Fortsetzung folgt ... nicht: Gibt es Opern-Sequels?

  • Liebe Forianer,


    lange bevor ich mich für die Oper zu interessieren begann, habe ich mich bereits viel mit dem Thema "Film" beschäftigt. In der Filmbranche gehören Fortsetzungen schon seit längerem zum Tagesgeschäft, wenn der Erstlingsfilm ein Erfolg war. Eine Fortsetzung wird als Einnahmequelle mit geringerem Kapital-Risiko gesehen. Oft wird dann lediglich eine "2" an den Titel gehängt und fertig ist der neue Leinwand-Spaß! Meistens sind die Neuauflagen dann jedoch nur ein billiger Abklatsch und zumindest künstlerisch inferior. Doch wie sieht es eigentlich bei der Oper aus? Gab es so etwas wie Sequels, um jetzt mal den geläufigen englischen Fachbegriff zu verwenden? Wenn nicht, warum? Wenn ja, in welcher Form? Hätte Mozart länger gelebt, hätten wir dann "Die Zauberflöte 2" oder "Die Zauberflöte Reloaded" bekommen? Kann man den "Barbier von Sevilla" und "Le Nozze Di Figaro" in diesen Zusammenhang bringen? War "Der Ring des Nibelungen" die erste Opern-Fortsetzungsreihe von Bedeutung?


    Best, F. :beatnik:

  • Hallo Diabolus,


    also ich dachte als erstes auch an den "Barbier von Sevilla".


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Elisabeth
    auch wenn in umgekehrter Reihenfolge komponiert: was ist mit Parsifal und Lohengrin?


    Stimmt, das ist auch ein interessanter Fall!


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Liebe Elisabeth,


    da ist auf jeden Fall was dran und ich als Fan von Onkel Richard hatte es beim Schreiben dieses Threads gar nicht mal im Sinn ... :O :untertauch: Man könnte den "Parsifal" ja dann quasi als "Prequel" titurelen, äh, titulieren. Allgemein finde ich es aber immer noch etwas merkwürdig, dass damals nicht die (zweifelhafte) Chance erkannt wurde, beliebte Figuren in neuen Opern wieder aufzugreifen und durch weitergeführte Geschichten das Publikum bei der Stange zu halten. Ich denke mal, dass Richard Wagner auch in dieser Richtung eine zukunftsweisende Figur war.


    Best, F. :beatnik:

  • Zitat

    Original von Diabolus in Opera
    Kann man den "Barbier von Sevilla" und "Le Nozze Di Figaro" in diesen Zusammenhang bringen?



    Lieber Florian,


    ich meine ja, auch wenn hier verschiedene Komponisten am Werk waren. Aber dann gehört noch eine dritte Oper dazu, von der ich bisher leider nur weiß, dass es sie gibt (immerhin sogar auf DVD)



    Jules Massenet (1842-1912)
    Cherubin

    Michelle Breedt, Patrizia Ciofi, Carmela Remigio, Teresa Di Bari, Alessandra Palomba, Giorgio Surian, Bruno Lazzaretti,
    Teatro Lirico Di Cagliari Orchestra, Emmanuel Villaume
    Label: Dynamic , FSKoA, 2006



    Die Oper basiert auf dem Schauspiel ,Le Chérubin‘ von Francis de Croisset und stellt die Figur des Cherubin und deren "Entwickung" in den Mittelpunkt.


    LG, Elisabeth

  • Zitat

    Original von Diabolus in Opera
    War "Der Ring des Nibelungen" die erste Opern-Fortsetzungsreihe von Bedeutung?


    Die bislang letzte von Bedeutung ist Stockhausens "Licht".


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von Diabolus in Opera
    Kann man den "Barbier von Sevilla" und "Le Nozze Di Figaro" in diesen Zusammenhang bringen? War "Der Ring des Nibelungen" die erste Opern-Fortsetzungsreihe von Bedeutung?


    Dass LE NOZZE DI FIGARO die Fortsetzung des BARBIERE DI SIVIGLIA ist, hat ja schon Beaumarchais zu verantworten, und dass das zwei Komponisten zu Gange waren, findet auch seine Parallelen beim Film. Man denke an die verschiedenen Regisseure des filmischen RING-Äquivalents, STAR WARS. In dem Zusammenhang muss man aber auch Massenets CHERUBIN als Abschluss der Trilogie nennen (Ups, parallel geschrieben. Sorry, Elisabeth).


