Missachtet oder nur unbekannt? - Das Instrumentalwerk Jacques Offenbachs

  • Jacques Offenbach gilt zu Recht als ein Meister der Operette, die er mitbegründet hat. Vielen nicht bekannt ist die Tatsache, dass er in seiner Jugend ein hervorragender Cellist war, der sehr gut auch eine Karriere als konzertierender Cellovirtuose hätte machen können, wenn er sich nicht mit so viel Erfolg auf das Komponieren verlegt hätte.


    Ich greife mal eine Frage aus dem "Heute erst gekauft" - Thread auf um einen Anstoß zu geben, sich auch mit dieser Facette meines Vornamenspatrons zu beschäftigen:



    Ich kenne dieses Konzert bislang nur in einer Aufnahme unter Erich Künzel mit Ofra Harnoy, wo es nur etwa 21 Minuten lang ist, mir aber sehr gut gefällt, zumal man den späteren Operettenkomponisten gut erkennen kann, besonders in dem anfänglichen Kontrast von militärischen Klängen und den, an Straußsche Tanzmusik erinnernden, Passagen, die von dem wie eine Violine gespielten Cello angeführt werden.


    Offenbach hatte das Konzert 1850 komponiert. Danach aber geriet es in Vergessenheit und wurde erst vor Kurzem wieder entdeckt.


    Bevor ich auf dieses Konzert und Offenbachs andere Kompositionen ohne Gesangsstimmen von ihm näher eingehe, möchte ich mich aber erst einmal JRs Frage anschließen und fragen, wer von Euch diesen "Schinken" kennt, und was Ihr davon haltet.


    Lohnt das Thema überhaupt?


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    Bevor ich auf dieses Konzert und Offenbachs andere Kompositionen ohne Gesangsstimmen von ihm näher eingehe, möchte ich mich aber erst einmal JRs Frage anschließen und fragen, wer von Euch diesen "Schinken" kennt, und was Ihr davon haltet.


    Lieber Rideamus,


    "Natürlich", würde ich fast sagen, "kenne und habe ich dieses Werk".


    In meine Erinnerung sehe ich eine CD, schwarz-weiß Cover, wo dieses Werk zu finden ist. Auch von Harnoy gespielt.
    Ist auf diese CD auch das Cellokonzert von Myslivecek aufgenommen?


    Weil ich ohnehin Cellokonzerte mag, kann mein Urteil nur günstig sein über Offenbachs Komposition. Ich mag es lieber, als Cellokonzerte von (früh-)romantischen, ziemlich unbekannten Meistern (Vranicky, Volkmann).


    LG, Paul

  • Lieber Paul,


    auf meiner RCA-cd, die 1983 in Cincinnati mit dem dortigen SO aufgenommen wurde, ist das Stück gekoppelt mit Einspielungen von Tschaikowskis Rokoko-Variationen und Saint-Saens' erstem Cellokonzert A.moll op. 33, beide mit dem Victoria SO unter Paul Freeman.


    Obwohl ich die Aufnahme noch nicht kenne, würde ich aber jedem raten, sich die o. g. Aufnahme von Minkowski zuzulegen, denn der hat bei Offenbach bislang noch nie weniger als Hervorragendes geliefert. Sie ist deswegen auch gleich ganz oben auf meinem Wunschzettel platziert, denn von der hatte ich ncht nichts geahnt, bis ich hier darauf stieß.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Ich darf mich korrigieren: Noten für dieses Cellokonzert gibt es seit Jahresbeginn- ein Exemplar ist bereits auf dem Weg nach Wien. :D


    Hier noch einige Infos zu diesem Werk:
    http://www.boosey.com/pages/cr…de&musicid=46667&langid=2


    Die Version Harnoys (wie auch jene von Schiefen) entspricht im wesentlichen dem Finalsatz des Orginalkonzertes, welcher dann- selbst etwa 20min lang- "Concerto militaire" genannt wurde.


