Salut,
Mozart und die Freimaurer – dieses Thema liegt mir schon seit längerem auf der Leber. Wie ich aus Gesprächen mit anderen Interessierten (B&W nicht eingeschlossen) erfahren habe, liegt hier der Grad der Unwissenheit und der Spekulation sehr hoch. Deswegen heute eine kleine (auch musikalisch angehauchte) Aufklärung. Anlass dieses Threads ist die gestern Nacht auf arte gewesene Dokumentations-Nacht zum Thema [URL=http://www.arte-tv.com/de/woche/244,broadcastingNum=483696,day=7,week=12,year=2005.html]Die Zeit der Kathedralen.[/URL]
Die Dokumentation war bis dato eine der besonderen Höchstleistungen dieses deutsch-französischen Senders, auf den ich als in Frankreich lebender Deutscher sehr viel Wert lege. Unter anderem kam zur Sprache, dass im mittelalterlichen Straßburg (heute: Strasbourg, etwa 60 km von meinem Wohnort entfernt) die ersten Bauhütten gegründet wurden: Der nämliche Ursprung des Freimaurertums, soweit es sich heute nachvollziehen lässt [strittig, aber glaubwürdig].
Einige Grundsätze:
Zitat
Der Begriff Loge – engl. lodge – bedeutet in unserem Zusammenhang Hütte. Sie war bei den Steinmetzen Bauhütte, Werkstätte, Lehrstätte, aber auch Aufenthalts-, Versammlungs- und Besprechungsort, und sie wurde darüber hinaus im Laufe der Zeit zu einem organisatorischen Begriff für Institutionen der Baugenossenschaften, die bruderschaftliche Formen annahmen, z.B. Dombauhütte.
[Quelle: Horst Kischke • Die Freimaurer • Fiktion, Realität und Perspektiven]
Originär bedingt wurden daher auch die Bezeichnungen Lehrling, Geselle und Meister in die Begrifflichkeiten des Freimaurertums ab dem 18. Jahrhundert übernommen, obwohl dies mit der eigentlichen Sache nichts mehr zu tun hatte.
Der Autor der erwähnten Schrift – obwohl infiziert, da selbst Freimaurer - legt auch durchaus glaubhaft dar, dass das Freimaurertum des 18. Jahrhunderts bis heute keine Religion oder Vereinigung mit Sektencharakter ist. Unter anderem führt er die Freimaurerische Ordnung vom 24. Mai 1974 mit Änderungen nach dem Stand vom 1. Oktober 1982, Verfassung der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer […] auf Grundlage der Alten Pflichten von 1723 […] an. Artikel 2 Absatz (2) legt fest:
Glaubens-, Gewissens- und Denkfreiheit sind den Freimaurern höchstes Gut. […]
Diesem Grundsatz hält Mozarts Œuvre in Perfektion stand: Beschäftigte er sich als Durch-und-durch-Christ in der Salzburger Zeit mit dem geistlichen Genre und gar noch 1783 in Wien (Messe c-moll KV 417a = 427), so widmet er sich mit einem Crescendo ab 1785 Werken freimaurerischen Gedankenguts: Gesellenreise KV 468, Kantate Dir, Seele des Weltalls KV 468a = 429 [Fragment], Kantate Die Maurerfreude KV 471, Maurerische Trauermusik KV 479a = 477, Lied mit dreistimmigem Chor und Orgel Zerfließet heut, geliebte Brüder KV 483 (zur Eröffnung der Freimaurerloge), Lied mit dreistimmigem Chor und Orgel In unsre neuen Leiter KV 484 (zum Schluß der Freimaurerloge). Dies ist einleuchtend die Folge seines Beitritts zur Freimaurerloge Zur Wohltätigkeit am 14. Dezember 1784. Auftragsbedingt verschwindet die geistliche Musik in Mozarts Schaffen von der Bildfläche bis zu seinem Todesjahr 1791. Mozart widmet sich in den Jahren 1785ff. überwiegend der Kammermusik und der Oper. Es entstehen unter anderem Streichquartette und -quintette, Klaviersonaten, Violinsonaten, Klaviertrios, die Sinfonien Nrn. 38-41, unzählige Kanons und kanonische Studien, Klavierkonzerte, die Opern Don Giovanni, Le Nozze di Figaro, Cosí fan tutte; alles Werke ohne christlichen und freimaurerischen Inhalt und Einfluss.
1791 komponiert Mozart die Motette Ave verum corpus KV 618 als eines seiner innigsten und schönsten Glaubensbekenntnisse und sein letztes vollendetes geistliches Werk, parallel dazu die Kleine Freimaurerkantate KV 623 sowie den Maurergesang Laßt uns mit geschlungnen Händen KV 623a. Zwischendurch Die Zauberflöte, deren Symbolik eindeutig auf das Freimaurertum Bezug nimmt (aber keine Geheimbündelei betreibt) und zu letzt das höchste aller Güter in Mozarts geistlichem Schaffen – sein Requiem.
Eine ausführliche Beschreibung der maurerischen Symbolik in Die Zauberflöte würde diesen Thread sprengen, zumal es dazu ausreichend gute Fachliteratur gibt. Nur soviel sei vorweggenommen: Die maurerische Symbolik hat ihren Ursprung ebenfalls in den Bauhütten (Logen) des Mittelalters. Die „Maurer“ und Steinmetze schlugen in die von ihnen bearbeiteten Gesteine Zeichen und Symbole ein, die des Nachvollzugs der geleisteten Arbeit und damit letztlich der ihnen zustehenden Entlohnung dienten. Die Mystifizierung dieser symbolträchtigen Zunft geschah nur aus Neid, da die „Maurer“ und Steinmetze des Mittelalters einen besonderen Status genossen, dem nämlichen: im Auftrage Gottes ihr Können durch das Konstruieren und Erbauen von Kathedralen an den Tag zu legen.
Was wir in Mozarts Wirken ab 1785 bemerken, wenn wir genauer hinsehen resp. -hören und lesen, ist die Umsetzung der menschlichen Vollkommenheit, freie Entfaltung der Persönlichkeit (hier war Mozart mit Sicherheit Vorreiter), das Streben nach humanitärer Geisteshaltung und die Bruderschaft (von der Mozart ebenfalls umfangreichen Gebrauch machte).
Auch mir persönlich (obwohl weder Freimaurer noch Christ, dafür aber Theist und Humanist) gefallen diese drei „standhaften“ Säulen als Lebens- und Denkensgrundlage sehr.
Cordialement,
Ulli