Murray Perahia - ein zahmer Tastenlöwe?

  • Liebe Forinaner,


    Wer meine Überschriften hier im Forum kennt, weiß, daß sie nicht ernst gemeint sind, sondern lediglich Interesse und Wiederspruch anstacheln sollen. So ist es auch diesmal.


    Schon das Wort Tastenlöwe ist im Hinblick auf Perahia falsch gewälhlt,
    er ist eher ein Lyriker.


    Dennoch, trotz seiner Verdienste und zahlreicher Einspielungen als Pianist, Dirigent, Kammermusiker und Liedbegleiter - mir persönlich sind kaum je CDs mit diesem Künstler in die Hände gefallen, scheinbar wird er, bzw. sein Label Sony von den Wiener Klassikgeschäften boykottiert.




    Ich weiß von einem Mozart- Klavierkonzerte-Zyklus aus seiner Hand, mit dem English Chamber Orchestra, wo er Solist und Dirigent in Personalunion ist, ich weiß daß er Schubert, Brahms und Chopin eingespielt hat, jedoch ich weiß (bis jetzt) von keiner Einspielung, die Irgendwo als ein "Muss" bzw als "Referenz" gehandelt wird...


    Vielleicht wird aber dieser Thread einige seiner Aufnahmen "ins rechte Licht" rücken...



    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred



    APUT

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    Murray Perahia wurde vor ein paar Jahren ja als Bach-Experte gehandelt – so wurde zumindest ich auf ihn aufmerksam. Seine Interpretation der mir bekannten Klavierkonzerte würde ich als klar, feinsinnig, elegant, für meinen Geschmack jedoch etwas zu „weich“ bezeichnen. Obgleich sie mich emotional nicht sehr aufrütteln, empfinde ich sie als durchaus hörenswert. Zu meinen favorisierten Pianisten - hier rangiert derzeit an oberster Stelle Sviatoslav Richter - zählt er jedoch nicht, weshalb ich bei den Goldberg-Variationen doch lieber auf die markanteren, zupackenderen Einspielungen des Glenn Gould zurückgegriffen habe.
    Perahia also ein „Tastenlöwe“? Nein, ganz sicher nicht. Er ist m.E. eher der Typ „Gentleman“.


    Gruß, Cosima






    (Murray Perahia / Academy of St. Martin in the Fields)

  • Nachtrag:


    Ich musste schmunzeln, als ich mir eben auf der jpc-Seite noch einmal seine Goldberg-Variationen ins Gedächtnis rief, die mir seinerzeit nicht zusagten. Dort findet sich folgende Kritik:


    J. Hagestedt in Scala Nr. 1 / 01: "Eine brillante Fußnote zu Gould ist Murray Perahias Einspielung. Perahia wartet mit einer Vielzahl schöner und origineller Ornamente auf."


    Im Grunde vernichtend dieses Urteil, so wie es dort formuliert wurde: „Fußnote zu Gould“… wer möchte schon eine „Fußnote“ sein? :D


    Gruß, Cosima

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Ich weiß von einem Mozart- Klavierkonzerte-Zyklus aus seiner Hand, mit dem English Chamber Orchestra, wo er Solist und Dirigent in Personalunion ist, ich weiß daß er Schubert, Brahms und Chopin eingespielt hat, jedoch ich weiß (bis jetzt) von keiner Einspielung, die Irgendwo als ein "Muss" bzw als "Referenz" gehandelt wird...


    @Alfred,
    das mit der Referenz kommt ganz darauf an welchen Kontinent Du betrachtest. Soweit ich das einschätzen kann ist Perahia sehr beliebt in den USA.


    Von den Aufnahmen, die ich von ihm gehört habe ist jedenfalls keine Referenz sofern ich eine entsprechende Anzahl andere Aufnahmen kenne.


    Sein Spiel kann man durchaus als feinsinnig oder elegant bezeichnen, aber mir geht es auch eher so wie Alfred. Es berührt mich nicht. Mir fehlt die Dynamik, die Kraft und vor allem der unterschiedliche Interpretationsansatz bei seinen Aufnahmen.


