Oper und historische Aufführungspraxis

  • Lieber Jacques Rideamus,


    in der Tat habe ich die ganze Woche in meine Aufnahmen reingehört und tue es immer noch. Da meine musikalische Begabung und Erfahrung nicht ausreicht, um einmal Gehörtes abzuspeichern, mußte ich dazu auch immer wieder vergleichend zurückgreifen, was dann doch relativ viel Zeit in Anspruch nimmt. Aber manches brauchte ich auch nur anzuspielen. Allerdings sind es immer nur wenige Stunden am Tag, sonst würde mir wahrscheinlich etliches verleidet werden. So hat mich nach einiger Zeit der Einstieg zum Quartett (Ach Belmonte!) der sich musikalisch mehrfach wiederholt, schon manchmal genervt, vor allem wenn der Sopran allzu spitz daher kam. Wenn mich dann die Nachbarn daraufhin ansprechen, daß mir diese Stelle wohl besonders gefalle, weiß ich, daß Generalpause angesagt ist.


    Irgendwann werde ich meine Lieblingsaufnahmen vorstellen. Momentan sind ich und meine Frau immer noch etwas gestreßt und gesundheitlich angefressen von unserem Umzug von Hamburg nach Minden, zudem fällt mir das Beschreiben musikalischer Phänomene nicht leicht, da ich mich als Volkswirt meist in einem anderen Vokabular bewege, aber das geht wahrscheinlich den meisten so.


    Bei Patricia Petibon kommt wahrscheinlich so ein seltsames Bedürfnis hoch, das ich schon öfters an mir beobachtet habe, von erstklassigen Künstlern immer noch mehr zu erwarten. Hoffentlich geht die Schallplatte nicht an ihr vorbei. Bisher gibt es zwar etliche Barock- und französische Sachen, aber ich würde sie zu gern einmal als Susanna hören, die sie in Nancy bereits gegeben haben soll.


    Das Fatale bei Harnoncourt, wobei ich eine beträchtliche Überempfindlichkeit eingestehen muß, ist der weitgehende Einfluß dieses Dirigenten. Das hat sicherlich auch damit zu tun, daß durch die Belebung der historischen Aufführungspraxis sich für die darauf spezialisierten Dirigenten neue Betätigungsfelder bis hin zur Romantik erschlossen. Nur, daß die Authentizität eines Instrumentariums oder auch imitierten Klangbildes noch nichts mit Interpretation zu tun hat. Schon fast ein Witz ist es, wenn z.B. Norrington diese historische Authentizität bei der Einspielung der „Haffner-Sinfonie“ dadurch herstellen möchte, daß er darauf besteht, nur zwei Proben anzusetzen, die laut Norrington den historischen Vorgaben der Mozartzeit entsprächen. Entsprechend hölzern hört sich das dann auch an, von Anhängern wird das dann „aufgerauht“ genannt. Wirklich schlimm aber ist, daß sich gestandene Dirigenten wie z.B. Abbado auf das Spiel um die historische Authentizität einlassen. Das wirkt m.E. verheerend auf den Nachwuchs. Ging schon die Aufnahme der Zauberflöte zu Lasten der Streicher und folgerichtig zur Bevorzugung der Bläser bei „schlankem“ Gesamtklang, so versuchte er erst vor kurzem die Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis mit einem kleinen neu gegründeten Orchester junger Musiker in einer Neuaufnahme einiger Mozartsinfonien umzusetzen.


