Hamburg, Staatsoper und Lübeck, Theater, Wagner: Der Ring des Nibelungen

  • Zunächst habe ich unter "Gestern in der Oper" geschrieben, aber da ich auch den Rest des Ringes in beiden Häusern sehen werde, habe ich meinen Text noch einmal kopiert und setze ihn hier wieder ein.


    Die Hamburger Staatsoper und das Theater Lübeck haben für die laufende und die beiden folgenden Spielzeiten die gleiche Idee: den "Häppchenring", also in dieser Spielzeit Das Rheingold, in der nächsten die Walküre usw.


    Während ich mich immer noch wundere, warum es keine Absprachen zwischen den Häusern gibt, freu ich mich über die Möglichkeit eines Inszenierungsvergleiches eines kleinen (aber feinen) und eines großen Hauses.


    Dabei kommt Lübeck bei der Inszenierung gut weg. Ein pfiffiges Bühnenbild, der Grund des Rheines hat Rutschen auf denen die Töchter des Rheines hinabgleiten. Man sieht auch das Ufer in Form einer Kaimauer. Auch die Wiese vor Walhall fand ich überzeugend. Auch hier mehrere Ebenen die teilweise nur schwierig überwunden werden konnten. Die Riesen als Bauarbeiter mit Baucontainern. Ich fand auch Nibelheim überzeugend.


    Dagegen war das Bühnenbild in Hamburg die Rheinszene schon fast ärgerlich. Das Konzept war, dass die Götterfamilie ein großes Haus bewohnt. Die Wiese ist dabei der Dachboden des Hauses, wo eine gigantische Modelllandschaft stand (was ich gut fand), im Hintergrund das Fenster wodurch am Schluss die Familie zur Burg abtritt. Nibelheim lag im Heizungskeller, was ich sehr stark fand. Ärgerlich, weil mit Gewalt ins Konzept gepresst, die Anfangsszene. Die Töchter des Rheines im rosa Babydoll im Fluß-BETT. Das fand ich blöd. Auch das immerhin Titelgebende Rheingold, war erst ein goldener Schal, dann 20 Koffer und dann eine Ansammlung von Zetteln. Na ja, was soll’s. Da muss man als Hamburger eben durch.


    Die Inszenierung war in beiden Fällen aber gut. Die Figuren wurden gut geführt, keiner stand einfach nur rum und alle Details wurden sinnvoll eingebaut. Lübeck war etwas simpler und näher an der Ursprungsstory. Wotan schleppt seinen Speer mit sich herum und hat seine Augenklappe. Alberich verwandelt sich durch Umdrehen und Jacke ausziehen in den Drachen. Marilyn Freia wird in den Baucontainer eingesperrt und am Schluss fahren die Götter mit einer Baubühne hoch zur Burg. Das war gut rund und überzeugend. Hamburg war etwas gewollt, hatte aber mit der Nibelheim-Heizungskeller Szene die stärkste Idee: Die Verwandlung mit "Dampf" und Heizungsrohr. Das war Klasse und sehr stark. Auch auf die Nibelungen wurde verzichtet.
    Überragend und beeindruckend ist für mich jedoch der Hamburger Anfang: Das Theater ist stockfinster. Auch im Orchestergraben ist kein Licht. Aus dem Nichts beginnt das Vorspiel und man sieht nur den kleinen roten Punkt auf dem Taktstock. Nur Musik und der kleine rote Punkt. Das hat mich so beeindruckt, dass ich manchmal davon träume.


    Der Lübecker Orchestergraben ist für das Ringorchester zu klein und, ich bedauere es sagen zu müssen, das Werk für das Orchester zu groß. Der erste Aufzug war leider misslungen, weil wohl nicht genug geprobt. Es wurde mit Laufe des Stückes zwar besser, aber die Klarheit Hamburgs erreicht Lübeck leider nicht. Vielleicht habe ich auch besser hingehört und war besser auf Hamburg eingestellt: Ich konnte die Motive in Hamburg klarer erkennen und es gab auch keinen Wettkampf zwischen Sängern und Orchester.
    Als bekennender Simone Young Fan - und da bin ich in Hamburg nicht der einzige: Am Schluss gab es SIMONE, SIMONE-Rufe - glaube ich natürlich fest daran, dass es ihr Verdienst ist. Gut war allerdings das Hamburger Staatsopernorchester schon immer.


    Bei den Sängern fand ich in Lübeck Antonio Yang als Alberich und Veronika Waldner als Erda herausragend. Ausfälle gab es zwar nicht, aber in den Vordergrund haben sich Donner, Froh und Freia nicht gesungen.


    In Hamburg waren alle Partien ausgezeichnet besetzt und gesungen. Super war Falk Struckmann als Wotan, Jürgen Sacher als Loge, Alexander Tsymbalyuk als Fafner und die Töchter des Rheins (Woglinde: Ha Young Lee, Wellgunde: Vida Mikneviciute und Floßhilde: Ann-Beth Solvang). Wolfgang Koch hatte als Alberich nicht die gleiche Präsenz wie Antonio Yang in Lübeck, auch Patrick Busert hat mir als Mime in Lübeck besser gefallen als Jürgen Sacher in Hamburg, wobei beide wirklich ausgezeichnet gespielt und gesungen haben.


    Zusammengefasst: Lübeck war kurzweilig, stimmig und hatte tolle Darsteller (Antonio Yang, Patrick Busert und Veronika Waldner). Hamburg hatte die größeren Höhen (der rote Punkt und Heizungskeller, Orchester) und blöderen Ideen (rosa Babydoll und Fluß-BETT). Die Inszenierung ist ein (knapper) Punktsieg für Lübeck und die Musik geht eindeutig nach Hamburg. Ich bin froh beides gesehen zu haben.


    Ich freue mich schon auf die nächste Spielzeit. Natürlich gehe ich noch einmal in Rheingold und freue mich schon darauf, dass Veronika Waldner die Fricka singt und natürlich besonders auf den roten Punkt.


    Für die Walküre in Hamburg habe ich eine der letzte 4 Premierenkarten und für die Walküre in Lübeck noch nicht.
    Ich kann es kaum erwarten....

  • Danke JL für den Bericht. Das Hamburger Rheingold habe ich ebenfalls schon gesehen und war musikalisch angetan - ich freue mich, dass Oehms den gesamten Ring schrittweise veröffentlichen wird. "Der rote Punkt" hat sich auch bei mir eingebrannt... :yes:
    Im Oktober bin ich dann im Lübecker Rheingold, am Tag zuvor in der Hamburger Walküre bzw. am Tag darauf im Bremer Rienzi.
    Da freu ich mich schon auf geballten Wagner !

