An dieser Stelle soll die Rede sein von Léopold Simoneau, einem lyrischen Tenor und einem der ganz seltenen Sänger, bei denen technische Vollkommenheit, Stimmschönheit und sängerische Intelligenz zusammentrafen.
Es handelt sich um eine individuelle Stimme mit großem Wiedererkennungswert, leicht nasal und farbenreich, die sehr zart wirkt, aber doch eine beachtliche Lautstärke erreichen konnte. Simoneau hatte eine obertonreiche Stimme mit viel Kopfresonanz, die er zu einer besonders einschmeichelnden Tongebung nutzte. Auch war er dank seiner französischen Schulung ein Meister der voix mixte, der variablen Mischung der Register. Diktion, Phrasierung und Atemkontrolle sind in allen seinen Aufnahmen vorbildlich.
Alles was ich von diesem Sänger kenne, ist schön gesungen, von geradezu klassizistischer Schlichtheit, ohne die aufgesetzten Effekte und Äußerlichkeiten vieler Tenorkollegen. Aber unter der Oberfläche höre ich eine kontrollierte Leidenschaft, so dass seine Aufnahmen bei aller Eleganz einer gewissen Sinnlichkeit nicht entbehren.
Léopold Simoneau wurde am 03.05.1916 in St.-Flavien im französischsprachigen Teil Kanadas geboren. Seine ersten 30 Lebensjahre verbrachte er hauptsächlich in Kanada, wo im Wesentlichen auch seine Ausbildung erfolgte. 1941 debütierte er in Montreal als Hadji in Leo Delibes' Lakmé. Eine lebenslange private und künstlerische Partnerschaft verband Simoneau mit seiner Ehefrau Pierrette Alarie, ebenfalls eine Frankokanadierin und eine erstklassige Sängerin im leichten Sopranfach. Beide lernten sich Anfang der 1940er Jahre in Montreal kennen und waren fortan unzertrennlich. 1949 verließ das Ehepaar Kanada und machte gemeinsam zunächst in Paris, dann in ganz Europa Karriere. Außergewöhnlich oft, selbst für ein Künstlerehepaar, traten Alarie und Simoneau gemeinsam auf.
Am Anfang seiner Karriere sang Simoneau vor allem im französischen Repertoire, wurde aber bald für Mozart entdeckt und etablierte sich als einer der besten Mozart-Tenöre der 1950er Jahre. Großen Erfolg hatte er bei den Salzburger Festspielen, bei denen er in den Jahren 1956-1959 für verschiedene Mozart-Rollen verpflichtet wurde. Allein auf Mozart ließ er sich aber nie festlegen. Simoneau setzte sich sehr für das französische Lied ein und stand auch der Moderne offen gegenüber. So sang er 1952 in Strawinskys Oedipus Rex unter der Leitung des Komponisten. Mitte der 1960er Jahre zog sich Simoneau, wiederum im Gleichschritt mit seiner Ehefrau, von der Opernbühne zurück, als sich erste stimmliche Schwächen bemerkbar machten. Bis etwa 1970 traten beide aber noch in Konzerten und Liederabenden auf.
Léopold Simoneau starb im August 2006 90-jährig in Kanada. Pierrette Alarie, mit der er mehr als 60 Jahre lang verheiratet war, ist noch am Leben.