht gerade ein R.-Strauss-Freund und dieses Werk schätze ich auch nicht besonders - doch was mir da aus dem Autoradio in die Ohren drang, überraschte und beeindruckte mich denn doch wegen der klanglichen Finessen und der Energie in der Interpretation derart, daß ich mich frage, ob diese Aufnahme auf irgendeiner CD veröffentlicht ist. Müßte doch eigentlich, oder?


    Über die üblichen Wege bin ich allerdings bislang nicht fündig geworden. Wer weiß was?


    Es gab die Aufnahme auf einer CD, die Mitte der 90er (vermutlich 80. Geburtstag) in einer Fricsay-Edition der DG "Dokumente"-Reihe erschienen war (mit Till, Burleske und dem Concertino f. Klar. & Fagott, diese anderen sind keine Live-, sondern Plattenaufnahmen gewesen, der Till mit den Philharmonikern, der Rest mit RIAS).
    Wahrscheinlich auch schon einmal in einer sehr umfangreichen LP-Reihe Ende der 70er, die etliche Funkaufnahmen Fricsays herausbrachte, erschienen.


    In Japan war sie auch später noch zu haben, ist aber inzwischen wohl vergriffen:


    http://www.cdjapan.co.jp/detailview.html?KEY=UCCG-3723


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Bernd und Johannes,


    auf Euch kann man sich verlassen, vielen Dank! Ihr scheint beide dieselbe Ausgabe zu meinen, die offensichtlich doch ganz leicht und relativ erschwinglich zu erwerben ist, man klicke auf den Punkt:
    Aber darauf muß man, bei den spärlichen Angaben der deutschen Amazonen, erstmal kommen ...

  • Hallo Rappy!


    Danke für die schöne Einführung (mit der ich mich erst jetzt beschäftige, da ich erst seit dieser Woche im Besitz einer Strauss-CD bin ;) )! Dass Du Notenbeispiele bringst, gefällt mir sehr gut, so sind die entsprechenden Stellen sehr leicht zu finden. (Willst Du nicht noch eine Einführung für Till Eulenspiegel machen? :) )


    Zu zwei Stellen habe ich Anmerkungen bzw. Fragen:


    Zitat

    Doch dissonante, chromatische Vorhalte in der Flöte deuten das Scheitern des Versuchs an. Ein zweites Mal versucht es Don Juan noch leidenschaftlicher und letztendlich verklingt auch der "Spott" der Flöten - erneut ist es ihm gelungen, in eine Traumwelt einzutauchen. Ein Klangteppich in G-Dur von ungeheurer Schönheit breitet sich aus, bewerkstelligt durch vierfach geteilte Kontrabässe (!), zarte Klänge in Harfe und Pauken (ppp) und "Scheinpolyphonie" in den Celli, Bratschen (das aufsteigende Motiv verbildlicht wiederum die schwelgerische Leidenschaft der Szene) und das ersten Horn (mit Dämpfer).


    Das höre ich ein wenig anders! Die "spottende" Flöte lässt sich ja auch durch das intensivierte Werbungsmotiv nicht beruhigen, sondern erst infolge der drei herben Hornrufe mit dem Don-Juan-Thema - diese Frau lässt sich nicht durch Schwärmerei "herumkriegen", sondern muss "härter" angepackt werden (interessant vielleicht auch, dass hier Don Juans Thema verwendet wird, er also sozusagen die Maske des Verführers absetzt).


    Zitat

    Ein F-Dur-Akkord mit Beckenschlag kündigt den Höhepunkt des Kampfes an, Don Juans Leitmotiv erklingt nach einer kurzen Generalpause und verkündet seinen Sieg. Eine triumphale Steigerung suggestiert den endgültigen Triumph - doch die Steigerung endet im Nichts auf der Dominante, worauf eine weitere Generalpause folgt. Wir sind beim letzten Abschnitt angelangt - das Ende des Titelhelden wird mitgeteilt. Ein a-Moll Akkord im pianissimo, tutti erklingt. Don Juan gibt sich dem Todesstoß seines Gegerns hin, der in den Trompeten durch ein dissonates f erklingt. Im Tremolo bewegen sich die Geigen in Terzen abwärts, klingen leer aus und kadenzieren ebenso hohl nach e-Moll (Molldominante). Die Tondichtung endet mit drei Pizzicato-Oktavklängen auf dem Ton e. Don Juan hat gesiegt, aber nichts erreicht.