  • Schon 10 Tage vor der Premiere konnte ich jetzt auch endlich Karten für Lübeck bekommen.
    Bei der Besetzung fällt auf, dass meine Lübecker Lieblingssängerin Veronika Waldner 2 Partien singt. Im Rheingold hatte sie als Edda einen glänzenden Auftritt.
    Die Besetzung:
    Siegmund Andrew Sritheran
    Hunding Andreas Haller
    Wotan Stefan Heidemann
    Sieglinde Morion Ammann
    Brünnhilde Rebecca Teem
    Fricka Veronika Waldner
    Helmwige Anna Baxter/Velina Bozhilova
    Gerhilde Sonja Freitag
    Ortlinde Hyo-Sung Na
    Waltraute Veronika Waldner
    Siegrune Roswitha C. Müller
    Roßweide Sandra Maxheimer
    Grimgerde Frauke Willimczik
    Schwertleite Elena Suvorova


    Ich freue mich schon sehr!


    Übrigens liebäugele ich auch mit Rienzi. So oft ist er in Norddeutschland nicht zusehen. Und dann noch in der Inszenierung der Kronprinzessin...

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  • Hallo JL,


    wer dirigiert denn in Lübeck? GMD Brogli-Sacher?


    Vielleicht kannst Du zum Dirigat nach der Vorstellung auch noch etwas berichten.


    Elena Suvorova habe ich als Preisträgerin beim Internationalen Gesangswettbewerb Festspielstadt Passau 2007 - eine sehr beeindruckende Altistin, auf deren weitere Entwicklung man gespannt sein darf!



    LG, Elisabeth

  • Zitat

    Original von JL
    [I]



    Überragend und beeindruckend ist für mich jedoch der Hamburger Anfang: Das Theater ist stockfinster. Auch im Orchestergraben ist kein Licht. Aus dem Nichts beginnt das Vorspiel und man sieht nur den kleinen roten Punkt auf dem Taktstock. Nur Musik und der kleine rote Punkt. Das hat mich so beeindruckt, dass ich manchmal davon träume.


    ..



    Das hört sich wirklich wunderschön an, gerade dieses Vorspiel in einem total dunklen Saal musiziert zu bekommen...bin neidisch auf dieses Erlebnis !


    Gruss aus Wien,


    Louis

  • Auch wenn das Theater in Lübeck etwas mit Informationen geizt - die Besetzung habe ich erfragt, auf der HP steht sie nicht und die Proben haben Sie auch noch nicht fotographiert - liegt die musikalische Leitung in der Tat bei GMD Brogli-Sacher.


    Beim Rheingold auch unter seiner Leitung - zumindest in der Vorstellung die ich gesehen habe - mußte das Orchester sich erst einmal warmspielen. Ob das nun am Dirigat lag oder mehr an einzelnen Mitgliedern des Orchesters, wer weiß... Es hat dem Abend insgesamt keinen Abbruch getan. Man kann ja das ganze nicht anhalten und noch einmal von vorne anfangen und es wurde im Laufe des Abends immer besser.


    Das Theater in Lübeck ist gerade mit ihm als Operndirektor sehr beachtenswert und hat ein gutes Programm. Ich ärgere mich z.B. immer noch, dass ich in der letzten Spielzeit nicht in die Elegie der jungen Liebenden gegangen bin, aber das ist ein anderes Thema. Und: Das Haus macht eine ausgezeichnete Öffentlichkeits- und Kulturarbeit.


    Zusammengefasst: Ich werde sehr gerne über meinen Besuch berichten und werde auch versuchen etwas zu BS zu schreiben.

  • Die Walküre eröffnet die Theaterspielzeit in Lübeck
    Nach dem fulminanten Auftakt zu "Der Ring des Nibelungen" mit dem Vorabend "Das Rheingold" im Herbst 2007 setzt das Theater Lübeck seine Neuinszenierung des "Bühnenfestspiels für drei Tage und einen Vorabend" von Richard Wagner ab dem 7. September 2008 mit dem "Ersten Tag: Die Walküre" fort.


    Erzählte der Vorabend noch von den Rheintöchtern, Göttern, Nibelungen und Riesen, so beginnt nun die Geschichte der Menschen: Es herrscht Krieg. Auf der Flucht kommt Siegmund ins Haus des Hunding, wo er von dessen Frau Sieglinde gastlich aufgenommen wird. Was beide erst allmählich erahnen: Hunding gehört zu Siegmunds ärgsten Feinden, sie selbst sind Geschwister, die im Krieg getrennt wurden. In seinem großen Plan hat der Göttervater Wotan sie dazu ausersehen, als geschwisterliches Liebespaar den menschlichen Helden zu zeugen, der den Göttern aus der Klemme helfen soll. Lange schon weiß auch Siegmund, dass ihm einst ein Wunderschwert namens Nothung in höchster Not helfen soll. Doch Wotan gerät mit seinem Plan in ein neues Dilemma: Als Hüterin der Ehe ist seine Frau Fricka strikt gegen die Verbindung zwischen Siegmund und Sieglinde. Sie fordert Siegmunds Tod. Wotans Tochter aber, die Walküre Brünnhilde, ist bereit, Siegmund im Kampf gegen Hunding auch gegen einen väterlichen Befehl zu retten. Wie wird Wotan sich entscheiden?


    Mit seiner Sängerbesetzung wird das Theater Lübeck an das vielgepriesene "Wunder der Lübecker Wagnerstimmen" (FAZ) aus der Produktion "Das Rheingold" anknüpfen: Es gibt ein Wiedersehen und -hören u.a. mit Veronika Waldner als Fricka und Stefan Heidemann als Wotan. Marion Ammann, die bereits als Isolde ("Tristan und Isolde") und Elsa ("Lohengrin") mit ihrer leuchtenden Stimme tiefen Eindruck hinterließ, wird als Sieglinde nach Lübeck zurückkehren. Ihr Lübeck-Debüt geben der neuseeländische Tenor Andrew Sritheran als Siegmund und die amerikanische Sopranistin Rebecca Teem als Brünnhilde.


    Die musikalische Leitung hat GMD und Operndirektor Roman Brogli-Sacher, der zusammen mit Regisseur Anthony Pilavachi und seinem Ausstattungsteam, bestehend aus Momme Röhrbein (Bühne) und Angelika Rieck (Kostüme), die mitreißende szenisch-musikalische Konzeption des "Rheingold" fortsetzen wird.


    Mit der Premiere "Die Walküre" geht außerdem das Lübecker "Wagner/Mann-Projekt" in die zweite Runde: In Kooperation mit dem Schauspiel des Theater Lübeck, das als neue Dramatisierung des berühmtesten Wagner-Fans und -Kenners des 20. Jahrhunderts den »Zauberberg« auf die Bühne bringt, sowie mit anderen Kulturinstitutionen der Stadt spürt das Theater Lübeck weiter den vielschichtigen Verbindungen zwischen Thomas Mann und Richard Wagner nach.