    Überhaupt Massenet: der hat sogar eine ausdrückliche Fortsetzung komponiert, nämlich PORTRAIT DE MANON als Fortsetzung seiner MANON.


    Ansonsten sieht's duster aus. Allerdings nicht, wenn man die Veroperungen antiker Sagen betrachtet, namentlich die der Atriden von Menelaos und Agamemnon (LA BELLE HELENE) bis zu ELEKTRA und den Iphigenien Glucks in IPHIGÉNIE EN AULIDE und IPHIGÉNIE EN TAURIDE. Das sind sind klare Fortsetzungen, wenn auch in sehr verschiedenem Stil, und in gewisser Weise sind auch die Geschichten um DIDO AND AENEAS Fortstezungen dieser Ur-Story um den trojanischen Krieg. Genau genommen, sind ja auch Berlioz' LES TROYENS Fortsetzungsopern, denn wenn er sie auch für einen Abend schrieb, wie sie heute in der Regel auch gegeben werden, so besteht diese Oper doch aus zweien mit einem gemeinsamen Helden, nämlich LA PRISE DE TROYE und LES TROYENS Á CARTHAGE.


    Homer hat ja auch das andere große Serial zu verantworten, die Odysee, der nicht nur Monteverdis RITORNO D'ULISSE IN PATRIA entstammt, sondern auch die in ARIADNE AUF NAXOS und mehreren anderen Opern angesprochene Zauberin Circe.


    Der Operette vorbehalten blieb dann die Fortsetzungsgeschichte um "Jupis erotische Abenteuer" von ORPHÉE AUX ENFERS bis hin zur EHE IM KREISE, aus der dann die Filmoperette AMPHYTRION wurde, denn


    In der Antike wusste jeder
    Der Jupi hat gern Sex mit Leda. *
    Auch macht' ihn Sex mit der Europa
    Zum hundertfachen Länderopa.
    Bei Eurydiken macht' er Fliege
    Und Amphis Frau bracht' er zur Wiege.
    Auch glänzte alles nicht, was Gold.
    Wenn's regnet, ist er Frauen hold.


    *für Sado, Maso oder Sappho kann er aber nix.


    Ansonsten gibt es in der Oper aber wohl mehr Remakes als Sequels.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Eine typische Fortsetzungsoper hat Leonard Bernstein komponiert: "Trouble in Tahiti" zeigt die Eheprobleme eines relativ jungen Paars, "A Quiet Place" spielt später, die Frau ist gestorben, die Familienangehörigen haben mit moderneren Problemen zu kämpfen.
    Ursprünglich sollten die Opernhintereinander gezeigt werden. Später hat Bernstein "Trouble in Tahiti" in "A Quiet Place" als Rückblende integriert - meiner Meinung nach nicht ganz zum Vorteil der ursprünglichen Idee.
    :hello:

    ...

  • Der dritte Teil der Figaro-Trilogie von Beaumarchais L’autre Tartuffe ou La Mere coupable sollte lt. wikipedia schon von Gretry Ende des 18. Jhds. vertont werden. Das Vorhaben wurde aber erst von Milhaud im 20. umgesetzt: La Mere coupable (Urauff. 1966 in Genf)


    Kein geringerer als Geheimrat Goethe schrieb (plante? skizzierte?) eine Fortsetzung zur Zauberflöte, ich weiß aber von keiner Vertonung.


    Die im Barock dominierenden antiken, historisierenden oder Tassos/Ariostos Kreuzzugshistorien entstammenden Sujets könnten vermutlich manchmal durchaus als Fortsetzungen angeordnet werden. Häufiger ist aber eine Neufassung desselben Stoffs mit verändertem Schwerpunkt (Armida vs. Rinaldo).


    Eine weitere Rarität, von der ich aber auch nur den wohl bekanntesten mittleren Teil Les Choéphores (etwa "Die Trankopferspenderinnen" und selbst der ist eher ein Geheimtip, beide u.g. CDs scheinen bereits wieder vergriffen) kenne, ist die Orestie des Aischylos von Milhaud/Claudel, zwei Schauspielmusiken Agamemnon, Les Choéphores und eine Oper Les Euménides.



