"Und wenn er nicht mehr weiter kann / so fängt er eine Fuge an (??)" - Wie hört ihr Fugen ?

  • ..."TIPS GEGEN DIE HÖRSCHWIERIGKEITEN MIT FUGEN" soll der 2.Teil dieses Threadtitels eigentlich heissen (war zu lang :wacky:)
    - und bei Teil 1 soll es sich in der Tat um einen Spottvers aus der J.S.Bach - Zeit handeln...
    (und Mr.Grimes hat eine Schwäche für solche bösen Spitzen :P)



    - Mozarts "Adagio und Fuge KV 546" hatte ich als Teenager in einer (ich meine von Fricsay dirigierten) Version für Streichorchester...
    ...... undwar lange (fast jedenfalls) geradezu mein "Mozart-Favorit"


    - auch Brahms`(Orgel-)Fuge as-Moll (ohne Opuszahl) ist mir
    (jedenfalls von Rudolf Innig, für`s Label "Darbinghaus u. Grimm", gespielt ) einfach nur Hörvergnügen :)


    - fernab jeder Hörschwierigkeit sind mir ferner
    a) Beethovens Fuge aus op.110 (offenbar unabh. von der Interpretation - aufgewachsen bin ich mit Dieter Zechlin, derzeit besitze ich Solomon)
    b) die "Kunst der Fuge" gestaltet vom Cembalisten Robert Hill (edition hänssler)




    Doch allzuoft ertappe ich mich noch beim Beginn einer Fuge (grade beim Hören meiner Orgel-CD`s und auf Orgelkonzerten) beim Gedanken
    "na hoffentlich geht`s schnell vorüber !!"
    :untertauch:


    Nu wüsste ich gerne mal, ob`s manchen von Euch da ähnlich geht
    - und welche Komponisten, Werke und/oder Interpreten Euch dazu gebracht haben,
    solche Hörschwierigkeiten mit, Hörverweigerungen ggb. Fugen "aufzuweichen".



    ein sonniges SERVUS aus Unterfranken ;)
    micha

  • Hallo Micha,


    im Allgemeinen finde ich ja Fugen von Bach über Beethovens "Große Fuge" bis Reger etc. sehr reizvoll ("da brach mer garned drübber redde"). Nicht allerdings bei drittklassigen Komponisten oder Orgelimprovisateuren, auf die Dein lustiges Zitat gemünzt zu sein scheint. ("Da könnd ich grad verrückt wedde")


    Besonders schlimm in diesem zusammenhang finde ich die berüchtigten "Kirchenfugen". Mit einem furchtbar langweiligen und gesichtslosen Thema tauchen sie plötzlich inmitten eines Oratoriums oder einer Messe etc. auf. ("an der Stelle 'quam olim Abrahae promisisti, et semini ejus' (im Requiem) machen doch alle eine Fuge....")


    Ein besonders langweiliges Negativbeispiel fällt mir aber gerade nicht ein.

  • pieter.grimes
    Ich persönlich kann deine hörschwierigkeitem mit Fugen überhaupt nicht nachvollziehen. Für mich kann es in einem Werk gar nicht genug Fugen geben. (KdF :D ) Besonders beim Kennenlernen neuer Werke sind mir Fugen sehr recht. Ich kann nicht sagen warum, aber Fugen finde ich wesentlich einprägsamer und leichter nachvollziehbar als andere Formen (wobei dies natürlich auch mit meiner Vorliebe für Polyphonie zusammenhängt - polyphone werke erschließen sich mir leichter als homophone).

    "Phantasie ist unser guter Genius oder unser Dämon."
    - Immanuel Kant (1724-1804)

  • Ist es nicht vielmehr so, daß "Hörschwierigkeiten" durch Fugen gerade überwunden werden, da sie der Musik Struktur, Kontur und Durchhörbarkeit verleihen? Insofern erschließt sich mir, als Gouldbewunderer, Michas Ablehnung nicht.


    :hello:

  • Woher stammt der Spruch eigentlich? :D
    (habe ihn auch schon ein paarmal gehört)


    Ich glaube man muß hier unterscheiden zwischen Fugen, die in Zeiten komponiert wurden, als es sich hier um eine übliche Form handelte (also bis ca. JS Bach, selbst hier ist zwar schon manches bewußt archaisierend, aber das WTK ist m.E. ein sehr gutes Beispiel dafür, daß eine Fuge ein außerordentliches Spektrum von Affekten, Stimmungen usw. abdecken kann) und spätere. ThomasBernhard hat ja schon Beispiele angeführt, wo besonders in der Kirchenmusik an bestimmten Stellen ein Fuge traditionell am Platz ist, ganz gleich, wie gut das zum Stil des Komponisten paßt. Da ist sicher häufig Langeweile vorprogrammiert. Zumal sich gerade bei solchen bewußt "würdevollen" oder archaisierenden Fugen die Themengestalten stark ähneln.