    Musikalische Leitung: Roman Brogli-Sacher
    Inszenierung: Anthony Pilavachi
    Bühnenbild: Momme Röhrbein
    Kostüme: Angelika Rieck
    Mit: Marion Ammann, Anna Baxter / Velina Bezhilova, Sonja Freitag, Hyo-Sung Na, Sandra Maxheimer, Roswitha S. Müller, Elena Suvorova, Rebecca Teem, Veronika Waldner, Frauke Willimczik; Andreas Haller, Stefan Heidemann Andrew Sritheran
    Kostprobe: Mittwoch, 3. September 2008, 18.30 Uhr, Großes Haus, Eintritt frei
    Einführungsveranstaltung: Sonntag, 7. September 2008, 110 Uhr, Leiter: Stefan Mikisch, Kammerspiele
    Premiere: Sonntag, 7. September 2008, 17 Uhr, Großes Haus
    Weitere Vorstellungen: Sonntag, 21. September, 16 Uhr, Freitag, 3. Oktober, 17 Uhr, Großes Haus
    Ende Pressausschnitt. Quelle:
    http://www.hl-live.de/aktuell/text.php?id=45422


    Ich freue mich schon seit Wochen sehr.


    Es gab schon Probenfotos in den Lübecker Nachrichten zu sehen. Zudem wurden Videoprojektionen versprochen. Neben einer musikalischen Verzahnung der Teile des Rings durch die Leitmotive tritt dann auch die optische durch Bilder aus dem Rheingold. Um mal aus einem anderen Thema zu zitieren:
    Ich finde das ausgesprochen spannend....

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  • Es war Klasse. Gesang, Regie, Musik, Kostüme, Technik: Alles hat gepasst. Die Lübecker Walküre ist sehenswert. Herausragend das liebende Geschwisterpaar Marion Ammann als Sieglinde und Andrew Sritheran als Siegmund. Auch wenn sie nicht blond waren und überhaupt nicht blond gespielt haben: Mich überkommt immer wieder ein schauer, wenn ich an den ersten Aufzug denke und meine damit ausdrücklich Spiel und Gesang.
    Natürlich spielt auch das Regiekonzept dem Paar in die Hände: Während Hunding stocksteif, lieblos und brutal daherkommt ist Siegmund weich,warmherzig und sanft. Sieglinde funktioniert in ihrer durch den Krieg zerstörten Bruchbude. Das sie dies unter dem Eindruck von Gewalt tut ist offensichtlich: Ängstlich versteckt sie das Glas mit dem köstlichen Met,darf nicht einmal den Einkauf erledigen, emsig serviert sie das Mahl – ein Mikrowellengericht. Hundings Haus ist ein Wellblechpalast, der von einer Treppe, einem Sofa und der Kücheecke (bestehend aus umgestürzten Herd und Mikrowelle besteht) und zur Seite geschobenen Gerümpel dominiert wird. Wie sehr fällt Hundings Stolz mit der Realität auseinander: Durch die kaputte Tür (die wir nicht sehen können) weht Laub (und am Schluss des Aufzugs der Frühlingswind, im übrigen eine reizende Idee), Sieglinde - der er vor Beginn des Vorspiels einen Abschiedkuss gibt – erwidert offensichtlich nichts und auch das von ihm herangeschaffte Essen wird von niemanden angerührt. Schade ist dass Andreas Haller so gegen Marion Ammann und Andrew Sritheran abfällt. Ermacht sonst - z.B. im Rheingold als Riese - ein gute Figur.


    Im zweiten Aufzug finden wir uns im Schlafgemach des Machthabers Wotan(nicht so brilliant:Stefan Heidemann). Alles fügt sich nach seinem Plan: In seinem mit Gold bezogenen Bett kann er per Projektion die Flucht seiner Kinder folgen. Brünhild (zwischen großartig und sehr ordentlich schwankend: Rebecca Teem)– in Top Gun – Gestus und Fliegeroverall und durch an Enterprise erinnerde High-Tec Türen auf- und abtretend - nimmt seinen Befehl entgegen, Siegmund zum Sieg zu verhelfen. Doch die Rechnung hat er ohne Fricka gemacht. Nach ihrem Einkauf – sie trägt diverse Taschen Lübecker Geschäfte – verlangt sie Siegmunds Tot. Fricka – wie immer ist Veronika Waldner phantastisch – hat nichts mehr übrig für diese Person: Nur die Form und Regeln zu waren verlangt sie. Wotan gibt auf, berichtet Brünhild vom Rheingold und ändert seinen Befehl. Per Projektion die Wotan per Fernbedienung anwirft, sehen wir eine Zusammenfassung des Rheingolds und auch der Geschichte zwischen Rheingold und Walküre, denn schließlich gebiert Erda von Wotan Brünhild. Gerade diese Bebilderung des Wotanmonologs ist vielleicht das Stärkste dieser Inszenierung. Die Bühne ist wie im Rheingold in mehrere Bereiche aufgeteilt: Der Bereich der Menschen und der der Götter. Konsequent findet die 2te Szenen deshalb im vorderen Bereich der Bühne, in der Welt statt. Hier wieder das so überragende Liebespaar. Der Kampf zwischen Hunding und Siegmund findet dann im Götterbereich statt. Kein Wunder dass Siegmund trotz Nothung keine Chance hat. Ein Kampf ist es ohnehin nicht, denn Siegmund steht im Nebel und Hunding erschießt ihn aus dem Off, nachdem Wotan Siegmund das Schwert aus der hand geschlagen hat. Auch Blut nähmlich das von Siegmund fließt.


    Der dritte Aufzug startet mit der Elitegarde Wotans: Die langhaarigen Flieger-Walküren scannen die Gesichter der gefallenen Helden in ihren weißen Särgen ein. Auch hier die Pojektion. Das die Gesichter offensichtlich Amerikaner sind (im Hintergrund kann man Stars and Stripes erkennen) kann ich nicht wirklich einordnen. Die Gesichter liefen schon im zweiten Aufzug an der Wand. Stark der Auftritt in den Flugzeughanger (?) in dem der Aufzug spielt: zwei Walküren werden per Fallschirm abgesetzt, eine davon hängt offensichtlich 10 min. im Schnürboden, Respekt! Zwar ist das „Geschnatter“ der Walküren in diesem Zusammenhang seltsam, trotzdem überzeugt die durch den Text gestützte Idee die Walküren als Fliegerelite zu zeigen. Überzeugend auch der Gesang: Klar und präzise. (Und auch in diesem Aufzug mach Marion Ammann als Sieglinde den stärksten Eindruck.) Brünhild verliert als Zeichen ihrer Degradierung ihren Overall und steht im weißen Hemdchen da, ein ebensolches trägt übrigens auch Sieglind. Der Machthaber Wotan trägt dagegen eine weiße Uniform. Schade, dass Stefan Heidemann als Wotan nicht vollständig überzeugt: sehr gut im Spiel, etwas zu leise im Gesang und ausgerechnet im „Leb wohl“ nicht einig im Tempo mit dem Orchester. Schade, denn das ist das einzige Mal an diesem Abend, wo der musikalische Guß gestört ist und das ausgerechnet im – sonst doch so beeindruckenden – Finale.


