Die Sinfonien 6 – 8 sind die einzigen zugleich thematisch und gestalterisch zusammenhängenden Werke unter den Sinfonien Haydns und tragen die Titel „Le Matin“ (Der Morgen) für Nr. 6, „Le Midi“ (Der Mittag) für Nr. 7 und „Le Soir“ (Der Abend) für Nr. 8. Es gibt sogar die Vermutung, dass eine vierte Sinfonie mit dem Titel „La Nuit“ (Die Nacht) verloren ging. Naja …
Ob alle Titel von Haydn selbst stammen, ist unklar. Die Namensgebung "Le Midi" geht wohl auf ihn selbst zurück. Es sind jedoch nicht nur die beigelegten oder von Haydn so gewählten Namen, die diese Sinfonien in einen Zusammenhang stellen. Auffällig ist, dass die Sinfonien vier Sätze, Nr. 7 „Le midi“ sogar fünf Sätze, aufweisen. Als dritter Satz liegt jeweils ein Menuett vor. Die drei Sinfonien sind an vielen Stellen von zahlreichen Soli geprägt, die vermutlich auf die hervorragende personelle Besetzung des Orchesters der Familie Esterházy schließen lassen. Deren Solisten hat Haydn in der Komposition dieser Werke besonders bedacht und herausgestellt. Haydn gibt ihnen die Möglichkeit, zu „brillieren“.
Bild: Schloss Eisenstadt - © Bwag/Wikimedia
Als Entstehungszeit dieser Sinfonien wird das Jahr 1761 angenommen. Es ist das Jahr, in dem Haydn seine Stelle als Vize-Kapellmeister am Hof Esterházy antritt. Vielleicht hat er sich mit diesen Sinfonien eingeführt und mit seinem musikalischen Programm und mit seinem Können vorgestellt. Ob er sich darüber hinaus auch bei seinen Musikern beliebt machen wollte, um seine Position gegen den ihm nicht gerade wohlwollenden Kapellmeister Werner stärker zu machen, ist wohl auch nicht ganz auszuschließen. Vielleicht hat Haydn mit der Komposition dieser Werke sogar eine Anregung seines Dienstherrn Prinz Paul Anton Esterházy aufgegriffen. Viele „vielleicht“s: sie erhellen die persönliche Situation des frischgebackenen Vizekapellmeisters an einem bedeutenden Hof.
Sinfonie Nr. 8 G-Dur "Le Soir"
Der 1. Satz (Allegro molto) weist 247 Takte und hat einen lebhaften Charakter mit eher wenigen solistischen Passagen.
Der 2. Satz (Andante) weist 129 Takte auf, solistisch treten 2 Violinen, Fagott und Cello auf. Eine Besonderheit ist dabei, dass das Fagott ansonsten meist nur im Continuo zu hören war.
Im 3. Satz (Menuetto) mit 84 Takten ist der Kontrabass im Trio als Soloinstrument zu hören (Vgl. u.a. auch in den beiden vorhergehenden Sinfonien sowie an anderer Stelle im 4. Satz von Sinfonie Nr. 31).
Der 4. Satz (La Tempesta. Presto) mit 141 Takten inszeniert einen Gewittersturm mit blitzewerfender Flöte, Soloviolinen, Soloinstrumenten und Orchester. Man kann sogar sogar die Violinen „regnen“ und „wehen“ hören.
Insgesamt lassen sich in der Sinfonie u.a. Traditionen des Concerto grosso und des Solokonzertes wiederfinden wie auch den modernen „Mannheimer Orchestersound“.
Bild: Schloss Esterházy: Haydnsaal
Das Klischee, dass erst die späteren Sinfonien Haydns ernst zu nehmen seien, soll hier nicht ernsthaft erörtert werden. Eine Hörprobe anhand der reichlich vorhandenen hervorragenden Einspielungen auf HIP (Concentus/Harnuncourt, Freiburger Barockorchester, Hanover Band/Goodman, Wiener Akademie/Haselböck) oder auch auf Non-HIP (Academy of St. Martin in the Fields/Marriner) reicht völlig aus, um sich für diese ungemein frischen, vitalen Meisterwerke zu begeistern.
Haydn führte sich mit diesen Sinfonien, unter denen die Nummer 8 „Le soir“ den Abschluss bildet, bei seinem neuen Dienstherrn und dessen Familie sowie auch in seinem Orchester gut ein. Die Beziehung zu seinem vorgesetzten Kapellmeister Gregor Joseph Werner war von diesem aus nicht ungetrübt, nannte dieser Haydn doch einen „Modehansel“ und "Gsangelmacher" und war durchaus nicht der hilfreiche kollegiale Vorgesetzte, der dem Jüngeren Türen öffnete. In der Aufteilung der Arbeit kam es zu einem Agreement, in dem Haydn für die weltliche Musik und die Leitung des Orchesters zuständig war, während der Chef die Vokalkapelle weiterführte und das Ressort der Kirchenmusik bearbeitete.
Bild: Fürst Paul II Anton Esterházy (1711–1762)
Für Haydn war es der Beginn eines Dienstverhältnisses, das er zumindest nominell 48 Jahre lang bis zu seinem Tod innehaben sollte, das ihm eine finanziell gut gestellte und wirtschaftlich sorgenfreie Existenz als Musiker und Komponist ermöglichte und das Haydn selbst überaus dankbar mit diesen Worten beschrieb: „wurde ich […] als Capell Meister bey S: Durchl: dem fürsten an- und aufgenohmen, allwo ich zu leben und zu sterben mir wünsche.“
Freundliche Grüße von Andrew, der dieser Sinfonie seinen 999. Beitrag widmet
Im Rahmen der Forenaktualisierung wurden statt der inzwischen aus dem Netz verschwundenen Bilder neue, ähnliche, eingefügt und auf dem Tamino-Server auf Forendauer gespeichert. MOD 001 - 18.6. 2017