    Zitat

    Weil ich ohnehin Cellokonzerte mag, kann mein Urteil nur günstig sein über Offenbachs Komposition. Ich mag es lieber, als Cellokonzerte von (früh-)romantischen, ziemlich unbekannten Meistern (Vranicky, Volkmann).


    Offenbach ist eben kein Kleinmeister.
    O's Konzert ist nicht immer ernst gemeint aber stets ernst zu nehmen, bei vielen anderen läufts genau umgekehrt...

  • Danke für den Link zu Boosey & Hawkes, der mir einen Detailbericht über die Entstehung und Rekonstruktion dieses Werkes erspart. Allerdings sollte man vielleicht noch darauf hinweisen, dass dieses Cellokonzert zwar schon ein halbes Jahrzehnt vor Offenbachs erster Operette LES DEUX AVEUGLES von 1855 entstand, aber schon einiges von dem ahnen lässt, was später, gerade in der Kreuzung aus Militärparodie und leichter Muse, in der 17 Jahre später geschriebenen GRANDE DUCHESSE DE GEROLSTEIN aufblühen sollte.


    Nein, ein Kleinmeister ist Offenbach wirklich nicht. Auch nicht im rein instrumentalen Bereich. Dabei denke ich nicht einmal an die Arrangements der OFFENBACHIANA und der GAITÉ PARISIENNE durch Rosenthal, so reizvoll die sind. Eher schon das Ballett LE VOYAGE DANS LA LUNE, die noch frühere OUVERTURE Á GRAND ORCHESTRE von 1843 sowie natürlich die köstliche Wagnerparodie einer SYMPONIE Á L'AVENIR von 1860. Die beiden letztgenannten Werke sind auf diesem höchst empfehlenswerten Offenbach-Konzert Minkowskis mit Anne Sofie von Otter und anderen enthalten:



    Das Ballett ist leider auch schon wieder ein Opfer der Streichungspolitik der Tonträgermultis geworden, aber wer das Werk mit seinem bezaubernden Schneeflockenballett noch erhaschen will, kann es in einer vorzüglichen Aufnahme des Philharmonia Orchestra unter Antonio de Almeida hier tun und bekommt noch ein paar rare Ouvertüren sowie die Balletmusik aus der späteren Fassung von ORPHÉE AUX ENFERS mitgeliefert:



    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Original von flotan
    Außerdem gibt es nach wie vor keine käuflich erhältlichen Noten, und niemand spielt es öffentlich.


    Ich habe das Cellokonzert vor drei Monaten in einem der Akademiekonzerte (= Abonnentenkonzerte) des Bayerischen Staatsorchesters im Münchner Nationaltheater gehört. Solist und Dirigent waren die gleichen wie auf der CD - Pernoo und Minkowski. Begeistertes Publikumsecho - ich bin mir sicher, dass dieses Stück ein Reißer werden könnte, wenn die Cellisten es erst einmal entdecken.


    Ich glaube eigentlich nicht, dass es heute noch Bedenken in puncto "Seriosität" gegenüber einem solchen Stück gibt - obwohl die nächste Aufführung, die ich gesehen habe, bezeichnenderweise am 31.12. im Silvesterkonzert der Stuttgarter Philharmoniker stattfindet. Solist wird wiederum Pernoo sein, Dirigent Patrick Davin.



    Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    Bevor ich auf dieses Konzert und Offenbachs andere Kompositionen ohne Gesangsstimmen von ihm näher eingehe, möchte ich mich aber erst einmal JRs Frage anschließen und fragen, wer von Euch diesen "Schinken" kennt, und was Ihr davon haltet.


    Lohnt das Thema überhaupt?