    Zu wenig gewürdigt ist bisher das gute Bühnenbild: Das Wellblechmaterial aus dem Rheingold ist aufgegriffen. Bildet es hier noch die Rückwand vor dem Baucontainer stehen, so ist es hier bevorzugtes Baumaterial. Hundings Hütte, Wotans Komando-Schlafzimmer, die Projektionsfläche und der Flugzeughanger bestehen daraus. Das passt und überzeugt. Krass steht die Wiese in der Vorderbühne dagegen: Nur wenig Natur und menschliche Wesen stehen dagegen. Auch der Gott wird zum Schluss wieder geerdet: Im Schlussbild sitzt er ohne Uniformjacke vor dem Vorhang – auch er eine Wellblechwand mit Tür – die allerdings nie genutzt wird. Auch dies ein starkes Bild: Sein Hoffen liegt nun im Menschen.


    Überzeugend – im Gegensatz zum Rheingold von Anfang an – das Orchester, auch wenn es manchmal etwas dünn klang. Vielleicht wurde das eine oder andere Instrument aus Platz- oder Besetzungsmangel weggelassen. Immerhin 2 Harfen, im Rheingold erinnere ich mich nur an eine. Wenn der nicht ganz gelungene Schluss - mit dem nicht auf den Sänger Rücksicht genommenen Tempo – gewesen wäre, hätte ich nichts zu beanstanden. GMD Roman Brogli-Sacher erhält daf konquenter weise drittgrößten Applaus


    Das Publikum nahm die Walküre mit Begeisterung auf: Bravorufe und langanhaltender Applaus nach jedem Aufzug, viermal traten die Sänger nach dem 2ten Aufzug vor den Vorhang, und langanhaltender Jubel nach dem Schlussvorhang. Die 2 Buhrufer für die Regie wurden durch Bravorufe überdeckt und waren nicht mehr zu hören.


    Es war Klasse und ich freue mich schon auf Siegfried.


    Mal sehen ob Hamburg nachlegt!

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  • Zitat

    Original von JL
    Auch wenn sie nicht blond waren und überhaupt nicht blond gespielt haben


    Verzeihung, aber warum bitte sollten Siegmund und Sieglinde "blond" sein und was bitte muss ich mir unter "blond spielen" vorstellen?

  • Aus dem gesamten Text ist das die unbedeutenste Stelle. Natürlich müssen S+S nicht blond sein. Es wäre blöd, wenn dies hier intensiv diskutiert werden würde. Es bedeutet nämlich gar nichts. Es sollte nur Ausgangspunkt für das Lob des ausgezeichneten Spiels und Gesangs Marion Ammanns und Andrew Sritherans sein. Sie sahen dazu beide auch noch toll aus und man kann ihnen auch optisch die Geschwisterschaft abnehmen.


    Inzwischen habe ich die Kritiken in Hamburger Abendblatt, Bergedorfer Zeitung, Welt und Lübecker Nachrichten gelesen und alle waren sehr gut bis ausgezeichnet und bei allen schnitten die beiden am besten ab. Auch Stefan Heidemann schneidet hier überall gut ab, villeicht war ich zu kritisch und vielleicht habe ich mir das Tempoproblem am Schluss nur eingebildet. Sicher bin ich mir aber, dass ich "Lebwohl" - allerdings aus der Konserve - schon besser gehört habe. Die "Winterstürme" jedoch nicht.

  • Lieber JL,


    ich habe Dein Zitat aus dem Wagner-Forum aus urheberrechtlichen Gründen entfernt. Ohne die Erlaubnis des Autors dürfen wir einen Beitrag nicht im Forum abdrucken.


    Ich bitte um Verständnis


    Liebe Grüße Peter

  • Hätte ich auch selber darauf kommen können. Sorry. Ich habe den Bericht vor allem auch fachlich für besser als meinen gehalten. Ich bin schließlich nur begeisterter Laie.


    In diesem Bericht von der Premiere wurden insbesondere 3 Punkte deutlich stärker/ anders bewertet als bei mir:


    Die Leistung von Stefan Heidemann als Wotan wird gesanglich und darstellerisch gelobt. Auch Brünnhilde Rebecca Teem wird - mangels guter Besetzungen für diese Rolle - viele Engagements für die Zukunft vorher gesagt. Deutlich besser als ich wurde der zweite Aufzug analysiert. Auch für mich wichtige Abschlussfrage: Kann des Hamburger Ring da mithalten?
    Bestehen den Bedenken wegen eines Links zu diesem Text?

    Einmal editiert, zuletzt von JL ()

  • Alfred bittet darum, Links auf andere Seiten moderat zu setzen:


    Links


    Vorgeschlagen wird, die Links in Anführungszeichen zu setzen, dann sind es keine direkten Links mehr, können aber bei Bedarf leicht kopiert und benutzt werden.


    Liebe Grüße Peter

  • Ein Link ist aber im Grunde nicht notwendig. Wer es nachlesen möchte, muss "Walküre Lübeck" googln und hat den Text.


    Der vorsichtige Umgang mit Links und die Beachtung des Urheberrechts ist richtig und sinnvoll. Kulturschaffenden entgeht so viel an potentiellen Einkommen durch die Verletzung von Urheber- oder Verwertungsrechten, dass gerade in einem Forum wie diesem darauf geachten werden muss. Zudem geht ja die Mähr, dass man durch die allgemeine Verlinkung mit 7 Klicks überallhin gelangen kann. Zudem befinden wir uns ja nicht im deutschen sondern im österreichischen Rechtsraum (glaube ich zumindest). Das alles wäre ein schönes eigenes Thema und irgedwer hat es sicherlich hier schon losgetreten.


    Ich werde in Zukunft den Verantwortungsvolleren Umgang von Link und Zitat in meinem Herzen bewegen.


    Trotzdem war die Walküre in Lübeck klasse und dies das eigentliche Thema!

