Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 4 D-Dur

  • Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 4 D-Dur


    Entstanden wahrscheinlich um 1760 am Hof des Fürsten Morzin in Lukavec.


    3 Sätze:
    Presto (D-Dur, 4/4-Takt, 96 Takte)
    Andante (d-moll, 2/4-Takt, 82 Takte)
    Finale: Tempo di Menuetto (D-Dur, 3/4-Takt, 126 Takte)


    Besetzung: 2 Oboen, 2 Hörner in D, Streicher (Vl. I+II, Vla., Cel.; Kb.).


    Haydns vierte Sinfonie ist ein relativ knappes, ca. 15mintüges Werk, das, wie die 1. und 2., die dreisätzige Form der italienischen Opernsinfonia aufweist.



    Zu den Sätzen
    Der Kopfsatz ist zweiteilig, bestehend aus einer 37taktigen Exposition und einer Durchführung (ab Takt 38 ) mit Reprise (ab Takt 62).
    Der Satz hebt unmittelbar mit dem heiteren, vorwärtsdrängenden Hauptthema ein. Das Thema beginnt mit einem (Viertel)Schlag auf dem Grundton D, springt dann eine Quarte nach oben (auf G) und wird mit einem fallenden Sechzehntellauf zunächst zum Grundton zurückgeführt, anschließend spring die Melodie eine Quarte nach unten (auf A), um schließlich in einem Achtellauf wieder zum D zurückzukehren (ist also eine hübsche Tonika-Subdominante-Tonika-Dominante-Tonika Abfolge). Nach einer das Thema motivisch fortspinnenden und nach A-Dur modulierenden Überleitung wird diesem markanten Haupthema dann ein zweites, deutlich kontrastierendes, von fallenden Bewegungen bestimmtes Thema zur Seite gestellt, das nicht allein vergleichsweise sanglich und zurückgenommen ist, sondern zudem auch in Moll steht – aber nicht (wie ich nach meinen Höreindrücken zunächst vermutet hatte) in der Mollparallelen h-moll sondern in a-moll (also der Moll-Dominanten).
    Der zweite Teil (Durchführung/Reprise) ist insofern bemerkenswert, als hier eine tendenziell wirklich »dramatische« Verarbeitung beider Themen stattfindet. In der eigentlichen Durchführung (T. 38-61) wird zunächst ausschließlich das 1. Thema verarbeitet, wobei Haydn mit starken dynamischen Abstufungen und Kontrasten arbeitet (häufig werden p.- und ff.-Passagen unmittelbar gegeneinander gestellt). Gegen Ende der Durchführung führt er die Musik (hier zwischen A-Dur und a-moll changierend) ins pianissimo (ab T. 59-61) und läßt sie dann ganz verstummen. Nach einer Viertelpause (vierter Schlag T. 61) setzt plötzlich in Takt 62 wieder das Hauptthema forte in der Grundtonart D-Dur ein – ein echter Überraschungseffekt! – und markiert den Beginn der Reprise. Allerdings greift die Durchführung in die Reprise über, denn im Anschluß an das Hauptthema in der Grundtonart erklingt das 2. Thema nun in d-moll, wird dann nach D-Dur modulierend fortgesponnen, bevor abschließend die beiden ersten Takte des Kopfthemas wieder aufgegriffen werde. Sowohl für die Exposion als auch für den Durchführungs-/Reprisenteil sind Wiederholungen vorgeschrieben.


    Das im 2/4-Takt notierte Andante ist ausschließlich mit Streichern besetzt. Dieser in d-Moll stehende Satz ist sehr, sehr atmosphärisch – für mich eigentlich das Herzstück des Werks. Bestimmt wird der Satz von einer durchgehend gemessen schreitenden, synkopisierenden Bewegung der Bässe, über dem sich ein wunderschönes Thema erhebt, das mit einem lang gehaltenen Ton der Violinen einsetzt und dann in eine fallende Figur übergeht, anschließend wird das Thema nochmals von den Violinen um eine Oktave nach unten versetzt aufgenommen. Mich erinnert der Satz im Charakter insgesamt an eine getragene Passacaglia (obgleich es keine ist, denn die schreitende Bewegung im Bass ist weder ein Ostinato noch handelt es sich um einen Variationssatz)


    Der Schlußsatz ist ein zweiteiliges (T. 1-52 und T. 53-126; für beide Teile sind Wiederholungen vorgeschrieben) recht ausgelassen-heiteres Menuet mit Kehrausfunktion, das im Zentrum des zweiten Teils mit einer Molleintrübung überrascht (T. 69-76).



    Aufnahmen
    Ich besitze die Sinfonie in zwei Einspielungen: zunächst die Interpretation von Roy Goodman und der Hanover Band und dann die Einspielung im Rahmen der Fischer Box.
    Fischers Interpretation ist deutlich gemächlicher und zwar nicht nur was das Tempo betrifft, das er in allen drei Sätzen deutlich langsamer wählt als Goodman (Goodman: 5:43 / 3:31 / 4:38. Fischer: 6:12 / 5:30 / 5:47). Im Andante (für das sich Fischer beinahe zwei Minuten mehr Zeit nimmt als Goodman) geht das langsame Grundtempo ganz gut an, obgleich bei Goodmans zügiger Gangart der getragene Charakter ebenfalls gewahrt bleibt. Anders ist das im Kopfsatz und im Finale: Während der Kopfsatz bei Fischer für mein Empfinden im Tempo zwar tendenziell zu langsam wirkt, der vorwärtsdrängende Charakter insgesamt aber doch erhalten bleibt (allerdings spielt Fischer den Dynamikwechsel vom pianissimo zum forte beim Übergang in die Reprise bei weitem weniger heftig aus als Goodman – der Überraschungseffekt geht ziemlich verloren), ist das Menuet schrecklich verschleppt und zerstelzt.