    Das verstehe ich nicht! Erst gewinnt er das Duell, dann gibt er sich dem Todesstoß hin, und am Ende hat er trotzdem gesiegt?



    Gruß,
    Frank.

  • Hallo Frank!


    Zu den beiden Fragen:


    Deine Deutung zu Punkt 1 finde ich überzeugend. ;)
    Es gibt ja auch kein genaues Programm des Komponisten, von daher kann man nur spekulieren.


    Punkt 2: "Gesiegt" über seinen Gegner hat er zwar, aber dann blickt er in sich hinein und merkt, dass dieser "Sieg" ihm nichts gebracht hat. Denn das Glück, was er erlebt hat, war nur ein Glück von begrenzter Dauer. So deute ich das...
    Vielleicht wollen sich ja auch andere Philosophen zu Wort melden? ;)


    Till Eulenspiegel hat auch noch keinen Thread, gell? Darüber müsste man wirklich noch schreiben!


    lg

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    aktuelle Signatur von rappy


    "Mir ist absolut klar, daß die deutsche Nation nur durch die Befreiung vom Christentum neue Tatkraft gewinnen kann. Ich will meine ‚Alpensymphonie‘ den Antichrist nennen, als da ist: sittliche Reinigung aus eigener Kraft, Befreiung durch die Arbeit, Anbetung der ewigen herrlichen Natur." - Richard Strauss


    Herzlichen Glückwunsch zu der geschmackvollen Signatur :rolleyes: :wacky: :no:


    Da wird einem doch etwas klarer, welche sittliche Reinigung und Befreiung durch Arbeit der Herr Strauss bei seinen neuheidnischen braunen Freunden gesucht und gefunden hat.

  • Zitat

    Original von rappy
    Es gibt ja auch kein genaues Programm des Komponisten, von daher kann man nur spekulieren.


    Ja, eben. Ich finde, Ihr nehmt das mit der Programmusik zu wörtlich. Richard Strauss konnte zwar auch die Speisekarte einschließlich aller Zutaten komponieren, wenn er wollte, aber Don Juan ist doch etwas avancierter. Nicht umsonst hat Strauss das Gedicht von Lenau vorangestellt, das ja keineswegs eine Ballade ist, also keine Handlung erzählt. Natürlich kann man verschiedene Teile der Tondichtung mit archetypischen Situationen analogisieren: Liebesgeständnis, Kampf, Absturz usw. Man hört auch, wie der Charakter Don Juans musikalisch in allen Facetten gezeigt wird. Aber es geht m.E. zu weit, hier eine musikalisch abgeschilderte Handlung zu erkennen. Selbst mit den verschiedenen Aspekten der Lenau-Dichtung kann man Straussens Don Juan nicht durchgehend zur Deckung bringen. Für mich ist das Werk eher eine Synthese aus abstrakteren musikalischen Formen (Anklänge an Sonatensatz und Rondo, ohne das ein oder andere wirklich zu sein) und den programmusikalischen Aspekten.


    Der Schluss des Werkes ist in diesem Sinne ebenso vieldeutig, deutet natürlich auf den Tod voraus, meint aber sicher auch - wie Lenaus Metapher vom "verzehrten Brennstoff" nahelegt - die Impotenz des Helden.



    Viele Grüße


    Bernd



    PS: Die Debatte über Rappys Signatur hab ich ja schon lange kommen sehen... :wacky: Der Satz zeigt, dass Strauss (zumindest zeitweise) an einer weitverbreiteten Form des Vulgär-Nietzscheanismus teilhatte, die man allerdings nicht zwangsläufig protofaschistisch deuten muss. Straussens politische Kontur war die eines Opportunisten, nicht die eines Ideologen. Der dezidierte Atheismus stellte allerdings eine Konstante dar - Strauss hat ja nie auch nur ein Stück Sakralmusik komponiert. Das halte ich allerdings per se nicht für verwerflich. Die Wahl des Satzes als Signatur, die ja immer auch Identifikation meint, finde ich dennoch nicht sehr glücklich... ;)

  • Gute Musik erlaubt nie nur eine Zugangsmöglichkeit. ;)


    Zur Signatur: Ich bringe diese Aussage überhaupt nicht mit Politik oder gar Faschismus in Verbindung. Ich stehe vor allem hinter der ersten Aussage (nicht in Bezug auf die damalige Politik, der Satz stammt immerhin wahrscheinlich von 1915 rum?) und den letzten Punkt ("Anbetung der ewigen herrlichen Natur") - ist das jetzt verwerflich?