  • Der Lübecker „Ring“ wird hier in Düsseldorf ebenfalls mit großem Interesse verfolgt, gastiert doch mit Stefan Heidemann ein hochgeschätztes Ensemblemitglied der Rheinoper im hohen Norden. Es ist doch immer ein gewisses Risiko dabei, wenn ein lyrischer Bariton den Schritt wagt, (in der Provinz) den Wotan zu singen (Im Düsseldorfer Ring ist er als Gunther und als Donner dabei, bei uns singt den Wotan John Wegner) und dann auch gute Kritiken bekommt. Das erfüllt uns mit Stolz auf unseren Sänger, der nicht nur ein beliebtes langjähriges Mitglied ist, sondern auch dem Betriebsrat der Rheinoper angehört, wo er sich vorbildlich für die Interessen der Kollegen einsetzt.
    In diesem Forum habe ich ihm mehrfach lobend erwähnt, als Peter Homonay im „Zigeunerbaron“; Sebastiano in „Tiefland“; aber auch als einfühlsamer Grabredner bei der Bestattung seines Freundes, des Tenors Helmut Pampuch.


    Weiterhin viel Erfolg und Freude beim „Ring“ in Lübeck!


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Am Rande der Hmaburger Theaternacht habe ich gehört, es habe eine Umbesetzung gegeben: Brünnhilde Lisa Gasteen hatte einen Unfall und kann derzeit nicht auftreten.

  • Ich kann es kaum erwarten und freue mich schon riesig auf nächsten Sonntag. Die Besetzung finde ich beachtlich:


    Siegmund: Stuart Skelton
    Hunding: Mikhail Petrenko
    Wotan: Falk Struckmann
    Sieglinde: Yvonne Naef
    Brünnhilde: Deborah Polaski
    Fricka: Jeanne Piland
    Helmwige: Miriam Gordon-Stewart
    Gerhilde: Hellen Kwon
    Ortlinde: Gabriele Rossmanith
    Waltraute: Maria-Cristina Damian
    Siegrune: Katja Pieweck
    Roßweiße: Renate Spingler
    Grimgerde: Ann-Beth Solvang
    Schwertleite: Deborah Humble


    Petrenko hat Hunding in Aix-en-Provence gesungen und ich fand es Super, soweit man es am Fernseher beurteilen kann. Natürlich kann man das Spiel Bühne-Fernsehen nicht vergleichen, aber ich fand ihn sehr beeindruckend. Meine Ensemblelieblinge sind auch dabei, wenn auch nur im dritten Aufzug.
    Struckmann war in Rheingold schon toll, aber die Wotanparty ist in den Walküren - so glaube ich zumindest - noch eine andere Nummer.


    Ich habe noch nichts gehört, wie das Regiekonzept angelegt ist. Kinderzimmer, Heizungskeller und Dachboden sind durch. Kommt in den Walküren Pförtnerhaus, Gästezimmer und Speisekammer d´ran?


    Scherz beiseite: Ich kann mir nicht vorstellen, wie das Konzept sinnvoll weitergeführt wird. Spannend wird es, wenn Siegfried wieder auf die Töchter des Rheins trifft. Da ja genügend Zeit vergangen ist, bleiben uns hoffentlich die Babydolls erspart. Aber erst mal die Walküre.


    Egal: Ich freue mich. Ich freu mich auf das Vorspiel, den ersten Aufzug, den zweiten Aufzug und ganz besonders auf den 3ten und die letzten 20 min..


    Über eines freue ich mich aber nicht, nämlich, dass Rheingold in dieser Spielzeit nur 3mal gegeben wird. Und alle 3 Termine sind weit von den Walkürterminen weg. Das finde ich sogar ziemlich blöd!

  • Zitat

    Original von JL


    Über eines freue ich mich aber nicht, nämlich, dass Rheingold in dieser Spielzeit nur 3mal gegeben wird. Und alle 3 Termine sind weit von den Walkürterminen weg. Das finde ich sogar ziemlich blöd!


    Schon in der letzten, also der Rheingold-Uraufführungsspielzeit gab es viel zu wenig Rheingold-Aufführungen. Und das, obwohl die meisten Sänger aus dem Ensemble besetzt worden sind. Für mich war das total unverständlich. Wenn man dann das große Rundumprogramm sieht - das ich gut finde -, dann besteht ein arges Missverhältnis zwischen Vorspeise und Hauptspeise.


    Karten für die Walküre habe ich auch schon. Und ich freue mich natürlich ebenfalls.


    Viele Grüße
    Thomas

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  • Für alle, die nicht selbst dabei sein können:


    NDR Kultur -
    Live aus der Staatsoper Hamburg |
    19.10.2008 17:55 Uhr
    "Die Walküre" von Richard Wagner


    Zitat

    Nach der Premiere des "Rheingolds" im März 2008 wird nun auch der zweite Teil der Tetralogie "Der Ring des Nibelungen" von Richard Wagner mit Spannung erwartet. Regisseur Claus Guth siedelte die Götterwelt des "Rheingolds" im kleinbürgerlichen Milieu an - nach einer verheerenden Flutkatastrophe raubt Alberich im Flussbett des Rheins den Rheintöchtern ihren legendären Schatz und lässt sich daraus einen Ring schmieden, der die Herrschaft über die Welt verspricht. Doch der Gott Wotan stiehlt diesen Ring. Die weise Göttin Erda warnt ihn vor dem verhängnisvollen Ring - tatsächlich erleben wir bereits in der "Walküre" einen Gott, der nicht mehr herrschen kann, wie es ihm gefällt. Seinen Lieblingshelden Siegmund muss Wotan töten lassen, seine Lieblingswalküre Brünnhilde muss er aus seiner Nähe verbannen. Es singen Stuart Skelton, Tenor (Siegmund), Mikhail Petrenko, Bass (Hunding), Falk Struckmann, Bass-Bariton (Wotan), Yvonne Naef, Sopran (Sieglinde), Deborah Polaski, Sopran (Brünnhilde), Jeanne Piland, Mezzosopran (Fricka) u. a. Es spielen die Philharmoniker Hamburg unter der Leitung von Simone Young.


    (Sonntag, 19. Oktober, 17.55 - 24.00 Uhr, NDR Kultur)


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Heute steht in der Zeitung Herr Guth habe kein gemeinsame Konzept für den Ring und arbeite mit dem Fragmenthaften der 4 Werke. Das fände ich allerdings erbärmlich, denn dann bräuchte man den ganzen Zinober der in Hamburg gemacht wird nicht auch nicht zu machen.
    Ich hatte ja schon gemutmaßt, dass die Bett- und Babydoll-Idee schwer weiterzuführen sei. Das einfach auf den Müll der abwegigen Ideen zu schmeißen finde ich blöd. Kann man mir mal erzählen, warum dann Herr Guth dann alle 4 Teile inszeniert? Wenn sie ohnehin kein gemeinsames Konzept haben könnten doch gleich 4 verschiedene Personen einen Blick auf Ihre Sichtweise des Ringes geben.
    Vielleicht ist es ja gar nicht so und es gibt irgendwo doch einen rote Faden.
    Die Bilder auf dem Internetauftritt der Staatsoper und im Hamburger Abendblatt fand ich allerdings vielversprechend. Ein Bild aus dem ersten Aufzug zeigt S&S und S&S in jünger. Das finde ich eine interssante Idee. Auch der Feuerzauber wird glaube ich ganz cool.