    Sein von Schumann's Kreisleriana reicht bei weitem nicht an die Aufnahme einer Argerich oder Afanassiev ran.
    Schuberts D.960 ist soweit ja ganz nett gespielt aber mir fehlt die Intensität und der Ausdruck, den z.B. ein Sofronitsky in seiner Aufnahme rüber bringt.
    (Und das obwohl die Aufnahmetechnik deutlich schlechter gewesen sein dürfte als bei Perahia)


    Seine Aufnahme der Goldbergvariationen hatte ich beim Saturn in Köln kurz gehört. Sie dann aber nicht gekauft da ich 1. bereits einige Aufnahmen der GBV hatte und 2. seiner Aufnahme nicht dieses "unbedingt haben wollen" erzeugt hatte.


    Derzeit hat er für mich folgenden Status: Eventuell höre ich mir eine Aufnahme im Geschäft nochmal an. Das ist der Status kurz vor: Ignoriere ich gänzlich.
    Der Grund dafür ist folgender: Ich bin sicher, daß es für mich kein Problem darstellt aus den vorhandenen Aufnahmen des jeweiligen Werkes etwas zu finden, das mir besser gefällt als seine Aufnahme.


    Cosima:
    Es ist nicht schwer S. Richter einem Perahia vorzuziehen :D

  • Salut,


    ein Muss ist die Einspielung des Klavierkonzertes C-Dur op. III Nr. 3 Johann Samuel Schröters. Perahia ist der erste gewesen, der (in den 80ern ??) dieses Konzert mit den von mir entdeckten Original-Kadenzen W. A. Mozarts eingespielt hat! :jubel: :jubel: :jubel:



    Cordialement,
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Ich habe mit Perahia folgende Erfahrungen: Vor einigen Jahren kaufte ich mir die beiden Chopin Klavierkonzerte mit Mehta/Perahia. Zu dieser Zeit konnte man in dem Geschäft leider nicht probehören. Eine DDD-Aufnahme.


    Zu Hause kam die Enttäuschung. Für meinen Geschmack eine recht bescheidene Klangqualität, die dazu führte, dass ich die Scheibe jahrelang nicht anrührte. Später nochmal gehört: In den langsamen Sätzen recht gefühlvoll gespielt, wirklich schön. Aber in den Schlussätzen? Recht eintönig, ohne Feuer, somit durchaus recht "zahm". Dagegen sollte man Zimerman vergleichen! Ich besitze auch die Goldbergvariationen, die bei der Rezension auf Amazon auch so gute Kritik erhielten. Sie sind auch durchaus konkurenzfähig. Aber mir gehts genau wie Cosima: Ich ziehe die farbigeren, facettenreicheren Variationen eines G. Gould vor. Was ich ganz schön finde sind die Impromptus von Schubert. Aber auch hier ziehe ich andere vor (Zimerman, Brendel)


    Vor kurzem konnte ich antiquarisch diese CD ergattern


    B00006JTD9.03.LZZZZZZZ.jpg


    Hier spielt er seine Virtuosität aus und bleibt dabei der lyrische Interpret Die Klanqualität ist hervorragend. Man denkt, der Flügel stände im eigenem Wohnzimmer :D


    Zusammenfassend gehts mir so wie anderen hier. Er ist ein richtig guter Pianist, aber die Konkurrenz ist halt groß ;)

    Günter

  • Hi,


    nachdem sich jetzt so viele Gedanken über Murray Perahia machen, habe ich einen Blick in meine Altbestände geworfen und folgende frühe Perahia-Aufnahme ausgegraben:


    Murray Perahia
    Frédéric Chopin
    Alle Préludes
    CBS Masterworks 76422 ((c)1975)


    Der junge Perahia, er war damals so etwas wie die amerikanische Antwort auf Pollini und Ashkenazy, die gerade in Europa Karriere machten, liefert eine sehr gute Einspielung der Préludes ab.
    Offenbar aber doch nicht gut genug, denn die Platte scheint es nicht zu einer CD gebracht zu haben...



    Zitat

    fohlenfanatiker:
    Er ist ein richtig guter Pianist, aber die Konkurrenz ist halt groß.