    Es lohnt sich bestimmt. Nun war ich nach der Münchner Aufführung nicht so begeistert, dass ich mir stante pede die CD gekauft hätte, aber interessant fand ich das Stück schon. Hier kommen drei Bereiche zusammen, die Mitte des 19. Jahrhundert auf der Grenze zwischen "Kunst-" und "Unterhaltungsmusik" stehen: Virtuosentum, Belcanto (im zweiten Satz) und Militärmusik (im Finale). Ich habe das schon so empfunden, dass Offenbach hier nicht einfach besonders erfolgversprechende Zutaten zu einem "Konzert" zusammengerührt hat, sondern sich bewusst auf der Grenze bewegt - im dritten Satz gibt es nach meiner Erinnerung zwischen den ständigen Galopp- und Marschmusiken ganz avancierte Passagen, wo das Ganze in einen Trauermarsch umzukippen droht. Ein bisschen lang ist das Konzert schon, gerade auch der dritte Satz, und ich habe beim einmaligen Hören auch keine zwingende formale Gestaltung erkennen können, was natürlich noch nichts heißt.


    Was ich überhaupt nicht beurteilen kann, ist die Frage, inwieweit dieses Stück als Unikum dasteht oder ob es nicht vielleicht Bestandteil einer Kultur des "brillant-romantischen" Virtuosenkonzerts ist, das heutzutage vor allem im Klavierbereich (in Ansätzen) wiederentdeckt wird.



    Viele Grüße


    Bernd



  • Lieber Rideamus,



    ich will doch hoffen, dass Du mich mit meiner soeben bestellten CD (war überm Teich mal wieder VIEL günstiger ;) ) nicht uninformiert bleiben lässt!


    Und "rhetorische" Fragen haben Dir hier ja schon immer Arbeit eingetragen :D - Bin also gespannt auf weitere Infos und Entdeckungen :yes:



    Ach ja, es gibt (gab) wohl noch eine Aufnahme des Konzerts beim Label cpo, derzeit nur bei amazon.co.uk erhältlich:





    LG, Elisabeth

  • Liebe Elisabeth,


    mindestens diesmal war meine Frage keineswegs so rhetorisch, wie Du immer zu denken scheinst, denn die Minkowski-Aufnahme, die wohl die einzig vollständige der Keck-Rekonstruktion ist, kenne ich bei aller Neugier darauf ja selbst noch nicht.


    Insofern war meine Frage, ob sich das lohnt, durchaus ernst gemeint, und es freut mich, dass mindestens Zwielicht und Flotan das offenbar so sehen.


    Insofern hat sich der Anstoß, der ja eigentlich von JR und flotan kam, der ja auch die von Dir eingestellte und wohl ebenfalls gekürzte Schiefen-Aufnahme en passant erwähnte, für mich schon gelohnt.


    :hello: Jacques Rideamus

  • "Schinken" schrieb ich, weil die auf der Minkowski-CD enthaltene Fassung eine Dreiviertelstunde dauert, was um die Mitte des 19. Jhds. rekordverdächtig sein dürfte. Mir ist aus dem CD-Beitext allerdings gar nicht klar, ob und noch weniger wie regelmäßig das Stück in dieser Langfassung überhaupt gespielt wurde.
    Beim ersten Hören war ich eher enttäuscht (wobei ich nicht genau weiß, was ich erwartet hatte), daher meine Frage an Flotan. Ich habe es jetzt noch zweimal angehört und es gefiel mir deutlich besser. (Besser als das 1. (und einzige, was sich auch nicht ändern wird) Paganini-Konzert.)
    Es ist dennoch viel zu lang. Die erstmal nicht uncharmante Vermählung von Paganini-Virtuosität und Operettenuniform-Militärstil trägt einfach nicht so weit. Man hätte zu den ersten beiden ein knappes Finale fügen sollen und den 20minütigen Schlußsatz als eigenes Stück (was ja anscheinend auch getan wurde) präsentieren sollen.


    Die anderen Stücke der CD sind alle sehr hübsche oder brillante Orchesterstücke. Ich sehe die in der Nähe der Ouverturen Rossinis oder Suppés und der Straußscher Walzer und auch die Ballette Tschaikowskys sind nicht fern.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Hier kommen drei Bereiche zusammen, die Mitte des 19. Jahrhundert auf der Grenze zwischen "Kunst-" und "Unterhaltungsmusik" stehen: Virtuosentum, Belcanto (im zweiten Satz) und Militärmusik (im Finale). Ich habe das schon so empfunden, dass Offenbach hier nicht einfach besonders erfolgversprechende Zutaten zu einem "Konzert" zusammengerührt hat, sondern sich bewusst auf der Grenze bewegt...