    Es gab eine sehr gute Vorbereitungssendung auf NDR Kultur die ich (leider etwas zu spät) gehört habe. Ich bin vor allem auf den ersten Augzug gespannt.

  • Zunächst war ich geschockt: Wer ist Thomas J. Mayer? Jetzt weiß ich es. Zuvor hatte nicht nur ich böses geahnt, als Simone Young vor den Vorhang trat und bekanntgab, dass besagter Herr Mayer singt und der stimmlose Falk Struckmann spielt. Kann ein neues Ensemblemitglied den in aller Welt den Wotan singenden Falk Struckmann ersetzen? Er konnte. Und wie.
    Aber von vorne:
    Eine grandioser Opernabend mit einer tollen Deborah Polaski als Brünhilde als Spitze. Auch Stuart Skelton als Siegmund und Yvonne Naef als Sieglinde haben mir sehr gut gefallen. Schade, dass die Regie Ihnen die Chance nahm eine glaubwürdige Liebesszene im ersten Aufzug zu spielen. Die Stimmen passen gut zusammen und es wäre schön gewesen, wenn die beiden sich wenigstens einmal hätten ansehen dürfen. Klasse war Mikhail Petrenko als Hunding mit einer tollen Stimme und vielleicht der besten schauspielerische Leistung des Abends.
    Der erste Aufzug war Planspiel. Auf einer Großen Spielkonsole fand das Geschehen in Hundings Haus statt. Konsequenterweise mußten die
    Darsteller statisch agieren und eine MultifunktionsTür/Esche fuhr hin und her. Nett die Idee quasi als Rückblende Wotan das Schwert Live in die Eschenfahrtür zu stecken. Klasse, aber nicht ganz ausgereift der Auftritt von Klein-Siegmund und Klein-Sieglinde. Sie schreiten herum, so wie es Wotan auch während des ersten Aufzugs tut.


    Der arme Falk Struckmann fand (als Playbacksänger) im zweiten Aufzug nicht die rechten darstellerischen Mittel, er überzog etwas. Im dritten Aufzug war er aber sehr präsent und hatte eindrucksvolle Moment, z.B. als er im Finale in den Spiegel blickte. Überhaupt knüpft der 2te Aufzug auch endlich an Rheingold an, wenn auch nur durch von dort bekannte Requisiten. Das Überdimensionale Modell aus der 2ten und Vieretn Rheingoldszene steht hochkant an der Wand und auch das große Fenster kennen wir schon. Und die Spielkonsole, jetzt in Klein mit Siegmund, Sieglinde, Hunding und Eschenfahrtür-Modell, erinnert an den Leuchtkasten aus Alberichs Heizungskeller. Wotan ist ein Planer und Modellbauer. Er entwirft und verwirft und verheddert sich in seinen Plänen.


    Als Brünhilde Siegmund den Tod ankündigt schreiten gefallene Helden auf beide zu. Das ist ebenso eindrucksvoll wie die Duellszene mit einem malerisch hingegossenen Toten Siegmund - Stuart Skelton.


    Im dritten Aufzug fehlen die Toten ganz. Stattdessen fahren die Kellerkind-Walküren mit ihren Doppelstockbetten durch die Gegend. Das hört sich blöd an, ist aber interessant. Das Bühnenbild hat 2 Ebenen: Die Walhall-Ebene und den Walkürenkeller in den man mit einer Leiter hinab steigen muß. Das sah übrigens mehr als halsbrecherisch aus und ich fand es bewundersnwert wie souverän Deborah Polaski nicht nur die Leiter herauf und hinterkletterte sondern auch dabei noch gesungen hat. Überhaupt war sie stark in Darstellung und Gesang.


    Die Regie war interessant, aber nicht konsequent und da wo eine gute Idee aufblitzt (Sieglinde und Siegmund als Kinder oder der auftretende Hagen)wird zuwenig daraus. Überhaupt fand ich ein bisschen zuviel geschritten wurde: Wotan, Siegmund& Sieglinde als Kind, Hagen, die Toten Helden (übrigens einen Aufzug zu früh), der Tote Siegmund, sie alle schreiten als "lebendes Leitmotiv" um die Protagonisten und zumindest im Falle Hagens muß man den Text schon sehr genau kenenn um zu wissen, wer da gerade langlief.


    Der Text spielte für das Regiekonzept eine untergeordnete Rolle. Sinn machte es nämlich nicht, was z.B. die Kellerkinder-Walküren da gesungen haben. Trotzdem gefiel mir die Idee sie quasi als Reserve-Armee im Keller zu haben. Es waren eben auch starke Elemente in der Regie: Das Schatten und Spiegelspiel in der Schlußszene, die Details beim Abschied (Wotan stellt Brünhilds Stiefel hin statt ihr einen Helm aufzusetzen)und der effektvolle Umgang mit den Ebenen! Wie dürftig war es dagegen, dass tatsächlich ein 4 cm, hohes Feuerchen im Feuerzauber aufflackerte. Wenn alle anderen Klischees nicht bedient werden, warum denn gerade das?


    Grandios war mal wieder Simone Youngs: Die Musik war voller Energie, Lebhaftigkeit und Tempo. Leider gab es im Blech ein paar Mißtöne. Dafür gab es dann etwas kürzere Bravorufe.


    Es war ein gelungener Abend und das nicht zuletzt wegen Thomas J. Mayer, der in 6 Stunden als Ersatzsänger eingespungen war und es super gemacht. Völlig zurecht hat er dafür den größten Applaus bekommen!


    Ein letztes Wort noch zum Vergleich Hamburg-Lübeck: Auch in der Walküre hat mir das Regiekonzept in Lübeck besser gefallen. (s.o.) Der ganze erste Aufzug war besser, der zweite Aufzug schlichtweg genial und die Walküren sind als Fallschirmspringer eindrucksvoller als als Kellerkinder. In der Musik steht es remis. Marion Ammann als Sieglinde und Andrew Sritheran als Siegmund sind überzeugender als Stuart Skelton und Yvonne Naef, aber alle anderen Partien werden in Hamburg besser gesungen.

  • Tja, so unterschiedlich kann man das sehen. Letzten Mittwoch habe ich mir die Walküre angesehen. Einen grandiosen Opernabend habe ich nicht erlebt.