    Also mir reicht es, wenn jemand ein richtig guter Pianist ist, dessen Spiel mir Vergnügen und Genuss bereitet, man muss nicht immer mit irgendeinem Rekordmaßstab bei Fuss stehen.



    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich würde Perahia mit heutigen Sportsfreunden vergleichen, nicht mit Richter. Vom Charakter her ist er auch für mich eher ein Gentleman, und das ist in meinen Augen ein Kompliment, heutzutage eine seltene Erscheinung.


    Ich liebe seinen Mozart sehr und schätze seinen Bach.

  • Von Perahia besitze ich auch nur eine einzige Aufnahme, nämlich diese hier mit vierhändiger Klaviermusik von Mozart und Schubert:



    Ich höre sie immer wieder gerne, indes fehlen die mich wirklich packenden Aufnahmen anderer gewichtigerer Werke. Seine Chopinetüden fand ich beim kurzen Reinhören spannend als Alternative zu Pollini und Ahskenazy, habe sie aber bisher bezeichnenderweise noch nicht gekauft.
    Von einem "Ladenboykott" wie ihn Alfred in Wien beschreibt, ist hier allerdings nichts zu spüren. Vor allem mit seinen Bachaufnahmen erzielt er in den Geschäftsauslagen viel Aufmerksamkeit.
    Im Mai ist er hier in Berlin mit einem Klavierabend präsent, u.a. mit Beethovens "Waldsteinsonate". Werde vermutlich hingehen und mir ein "Liveurteil" bilden.


    Gruß
    Anti

  • Ich kann mich der allgemeinen Einschaetzung von Perahia hier imthread nur anschliessen. Ich habe mir vor einiger Zeit seine Goldberg-Variationen zugelegt - verleitet durch sehr positive Besprechungen - das Ergebnis war fuer mich sehr enttaeuschend. Eher ausdrucksschwach, keinesfalls eine Variation von Gould. Damit in keiner Weise vergleichbar.


    Also bei mir herrscht Reserviertheit gegenueber Aufnahmen von Perahia vor. keinesfalls kaufen ohne Probehoeren.


    Mit freundlichen Gruessen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

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  • Hallo


    Ich habe nicht allzuviele CDs von Perahia.
    Seine wohlklingenden Goldbergvariationen habe ich als Sonntagnachmittagsplatte sehr gerne. Ich hörte ihn mit den Goldbergvariationen auch im Konzert und war sehr berührt davon.
    Die Platte der "Mozartklavierkonzerte nach Sonaten von J.C.Bach" und das Klavierkonzert von J.S.Schröter finde ich auch ganz wichtig (wie Ulli schon berichtete) (Sony SK 39222)
    Ich werde mir demnächst sicher noch das 5. Brandenburgische Konzert, das italienische Konzert und das d-moll-Klavierkonzert von Bach kaufen.

  • Zitat

    Original von MStauch
    Ich kann mich der allgemeinen Einschaetzung von Perahia hier imthread nur anschliessen.


    Seltsam. Bin ich im selben Forum? Eben hatte ich mich deutlich für die hohe Bewertung und Hochschätzung seiner Kunst geäußert.Willst du deine Abneigung per Abstimmung durchsetzen?

  • Zitat

    Original von peet


    Seltsam. Bin ich im selben Forum? Eben hatte ich mich deutlich für die hohe Bewertung und Hochschätzung seiner Kunst geäußert.Willst du deine Abneigung per Abstimmung durchsetzen?


    Glaube Du interpretierst da etwas rein was er so nicht geschrieben und gemeint hatte!