    Ich habe mal in einem Offenbach-Buch nachgeschaut, das mehr oder weniger zufällig bei mir im Regal steht, nämlich: Peter Hawig, Jacques Offenbach. Facetten zu Leben und Werk, Köln 1999. Der Verfasser widmet sich u.a. auch der Instrumentalmusik des Komponisten, insb. der Cellomusik, und bringt auch einen eigenen Abschnitt über das "Militärkonzert". Allerdings kennt er es nicht in der neuen "Originalfassung", sondern in der schon etwas erweiterten, aber noch unvollständigen Fassung, die vorher üblich war (d.h. der erste Satz ist bis auf eine gekürzte Passage identisch, das Andante vollständig, aber das Finalrondo ist ein anderes - wenn ich das Fassungschaos richtig deute... :rolleyes: ).


    Jedenfalls bestärkt mich Herr Hawig in meiner Ansicht, die ich nach einmaligem Hören gewonnen hatte. Er schreibt u.a. (S. 68 ):


    Schaut man sich das Werk nun näher an, so stellt man wiederum fest, daß Offenbach den klassischen Formenkanon kannte, aber großzügig mit ihm umging. [...] Schon der erste Satz ist dafür ein schlagendes Beispiel: Er tut so, als wäre er der übliche Sonatenhauptsatz, mit dem ein anständiges Konzert gefälligst anzufangen hat, aber er ist keiner! Hier liegt ein früher und besonderer Fall jener "verkleideten Musik" vor, die René Leibowitz und Robert Pourvoyeur für die Offenbachschen Bühnenwerke ausgemacht haben: Die Musik tut so, "als ob"...


    Im folgenden versucht Hawig, das am ersten Satz nachzuweisen, indem er z.B. auf das erste an Weber erinnernde Hauptthema verweist, das merkwürdigerweise nie vom Cello aufgegriffen werde, dessen Grundrhythmus aber die heterogenen Elemente des Satzes verklammere.


    Falls diese Hypothese ansatzweise zuträfe, hätte Offenbach das spezifische Parodie-Konzept, das seine Operetten prägt, schon vorher im Sektor der Instrumentalmusik ausprobiert.


    In Bezug auf den dritten Satz (der Urfassung) finde ich es interessant, dass wir alle diesen Gestus sofort dem typischen Operetten-Militärstil zuordnen, ohne zu berücksichtigen, dass es diesen wie die ganze Gattung Operette (bzw. Opéra bouffe) in den späten 1840ern überhaupt noch nicht gegeben hat.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Zwielicht
    In Bezug auf den dritten Satz (der Urfassung) finde ich es interessant, dass wir alle diesen Gestus sofort dem typischen Operetten-Militärstil zuordnen, ohne zu berücksichtigen, dass es diesen wie die ganze Gattung Operette (bzw. Opéra bouffe) in den späten 1840ern überhaupt noch nicht gegeben hat.


    Ohne mich in der komischen Oper zwischen 1815 und 1845 besonders auszukennen (was sich bis auf weiteres auch kaum ändern dürfte :pfeif: ), so verstehe ich "Operetten-Militärstil" so umfassend, daß da auch Musik, die es vor 1840 schon gab drunterfällt: Schuberts vierhändige Militärmärsche, dann z.B. Fra Diavolo von Auber und auch einiges von Rossini und Donizetti (gibt es nicht im Liebestrank einen Auftritt von Soldaten?). Halt Rumms-tata, aber dabei irgendwie lustig und (militärisch) nicht viel ernster zu nehmen als die entsprechenden Operettenuniformen ;)