    Abgesehen davon kann man das kaum allgemein beurteilen. Wenn man nicht den Anspruch hat, hörend präzise Details mitzuvollziehen (aber das ist immer sehr schwierig) ist eine Fuge nicht besonders schwierig zu hören. Das Thema wird ja oft genug wiederholt ;) und fast immer dominiert auch bei Fugen mit obligaten Kontrapunkten oder mehreren Themen ein Thema das gesamte Stück. Die meisten Fugen sind überdies eher kurz (verglichen mit Sinfoniesätzen des 19. Jhd.). Gewiß gibt es auch einzelne sehr komplexe und lange Stücke bei Bach oder später beim späten Beethoven, aber das trifft auf fast jede andere Form zu.


    (ich finde freiere oder ältere polyphone Formen wesentlich schwieriger zu hören und zu erfassen)

    Eine gewisse Trockenheit liegt mitunter auch am Interpreten. Aber insgesamt gilt wohl wie immer, daß man Langeweile am besten vermeidet, indem man versucht möglichst genau zuzuhören, auf die Stimmen, das musikalische Geschehen zu achten. Vermutlich bleiben dann immer noch eine Anzahl langweiliger Fugen übrig. Die sind dann eben tatsächlich langweilig :D


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Mir geht es da ein wenig ähnlich wie dem Micha.


    Dies liegt wohl an meiner Art Musik wahrzunehmen und zu konsumieren begründet. Mir sind diese musikalischen Strukturen nicht so wichtig, dafür erfreue ich mich umsomehr an harmonischen oder tonalen Wendungen. Mir erschließen sich bspw. die Stimmeinsätze einer Fuge nicht intuitiv, sondern ich muss mich einem solchen Werk beschäftigen und dadurch eher analytisch nähern.


    Die Folge dieser Herangehensweise (sie ist kein Ergebniss eines bewussten Entwicklungsprozesses sondern hat sich bei mir bereits im Kindesalter so eingestellt), dass Werke, die ihren hauptsächlichen Reiz eben aus der Verarbeitung und Variation solcher Strukturen beziehen, für mich häufig eher reizlos sind. Dazu gehören Fugen, aber auch bspw. nach der Sonatenhauptsatzform verarbeitete Sinfoniesätze oder Variationswerke.


    Gleichwohl musiziere ich als Hobby-Musiker häufig Fugen (bspw. in Bach-Motetten), und hier erlebe ich gänzlich anders. Weil es eben hier eher um eine intellektuelle und analytische Annäherung an das zu musizierende Werk bedarf, erschließen sich mir musikalische Strukturen wie die verschiedenen Fugeneinsätze etc. recht einfach, zumal ja auch die Noten vorliegen.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • also....................


    meine Schwierigkeiten mit Fugen - "Ablehnung" ist mir zu krass, "gelegentliche Hörverweigerung" stimmt allerdings schon - scheint (und das wird mir grade selbst erst recht bewusst !)
    1) sich recht stark auf ORGELfugen zu beziehen !
    2) mir weit eher ein emotionales Problem als ein solches der Durchhörbarkeit zu sein


    ... könnte durchaus psychisch tiefer gehen und mag hier fürs Forum nicht mehr recht taugen ;)
    (zumindest habe ich derzeit nicht die rechte Lust/Zeit, öffentlich drüber nachzusinnen...)


    Ich benenne diesen Thread aber einfach mal um in
    WELCHE ORGELFUGEN / WELCHE INTERPRETATIONEN VON ORGELFUGEN SIND FÜR EUCH BESONDERS "SCHÖN", "SPANNEND" ODER "MITREISSEND" ??


    :hello:
    micha


    PS
    Ich meine ich kenne obigen Spruch aus Gerhard Nestlers 1bändiger Musikgeschichte von 1962...
    DIE müsste ich(halbzerfleddert ist sie mittlerweile :wacky:) erstmal wieder finden und querlesen...
    ...glaube aber Nestler liefert hier keine Quellenangabe......