    Der Deutschlandfunk meint: „Ja, beim ersten Hören der jetzt veröffentlichten Aufnahmen der Sinfonien mit dem Orchestra Mozart fühlt man sich, was Tempowahl, Schärfung der dynamischen Kontraste und zupackende Herangehensweise angeht, in der Tat stark an den jungen Harnoncourt erinnert.“ Ein Rezensent schreibt bei klassik.com.: „Abbado nähert sich stilistisch wie im dirigentischen Habitus den Jacobs, Hogwood, Harnoncourt“. Ist das nun ein Fortschritt? Ich höre nur Extreme kaum Zwischentöne, ziemlich abgehakt das Ganze. Man vergleiche die neue „Haffner-Sinfonie“ mit der alten Berliner Aufnahme. Wie fein wurde damals musiziert! - Der langen Rede kurzer Sinn: Ich befürchte, daß der junge Dirigent König Gefahr läuft, dem schon ziemlich bejahrten, sich verselbständigten Modetrend Harnoncourt aufgesessen ist. – Aber ich will gerne einräumen, daß ich vielleicht nach den ersten Schlagzeugeinsätzen das Orchesterspiel ganz unbewußt zu ignorieren begann. Aber vielleicht hörst zum Vergleich einfach mal in andere Aufnahmen hinein. Es muß ja gar nicht Krips oder Beecham sein. Nimm zum Beispiel das Schlußquartett des zweiten Aktes in einem Querschnitt unter John Pritchard (EMI) mit: Ryland Davies (Belmonte), Danièle Perriers (Blonde), Margret Price (Konstanze) sowie Kimmo Lappalainen (Pedrillo) und vergleiche.


    arimantas :hello:


    P.S. Entschuldige, daß ich mich so lange über Harnoncourt und die Folgen ausgelassen habe. Ist mal wieder mit mir durchgegangen, wie so oft bei diesem Thema. Gehört wahrscheinlich in einen anderen Thread. :untertauch:

  • Zitat

    Original von arimantas


    P.S. Entschuldige, daß ich mich so lange über Harnoncourt und die Folgen ausgelassen habe. Ist mal wieder mit mir durchgegangen, wie so oft bei diesem Thema. Gehört wahrscheinlich in einen anderen Thread. :untertauch:


    Finde ich nicht. Das passt doch gut hier hinein. Ulli wäre bestimmt auch begeistert. Leider gehört die ENTFÜHRUNG nicht (mehr) zu meinen Lieblingsstücken, weil die im TMOO beschriebene Aufnahme unter Fricsay lange die einzige GA war, die ich besaß und deshalb buchstäblich bis zum "Geht-nicht-mehr" gehört habe.


    Ich glaube aber, ich weiß auch so, was Du meinst. Aber gerade, weil ich den (gar nicht sooo) "alten" Stil sehr viel und intensiv gehört habe, fand ich Harnoncourts ENTFÜHRUNG erfrischend. Ich gebe aber auch gerne zu, dass man sich daran viel schneller überhören kann als an dem "konventionellen".


    Zum Glück haben wir heute ja eine große Auswahl an Tonträgern und können vergleichen, so dass wir nicht mehr, wie frühere Generationen, auf ein Orchester und ein paar Dirigenten in der Umgebung angewiesen sind.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Original von arimantas
    [...] wenn z.B. Norrington diese historische Authentizität bei der Einspielung der „Haffner-Sinfonie“ dadurch herstellen möchte, daß er darauf besteht, nur zwei Proben anzusetzen, die laut Norrington den historischen Vorgaben der Mozartzeit entsprächen.


    Naja, als Vorgaben würde ich dies nicht bezeichnen. Es war vielmehr gängige Praxis, was sich u.a. durch Mozarts Brief aus Paris [1778] bezüglich der UA seiner 'Pariser' Sinfonie "belegen" lässt. Mozart hatte aber ganz schönes Muffensausen bekundet. Ebenso wünschte Joseph Haydn, offenbar entgegen der üblichen Praxis, man möge seine Sinfonien vor der Publikumspräsentation "mindestens einmal durchexerciren..." [oder so ähnlich].


    Bei geübten Orchestern, die ihre Literatur und den Stil kennen, sollte das auch eigentlich kein größeres Problem darstellen. Der Vorteil, den ich an der Sache erkenne, ist, daß wenig Zeit bleibt, allzuviel bewußt hineinzuinterpretieren und daß sich durch eine derartige Vorgehensweise m. E. auch eine völlig neue oder andere losgelöste Sichtweise / Höreindruck ergeben kann.