    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Kein geringerer als Geheimrat Goethe schrieb (plante? skizzierte?) eine Fortsetzung zur Zauberflöte, ich weiß aber von keiner Vertonung.


    Lieber Johannes,


    1795 fragte Wranitzky Goethe um ein Opernsujet an. Damals plante Goethe die Fortsetzung der "Zauberflöte", verlangte allerdings ein so hohes Honorar, dass das Projekt nicht zu Stande kam. Nach einem Gespräch mit Iffland 1798 nimmt Goethe den Plan wieder auf und arbeitet nun an der Ausführung. Ein warnender Brief Schillers, der auf die Notwendigkeit eines sehr guten Komponisten hinweist, lässt ihn allerdings die Arbeit abbrechen, so dass die Fortsetzung Fragment bleibt. Als Zelter 1803 nach etwas Opernähnlichem anfragt, bietet Goethe seine Zauberflöte zur Komposition an, aber Zelter missversteht ihn und berichtet über Peter von Winters Zauberflöten-Fortsetzung (da haben wir auf jeden Fall noch ein Sequel!). Damit ist das Projekt für Goethe begraben - und als später Iffland und Zelter versuchen, ihn zur Neuaufnahme der Arbeit zu bewegen, ist er nicht mehr bereit. Es gibt außer dem Fragment auch noch einige Bruchstücke. Davon ist allerdings nichts vertont worden AFAIK.


    Aber immerhin ein Zitat, ein Dialog von Papageno und seinen Kindern:


    KINDER
    Dich mögen deine Federn schmücken
    Dich mag ein Becher Wein beglücken
    Allein wir müssen edler seyn


    PAPAGENO
    das ist doch ganz gewiß zum lachen
    Ich soll noch Complimente machen
    Die Buben wollen Herren seyn


    KINDER
    Wir folgen nur Sarastros Lehren
    Als Vater ewig dich zu ehren.


    Goethe hat übrigens sein Fragment an den Verlag - für eine Kiste mit ausgesuchten Weinsorten verkauft ...


    (Dieses und mehr in Borchmeyer: Goethe, Mozart und die Zauberflöte, Göttingen 1994)


    Liebe Grüße Peter

  • ...und der komödie vierter teil:


    "figaro lässt sich scheiden" von giselher klebe
    (text ödön von horvath) :D

    "Der moderne Komponist darf seine Werke einzig und allein auf der Grundlage der Wahrheit schreiben."
    Claudio Monteverdi


    "Der Komponist komponiert erstens für sich selbst und zweitens für das Publikum; aber für ein ideales Publikum und nicht für das...welches real existiert"
    Nikolai Rimski-Korsakow


    "Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche."
    Gustav Mahler

  • Das angesprochene Werk von Peter von Winter heißt "Das Labyrinth" und wurde Ende der siebziger Jahre mal im Münchner Cuvilliestheater inszeniert (von Everding). Ein Falkl von Fortsetzung, der noch nicht erwähnt wurde: Gustave Charpentier setzte seine Paris-Oper "Louise" mit einem zweiten Teil "Julien" fort. Und zu den von vornherein als Mehrteiler angelegten Werken gehört noch Bungerts Tetralogie "Homerische Welt". Einer meiner Kollegen befaßte sich in seiner Dissertation mit Ahasver als Opernfigur und stieß dabei auf einen Komponisten, der aus diesem Stoff einen siebenteiligen Opernzyklus machen wollte, welcher auf einem Schiff auf dem Rhein aufgeführt werden sollte. Leider komme ich gerade nicht auf den Namen, werde ihn aber mal fragen.

  • Auch ich bin sehr erfreut über die vielen interessanten Beiträge, die hier so schnell zusammenkommen :) Besonders die Sache mit der Zauberflöten-Fortsetzung von Goethe fasziniert mich. :yes: Davon wusste ich bislang gar nichts. Schade, dass es nicht hat sollen sein. Wäre interessant gewesen, mit welchem Komponisten sich ein Librettist Johann Wolfgang von Goethe eingelassen hätte!