    Der Klang beider Aufnahmen ist gut (Fischer ist manchmal etwas, hm, mulmig), das Klangbild der Hanover Band ist deutlich kantiger und zugleich transparenter.


    Viele Grüße,
    Medard

  • neben für meinen geschmack rechtem geplänkel im 1. satz und einem ganz netten 3. satz überraschte mich der 2. satz vollkommen. so eine dichte atmosphäre, so ergreifend, so gut gearbeitet ... phantastisch. dieser satz hat mich gefangengenommen - eine geheimnisvoller, trauriger, fahler grundcharakter. erstaunlich ...


    allein deshalb wird mir diese symphonie nun ein begriff bleiben.


    auch hier habe ich nur die fischer-aufnahme.

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Der Erföffnungsbeitrag ist so ziemlich das Beste - aber für den Laien wahrscheinlich unverständlichste, was über diese Sinfonie in der einschlägigen Literatur je geschrieben wurde. Halten sich die meisten Konzertführer bei der Beschreibung der frühen Sinfonien Haydns weitgehend zurück, so gehen sie im Falle der Nr 4 vollends auf Tauchstation.
    Währens ein Konzertführer meint, hier spüre man noch gar nichts von der späteren Experimentierfreudigkeit Haydns, mein ein anderer hier sei schon die Vorwegnahme Beethovens zu hören, Generell ist man sich aber dann doch weitgehend einige, daß sich diese Sinfonie noch sehr an der dreiteiligen Opernouvertüre orientiert, Die Sinfonie beginnt recht frisch, und unbeschwert heiter und optimistisch. der von Klingsor im vorigen Beitrag mit " ein geheimnisvoller, trauriger, fahler Grundcharakter." beschriebene 2. Satz ist in der Tat, eher fahl und farblos, melancholisch getönt. Der Unterschied in der Beurteilung ist nur der, daß ich ihn eher langweilig und deprimierend finde. Im Kontrast dazu das Menuett. welches betont höfisch gestelzt wirkt, nicht alzu tänzerisch, sondern majestätisch repräsentativ. Ob dies eine Eigenart dieser Aufnahme (ich hörte jene mit dem Stuttgarter Kammerorchester unter Dennis Russel Davies) oder der Komposition an sich ist, wird ein weiterer vergleichender Hörtest zeigen.

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich besitze diese Sinfonie nur in dieser Aufnahme:



    Erstaunlicherweise bis eben bei den "Ungehörten". Mein erster Höreindruck deckt sich zunächst mit dem von Alfred. Ich muß das noch mal wiederholen und auch vergleichen...

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Die Aufnahmen mit "Cantilena" unter Adrian Shepherd zeichnen sich durch einen gez besonders schönen und unverwechselbsren Klang aus. Die ersten 12 Sinfonien kamen in verschiedenen Editionen bei CHANDOS heraus, sowie eine CD mit 3 späteren Sinfonien.
    Ich komme aber an dfieser Stelle nochmals auf die Sinfonie NR 4 zurück. Wärend sie in Konzertführern und eigenartigerweise auch Booklets kaum oder nur sehr flüchtig behandelt wird, findet sich - oh Wunder . völliog überraschend bei WIKIPEDIA ein seh ausführlicher Artilkel, der lediglich den Nachteil hat, daß er nur von Spezialisten verstanden werden kann. Immerhin habe ich die Erklärung gefunden, warum das Menuett - wie ich es beschrieb - so "gesteltzt - höfisch - und wenig tänzerisch daherkomt; Es ist entgegen dem beim Menuett üblichen 3/4 Takt im 3/8 Takt geschrieben. Und jetz kommts: "Nach Walter Lessing ist dies an eine Wiener Gepflogenheit angelehnt." Diesen Kunstkniff müssen vermultich mehrere Komponiosten der Winer Klassik angewandt haben, denn irgendwie kam mir diese Art auf seltsame Weise vertraut vor.
    Ich habe vor unsere Haydn Threads ein wenig zu beleben, was allerdings bei den mittleren und späteren leichter sein dürfe als bei den ersten Sinfonien. Das ist natürlich eine Ausrede um alle in den nächsten Monaten/Jahren hören zu können.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Hier beteilige ich mich gerne - Haydn geht immer. Mir liegt die vierte Symphonie in der Einspielung vor, die oben abgebildet wird, dirigiert von Adam Fischer. Der erste Satz könnte nach meinem Dafürhalten als "presto" noch etwas straffer dirigiert sein, Fischer setzt jedoch forsch und bestimmt die Akzente, so dass durchaus Freude beim Hören aufkommt.
    Beim zweiten Satz ist meine Empfindung anders als die Alfreds - ja, farblos und bleich trifft es gut, aber langweilig finde ich das keineswegs! Hier ist eine verhaltene Spannung, etwas Schwebendes, Geheimnisvolles, fast schon Surreales - so als würde man im fahlen Mondlicht schlafwandeln und beim Erwachen ein traumhaftes Wesen auf einer Waldlichtung beobachten - ohne richtig zu wissen, ob man wach ist oder noch träumt. Solche oder ähnliche BIlder gehen mir dabei durch den Kopf, Adam Fischer macht das auch großartig, er lässt die Musik sachte, beklommen, mit gespannt angehaltenem Atem dahinströmen, bevor sie leise verebbt.
    Den feierlichen, noblen Charakters des Menuetts höre ich genauso heraus, wie Alfred ihn treffend beschrieben hat.