    Die Tradition des "militärischen Konzerts" ist natürlich viel älter: eine ganze Reihe Mozartscher Konzerte weist sehr deutliche Marschmotivik auf (453, 456, 459, 467 und auch das 4. Violinkonzert), ebenso bei Beethovens, besonders deutlich im 1. und 5. Das bleibt aber auf einer allgemeineren Ebene, ein so eindeutig pittoreskes Stück, auch in der Instrumentierung wie Haydns Militärsinfonie ist noch eine Ausnahme.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Ohne mich in der komischen Oper zwischen 1815 und 1845 besonders auszukennen (was sich bis auf weiteres auch kaum ändern dürfte :pfeif: ), so verstehe ich "Operetten-Militärstil" so umfassend, daß da auch Musik, die es vor 1840 schon gab drunterfällt: Schuberts vierhändige Militärmärsche, dann z.B. Fra Diavolo von Auber und auch einiges von Rossini und Donizetti (gibt es nicht im Liebestrank einen Auftritt von Soldaten?). Halt Rumms-tata, aber dabei irgendwie lustig und (militärisch) nicht viel ernster zu nehmen als die entsprechenden Operettenuniformen ;)


    Uff, in dem Repertoire kenn ich mich selbst nicht so dolle aus :D. Ich meine mich aber zu erinnern, dass die Militärmusik im Rondo des Cellokonzerts schon sehr stark diesen bissigen, parodistischen Charakter hat wie in späteren Stücken Offenbachs und nicht bloß einfach nur lustig und schmissig ist.


    Aber der Vergleich eines Stücks, das ich nur einmal gehört habe, mit einem Repertoire, das ich nicht besonders gut kenne, ist nicht sonderlich aussagekräftig, zugegebenermaßen... :wacky:


    Was sagen denn unsere Buffonisten dazu? ;)



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht


    Was sagen denn unsere Buffonisten dazu? ;)


    Ich bin auch alles andere als ein Spezialist für Militärisches, nicht einmal in der klassischen Musik, sonst würde ich jetzt sofort einen Thread dazu aufmachen. :wacky:


    Wer Hinweise auf solche Elemente haben möchte, kann sich aber mal in diesem Thread umtun: Zitate von militärischen oder postalischen "Signalen"


    Ich meine auch, dass Offenbach seine Inspiration vor allem aus der italienischen buffa und Teilen der Opéra comique bezogen hat (Donizettis L'ELISIR D'AMORE wurde schon genannt. LA FILLE DU RÉGIMENT enthält sogar noch mehr spielerisch Militärisches). Übrigens nicht nur aus der Buffa, sondern der zeitgenössischen Oper überhaupt. Man denke an Bellinis "Suoni la tromba" aus den PURITANI, wo das Schnätterengtäng schon sehr mitreißend eingesetzt wurde. Aber auch deutsche Referenzen ließen sich nennen. Spontan fällt mir da Lortzings DIE BEIDEN SCHÜTZEN und Kreutzers einst sehr populäres DAS NACHTLAGER VON GRANADA ein, wo es zwar nicht ausgesprochen militärisch zugeht, wo aber, wie nicht zuletzt auch im FREISCHÜTZ, Jagd- und militärische Musik sehr nahe beieinander stehen. Aber auch Schuberts FIERRABRAS und DER VERLORENE POSTEN lassen schon das Potenzial schmissig-militärischer Töne für das emotionale Feuer der Handlung anklingen, von Mozarts "Non piu andrai" oder gar "Bella vita militar" ganz zu schweigen. Erst mit Verdi wurde das Militärische in der Oper zunehmend aggressiv und bedrohlich, wenn er es auch durchaus noch sanktionierte. Der Pazifismus ist ja, mit wenigen Ausnahmen, eine Entwicklung des 20. Jahrhunderts und hat sich entsprechend spät in der Musik durchgesetzt. Schließlich zog man noch 1914 auf allen Seiten begeistert in den Krieg.