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Ja, eben. Ich finde, Ihr nehmt das mit der Programmusik zu wörtlich. Richard Strauss konnte zwar auch die Speisekarte einschließlich aller Zutaten komponieren, wenn er wollte, aber Don Juan ist doch etwas avancierter. Nicht umsonst hat Strauss das Gedicht von Lenau vorangestellt, das ja keineswegs eine Ballade ist, also keine Handlung erzählt. Natürlich kann man verschiedene Teile der Tondichtung mit archetypischen Situationen analogisieren: Liebesgeständnis, Kampf, Absturz usw. Man hört auch, wie der Charakter Don Juans musikalisch in allen Facetten gezeigt wird.


    Findest Du denn nicht, dass die Vergleiche hier halbwegs treffend sind? Natürlich gibt Strauß dem Hörer kein Programm à la "in Takt X passiert Y", sondern er gibt ihm das Gedichtfragment als Anregung, anhand dessen der Hörer ein Programm selber erhören kann.
    Zu Till Eulenspiegel hat er z.B. gar kein Programm veröffentlicht, sondern dem Dirigenten der Uraufführung geschrieben:
    "Es ist mir unmöglich, ein Programm zum Eulenspiegel zu geben: In Worte gekleidet, was ich mir bei den einzelnen Teilen gedacht habe, würde sich verflucht komisch ausnehmen und vielen Anstoß erregen. Wollen wir diesmal die Leutchen selber die Nüsse aufknacken lassen, die der Schalk ihnen verabreicht" (gefunden auf Wikipedia)
    Grundsätzlich so ähnlich sehe ich das auch bei Don Juan; und außerdem macht es ja auch Spaß, die einzelnen Stellen zu deuten (zumindest mir). :)


    Abgesehen davon gibt mir die Programmbeschreibung als Ersthörer eine wesentlich bessere Strukturierung als mir eine Einordnung wie "degenerierter Sonatensatz" geben könnte und hilft so beim Kennenlernen.


    Gruß,
    Frank.

  • Zitat

    Original von rappy
    Zur Signatur: Ich bringe diese Aussage überhaupt nicht mit Politik oder gar Faschismus in Verbindung. Ich stehe vor allem hinter der ersten Aussage


    Ich finde Dein Zitat in allen seinen Teilaspekten ziemlich albern bis abscheulich (wo soll der Alpensinfonie eine "sittliche Reinigung" innewohnen? Und nein: niemand findet es verwerflich, wenn Du die Natur "anbetest").


    Im Sinne der "Forenregeln" und aber viel mehr noch im Sinne des toleranten Umgangs miteinander, bitte ich Dich, die Signatur zu ändern.


    Ich bin nicht etwa angesichts meiner "verletzten religiösen Gefühle" "empört" - aber der Spruch, dass die deutsche Nation an Tatkraft gewänne, wenn man sie endlich vom hinterwäldlerischen Christentum befreite, ist angesichts der Experimente im zwanzigsten Jahrhundert, staatlicherseits Atheismus aufzuzwingen, derart lächerlich und ärgerlich, dass ich ihn nur höchst ungern stetig als Signatur vor Augen bekommen halten mag.


    Und von nun an habe ich eigentlich keine Lust mehr, über dieses "verbotene" Thema zu dieskutieren.


    Fast schon blau: TB

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  • Zitat

    Original von ThomasBernhard
    Ich bin nicht etwa angesichts meiner "verletzten religiösen Gefühle" "empört" - aber der Spruch, dass die deutsche Nation an Tatkraft gewänne, wenn man sie endlich vom hinterwäldlerischen Christentum befreite, ist angesichts der Experimente im zwanzigsten Jahrhundert, staatlicherseits Atheismus aufzuzwingen, derart lächerlich und ärgerlich, dass ich ihn nur höchst ungern stetig als Signatur vor Augen bekommen halten mag.


