"Es ist nicht wichtig, die erste Geige zu spielen, aber die, die man spielt, sollte erstklassig sein" - diesen Satz sagte einmal die Frau Kammersängerin Hilde Rössl-Majdan, mir einmal, mit dem Ratschlag, auch kleine Partien sind wichtig.
Sie galt 25 Jahre als die verlässigste Sängerin für große, mittlere und kleine Rollen im Mezzofach innerhalb des Ensembles der Wiener Staatsoper.
Allen diejenigen, die sie in unzähligen Aufführungen ihrer Karriere gehört haben, wird es ähnlich wie mir ergehen, wenn ich auch heute noch von der immens hohen Musikalität und der samtenen, unglaublich wohlkligenden Mezzostimme ein wenig schwärme.
Nicht nur in großen Partien ihres Faches, sondern vor allem in den kleinen und kleinsten hat sie es nie verabsäumt, mit ihrer Stimme und ihrer Gestaltungskraft diesen Partien Kontur und Profil zu verleihen.
Uns so ist dieses anfangs zitierte künstlerische Bekenntnis nicht als ein Trost gedacht, sich auch mit Nebenrollen begnügen zu müssen, sondern vielmehr ein Ausdruck eines hohen künstlerischen Idealismus, seine ganze Liebe auch in undankbare Teile eines Gesamtkunstwerkes zu stecken.
Nach dem Studium an der Akademie gelangte Hilde Rössl-Majdan 1951 in den Verband der Wiener Staatsoper. Das Debüt ließ gleich gewaltig aufhorchen: als Stimme der Mutter in "Hoffmanns Erzählungen" bestach sie erstmals mit ihrer wohltimbrierten Mezzostimme im Verein mit George London und Irmgard Seefried.
Und damit war ihr Weg frei für eine lange, erfüllte Karriere mit sicherlich weit mehr als 100 Partien.
Von ihrer Lieblingsrolle, der Brangäne in "Tristan und Isolde", den Mezzopartien im "Ring des Nibelungen", "Parsival", "Elektra", "Ariadne auf Naxos", "Frau ohne Schatten" bis hin zum Spielmezzofach an der Volksoper in "Martha", "Die lustigen Weiber von Windsor" und "Fra Diavolo", der dann auch bei den Bregenzer Festspielen aufgeführt wurde.
Obwohl ihr in der Oper das Wagnerfach besonders am Herzen lag, wurde sie doch mit einer anderen Partie weltberühmt: der Intrigantin Annina im "Rosenkavalier" von Richard Strauss. Diese Partie sang sie zunächst unter Kleiber, Knappertsbusch, Böhm uns dann vor allem zur Eröffnung der Salzburger Festpiele im Jahr 1960 unter Herbert von Karajan. Gott sei Dank ist dieses musikalische Kabinettstückchen für die Nachwelt im Film (DVD) festgehalten worden: von der Präsentation ihrer Intrigantenkunst beim Lever der Marschallin im 1. Akt, über die köstliche Briefszene mit Baron Ochs im Walzerfinale ds 2. Aktes bis zur vermeintlich trauernden Witwe im Wiener Vorstadtbeisel des 3. Aktes - diese Stationen waren, jede für sich selbst,eine fein gesponnene Charakterstudie, die mit der ihr eigenen musikalischen Präzision dargeboten wurde. Auch die bei Strauss so gefürchteten, fast unsingbaren Stellen, wie z.B. "Vergessen nicht der Botin Euer Gnaden", wurden derart spielerisch leicht und exakt zu Gehör gebracht, dass es erst einem Fachmann im nachhinein bewusst werden konnte, welch unerhörte Klippen da gemeistert wurden.
Diese hohe Musikalität zog bei Hilde Rössl-Majdan (fast würde man sagen natürlich) auch eine umfangreiche Konzertkarriere nach sich. Von ihrem Lieblingsoratorium, der Matthäuspassion von J. S. Bach, über ungezählte Aufführungen der 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven bis hin der auch auf LP/CD festgehaltenen 2. Sinfonie von Gustav Mahler spannte sich der Bogen. Vor allem mit letzerer in Produktion mit Otto Klemperer und Elisabeth Schwarzkopf ist, meiner Meinung nach, ein absoluter Höhepunkt in der Interpretationsgeschichte dieses Werkes erreicht worden. die stimmlichen Nuancierungen von Sopran und Mezzo sind in einem Maße vollkommnet, dass einem beim Hören dieser LP/CD nur demütig die Bezeichnung "überirdisch schön" in den Sinn kommt.
Den Abschluss ihrer Karriere bildete, eigentlich untypisch, die Operette im "Zigeunerbaron", in dem sie in der Zeit des Theaters an der Wien äußerst erfolgreich die Zigeunerin Czipra kreiert hatte, war es die Erzieherin Mirabella im Haus Zsupáns - leider eine sehr mißglückte Produktion der Wiener Staatsoper.
Hilde Rössl-Majdan - ein ideales Muster für eine Karriere in stiller Bescheidenheit und Größe, nach ihrem Ende im Professorenfach an der Akademie eine vollendete Fortsetzung fand.
Für ihre Operntätigkeit möcte ich nochmals den "Rosenkavalier" zitieren:
"Vergessen nicht der Botin Euer Gnaden" - für alle die, die Wiener Oper lieben, wird Hilde Rössl-Majdan als treueste Dienerin der Kunst bestimmt unvergessen bleiben!