    @ pbrixius: Stimmt, von Stockhausens "Licht" habe ich auch schon mal gehört. Der hat doch glaub ich einen Wochen-Zyklus (7 Tage) komponiert, oder? Gibt es davon eigentlich eine Aufnahme? Hat jemand das Werk schon mal gehört?


    @ rideamus: Auch die Sache mit den Trojanern von Berlioz leuchtet mir jetzt durchaus ein. War es nicht so, dass Berlioz am Anfang Probleme hatte, das ganze Werk an einem Stück aufführen zu lassen und die Theater es splitten wollten?


    Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    Man denke an die verschiedenen Regisseure des filmischen RING-Äquivalents, STAR WARS.


    Siehe hierzu auch diesen Thread.


    Best, F. :beatnik:

  • Zitat

    Original von Diabolus in Opera


    @ rideamus: Auch die Sache mit den Trojanern von Berlioz leuchtet mir jetzt durchaus ein. War es nicht so, dass Berlioz am Anfang Probleme hatte, das ganze Werk an einem Stück aufführen zu lassen und die Theater es splitten wollten?


    Nicht nur wollten. Tatsächlich wurde zu Berlioz' Lebzeiten nur der zweite Teil in Paris aufgeführt. Den ersten hat er nie gehört, geschweige denn in einer Aufführung gesehen.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Original von Diabolus in Opera
    Auch ich bin sehr erfreut über die vielen interessanten Beiträge, die hier so schnell zusammenkommen :) Besonders die Sache mit der Zauberflöten-Fortsetzung von Goethe fasziniert mich. :yes: Davon wusste ich bislang gar nichts. Schade, dass es nicht hat sollen sein. Wäre interessant gewesen, mit welchem Komponisten sich ein Librettist Johann Wolfgang von Goethe eingelassen hätte!


    Geplant war Zelter ... Später behauptete Zelter sogar, er habe mit der Komposition schon begonnen, um Goethe zur Vollendung des Fragments zu bekommen - doch vergeblich.


    Zitat

    Stimmt, von Stockhausens "Licht" habe ich auch schon mal gehört. Der hat doch glaub ich einen Wochen-Zyklus (7 Tage) komponiert, oder? Gibt es davon eigentlich eine Aufnahme? Hat jemand das Werk schon mal gehört?


    Immerhin fünf Opern des Zyklus (Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag, Samstag) sind eingespielt. Beziehen kann man sie über die Website von Stockhausen. Insgesamt dauert der Zyklus 29 Stunden. Übrigens ist das Helikopter Streichquartett aus Mittwoch auf zwei CDs getrennt zu haben:


    Zitat


    CD 53 HELIKOPTER-STREICHQUARTETT / HELICOPTER STRING QUARTET
    of WEDNESDAY from LIGHT world première with moderation and studio recording (2 CDs, 96 pages) 45 € / $62


    ... als Studio-Einspielung ?(


    Liebe Grüße Peter

  • Danke für die Info, Rideamus!


    Ich würde gerne auf eine Fragestellung zurückkommen, die ich schon weiter oben einmal anklingen ließ: Was ist Eurer Meinung nach der Grund dafür, dass es in der Oper so wenig Fortsetzungen gegeben hat? Mir kam da erst mal der Gedanke, dass der Opernbetrieb wohl nie den durchkommerzialisierten Charakter der Filmbranche (besonders Hollywood) hatte. Allerdings ist es ja mitnichten so, dass Opern immer staatliches oder aristokratisches Sponsoring hatten. Oft genug hingen an finanziell erfolgreichen Aufführungen ganze Existenzen. Die wenigen Fortsetzungen wundern mich insbesondere auch deshalb, weil es ja damals noch kein fundiertes Urheberrecht gab und es wohl möglich gewesen wäre, beliebte Figuren und Geschichten einfach aufzugreifen und für die eigene Oper zu instrumentalisieren ...
    Was denkt Ihr darüber?


    Best, F. :beatnik:

  • Zitat

    Original von pbrixius
    Geplant war Zelter ... Später behauptete Zelter sogar, er habe mit der Komposition schon begonnen, um Goethe zur Vollendung des Fragments zu bekommen - doch vergeblich.


