Als die Nachricht von ihrem Tod um die Welt ging, war es für viele überraschend.
Denn die meisten wussten gar nicht, dass es sie noch gegeben hatte.
Sie besaßen die Erinnerung an ihre Stimme, sie liebten diese Stimme - aber wie einen kostbaren alten Schmuck, wie einen fernen Klang.
So schnell dreht sich das Kulturkarussell, so rasch sind die Namen der alten Gesangsstars durch neue ausgewechselt - so radikal war aber auch der Schnitt, als sich Erna Sack 1964 aus der Öffentlichkleit zurückzog, so konsequent wahrte sie ihr Schweigen, dass man sie gar nicht mehr zu den Lebenden zählte.
Dabei hat sie nur ihre letzten acht Jahre wie es heißt "in stiller Zurückgezogenheit" verbracht, erst in ihrem Haus in Murnau am Attersee, dann im klimatisch besseren Wiesbaden.
Dort ist sie am 6. März 1972 gestorben, 74jährig, wie es heißt - was bedeuten würde, dass sie zu Lebzeiten ihren Verehrern glatt fünf Jahre unterschlagen hat.
Dafür servierte sie ihnen eine schwindelfreie Höhe, ein glasklares, glockenreines viergestrichenes C, das keine Sängerin ihrer Zeit erreichte das als eine Art von Ehrendoktorwürde neben dem Titel Kammersängerin das Prädikat "Deutsche Nachtigall" einbrachte.
Die deutsche Nachtigall hieß mit ihrem Mädchennameen Erna Weber und war am 6.2.1898 in Spandau auf die Welt gekommen.
Obwohl ihre Stimme schon im Kirchenchor als außergewöhnlich schön erkannt wurde, drangen die Eltern auf einen bürgerlichen Beruf.
Nur als Telefonistin konnte Erna Weber zunächst ihre Stimmbänder nützen.
Doch das Fräulein vom Amt nahm außerhalb der Dienstzeit Gesangsunterricht, 1928 holte sie Bruno Walter als Elevin an die Städtische Oper Charlottenburg, wo sie kleine - - Altpartien sang.
Der Aufschwung zur Koloratursängeringelang ihr erst später. Das Stadttheater von Bielefeld wurde Schauplatz der Entdeckung eines Stimm - Phänomens.
Dort debütierte Erna Weber 1930 im Sopranfach als Norina in Donizettis "Don Pasquale".
Über Wiesbaden und Breslau kam sie 1935 an die Dresdner Staatsoper. Hier ist ihr Name u.a. auf dem Theaterzettel der Uraufführung "Die schweigsame Frau",am 24.6.1935, von Richard Strauss verzeichnet.
An diesem musikgeschichtlich bedeutsamen Abend sang sie die Partie der Komödiantin Isotta, am 2.3.1937 wirkte sie in der Uraufführung von Othmar Schoecks "Massimilla Doni" mit.
Seit 1933 gastierte sie mit großem Erfolgen an der Staatsoper Berlin.
Man feierte sie in Mailand und London, in Paris und Wien (1935 und 1936), in Hamburg und in München.
1936 sang sie an der Covend Garden Oper London die Zerbinetta in "Ariadne auf Naxos" bei einem Gastspiel der Oper von Dresden unter Richard Strauss (der ein großer Bewunderer ihrer Kunst war und einige Passagen in der großen Arie der Zerbinetta für die ungewöhnlich Tonhöhe ihrer Stimmhöhe eingefügt hatte)
1937 große Erfolge in der Oper von Chicago als Rosina im "Barbier von Sevilla" und als Lucia di Lammermoor. 1937 gastierte sie auch an der Oper von Rom als Königin der Nacht in der "Zauberflöte" unter Tullio Serafin mit Tito Schipa und Licia Albanese als Partnern.
1938 und 1942 trat sie erfolgreich in Kopenhagen auf. 1936 unternahm sie erstmalig eine glanzvolle Nordamerika - Tournee. Einmal wurde sie auch bei den Salzburger Festspielen engagiert.
Sie hatte geheiratet. Ihr Mann, ein geschickter Kaufmann, wurde ihr Manager.
Der Film meldete sich ("Blumen aus Nizza"), 1936 unternahm sie ihre erste eigene Tournee - und entdeckte im Konzertsaal, im Schallplattenstudio, vor den Mikrophonen der Rundfunksender ihr eigentliches Feld. Sie entwickelte sich ganz zur Spezialiistin.
Der Name Erna Sack wurde zum Markenzeichen für den Klang fein ziselierter, flinker, hoher Kopftöne. In der Zeit des Volksempfängers wurde die deutsche Nachtigall bald zur Volksnachtigall, zum Wunschkonzert-Star.
Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität erschien sie noch einmal auf er Kinoleinwand, neben Johannes Heesters war sie die blonde, strahlende Tirelheldin der Filmoperette "Nanon".
Während des Zweiten Weltkrieges trat die Künstlerin vor allem in Schweden, in der Schweiz und in der Türkei auf.
Nach dem Krieg, 1946, war sie die erste deutsche Sängerin, die im Ausland auftrat. Sie bereiste Kanada, Südafrika, Australien und Japan.
Sie ersang sich einen triumphalen Erfolg in der New Yorker Carnegie Hall.
Soweit die Stimme von Koloratricen durch die Schallplatte überliefert ist, haben nur ganz wenige von ihnen, das viergestrichene C, diese unwahrscheinliche Tonhöhe (Mado Robin, Wilfriede Lüttgen) bewältigt.
Ein ähnliches Phänomen wird von der Sopranistin Lucrezia Agujari im 18. Jahrhundert berichtet.
Ihr "Lied der Jenny Lind" ("Fjorton or tror visst att jag va") ein schwedisches Volkslied, war besonders beliebt bei ihren Konzerten und Liedern.
Sie mietete ein Haus in Toronto - und nahm die brasilianische Staatsbürgerschaft an.
Immer wieder war in den Zeitungen von ihren neuen Plänen zu lesen.
Nur einmal im Jahr erschien sie noch zu kurzen Konzert - Visiten in Deutschland.
Erst nach zehn Jahren der Unruhe, der Sensationen, kehrte sie wieder in die Heimat zurück - nicht mehr auf die Bühne, nicht mehr aufs Podium. Nuir mehr in ihr gemütliches Heim in Oberbayern.
Von dort drang kein Ton mehr in die Außenwelt - kein viergestrichenes C mehr und auch kein Interview. Der Abschied war konsequent.
Was bleibt sind ihre LPs - wenige Opernarien, viele glitzernde Kunststückchen, von den die meisten noch aus der Schellackzeit stammen.
Keine traurige Bilanz, keine Hinterlassenschaft, die Weihestimmung erzeugt. Dazu war die Stimme der Erna Sack zu jubelnd.
Was bleibt, sind ihre Schallplatten - dieser Satz ist nicht melancholisch gemeint. Dass wir diese Stimme wiederhören können, mehr noch, dass wir sie behalten können ist schön.