    Für zwingend halte ich dies allerdings nicht unbedingt... Wenn man wohl den Terminus Historische Aufführungs-Praxis wörtlich nimmt, haut das aber schon hin.


    Ich werde zu gegebener Zeit nochmals darüber nachdenken.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Lieber Ulli,


    wenn man in Deinem Sinne historische Aufführungs-Praxis weiter entwickelt, würde das ja, konsequent weitergedacht, das Ende von Tamino bedeuten. :D


    Ausgehend von Deinem Vorschlag nicht „allzuviel bewußt hineinzuinterpretieren“ um eine „neue oder andere losgelöste Sichtweise / Höreindruck“ zu erreichen, erkenne ich darin die Vorstellung, ein Werk unverfälscht für sich selbst sprechen zu lassen. Das würde ich zwar etwas anderes gewichten, als die Frage der historische Aufführungspraxis, läuft aber auf dasselbe hinaus, wenn man z.B. an Hogwoods Beethovenzyklus denkt, der sich davon leiten ließ, daß die Sinfonien damals fast ungeprobt aufgeführt wurden.


    Norrington und Howood treffen sich letztlich in der Vorstellung einer Musikkultur der Nich-Interpretation. Diese Idee dieses Experiments ist zu gut, um sie der klassischen historischen Aufführungspraxis zu überlassen. Wenden wir sie doch jede Musik an, dann geht es nur noch darum ein Werk zu spielen. Weniger um das wie, sondern darum, daß es an sich zur Aufführung kommt. Das hätte natürlich auch Konsequenzen nicht nur für die Aufführungspraxis, sondern auch für die Hörpraxis.


    Im Grunde würde es dann ausreichen, wenn jeder Musikliebhaber irgendeine einzige Aufnahme eines Werkes besitzt und hört, denn das Wesentliche kommt zur Anhörung. Das ist dann ein wenig wie die Erfahrung, die ein jeder von uns mit dem ersten Hören eines Werkes gemacht hat: die Wiederholung, auch in einer Neuinterpretation ist nichts dagegen. Wenn wir diesen Ansatz konsequent weiter denken, folgt daraus zwangsläufig - hier trifft sich die historische Aufführungspraxis mit der historischen Hörpraxis -, daß wir letztlich auf die Tonkonserve verzichten müssen, und nur noch die unmittelbaren Live-Aufführungen konsumieren, die sich je nach Lebenssituation von Ort zu Ort ganz unterschiedlich anbieten – eine Situation die für die historische Situation des Grundbestandes unserer Musikkultur zutrifft. Was dann auch heißt, daß wir bestimmte Werke unter Umständen nur ein einziges Mal in unserem Leben erleben könnten oder auch gar nicht. Damit würde sich ganz automatisch das Interesse vom wie auf das daß einer Aufführung verschieben.


    Tamino würde sich dann auf den Austausch von unmittelbaren Hörerlebnissen beschränken, d.h. alle Sammler und Vergleicher von Aufnahmen wären draußen, überflüssig, da ja deren Thema weniger das Werk an sich ist – bei aller Liebe zum Werk. Natürlich kann ich mich auch täuschen, vielleicht ist ja unter den Taminos die Zahl der Verächter der Tonkonserve größer, als ich bisher mitbekam. Die müssen dann natürlich ungeprüft mit der Behauptung Älterer leben, daß es heute z.B. keinen wirklichen Verdibariton gibt oder daß jemand der Richter nicht gehört hat, nicht weiß wie die B- Dur Sonate von Schubert klingen sollte.


    arimantas :hello:

  • Hallo,


    das stimmt natürlich nicht ganz... denn jede Aufführung eines Werkes, egal, ob nun geprobt oder ungeprobt, fällt anders aus. Denn zunächst ist es unmöglich, nicht zu interpretieren. Ein solches Experiment würde aber sicher ganz interessant ausfallen, da ja spontan interpretiert würde - und jedesmal anders.