    Hallo Peter,


    besten Dank für die Info! Zelter? Muss man den kennen ...??? :untertauch:


    Florian

  • Zitat

    Original von Diabolus in Opera
    Zelter? Muss man den kennen ...??? :untertauch:


    Lieber Florian,


    gute Frage :) Man kennt ihn zum einen durch seine Liedvertonungen, die ihn als einen der bedeutendsten Köpfe der Berliner Schule beweisen, der im übrigen durch seine jahrzehntelange Freundschaft mit Goethe großen Einfluss auf sein musikalisches Urteil hatte.


    Dann kennt man ihn natürlich als Lehrer Felix Mendelssohn-Bartholdys, der als Verehrer Johann Sebastian Bachs dessen Matthäus-Passion im Schranke liegen hatte, wo sie Felix entdeckte ...


    Ansonsten war er gelernter Maurermeister, später erfolgreicher Bauunternehmer, eine beachtliche Doppelbegabung. Seine Schüler sind ja nicht ohne: Felix Mendelssohn Bartholdy, Otto Nicolai, Giacomo Meyerbeer. Er selbst lernte bei Carl Friedrich Christian Fasch, dessen Sing-Akademie er 1800 übernahm. Interessant finde ich "Johanna Sebus", eine Kantate für Soli, Chor ... und Klavier. Übrigens bat er Beethoven eine Fassung der "Missa solemnis" für die Sing-Akademie herzustellen - für Chor a capella :)


    Liebe Grüße Peter

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  • Zelter war zu seiner Zeit (1758-1832) einer der einflussreichstenb Komponisten Berlins bzw. Potsdams, vor allem aber ein enger Freund Goethes und dessen Leib- und Magenkomponist. Sein oft vermichtendes Urteil über andere Komponisten (etwa Schubert) bewog diesen oftmals, seine Zustimmung zu einer Komposition zu verweigern. Mendelssohn, ein Schüler Zelters, hatte es da besser. Der bekam von ihm z.B. DIE ERSTE WALPURGISNACHT zugespielt. Heute kennt man von ihm vor allem Lieder nach Goethe-Texten. Da dies aber nicht mein Repertoire ist, habe ich, glaube ich, nie etwas von ihm mit Bewusstsein gehört. Soviel dazu, ob man ihn kennen muss. (UPS, sehe gerade, dass diesmal Peter schneller war).


    Deine andere Frage, warum die Oper trotz nicht geringen Erfolgsdrucks so wenig Fortsetzungen kennt, beantwortet sich, wenn man sich die bislang genannten Werke ansieht. Keines von ihnen entstand wegen des Erfolges eines Vorgängers - mit der möglichen Ausnahme von JULIEN, der Fortsetzung von Charpentiers LOUISE. Der Gedanke, sich aus kommerziellen Gründen an den Erfolg eines früheren Werkes direkt anzuhängen, kam damals wohl gar nicht auf und war auch mit dem Stolz der Komponisten, etwas Eigenes zu schaffen, nur schwer vereinbar. Das galt auch für das Publikum, das stets nach Novitäten gierte und all zu offensichtliche Aufgüsse in aller Regel ablehnte.


    Bezeichnenderweise kam ja die heutige Sequelitis im Filmmarkt erst richtig auf, als die Banken und Aktiengesellschaften Hollywood übernahmen, denn auch Autoren und Regisseure wollten lieber etwas Eigenes auf die Leinwand bringen (von den Quasi-Sequels vieler Komikerfilme wie die der MARX BROTHERS oder von LAUREL & HARDY sehe ich hier mal ab). Auch die Änderung des Publikumsgeschmacks ist eindeutig eine Folge des Überangebotes im Fernsehen und anderen Medien. Solange das Angebot überschaubar war, wollte man Neues sehen. Erst seit der Programminflation sehnt sich der Zuschauer erkennbar danach, sich an vertrautem festhalten zu können und riskiert immer weniger gern, daneben zu greifen. Inzwischen ist es ja schon soweit, dass Wiederholungen erfolgreicher Sendungen und Serien meist bessere Einschaltquoten einfahren als neue Produktionen. Aber das geht jetzt zu weit OT.