  • Ich habe von Perahia eine ganze Menge und muss gestehen, dass ich mich noch nicht ausreichend mit ihm auseinandergesetzt habe, um ihn wirklich beurteilen zu können. Seine Art ist tatsächlich sehr feinsinnig, manchmal würde ich mir wünschen (vor allem bei den Englischen Suiten), er würde den dämpfenden Schleier ablegen. Man bemerkt aber, so finde ich, sehr schnell, dass er zu den größten gehört, am Beispiel der GBV, sehr galant und fast schon zu korrekt (immer die goldene Mitte, muss das denn sein?). Gould ist mir nicht nur wegen seiner direkteren Art lieber, er spielt auch noch viel 'polyphoner' (gibt es das Wort?).
    Ich wiederhole mich, aber die Variations Serieuses von Mendelssohnhat er hervorragend gespielt, diese unter- und tiefgründige Unruhe, diese fein gesetzten accelerandi, man ist einfach 12 Minuten nur gebannt.
    Als Referenz der letzten Sonaten von Schubert galt für mich schon immer Brendel, bis ich mir Perahia anhörte, jetzt ist Perahia meine Referenz dieser Stücke (die Variations Serieuses haben einige Ähnlichkeiten).
    Auf Mozart hatte ich noch nie Lust und werde ihn mir auch nicht von Perahia anhören...


    Viele Grüße


    edit: tut mir leid, wenn meine Antwort im Thema 'Variationen' aggresiv wirkten, das war nicht beabsichtigt.

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

    Einmal editiert, zuletzt von bubba ()

  • Zitat

    Original von bubba
    Ich habe von Perahia eine ganze Menge und muss gestehen, dass ich mich noch nicht ausreichend mit ihm auseinandergesetzt habe, um ihn wirklich beurteilen zu können.


    Solltest Du dann nicht eine Beurteilung wie die folgende:


    Zitat

    Man bemerkt aber, so finde ich, sehr schnell, dass er zu den größten gehört


    unterlassen? Wenn Du es nicht wirklich kannst, ist so ein ein Urteil überflüssig, weil nichtssagend.

    Gruß,
    Gerrit

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  • Nein, denn ich sagte ja genau das, nämlich, dass,auch ohne sich tiefergehend mit Perahia beschäftigt zu haben, womit ich nicht meine, sich nur ein paar seiner Aufnahmen angehört zu haben, sondern vielleicht etwas über ihn gelesen zu haben, etwas von ihm gelesen zu haben, Interpretationsvergleiche einiger Stücke, z.B. Variation 26 der Goldbergvariationen Gould1981 im Vergleich mit Perahia angestellt zu haben, ihn live gehört zu haben,etc., man sehr schnell merken kann (die Form 'man' verwende ich, wie viele andere auch, für 'ich'), dass er zu den Größten gehört.
    Viele sprachlich kantradiktionäre Grüße

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

    Einmal editiert, zuletzt von bubba ()

  • Zitat

    Original von bubba
    Nein, denn ich sagte ja genau das, nämlich, dass,auch ohne sich tiefergehend mit Perahia beschäftigt zu haben, womit ich nicht meine, sich nur ein paar seiner Aufnahmen angehört zu haben, sondern vielleicht etwas über ihn gelesen zu haben, etwas von ihm gelesen zu haben, Interpretationsvergleiche einiger Stücke, z.B. Variation 26 der Goldbergvariationen Gould1981 im Vergleich mit Perahia angestellt zu haben, ihn live gehört zu haben,etc., man sehr schnell merken kann (die Form 'man' verwende ich, wie viele andere auch, für 'ich'), dass er zu den Größten gehört.
    Viele sprachlich kantradiktionäre Grüße


    Das stimmt nicht. Du schriebst, Du kannst ihn nicht wirklich beurteilen, tust es dann aber doch.

    Gruß,
    Gerrit

  • Richard


    Vielen Dank für die Richtigstellung vom 31.3. - Ich habe urlaubsbedingt nicht alle Beiträge mitbekommen.


    Mit freundlichem Gruß


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Gerrit_Stolte:


    Falsch, eine WIRKLICHE Beurteilung sieht anders aus, nicht so wie meine paar Zeilen, die ich über Perahia geschrieben habe. Ich habe mir kein wirkliches (damit meine ich, hinreichend vollständiges) Urteil bilden können, dafür habe ich mich zu wenig mit Perahia beschäftigt und kann nur soviel sagen, wie ich gesagt habe, denn über was ich nicht reden kann, darüber schweige ich.