    Und zwischen dem Live-Hörerlebnis und dem Abhören derselben Performance auf Konserve liegen nochmals [aus Erfahrung] Welten. Der Vorteil der Jetztzeit liegt natürlich insbesondere darin, Konzerte aufzuzeichnen und nach Belieben jederzeit wieder zu hören. Ich sehe eigentlich nicht, daß da das Vergleichshören auf der Strecke bliebe.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Lieber Ulli,


    natürlich hast Du recht, eine interpretationslose Aufführung ist, wie auch immer geprobt, eigentlich nicht möglich. Selbst relativ spontane Aufführungen würden jeweils differieren.


    Worauf ich eigentlich hinaus wollte, war, daß im Bemühen um historische Authentizität nicht nur die Aufführungspraxis sondern radikalerweise auch die historische Hörpraxis wiederhergestellt werden müßte. Insofern dürften Hogwood oder Norrington ihre Aufführungen gar nicht aufzeichnen oder übertragen lassen. Norrington hätte z.B. also den 2006 im Rahmen des Stuttgarter Europäischen Musikfestes aufgeführten Mozart-Zyklus, wie auch immer geprobt (ich glaube, man ging von gar nicht bis ein- oder zweimal aus) nicht konservieren lassen dürfen.


    Diese radikale Historisierung schränkt dann das „das Vergleichshören“ enorm ein.


    arimantas :hello:

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Ulli


    Naja, als Vorgaben würde ich dies nicht bezeichnen. Es war vielmehr gängige Praxis, was sich u.a. durch Mozarts Brief aus Paris [1778] bezüglich der UA seiner 'Pariser' Sinfonie "belegen" lässt.
    Ulli


    Musiker dieser Zeit spielten damals fast ausnahmslos "zeitgenössische Musik", da müsste es ihnen nicht allzu schwer gefallen sein, mit wenig Probenarbeit auszukommen.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Cher Arimantas,


    sieh es doch mal so: hätte es die Tonkonserve bereits ab 1685 gegeben... wäre der ganze HIP-Zirkus von heute völlig überflüssig. Man hätte dann seine Uraufführungs-CD und basta. Basta? Schließt es denn aus, daß Sammler weiterhin nach jeder Aufnahme geifern, derer sie habhaft werden können?


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Bernhard
    Musiker dieser Zeit spielten damals fast ausnahmslos "zeitgenössische Musik", da müsste es ihnen nicht allzu schwer gefallen sein, mit wenig Probenarbeit auszukommen.


    Demzufolge müßte man heute ebenfalls zeitgenössische Musik ohne Proben darbieten, wenn es denn richtiges HIP sein soll.


    :beatnik:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Bernhard
    Musiker dieser Zeit spielten damals fast ausnahmslos "zeitgenössische Musik", da müsste es ihnen nicht allzu schwer gefallen sein, mit wenig Probenarbeit auszukommen.


    Tut mir leid, aber das "fast ausnahmslos" ist ein weit verbreiteter Irrtum.
    Natürlich wurde immer auch das Neueste gespielt, aber allein ein Blick nicht nur in Bachs Notenschrank zeigt, dass auch wesentlich älteres geschätzt wurde.
    Auch in der Praxis tauchten regelmäßig z. T. ziemlich alte Sachen auf.
    [SIZE=7]Aber das gehört nicht hierher.[/SIZE]

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  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Hildebrandt


    Tut mir leid, aber das "fast ausnahmslos" ist ein weit verbreiteter Irrtum.
    Natürlich wurde immer auch das Neueste gespielt, aber allein ein Blick nicht nur in Bachs Notenschrank zeigt, dass auch wesentlich älteres geschätzt wurde.
    Auch in der Praxis tauchten regelmäßig z. T. ziemlich alte Sachen auf.
    [SIZE=7]Aber das gehört nicht hierher.[/SIZE]