    Zwar gab es schon früh zahlreiche Serien- und Fortsetzungsfilme und häufige Verfilmungen klassischer Literaturvorlagen bis hin zu THE THIN MAN, von dem es sechs Folgen gab, und dem größten Erfolg der Gattung, den JAMES BOND - Filmen. Die ersten ursprünglich nicht geplanten Sequels und "Franchises" waren aber ein Phänomen der 70er Jahre bis heute. Den Dammbruch brachten wohl Filme wie AMERICAN GRAFFITI, JAWS und natürlich STAR WARS.


    Wir sprechen hier also von einem relativ neuen Phänomen. Bezeichnenderweise hat es, im Gegensatz zum Filmmusical, bislang nicht auf die Operette oder das Theatermusical übergegriffen, wo das Angebot nach wie vor überschaubar ist. Allerdings kann man häufig von verkappten Remakes früherer Erfolgswerke reden, etwa bei LA BELLE HÉLÈNE, die man durchaus dem Erfolg von ORPHÉE AUX ENFERS zuschreiben kann. Solche inspirierten Neuauflagen gibt es bis heute, aber sie waren immer die Ausnahme. Erst dort, wo die Finanziers eine solch übergroße Macht haben wie beim Film, wo langsam die Marketingleute wichtiger werden als die eigentlichen Produzenten, konnte das Sequel als (relativer) Erfolgsgarant genügend Faszination ausüben um programmatisch zu werden. Konnte/musste man früher von altem Wein in neuen Schläuchen sprechen, geht es heute um standadisiertes (wenn auch keineswegs billiges oder gar preiswertes) Fast Food in recyclingfähigen Plastikverpackungen.


    Für so etwas ist das Musiktheater aber zum Glück viel zu elitär, und war es wohl schon immer.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Lieber Peter,


    besten Dank für die Auskunft! Ich verstehe allerdings nicht, warum er dann gerade als OPERNkomponist für Goethe in Frage kommen sollte, wenn er doch hauptsächlich durch andere Werke bekannt war. Gerade bei Goethe denke ich mir doch, das der vielleicht darauf bestand jemanden zu bekommen, der sich als fähiger OPERNkomponist schon bewiesen hatte. ?( Gut, aber wer kam zu der Zeit in Frage? Mozart schon dahingeschieden, Beethoven nicht wirklich ein Opern-Macher und Weber auch noch nicht auf den Plan getreten ...


    Beste Grüße, Florian

  • Lieber Rideamus,


    vielen Dank für Deinen sehr ausführlichen und aufschlussreichen Beitrag! :yes: Nachdem was Du geschrieben hast, kam mir irgendwie Theodor W. Adornos "Kulturindustrie" und Walter Benjamins "technisch reproduzierbares Kunstwerk" in den Sinn. Das spielt da glaub ich auch nicht unerheblich mit rein, was den Film anbelangt.


    Beste Grüße, Florian

  • Zitat

    Original von Diabolus in Opera
    Danke für die Info, Rideamus!


    Ich würde gerne auf eine Fragestellung zurückkommen, die ich schon weiter oben einmal anklingen ließ: Was ist Eurer Meinung nach der Grund dafür, dass es in der Oper so wenig Fortsetzungen gegeben hat? Mir kam da erst mal der Gedanke, dass der Opernbetrieb wohl nie den durchkommerzialisierten Charakter der Filmbranche (besonders Hollywood) hatte.
    Best, F. :beatnik:


    Vielleicht liegt es schlicht daran, daß bei den meisten Opern am Ende zu wenige Protagonisten für eine Fortsetzung überlebt haben... ;-)

  • Hallo,


    auf Der Zauberflöte zweyter Theil unter dem Titel: Das Labyrinth oder der Kampf mit den Elementen. Eine große heroisch-komische Oper in zwey Aufzügen von Emanuel Schikaneder. In Musik gesetzt von Herrn Peter Winter, Kapellmeister in Churpfalz-bayrischen Diensten wurde ja bereits hingewiesen.


    Sehr bedauerlich, daß es noch keine Einspielung von dem Werk gibt. :no: :motz:


    Mozart selbst berichtete von einer Art "daily soap", die es am Wiener Operntheater zu sehen gab: "Die zween Anton" von Benedikt Schack / Franz Xaver Gerl:


    Episode 1: Der dumme Gärtner aus dem Gebürge, oder die zween Anton.
    Episode 2: Anton bey Hofe oder: Das Namensfest
    Episode 3: Der Fall ist noch weit seltener oder: die geplagten Ehemänner


    Joseph Haydn:


    Episode 1: Der krumme Teufel
    Episode 2: Der neue krumme Teufel


    Und: Ist nicht Mithridate die Fortsetzung von Lucio Silla [oder umgekehrt]?