    Zu den Stimmen: Deborah Polaski empfand ich ebenfalls als sehr gut, für mich die beste Leistung des Abends. Stuart Skelton gefiel mir deutlich weniger gut. Man muss nicht Melchior im Ohr haben, um seine Wälse-Rufe als dünn wahrzunehmen. Ja, es ist das alte Lied vom vom nicht mehr vorhandenen Wagner-Tenor, das ich hier anstimme. Durchaus bin ich bereit, Skelton zuzubilligen, dass er im Rahmen des heute üblichen recht gut gesungen hat. Nur, will ich einen Heldentenor hören, der immer kontrolliert, d. h. ohne Kraft singt? Nein, ich will es nicht. Mich persönlich, da bin ich eigen, störte überdies sein ausländischer Akzent. Yvonne Naef fand ich nicht mehr als okay. Struckmann hat mit seiner Stimmkraft beeindruckt, obgleich ich es immer wieder ein wenig anstrengend finde, ihm lange zuzuhören. Ich finde, er singt zwar sehr markig, aber nicht sonderlich abwechslungsreich. Viel zu selten, finde ich, nimmt er seine Stimme zurück, zu wenig nuanciert emfinde ich seinen Vortrag. Aber, wie gesagt, mag Pianosingen auch nicht Struckmanns Stärke sein, beeindruckend ist seine Stimme schon.


    Die Regie fand ich unsäglich und dumm. Eine solch unintelligente Inszenierung habe ich lange nicht gesehen. Beim Betrachten des Geschehens dachte ich ein ums andere Mal, dass es platter nun wirklich nicht mehr geht. Zum Beispiel: Als Wotans Frau ihm vom Wert der Ehe erzählen möchte, hört Wotan anfangs nicht richtig zu. Die Idee der Regie dazu: Wotan liest am Tisch sitzend Zeitung. Seine Frau redet, bemerkt, dass er nicht richtig zuhört und nimmt ihm daraufhin die Zeitung aus der Hand. Billiger geht´s nicht. Solcherlei Beispiele gab es viele.


    Der erste Aufzug der Oper wird von den meisten Wagner-Hörern heiß geliebt. In Hamburg war das ein erster Aufzug zum Abgewöhnen. Keine Leidenschaft, keine Lebendigkeit. Das Konzept der Regie war es, zu zeigen, dass Siemund und Sieglinde nicht Herren des Geschehens sind, sondern nur als Puppen oder besser Spielfiguren vollbringen, was Wotan befiehlt. Verdeutlicht wurde das von der Regie wie folgt: Das Geschehen fand auf einer erhöhten, von unten beleuchteten Bühne statt. Siegmund und Sieglinde standen anfangs wie erstarrt darauf. Wotan stand außerhalb der Bühne, betrachtete beide. Erst, als er mit den Fingern schnippte, einmal für Sieglinde, einmal für Siegmund, begannen die beiden zu agieren. Sie taten es aber durchweg statisch, wie Puppen - auf das auch der dümmste Zuschauer bemerkt, was die Regie uns sagen will. Und für den, der es immer noch nicht verstanden hatte, wurden später tatsächlich die beiden als Minderjährige, mithin quasi als Puppen, gezeigt - es war zum Kopfschütteln.


    Eine dumme Regie ist zwar unschön, normalerweise aber zu ertragen. In Hamburg allerdings führte das Konzept dazu, dass den ganzen ersten Aufzug über kein einziges Mal Leidenschaft aufkam. Die Oper, dieser erste Aufzug kam so nie richtig in Gang. Sehr enttäuschend war das.


    Ein einziges Mal flackerte dann aber doch Leidenschaft auf. Als Brünnhilde sich, von Siegmunds Treue und Tapferkeit tief beeindruckt, entscheidet, für ihn zu streiten, gibt sie Siegmund einen leidenschaftlichen Kuss, den dieser erwidert - Siegmund und Sieglinde haben sich nie geküsst, wenn ich mich recht erinnere, nicht einmal angesehen. Ist schon toll, diese Regie, so vorausblickend.


    Gute Laune kam während des ersten Aufzugs nur einmal auf, als Struckmann es nicht gelang, das Schwert in den Küchenschrank zu stecken. Er mühte und mühte sich, schaffte es aber erst beim etwa fünften Versuch.


    Die Darstellung der weiteren Aufzüge erspare ich mir, JL hat hierzu ja bereits vorgetragen. Gedankenreicher wurde die Regie nicht. Sie hat aber wenigstens nicht mehr den Gesang gestört, wie im ersten Aufzug.


    Sehr überrascht bin ich darüber, dass JL Simone Youngs Dirigat grandios fand - und dann noch mal wieder; ich bin immer froh, wenn die nicht dirigiert. Man nehme den Anfang des ersten Aufzugs. Zu hören ist ein Unwetter. "Ein kurzes Orchestervorspiel von heftiger, stürmischer Bewegung leitet ein. Als der Vorhang aufgeht, öffnet Siegmund von aussen hastig die Eingangstür und tritt ein: es ist gegen Abend, starkes Gewitter ...", heißt es im Libretto. Nun, von heftiger, stürmischer Bewegung war überhaupt nichts zu hören. Zwei Takte habe ich gehört, schon war ich enttäuscht. Es fehlte jede Kraft, Energie. Die Musik macht hier deutlich, dass es um Alles geht. Bei Simone Young ging es nicht um alles. Ich habe sie beim Dirigieren beobachtet. Während sie das Vorspiel dirigierte, war sie noch damit beschäftigt, sich richtig hinzusetzen. Kann man solche Musik im Sitzen dirigieren, fragte ich mich. Der Walkürenritt bestätigten meinen Eindruck. Auch hier fehlte Gewalt. Simone Young dirigierte das nicht anders, als wäre es ein Walzer. Die von JL angesprochenen Misstöne im Blech habe ich nicht wahrgenommen. Im Gegenteil gefiel mir das Blech sehr gut.


    Ein gelungener Abend war es, schreibt JL. Ja, die Musik ist stark genug, dass sie sich gegen die Regie behaupten konnte. Die Zeit ging trotz allem schnell vorbei, stets ein gutes Zeichen.


    Großen Applaus haben alle bekommen, auch Simone Young.


    Ich frage mich immer wieder, was die Sänger denken, die wirklich hervorragend gesungen haben, wenn andere, die es nicht getan haben, denselben Beifall bekommen.


    Na ja, vielleicht bin ich zu kritisch.