  • Interessante Überlegungen, die ich als sichtlich oft recht gedankenlose Musikkonsumentin - bzw. -genießerin noch nicht hatte.
    Mein Vater ist vom künstlerischen Beruf her Organist, spielt und spielte auch immer wieder Konzerte (er ist in Fachkreisen ziemlich bekannt und darüberhinaus auch wirklich gut). Was heißt, dass ich von Kindheit an immer wieder viele Orgelfugen gehört habe.


    Nun ich liebe sämtliche Bach-Fugen über alles. Und wenn ich drüber nachdenke, geht das dabei so vor sich: In der Anfangsphase begreife ich die Fuge irgendwie intellektuell. Und dann - je polyphoner es wird - tauch ich ein in eine Art magische Welt, da hat diese Musik etwas absolut Hypnotisches, Meditatives.


    Funktioniert in diesem Ausmaß allerdings nur bei Bach.


    Lieber Micha, vielleicht wehrst du dich innerlich gegen diesen Übergang vom "Durchhörbaren" zum "Magischen"? :angel:


    Tolle Fugen hat in "neuerer" Zeit der Franz Schmidt geschrieben.


    Fade Kirchenfugen sind tatsächlich ein Greuel. Das ist irgendwie wie Kanonsingen.

  • Zitat

    Original von Brangäne


    Fade Kirchenfugen sind tatsächlich ein Greuel. Das ist irgendwie wie Kanonsingen.


    volkommen richtig. meine 'hass'fugen befinden sich übrigens in den schubert-messen. gerade bei den grandiosen as- und es-dur-messen zerstören sie in ihrer ewigen, ewigen leierei den ansonsten wunderbaren eindruck. :no: :no: :no: :no: :no: :no: :no: :no:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Fugen als Musikform sind das größte überhaupt - wobei es vor allem die Barockmeister sind, die die allerbesten Fugen geschrieben haben, also Bach, Händel, Albinoni, Vivaldi...


    Fugen von Mozart und Beethoven oder anderen Nicht-Barockern haben mich bisher so gut wie nicht erreicht. Irgendwie scheinen sie die Fugen nicht gut genug verfugt zu haben...


    Der Großmeister ist natürlich Bach, allerdings mit Händel hart auf den Fersen. Bach hat so viele wunderbare Fugen geschrieben, es ist ziemlich aussichtslos, sie alle zu benennen, deshalb Konzentration auf einige exemplarisch gute Fugen:
    - BWV 881 aus WTK II - beste mir bekannte Interpretation von Glenn Gould
    - BWV 565 (egal, was hier so darüber rumgemotzt wird), Alessio Corti
    - BWV 543, Alessio Corti und vor allem Alexis Weissenberg in der Transkription von Liszt
    - BWV 548, Alessio Corti
    - BWV 538, Miklos Spanyi


    Meine Händel-Favoriten auf Anfrage....


    Btw: Bachs Chromatische Phantasie und Fuge ist nicht in meinem Referenz-Set, um nicht zu sagen, weit außerhalb - und die Kunst der Fuge ist sehr gewöhnungsbedürftig - großartig und genial, aber nicht so mitreißend und so unglaublich gute Musik wie das, was ich oben erwähnt habe

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  • - ööhh ;)
    ...dass ich nicht willens bin, mich "der musikalischen Magie zu ergeben", glaub ich eigentlich nicht...
    - die INNIGKEIT der Mittelsätze von BWV 525-30 vermag ich durchaus zu geniessen...


    nach ca. 100 besuchten Orgelkonzerten in den letzten 25 Jahren habe ich allerdings stark den Eindruck,
    dass ich INNIGKEIT und/oder POSITIVE ENERGIE
    (meine "Wunschgefühle" sozusagen zumindest bzgl. 2 meiner 3 musikalischen "Hauptgebiete" (Alte Musik und Jazz))
    den Fugen weniger entnehmen kann als den Praeludien, Choralvorspielen etc. etc....


    HM...
    viell. hab ich einfach oft ein Problem mit der STRENGE dieser musik.Form...
    ...und IN MIR tut sich bei Fugen wirklich nur dann etwas wenn sie
    a) so für-mich-mitreissend gespielt sind wie vom von mir oben schon erwähnten Robert Hill die KdF
    b) oder eine gewisse Schlichtheit aufweisen wie z.B. in J.C.F.Fischers "Ariadne musica"
    c) oder SOO genialisch sind wie in Listzs (grade gestern ertmals im Konzert gehörten) Fantasie über "Ad nos, ad salutarem undam"


    - - - es bleibt spannend, mein Klärungsprozess in Sachen Fugen fängt grade erst an :yes:


    :hello:
    micha