    Es gibt dann nur noch die Möglichkeit, dass für Dich eine wirkliche Beurteilung so wie meine paar Zeilen aussieht, das ist Definitionssache, da Du aber von meinem Text sprichst, könntest Du mir zugestehen, dass ich mir bewusst bin, wie ich es meine und meinen Text einschätze.


    Da ich aber nicht glaube, dass diese Disskussion in irgendeiner Weise für dieses Thema förderlich ist, geschweige denn auch nur einen weiteren Leser interessiert oder gar zu einem harmonischen Forumklima beiträgt, möchte ich Dich bitten, mir Deine weiteren konstruktiven Verbesserungsvorschläge meiner Texte per PN zukommen zu lassen.


    Herzliche Grüße

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Murray Perahia ist für mich der Inbegriff von Langeweile. Ich habe die Bach´schen Werke noch nie so einschläfernd gehört. Aber insofern erreicht er ja das Ziel, wofür die Goldbergvariationen ursprünglich geschrieben wurden. DAS ist doch historische Aufführungspraxis! Wenn da nur nicht dieser unsägliche Steinway wäre....


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

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  • Zitat

    Original von bubba
    Gould ist mir nicht nur wegen seiner direkteren Art lieber, er spielt auch noch viel 'polyphoner' (gibt es das Wort?).


    Hallo bubba,


    ich glaube zu verstehen, was du meinst. Gould hat mit seltener Deutlichkeit das Individuelle der verschiedenen Stimmen herausgezaubert, insbesondere am Beispiel seiner Inventionen kann man das gut hören. Für Perahia ist eher die gesamte Vertikale wichtiger - so empfinde ich seine Klavierkonzert-Aufnahme. Unterschiede zwischen den beiden Bach-Interpretationen würde ich nicht qualitativ messen, sondern im Blick auf Bach beides zulassen. Es kann gefallen oder nicht, beides ist richtig.


    Gruß

  • Zitat

    ich habe Perahia erst in seiner "Nach-Mozart-Phase" kennengelernt. Ich glaube, ich bin eingestiegen, als er seine Fingerlähmung überwunden und Beethoven op. 2 eingespielt hat. Richtig überzeugt hat mich aber erst die Händel/Scarlatti-Scheibe, die ich nach wie vor mag. Dann kam Bach, Bach und nochmals Bach. Und dann wurde mir von Scheibchen zu Scheibchen immer übler - Zuckervergiftung?


    Lieber Daniel,die Händel-Scarlatti Aufnahme kenne ich ebenfalls. Für mich gehört sie zu den besten Aufnahmen die Perahia vorgelegt hat. Das bei Perahia immer nur gepflegte Langeweile in Gestalt eines schlackenlosen Schönklangs vorherrscht kann ich nicht finden. Nun ist Perahia sicher keiner meiner "Hauspianisten" aber er ist vielseitiger als man gemeinhin glauben möchte.


    Bestes Argument gegen Perahias vorgebliche Diabetis ist seine Interpretation der Etüden Chopins. Pianisten die einfach nur "schön" spielen kommen bei den Etüden nicht weit. Perahia meistert die technischen Hürden ohne Mühe, verfällt dabei nicht in blindwütige Raserei sondern legt eine fein ausgewogene Interpretation vor. Das er durchaus auch als Virtuose überzeugen kann zeigen insbesondere die letzten drei Etüden op. 25. Und Perahia vermag hier durchaus gegen die illustre Konkurrenz eines Sokolov, eines Pollini oder des jungen Backhaus zu bestehen.


    Hör Dir doch einfach mal im Plattenladen Pollini und Perahia vergleichshalber an. Würde mich interessieren was Du meinst.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:



    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Lieber Christian,


    Die Chopin-Etüden habe ich mir damals gleich nach ihrem Erscheinen zugelegt. Ziemlich genau in diesen Tagen hatte ich mir auch die Lugansky-Einspielung gekauft, so dass ich beide quasi parallel kennen gelernt habe. Zu allererst nahm mich schon mal die trockenere, weniger "geschönte" Akustik der Lugansky-CD für sich ein.