    Klar, Bachs Notenschrank umfasste etliche Werke "alter Meister" die er schätze und regelmäßig aufführte, als Beispiel von vielen sie die Michaelskantate "Es erhub sich ein Streit" von Joh. Christoph Bach genannt.
    Aber in der Mehrzahl der vielen barocken Hofkapellen wird sich das Musikrepertoire meist mit Werken aus den letzten Jahren zusammengesetzt haben, während heutige Orchester schonmal einen Zeitrahmen von rund 300 (und mehr) Jahren abdecken.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Es ist war richtig, daß eine "interprtationslose" Aufführung oder Aufnahme nicht möglichn ist, aber trotzdem gab es Zeiten, wo ein "allgemeiner Konsens" vorherrschte - und jede Aufnahme der anderen sehr ähnelte. Wenn ich mich richtig erinnere gab es speziell in den siebziger jahren eine solche Tendenz.
    Aber GENERELL war ja URSPRÜNGLICH Interpetation lediglich eine Krücke - nämlich den Willen des Komponisten zu "interpretieren", da wo die Notenschrift nicht ausreichend genau war.
    Es gab natürlich Abweichungen - und auch Einzelgänger - aber in Grunde wollte man damals das WERK zum Erklingen bringen - so nahe an der Notenvorgabe wie möglich - und so nah an der (oft nur vermutetetn) Intention des Komponisten.


    JEDOCH gab es immer schon lokale Abweichungen UND auch solche des "Zeitgeistes" - Interpetationen alter Werke unterlagen im Laufe der Zeit einem Wandel - ebenso wie unser Sprache das tat - ohne daß das jemandem groß aufgefallen wäre. (man nehme hioe als Beispiel das wienerische "leiwand"- etwa ident mit dem deutschen "Klasse" - welche beide dem internationalen Universalbegriff "cool" weichen musste, wobei - Gott sei gepriesen - hier schin wieder die heimatlich deutsche Schreibweise "kuhl" im Vormarsch begriffen ist...... (So schliesst sich der Kreis)


    Ähnliches spielte sich wahrscheinlich schon immer auch im Bereich dr Musikinterpretation ab - jedoch bemerkte man es erst, als die Tonaufnahme erfunden war.
    HEUTE jedoch wird dieser natürliche Prozess der Veränderung durch die Zeit WILLJÜRLICH und BEWUSST eingesetzt - man will sich von anderen Interpreten unterscheiden. Das hat viel Heiteres und Skurrilles hervoirgebracht - und das wird vermutlich noch eine Weile andauern.


    Ein Steben nach einer EINHEITSINTERPETATION ist derzeit offensichtlich nicht in Sicht - wenngleich etliche Einspielungen von heute in der Tat "uniform" klingen - man wird dereinst sicher sagen können - "zwischen 1990 uns 2015" .....(?) - sodaß der Stoff fürs Tamino Klassikforum nicht auszugehen droht.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Bernhard
    Klar, Bachs Notenschrank umfasste etliche Werke "alter Meister" die er schätze und regelmäßig aufführte, als Beispiel von vielen sie die Michaelskantate "Es erhub sich ein Streit" von Joh. Christoph Bach genannt.
    Aber in der Mehrzahl der vielen barocken Hofkapellen wird sich das Musikrepertoire meist mit Werken aus den letzten Jahren zusammengesetzt haben, während heutige Orchester schonmal einen Zeitrahmen von rund 300 (und mehr) Jahren abdecken.