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Meine Lieben,


    Die "Zauberflöte" hat es den Leuten fortsetzungsweise ziemlich angetan.
    Grillparzers parodistischer und sehr hintergründiger Entwurf "Der Zauberflöte zweiter Teil" (ca.1826) ist leider auch nie vertont, aber schon aufgeführt worden und kommt manchmal bei Lesungen zu seinem Recht. Hier eine Kostprobe:



    PAMINA. Wie hast du gelebt? Einziger! Geliebter!


    TAMINO. Gelebt? Mordio! Lieber zweimal durch Feuer und Wasser gehen als einmal in die Kanzlei!


    SARASTRO. Das haben wir schon längst gewußt. Wenn du keine größern Neuigkeiten hast, so erspare dir die Mühe des Erzählens.


    TAMINO. Unser Feind Monostatos ist Oberaufseher und Direktor aller Licht- und Feuer-Löschanstalten geworden.


    SARASTRO. Teufelskerl!


    TAMINO. Er ist geadelt worden mit dem Prädikat: Edler von Schneeweiß.


    SARASTRO. Der Kerl ist ja schwarz wie die Nacht.


    TAMINO. Wenn er weiß wäre, brauchte man den Leuten nicht erst befehlen, ihn dafür zu halten. Er ist der Liebling der Königin der Nacht.


    SARASTRO. Er lag immer mit ihr unter einer Decke.


    PAMINA. Pfui! Seht, wie ich rot werde!


    SARASTRO. Soll ich mich etwa auch noch im Reden genieren? Die Strafgelder sind aufgehoben. Wie ich sagte: Sie steckten immer beisammen.


    PAMINA. Ich gehe.


    SARASTRO. Den Henker auch! Ich denke an keine Zweideutigkeit. Dein übermenschliches Zartgefühl verdreht mir die Worte im Munde.


    TAMINO. Wenn nur Papageno noch unter uns wäre. Er war ein anschlägiger Kopf, er wußte immer Auswege.


    SARASTRO. Er ist der einzige von meinen Söhnen, der von mir abgefallen ist im Unglück. Man hat ihn bestochen. Er ist, wie ich höre, Hof-Vögel-Lieferant geworden.


    PAMINA. Nun ist's genug. Meine Ohren können solche Greuel nicht mit anhören. Tamino, ich erwarte dich am bewußten Orte, wo keine zuchtvergeßne Zunge unsere holde Vertraulichkeit stören soll. (Sie geht).


    SARASTRO. Mord-Tausend-Sapperment! Eine solche Schamhaftigkeit macht sich selber die Zoten, über die sie dann errötet. Gib acht auf sie, mein Sohn, solche Tugenden stehen nicht immer auf den festesten Beinen. Hast du nichts von den weiteren Schicksalen der Eingeweihten gehört?


    TAMINO. Weniges und unbestimmt. Die drei Knaben sind zu einem Tischler in die Lehre gegeben worden. Er soll nützliche Bürger aus ihnen bilden.


    SARASTRO. Nu, nu! Nicht aus jedem Klotz wird ein Merkur, aber aus jedem Merkur kann ein Klotz werden!


    TAMINO. Dem Sprecher ist Schweigen auferlegt worden.


    SARASTRO. Aber d e n k e n darf er doch, was er will?


    TAMINO. Darüber weiß man nichts Bestimmtes: Doch glaub' ich, daß wenn er von dem Gedachten nichts laut werden läßt -
    ...
    Die Sklaven aus Sarastros Gefolge hat man bei ihrem Zustande unverändert belassen.


    SARASTRO. Doch e i n menschenfreundlicher Zug.


    Es ist leicht zu erraten, worauf Grillparzer hier zielt. Er war ja selbst Beamter (und wenn er hier Sarastro zum Kanzleisekretär mit Fixgehalt verwandelt, so wußte er, wovon zu reden war).


    LG


    Waldi