    Des weiteren ist Luganskys Zugriff "unromantischer", irgendwie "nackter" oder "purer". Manuell bewältigen sie die Etüden beide -ihrer Liga entsprechend- unangestrengt. Man liest in jedem zweiten Klaviermusikführer, wie höllisch schwer die Chopin-Etüden doch wären. Gottchen, dass sind vermutlich noch ganz andere Stücke, nur wird es da nicht mit gebetsmühlenhafter Penetranz immer und immer wieder erwähnt. Wenn ein Spitzenpianist die Chopin-Etüden aufs Programm setzt oder sogar auf Platte bannt, dann erwarte ich eigentlich auch nichts anderes als technische Mühelosigkeit. Schließlich wird er ja nicht von bewaffneten Plattenbossen dazu gezwungen, sie aufzunehmen...
    Der Klassiker bleibt aber die Pollini-Einspielung mit ihrer vollendet gehaltenen Ballance zwischen Feuer und nobler Distance.


    Ich finde Perahias 1994 gemachten Chopin-Balladen übrigens keinen Fizzel schlechter, als die 8 Jahre neueren Etüden. Die Platte ist nur deswegen unbekannter, weil es zu dieser Zeit noch nicht diese maßlose Perahia-Hysterie gab (die zum Glück nachgelassen hat) und die Veröffentlichung auf weniger beduselte Kritikerohren stieß.


    Schöne Grüße und viel Spaß trotzdem mit Murray! :D :D :D
    nichts für ungut ;)
    Daniel

  • Merkwürdig, ich dachte immer Perahia wäre Engländer. Nun sehe ich, dass er in New York geboren wurde, also wohl Amerikaner ist.


    Ende der Neunziger Jahre kaufte ich mir seine damals in der Kritik sehr gut besprochene Händel/Scarlatti-Aufnahme:



    Eingeräumtermaßen kein großer Klavierkenner, war ich mit dieser CD damals hochzufrieden. Ein sehr warmes, anticembaloeskes Spiel erinnere ich.


    Anschließend habe ich mir die bald darauf erscheinenden CDs mit den Englischen Suiten gekauft, die ich bis dato nur von Gould besaß. Auch diese CDs habe ich sehr gern gehört. Selbstverständlich sind sie im Vergleich zu Gould unaufgeregt, salisburgensis nennt das langweilig, aber eben in meinen Ohren gleichwohl im Wortsinne sehr schön gespielt.



    Weitere CDs - ich besitze noch die oben gezeigte Duo-CD mit Lupu - habe ich mir aber nicht mehr gekauft. So gesehen hatte Perahia auch mir dann nichts mehr zu sagen.


    Neulich las ich, dass Perahia mal wieder Probleme mit seinen Händen hat - wieder der Daumen? - und deshalb Konzerte absagen muss. Kann einem schon leid tun so etwas.


    Viele Grüße
    Thomas

  • Warum werden hier nicht die viele Klavierkonzerte von Mozart beurteilt.
    Ich habe alle KK mit Perahia, wo es nur ein Solist gibt. Und finde seine Interpretation seehr gut. Und sein "Toucher" gefällt mir auch außerordentlich.


    Sie wurden aber aufgenommen als er noch jung war. Und es noch CBS gab, daß nicht durch Sony aufgekauft wurde.
    Sony brachte diese Konzerte später als eine Box aus. Diese Box habe ich, sowie einige CBS-CDs.


    Ich würde jeder empfehlen diese Konzerte anzuhören. Zwar nicht HIP, aber vielleicht proto-HIP.


    LG, Paul

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  • Ob man Perahia hier vielleicht - aus Sorge, als medienhörig zu gelten - nicht doch allzu niedrig beurteilt?