    Auch in Dresden oder Rom hielt man alte Sachen hoch, denn man darf einerseits nicht die kirchliche Musikabteilung vergessen.
    Man muss auch im Blick behalten, dass sich "die Oper" um 1700 wenigstens in Deutschland noch nicht überall fest etabliert hatte, also sowieso nur recht junges Repertoire zur Verfügung stand.
    Und 300 Jahre alte Kompositionen gab es um 1700 vielleicht in der Gregorianik, aber sonst? :wacky:

  • Zitat

    Tut mir leid, aber das "fast ausnahmslos" ist ein weit verbreiteter Irrtum.
    Natürlich wurde immer auch das Neueste gespielt, aber allein ein Blick nicht nur in Bachs Notenschrank zeigt, dass auch wesentlich älteres geschätzt wurde.
    Auch in der Praxis tauchten regelmäßig z. T. ziemlich alte Sachen auf.



    Der Irrtum ist vielleicht noch viel größer.
    Denn gerade im Barock war das Interesse an der vergangenen Musik enorm.
    Teilweise sogar aus ähnlichen Gründen wie Heute - wie z.B. das erleben einer vergangen Epoche.


    Da das eigentlich die erste große Welle an Interesse von Alter Musik darstellt, gehört das meiner Meinung nach, sehr wohl in den Thread.


    Denn wie oft ließt man, dass dieses Interesse erst ein Phänomen unserer Epoche wäre. Dem ist nicht so (tut mir leid Adorno....)



    In England wurde bereits im 17. Jahrhundert die "Academy of Ancient Music" gegründet, damals allerdings noch nicht von Hogwood geleitet :D


    Diese Institution setzte sich für die Musik der Vergangenheit ein. Meist war aber der Schwerpunkt Musik, die etwa 20 - 30 Jahre alt war.



    Beachtlicher sind die Bemühungen in Frankreich und Deutschland:


    Wärend einige der Deutschen Barockfürsten diese Musik vor allem für ihre Kostümbälle benötigten, gab es auch sehr viele Musiker und Liebhaber, die Alte Musik spielten und sammelten.


    August der Starke veranstaltete regelmäßig solche Feste, er ließ sich sogar extra Kostüme nach Vorbildern der Mode um 1660 anfertigen.


    Und Louis XIV wies seinen königlichen Musikbibliothekar an, alles an erhaltenen Musiken sauber abzuschreiben und von Zeit zu Zeit zur Aufführung zu bringen.
    Abgesehen davon ließ sich der König noch im Hohen Alter die Ballettmusiken seiner Jugend vorspielen.


    Zudem wurde fast überall der alte Kirchengesang gepflegt.


    Nur in wie weit man auch entsprechende Instrumente oder Interpretationstechniken anwendete bleibt ungewiss.
    Aber ich könnte mir Vorstellen, dass auch die damaligen Musiker sich darüber Gedanken machten - und es beide Ansätze (eben wie Heute) gegeben hat.
    Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass die Musiker das wussten - zumal ja in vielen großen Hofkapellen noch so archaische Instrumente wie der Trumscheit oder der Serpent zu finden waren (übrigens bis weit ins 18. jahrhundert hinein).


    Die Epoche des Barock ist unserer Zeit in vielem ähnlicher als man zuerst glauben mag.
    Wahrscheinlich rührt daher auch das große Interesse an dieser Zeit und Musik her.




    Was das eigentliche Thema betrifft, die historische Informierte Aufführungspraxis in der Oper..... so verstehe ich den Zusammenhang zwischen dem bisher geschriebenen und dem Titel des Threads nicht.


    :O :O :O

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Was das eigentliche Thema betrifft, die historische Informierte Aufführungspraxis in der Oper..... so verstehe ich den Zusammenhang zwischen dem bisher geschriebenen und dem Titel des Threads nicht.


    :O :O :O


    Ja, das ist auch mein Problem... ich hatte lediglich angeregt, diese Postings aus dem Züricher Entführungs-Thread in einen neuen HIP-Thread zu überführen... das Thema Oper war dabei nicht so wichtig. So erklärt sich auch die von Dir aufgegriffene und "kritisierte" Aussage von arimantas, denn in diesen neuen Thread gehört sie tatsächlich hinein.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)