    Schon gut, habs schon entfernt.
    Aber bedenke, dass sehr kluge Menschen heute noch in etwa dasselbe sagen, nur eben nicht bloß auf Deutschland bezogen (z. B. Dawkins). Und wieso überhaupt staatlicherseits? Das funktioniert natürlich nicht. Und das Zitat ist stammt m. W. auch aus der Zeit vor dieser Experimente, also ist garantiert nicht so gemeint.
    Naja, eigentlich wollte ich das Thema gar nicht ansprechen, vergessen wir das.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo Frank,



    unbestritten. Ich will das auch gar nicht miesmachen, zumal Eure Assoziationen nah am Werk sind. Wie Rappy sagt, es gibt mehr als eine Zugangsmöglichkeit.


    Aber es steht bei Programmusik und gerade auch bei Strauss immer der Vorwurf im Raum, hier werde an einer literarischen Vorlage entlangkomponiert, ohne dass der Komponist irgendwelche formale Gestaltungskraft aufbringen müsse. Und das verkennt m.E. die besondere Leistung bei solchen Werken: die überlieferten Formen (Sonatensatz, Rondo, Variation etc.) - ohne sie aufzugeben - so zu variieren, dass sie die elementaren Strukturen eines "Programms" zur Geltung bringen.


    Die Weigerung, zum Till ein detailliertes Programm vorzulegen, entspringt möglicherweise auch Straussens Befürchtung, er könne als bloßer Programmusiker verkannt werden (auch Mahler hat ja die Programme seiner frühen Sinfonien später zurückgezogen).



    Viele Grüße


    Bernd

  • Hi Bernd,


    absolute Zustimmung. Ich finde es gerade so faszinierend, dass man sich über so verschiedene Wege einem Werk nähern kann und jeder so unglaublich logisch erscheint - das macht gute Musik doch aus! Rein formal im Sinne Hanslicks als tönend bewegte Formen wäre dieses Stück schon geglückt, aber zusätzlich kann man noch zu fast jedem Takt eine programmatisch-bildliche Assoziation finden. Das finde ich genial.
    Man braucht kein Programm, um den Don Juan genauso lieben zu können wie eine Brahms'sche Sinfonie. Aber durch das Programm erschließt sich eine neue, zusätzliche Ebene des Zugangs, die im Grunde nur bereichernd sein kann.
    Zu keinem Moment merkt man der Musik an, dass der Komponist nur deswegen diese Töne gesetzt hat, um ein bestimmtes Bild in Musik umzusetzen. Immer ergibt sich die Musik auch rein aus dem vorangegangen musikalischen Verlauf - es sind hier also nicht, wie Hanslick befürchtet hat, zwei gegensätzliche Herangehensweisen, die sich einander ausschließen, sondern es handelt sich um eine Synthese.


    :jubel: :jubel:

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo teleton,


    wenn auch an dieser Stelle vielleicht etwas fehl am Platz drängt sich mir eine Frage bezüglich dieses Beitrages auf:


    Zitat

    Original von teleton



    Eine überraschend ganz schwache Aufnahme ist:
    * Muti / Berliner PH ? (Philips), die mit Aus Italien gekoppelt war.
    So langweilig hatte ich Don Juan nie wieder gehört. Erst am Schluß der CD beim Neapolitanischen Volksleben in Aus Italien wurde Muti wach. CD - lange verhökert.



    Eine bessere Interpretation des Don Juan zu finden ist freilich nicht schwer, hier gibt es ein breites Spektrum.


    Doch bei 'Aus Italien', einem meiner liebsten Strauss-Werke, sieht es da schon anders aus.
    Was wäre denn hier eine wirklich gelungene Einspielung, denn bisher kenne ich nur Muti und war mangels Vergleich auch einigermaßen zufrieden.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Lieber Teleton, weil du im best buy Thread gefragt hast, warum mir die Aufnahme mit Järvi Paavo nicht gefallen hat, aberdafür die Aufnahme mit Honeck um so besser, bin ich noch mal in mich gegangen. Dabei ist mir aufgefallen, dass ein direkter und richtiger Vergleich nur beim Don Juan möglich ist, weil als einziges Stück auf beiden CDs.


    Es fällt mir schwer, das zu beschreiben, aber die Aufnahme von Järvi ist mir zu kalt, vielleicht auch zu schrill, da fehlen mir die Emotionen. Vielleicht ist sie mir auch zu schnell. Paavo braucht nur 17:22, während Honeck 18:30 braucht.