  • Hier noch ein paar Zeitungsartikel zur Walküre:


    "http://www.abendblatt.de/daten/2008/10/21/956318.html"
    "http://www.taz.de/regional/nord/nord-aktuell/artikel/1/mit-buh-garantie/"
    "http://www.welt.de/welt_print/article2603051/Wagner-im-Waschbecken.html"
    "http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,585148,00.html"

  • Ich hatte mich auf diese Spielzeit intensiv vorbereitet, habe verschiedenste Einspielungen und Zusammenschnitte von Knapertsbusch, Karajan, Boulez, Rattle und anderen angehört, habe das Textbuch mehrfach gelsen und habe mir Ausschnitte verschiedener Inszenierungen auf Youtube angesehen. Schließlich war ich auch in der Premiere in Lübeck.


    Mein Fazit: Die Hamburger Walküre ist ganz ordentlich geworden, aber sie ist nicht der ganz große Wurf.


    Das Dirigat von Young ist flott und ohne Pathetik. Das gefällt mir. Für mich ist am Ring nichts Sakrales. Es ist voller Leben, Glut und Feuer. Die Story und die musikalische Struktur ist schon dicht genug, sie braucht keinen bedeutungsschwangeren Grundton durch verhaltene Tempi oder überdehnte Töne.


    Sicherlich kann man besser singen als Skelton und Naef. Dazu muß man nur nach Lübeck fahren: Sritheran und Ammann machen es besser. Aber es war trotzdem nicht schlecht und am Spiel habe ich nichts auszusetzen.
    Wie hat denn Petrenkos Hunding gefallen? In den Besprechungen kommt er doch eher schlecht weg, was ich nicht gut finde. Ich fand ihn überzeugend.


    Toll fand ich Polarski und struckmann hat in meiner Aufführung nicht gesungen.


    Übrigens hat auch mir die Inszenierung nicht gut gefallen. Ich fand den ersten Aufzug auch eher enttäuschend, der erste Teil des zweiten Aufzugs ist mir nur noch wegen des Überspielens Struckmanns und des auftauchenden Hagens erinnerlich. Aber ich finde es insgesamt stimmig. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Und sie hat gute Momente im letzten Aufzug in der Spiegel- und der Stiefelsequence.


    Übrigens reicht mir die Musik und es kann für mich ein grandioser Abend werden. Stimmen Orchester und Gesang kann man notfalls die Augen schließen.


    Und: Ich freue mich schon auf Siegfried....

  • Hallo JL!


    Zitat

    Mein Fazit: Die Hamburger Walküre ist ganz ordentlich geworden, aber sie ist nicht der ganz große Wurf.


    Vielleicht lautet so tatsächlich das Fazit, auf das sich am Ende die Mehrheit einigen kann. Eine Frage der Erwartungshaltung ist es dann, ob man dieses "Ganz ordentlich" wie ich als enttäuschend versteht oder wie vielleicht andere als annehmbares Ergebnis.


    Ja, grundsätzlich kann man die Augen schließen und die Musik ohne störende Regie genießen. Im konkreten Fall aber hatte die Regie leider gerade auch auf die Musik massiven störenden Einfluss, s. o.


    Nebenbei bemerkt bin ich ein Freund des Regietheaters. Wahrscheinlich stört mich diese Regiearbeit deshalb so sehr. Gerade von gutem Regietheater, gerade von Guth hatte ich Besseres erwartet.


    Zitat

    Das Dirigat von Young ist flott und ohne Pathetik. Das gefällt mir. Für mich ist am Ring nichts Sakrales. Es ist voller Leben, Glut und Feuer. Die Story und die musikalische Struktur ist schon dicht genug, sie braucht keinen bedeutungsschwangeren Grundton durch verhaltene Tempi oder überdehnte Töne.


    Flott und ohne Pathetik, damit beschreibts du Youngs Dirigat sehr gut. Ihr Dirigat entspricht Guths Regie. Auch dieser macht gar nicht erst den Versuch, sich dem Ring als Weltendrama zu stellen. Guth entzieht sich dieser Aufgabe, indem er die Figuren vereinfacht. Wotan hat nichts göttliches mehr, sondern ist ein müder, grauer Büromensch mit Aktentasche, seine Frau ist ebenfalls nur ein 60-er Jahre Stereotyp: "Gattin mit Pelzmantel". Siegmund und Sieglinde sind nur Puppen, die Walküren verstörte, ängstliche Mädchen, die mit ihren Etagen-Betten herumfahren. Im Rheingold war es nicht anders, denke nur an die Rheintöchter: herumtollende Mädchen im Pyjama. Loge: ein zweitklassiger Variete-Zauberer. Fasolt und Fafner: schmierige Zuhälter in schlechten Anzügen usw.


    Du freust dich auf Siegfried, schreibst du. Ja, das tue ich auch. Allerdings habe ich mittlerweile meine Zweifel. Wahrscheinlich wird Siegfried auf einer Mofa zur Wurmjagd fahren ...


    Das Problem ist: Wenn man den Ring so zeigt und musiziert, macht man den Ring zwar handhabbarer, aber es ist nicht mehr der Ring. Die Bedeutungsschwere wird der Musik ja nicht erst durch einen entsprechenden Grundton, verhaltene Tempi oder überdehnte Töne hinzugefügt, sondern ist dieser Oper immament. Wagner hat den Ring bewusst und gewollt als bedeutungsschwangeres Weltendrama angelegt. An diesem Aspekt - flott und ohne Pathetik - vorbeizudirigieren heißt am Ring vorbeizudirigieren. Genau das aber geschieht in dieser Walküre, in diesem Ring. Young und Guth gehen dabei einträchtig Hand in Hand.


    Zitat

    Wie hat denn Petrenkos Hunding gefallen? In den Besprechungen kommt er doch eher schlecht weg, was ich nicht gut finde. Ich fand ihn überzeugend.


    Petrenko hat mich weder begeistert noch enttäuscht. Ich fand ihn schlicht gut. Auch seine Rolle litt nach meinem Dafürhalten unter der Regie. Seine Stimme könnte mehr Schwärze vertragen, finde ich, das ist aber nur eine Geschmacksfrage.


    Viele Grüße
    Thomas

  • Ich glaube darauf können wir uns insgesamt einigen. Das der Ring ein Weltendrama ist und ein dichtes Werk voller verzahnter Motivik in Text und Musik ist, ist unbestreitbar. Das Guth es als Drama des Scheiterns eines Möchtegernweltenlenkers anlegt war nach dem Rheingold offensichtlich und ich bin froh, dass uns so etwas blödes wie die Rheingold-Babydoll-Idee in der Walküre erspart geblieben ist. Mir gefällt die flotte herangehensweise.
    Allerdings kann ich mir auch bessere Inszenierungen und andere musikalische Interpretationen vorstellen.
    In Hannover startet im nächsten Jahr ein neuer Ringzyklus. Mal sehen was dort dann passiert...

  • Ich habe mir gerade noch einmal Karten für Lübeck am 14.12. gekauft und freue mich. Meine Frau muß dieses mal mit....

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