    Viel wesentlicher für den Stellenwert der Militärmusik in diesem Konzert scheint mir aber zu sein, dass Offenbach in einer Zeit lebte, in der - lange genug nach den napoleonischen Kriegen - das Militärische in Frankreich immer beliebter wurde und man sich durchaus bewusst war, dass auf der anderen Rheinseite ein Pendant heranwuchs, das einerseits bedrohlich war, andererseits aus der Noch-Entfernung auch als komisch wahrgenommen wurde.


    So verstehe ich die militärischen Elemente des Cellokonzertes noch nicht als Satire, sondern als Spiel mit einem damals zunehmend beliebten Topos. Man erinnere sich, wie noch einige Zeit später Johann Strauß im ZIGEUNERBARON das Militär bruchlos zelebrierte und sogar die Verwüstungen des 30-jährigen Krieges in SIMPLICIUS SIMPLICISSIMUS mit einem schmissigen Walzer begleitete. Die Militärsatire kam erst Jahre bis Jahrzehnte später und gipfelte, was Offenbach betrifft, schon früh in der GRANDE DUCHESSE DE GEROLSTEIN. Immerhin war eine solch giftige Satire in Frankreich möglich, während es in teutschen Landen fast gefährlich war, das Militär auf die leichte Schulter, geschweige denn auf die Schippe zu nehmen. Wenn mich nicht manches täuscht, wusste unter anderen Offenbachs Freund Heinrich Heine davon ein Lied zu singen.


    Wenn man es bedenkt: vielleicht sollte man wirklich mal einen Thread über Militärisches (und Antimilitärisches) in der Musik und den Gründen für ihren jeweiligen Einsatz zu machen. Mich hat es jedenfalls überrascht, wie wenig Vorbilder es gerade in der Konzertmusik letztlich für Offenbachs Gebrauch dieses Topos gibt, so dass man sofort bei Haydn und Beethoven landet, wenn man direkte Vergleiche und mögliche klangliche Vorbilder sucht. Schließlich sind beide sonst nicht unbedingt die ersten Komponisten, die einem sonst beim Namen Offenbach als Referenzen einfallen.


    Aber das läuft langsam sehr weit OT, denn hier soll es ja um das rein instrumentale Werk Jacques Offenbachs gehen.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Auch die vier Piècen (für Cello und Klavier) haben ihren Reiz, obwohl ich meine, dass sie von unterschiedlicher Qualität sind.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ich besitze folgende Aufnahme des Offenbach'schen Cellokonzertes, welche ich ab und zu durchaus mit Genuß anzuhören pflege.



    Jacques Offenbach:
    Konzert für Violoncello und Orchester in G-Dur "Concerto militaire" (1847)
    Andante für Violoncello und Orchester in G-Dur (1845)


    Ofra Harnoy, Violoncello
    Bournemouth Symphony Orchestra
    Ltg. Antonio de Almeida



    Beigefügt ist dieser Aufnahme noch das Cellokonzert in d-moll von Édouard Lalo.


    Offenbachs Cellokonzert von 1847 (laut CD-Beiheft; andere Quellen geben 1850 an) ist offenbar eine Ausarbeitung des 1845 komponierten 'Andante für Cello und Orchester', welches gewissermaßen den Grundstein dieses Konzertes bildet.


    Leider ist die Harnoy-Aufnahme die einzige mir vorliegende, so daß ich keine vergleichende Bewertung vornehmen kann.



    Mit besten Grüßen!


    Laurenz :hello:

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    (...) Eine meiner frühesten Erinnerungen im Zusammenhang mit der Musik betrifft einen Abend, an dem das Rothschild-Quartett bei uns ein hochmodernes Werk von Egon Wellesz spielen sollte. Die Stühle waren den Musikern zu niedrig, so nahmen sie unsere Bände mit Schubertscher Kammermusik, um damit ihre Sitze zu erhöhen. Ich dachte, wieviel schöner es wäre, wenn sie auf Wellesz sitzend Schubert spielen würden (...)


    — aus „5000 Abende in der Oper“ von Sir Rudolf Bing —
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