    Wobei mir der Don Juan eh nicht so gut gefällt. Und das könnte natürlich auch ein Problem der Paavo CD sein. Die Auswahl der Stücke, Don Juan und Heldenleben auf der einen Seite. Und Don Juan, Till Eulenspiegel und Tod und Verklärung bei Honeck.


    Aber ich glaube, das größte Problem ist einfach bei Honeck ist mehr Ausdruck im Spiel.

  • Hallo Friese und alle Richard Strauss-Hörer,


    im Grunde kann man beide Deiner vorgestellten CD´s nicht so recht miteinander vergleichen, weil nur Don Juan doppelt ist. Mir liegen nebenbei gesagt alle dieser Richard Strauss-Werke sehr.


    Bleiben wir also bei Don Juan op.20:
    Diese packende Sinfonische Dichtung hat mir gleich von Anfang an TOP gefallen. Ein Werk mit Energie und spannenden Momenten.
    An Paavo Järvis Spielzeit von 17:22 kann es nicht liegen, denn die ist voll im Mittelfeld und angemessen. Eher die 18:30 würde ich als zu lang empfinden .. aber dazu müsste ich die Honeck-Aufnahme auch erst mal hören.


    Meine Erste, die mich damals vom Hocker gehauen hat war Karajan / Wiener PH (Decca) mit 17:07 ! Genau richtig !
    Ebenfalls favorisierte ich (ist doch klar) die mit Solti / Chicago SO (Decca) mit 17:29 ... alle Anderen (Ashkenazy, Dohnanyi, Metha, Maazel, Kempe, Reiner, Szell) haben aber auch diese Tendenz (kaum über 18:00).
    Eigentlich hat R.Strauss dieses farbige energetische Werk so fabelhaft komponiert, dass mit einem guten Orchester fast keine schlechte Aufnahme zu Stande kommen kann.
    (Ausser Riccardo Muti ... die war Langeweile Pur ... wie man sowas hinbekommen kann ? ...)


    Ich würde Dir empfehlen das Werk mehrmals zu hören, dann wirst Du es schätzen; genau wie Ein Heldenleben, wo man sich auch erst einmal reinhören sollte.
    Ganz bestimmt müsste auch Till Eulenspiegel gleich von Anfang an bei Dir gezündet haben.



    Auch wenn das jetzt (vom Aufnahmedatum) nicht für Dich interessant ist, aber Fritz Reiner / Chicago SO war einer der grossen Richard Strauss Dirigenten.
    Da ich einige seiner Aufnahmen höchst erfolgreich als Erstaufnahmen auf RCA-LP´s hatte, habe ich mir letztes Jahr die äusserst preiswerte RCA-Zusammenstellung von Fritz Reiners wichtigster R.Strauss-Orchesterwerke auf 5CD bestellt (obwohl ich schon bestens auf CD mit R.Strauss eingedeckt bin).
    *** Klanglich sind diese Aufnahmen ganz exqusit 24Bit-remastert und eine grosse Freude für mich diese fabelhaften Interpretationen heute in einer wirklich guten Klangqualität geniessen zu können.
    Diese CD´s sind alten LP´s von damals haushoch überlegen.

    Nur Tod und Verklärung ist leider in Mono, aber von der Int TOP wie alle Anderen. Man hat ja von TuV genug Andere mit fabelhaftem Klang; aber einmal zu hören wie straff Reiner das Werk interpretierte war schon eine Erfahrung !
    *** Ganz exqusit als referenzwürdige Aufnahme ist auch die Burleske für Klavier und Orchester mit Byron Janis dabei.

    - der amazon-Preis ist derzeit auch nicht mehr günstig -

    RCA, 1950 (TuV) -1959, ADD


    :!: Achso - Fritz Reiner braucht für Don Juan 16:30 !!--- :thumbup: ebenfalls eine astreine Spitzen-Interpretation mit Hörspass erster Klasse !






    ;) Wenn ich damals von diesen Aufnahmedaten auf den RCA-VICS-LPs etwas von 1958/9 oder ähnlichem gelesen hätte (war dort nie abgedruckt), hatte ich diese RCA-LP´s nie gekauft ... aber dann wäre mir einiges entgangen ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang