Zuschreibungen von Werken und deren Folgen...

  • Hallo,


    ich weiß, daß die Thematik x-fach angesprochen wurde, einen eigenen Thread zu Thema aber gibt es m. W. noch nicht. Es geht um Zuschreibungen von Werken, deren Autor nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann oder konnte.


    Heute las ich folgende den Thread auslösende Zeilen:


    Zitat

    Original von ksta.de


    Merkwürdigerweise macht die Wertschätzung eines kleinen Musikstückes mit der Zuschreibung an einen „Großen“ gleich einen Sprung nach oben.


    Ist das so? Und wenn ja, warum?


    Im weiteren Verlauf dürfen natürlich Waisenkinder und deren Pflegeeltern aufgezählt werden - solche Anekdoten sind immer interessant. Natürlich auch die musikwissenschaftlichen Erkenntnisse, die so manche Anekdote wieder zunichte machen...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Das beste Beispiel ist wohl die "endemische" Toccata BWV 565 - darüber gibt es ja einen eigenen Thread.


    Ich sehe Überschneidungen mit dem Thread über Fälschungen - die Grenzen zwischen beidem sind sicher fließend.


    Manchmal wissen es die fleißigen Musikhistoriker auch nicht besser - es sind z.B. eine ganze Reihe von Kompositionen Johann Wilhem Hässlers in einer Sammlung Wilhelm Friedemann Bach zugeschrieben worden, was sich nach und nach als falsch herausstellte, als man Hässlers Originaldrucke zum Vergleich heranzog. Eine nachweislich von Hässler stammende Klavierfantasie in c-moll z.B. wird offenbar immer noch von Tastisten nach veralteten Notenausgaben als Werk von W.F. Bach eingespielt - obwohl seit einer Neuausgabe aller Clavierfantasien W.F. Bachs von 1972 (!) die Wahrheit bekannt ist. Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll .....

  • Mit 15 oder 16 Jahren hab ich auch noch so gedacht.
    Mittlerweile finde ich das nur noch, mit Verlaub, dämlich.



    Warum wird so ein Wirbel veranstaltet wenn man von Mozart oder Bach ein kleines Clavierstück findet ?
    Wärend woanders ganze Komponisten oder Werke von größter Bedeutung für die Musikgeschichte ausgegraben werden und kein Hahn danach kräht ?



    Das gleiche kann man ja auch in der Kunst ständig wieder erleben.
    Wenn Rubens etwas selbst gemalt hat, dann ist es unbezahlbar und ein Meisterwerk von aller erster Güte, stammt es aber nur aus seiner Werkstatt dann ist es bei weitem kein Meisterwerk von gleichem Wert mehr. Ist es noch nichtmal aus seiner Werkstatt verschwindet es im Archiv....
    Das lässt sich übrigens fortführen bis Heute (Immendorf etc.)



    Ich halte das für den größten Schwachsinn der Kunst- und Musikwissenschaft, oder wer sonst dafür verantwortlich ist.
    Diesen Leuten müsste man eigentlich in dieser Beziehung das Handwerk legen :untertauch:



    Ich schätze mittlerweile den Komponisten "Anonymous" sehr hoch. :D
    Oder ich liebe Werke, die Gemeinschaftsproduktionen verschiedener Komponisten (natürlich auch Maler) sind. Im 17. Jahrhundert ist das fast gar nicht anders anzutreffen, wenn man sich mit Balletten oder Opern beschäftigt.


    französische Hofballette hatten bis etwa Mitte der 1660er Jahre immer mehrere beteiligte Komponisten.


    Das aber ein Werk für mich wertvoller wird, weil es von einem bestimmten Komponisten stammt habe ich bei mir nicht mehr beobachtet.


    Diese "Zuschreibungen" spielen für mich nur noch in einem einzigen Bereich eine Rolle:


    zur Orientierung



    Wenn ich z.B. bei den Partituren des Centre Musique Baroque de Versailles stöbere gibt es sehr viele geistliche Werke deren Autor nicht bekannt ist.
    Wenn diese Werke dann z.B. Bouzignac zugeschrieben werden, dann kann ich mir in etwa ein Bild davon machen, was einen hier für Musik erwartet.


    und so geht das auch mit anderen Werken, für mich ist das eher eine "Stilbezeichnung" die aber für mich nichts mit Wertigkeiten zu tun hat.

  • Ein anders Beispiel für die Aufwertung eines Werkes durch die Zuschreibung an einen "Großen" bringt das sogenannte "Magnificat von Uppsala" aus einer Handschrift von 1668, das seit geraumer Zeit als Spätwerk von Heinrich Schütz (SWV 468 ) gehandelt wird und bei dem es sich für die damalige Zeit um eine hoch dramatische , aufwühlende "moderne" Komposition handelt.


    Sollten im Gegenzug die nachträglich in ein von Schütz handschiftlich gezeichnetes gedrucktes Titelblatt eingelegen Stimmbücher OHNE Angabe des Komponisten tatsächlich das "Opus Ultimum" des Erzavaters der deutschen Musik sein, muss es sich beim Komponisten des Uppsalaer Werks definitiv um jemand anderen handeln, zumal bei den gedruckten Werken Schützens nach 1624 eher eine Abwendung von den gabrielischen hin zu den praetestinensischen Kompositions-Parametern feststellbar ist. Eine der beiden Kompositionen ist so mit Sicherheit NICHT von Heinrich Schütz, nur welche, kann man derzeit noch nicht beantwoten.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • wenn du SWV 468 meinst , ja ! In einer grandiosen Aufnahme



    Vom "Opus Ultimum" gibt es massig Aufnahmen !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • ja SWV 468, das Magificat aus Uppsala, meinte ich - merci :D


    das "Opus Ultimum" kenne ich aber auch noch nicht - aber das wird sich sehr bald ändern :yes:



    diese Bibliothek muss wirklich der Wahnsinn sein.....