    Mit einigen Forumteilnehmern stimme ich in der Hochschätzung der Händel-Scarlatti-Einspielung überein. Das ist zweifelsohne allergrößte Klavierkunst. Man kann diese Werke anders spielen (z.B. wie Horowitz, den ich bei Scarlatti nicht sonderlich mag, oder wie Pletnev: kühn, widerborstig, dabei teilweise doch etwas gewollt gegen den Strich), aber wohl kaum besser. Perahia beseelt die Musik bis in jede Note hinein. Seine grandiose Technik offenbart sich in wundervoll perlendem Anschlag, in feinsten dynamischen Nuancierungen und in einer klanglichen Transparenz, die ihresgleichen sucht. Auf dieser CD werden die Scarlatti-Sonaten, die nur allzu oft als Voraus-Häppchen bei Klavierabenden herhalten müssen, zu einem wirklichen Erlebnis, und das immer wieder. Von den Händelsuiten und der herrlich sprühenden Ciaconne gilt dasselbe.


    Ein anderes Beispiel für Perahias Meisterinterpretationen ist die Schumann-CD mit Kreisleriana und Sonate fis-moll. Ich muß gestehen, daß selbst Aufnahmen mit Referenzstatus (so Kempff für die Kreisleriana) da nach meiner bescheidenen Meinung nicht herankommen. Sowohl die tiefmelancholisch einsetzende Sonate wie die phantastischen Kreisleriana nehmen bei Perahia schon vom ersten Moment an gefangen. Nochmals: Anders geht's, aber nicht besser!

    Musik: Atem der Statuen. Vielleicht: Stille der Bilder. Du Sprache wo Sprachen enden. Du Zeit, die senkrecht steht auf der Richtung vergehender Herzen. (Rilke)

  • Zitat

    Original von musicophil
    Warum werden hier nicht die viele Klavierkonzerte von Mozart beurteilt.


    Das frag ich mich auch.


    Zitat

    Original von musicophil
    Ich habe alle KK mit Perahia


    Ich auch. :D
    Und ich finde die Interpretationen genauso herrlich. Oder wie meine Altersgenossen sagen würden; GEIL!!


    Am besten hervor geht meiner Meinung nach das 23ste Klavierkonzert in A-Dur. Im dritten Satz ist die Interpreatation des Pianisten zusammen mit der des Orchesters schon fast...ja ich will sagen perfekt. :jubel:
    Auch sehr schön gespielt mein Lieblings-klavierkonzert No. 21 in C-Dur.


    Ich weiß nicht viel über Perahia, aber ich finde man kann ihm ruhig mehr Aufmerksamkeit schenken, denn er ist ein großartiger Pianist.
    Hat er eigentlich auch Mozi's Sonaten gespielt?


    :hello:


    C.

  • Zitat

    Original von Sakow
    Hat er eigentlich auch Mozi's Sonaten gespielt?


    Ja, mindestens teilweise:



    KV 310, 331 und 533/494


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ich weiß nicht, ob er ein zahmer Tastenlöwe ist,ob ein Pianist überhaupt ein "Tastenlöwe" sein muss, aber ich weiß dass er heute Geburtstag hat und habe aus meiner Sammlung diese neuere Gesamtaufnahme ausgesucht:



    Murray Perahia feiert heute seinen 68. Geburtstag.


    Happy Birthday!


    Willi :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich habe sämtliche Bach Aufnahmen, die Mozart Klavierkontzerte und die Händel/Scarlatti Aufnahme mit Perahia. Ich finde die in diesem Tread vielfach genannten Bezeichnungen "Zahmer Tastenlöwe" und "Gentleman" durchaus passend, möchte sie aber gerne etwas ergänzen. Was ich bei Perahia heraushöre, ist ein sich in den Dienst der Musik stellen. Perahia spielt nie vordergründig. Bei seinen Mozart-Aufnahmen mit dem ECO höre ich eine feine Balance zwischen Solist und Orchester, überlegte Phrasierungen und einen Solisten, der sich einordnet und als Teil eines Ganzen versteht.




    Mir gefällt dieser Ansatz und diese Einstellung. Zugegeben, das Ergebnis ist nicht im vordergründigen Sinn spektakulär, aber es gibt IMO beim wiederholten Zu- und Hinhören einiges zu entdecken. Insofern ist der zahme Tastenlöwe für mich in jedem Fall auch ein Feingeist und ein Mannschaftsspieler.


    Viele Grüße aus Berlin
    Stefan

    “Music is enough for a lifetime, but a lifetime is not enough for music”
    Sergei Rachmaninov

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