Ist die Liebe zur "Klassischen Musik" genetisch vorprogrammiert ?

  • Liebe Forianer,


    gerne formuliere ich Threadüberschriften so, daß sie provozieren und für Aufmerksamkeit - ja auch Widerspruch sorgen.


    Allein diese Behauptung - es sei nicht nötig Leute zur "Klassischen Musik" zu missionieren - weil nämlich völlig sinnlos - die Liebe zur diesem Genre sei genetisch (mehr oder weniger) vorgegeben - erregte vor etwa 5 Jahren in einem anderen Forum die Gemüter.


    ich verstehe das in keiner Weise, weil es eigentlich nur ZWEI Möglichkeiten gibt:


    a) die Aussage ist unwahr - dann wird es die Zeit zeigen - und die Aufregung wäre nicht angebracht.


    b) die Aussage ist wahr - dann wird sie sich via Wissenschaft ihren Weg bahnen - und kein noch so simpel gestrickter Politiker wird sie als "politisch inkorrekt" brandmarken können


    Im Prinzip ist es nichts anderes als die Aussage:


    "musikalisch begabt" oder "unmusikalisch veranlagt"
    "talentiert" Vs "untalentiert"
    "Musikalität vom Vater geerbt" etc etc


    Sowas regt aber niemanden auf - und somit formuliere ich griffiger.


    Womit wir beim Thema wären:


    Ich behaupte, das was wir unter "Klassische Musik" einstufen hat nie die 10% Hürde an Interesse in der Gesellschaft überschritten. - Somit ist die Akzeptanz (ich spreche lieber von Begeisterung - Klassische Musik braucht man nicht akzeptieren oder zu tolerieren - sie ist das Maß aller (musikalischen) Dinge - Die Königsdisziplin gewissermaßen.


    Das Gejeiere und Gejammere der Tonträgerindustrie beruht schlicht und einfach auf der Tatsache, daß sich "Klassik" nicht als Massenware vermarkten lässt und Mittelmaß vom großen Teil der angepeilten Zielklientel als solches erkannt und qualifiziert wird. Das kreiieren von synthetischen "Superstars" und angeblichen "Megaevents" funktioniert allenfalls im Crossover-Bereich - und das Traurige daran ist, daß einige Produzenten die Grenze Crossover-Klassik gar nicht erkennen können........


    Das mal als Einführung - ich nehme an - es wird ein interessanter - wenn icht gar heisser - Thread.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ist es tatsächliche Liebe, so ist sie NATÜRLICH genetisch vorprogrammiert, so wie ALLES andere, das wir lieben.


    Loge


    (Thread-Ende :D)

  • Zitat

    Original von Loge
    Ist es tatsächliche Liebe, so ist sie NATÜRLICH genetisch vorprogrammiert, so wie ALLES andere, das wir lieben.


    Loge


    (Thread-Ende :D)


    :D


    Na, da wir denn schon mal bei markigen Statements sind ;) :


    Wenn es auch tatsächliche Liebe zu sein scheint, so ist diese KULTÜRLICH soziogenetisch dispositioniert, so wie ALLES andere, was mit Geschmack und Vorlieben zu tun hat, letztlich nur ein Effekt von Sozialisation und Enkulturation ist.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    Original von Klawirr
    Na, da wir denn schon mal bei markigen Statements sind ;) :


    Wenn es auch tatsächliche Liebe zu sein scheint, so ist diese KULTÜRLICH soziogenetisch dispositioniert, so wie ALLES andere, was mit Geschmack und Vorlieben zu tun hat, letztlich nur ein Effekt von Sozialisation und Enkulturation ist.


    Nur weil wir bei markigen Statements sind, müssen wir ja nicht gleich die Begrifflichkeiten durcheinanderbringen :D.


    Also: Wenn überhaupt geht es hier auch um eine phylogenetische Disposition, denn soziogenetisch würde sich ja nur die Existenz der klassichen Musik als Kulturform erklären lassen. ;)


    Loge

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Liebe Forianer,
    gerne formuliere ich Threadüberschriften so, daß sie provozieren und für Aufmerksamkeit - ja auch Widerspruch sorgen.




    Und kein Forenadminisrator hat vermutlich so unverhohlen seine Position zum Ausdruck gebracht.


    Also wirklich Alfred. Paul wirft mir vor ich sei ein agent provocatuer - was bist Du dann?
    Einerseits machst Du darauf aufmerksam, mit dem threadtitel provozieren zu wollen. Dein Ziel ist also die Aufregung, die aus erfolgreiche Provokation folgt. Sodann bemerkst Du, sollte sich der von Dir nicht vertretene Standpunkt a) rausstellen, sei die ganze Aufregung nicht wert und schiebst damit den Personen, die sich aufgeregt haben, den schwarzen Peter zu.
    Herr Schmidt, so ja nun nicht! :stumm:
    :hello:
    Wulf

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Loge
    Also: Wenn überhaupt geht es hier auch um eine phylogenetische Disposition, denn soziogenetisch würde sich ja nur die Existenz der klassichen Musik als Kulturform erklären lassen. ;)


    Loge


    Nö! Phylogenese hat damit gar nix zu tun – außer wenn Du behaupten wolltest, »Tamino« sei der Name eines Stammes von Klassikhörern. ;) Oder meinstest Du vielleicht Elias' Begriff der Psychogenese? Das würd' schon eher passen, trifft aber nicht was ich meine.
    Soziogenetisch dispositioniert trifft die Sache jedenfalls schon ziemlich genau (übrigens habe ich noch nie eine Studie zur Phylogenese sozialer Differenzierung gelesen – zur Soziogenese sozialer Differenzierung gibt’s dagegen Bibliotheken).


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    Original von Klawirr
    Nö! Phylogenese hat damit gar nix zu tun – außer wenn Du behaupten wolltest, »Tamino« sei Name eines Stammes von Klassikhörern. ;) Oder meinstest Du vielleicht Elias' Begriff der Psychogenese? Das würd' schon eher passen, trifft aber nicht was ich meine.
    Soziogenetisch dispositioniert trifft die Sache jedenfalls schon ziemlich genau (übrigens habe ich noch nie eine Studie zur Phylogenese sozialer Differenzierung gelesen – zur Soziogenese sozialer Differenzierung gibt’s dagegen Bibliotheken).


    OK, dann einigen wir uns darauf, dass bei der Entwicklung der Liebe zur klassichen Musik durch eine bestimmte Person neben den Genen auch eine wie auch immer näher zu definierende "Genese" eine (geringe) Rolle spielt. :D


    Loge

  • Zitat

    Original von Wulf
    ...
    Also wirklich Alfred. Paul wirft mir vor, ich sei ein agent provocateur - was bist Du dann?
    ...


    Wenn ich schaue, wie lange du schon bei diesem Verein bist, solltest du das eigentlich schon wissen! :D

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Kann der Gegenstand dieser Diskussion überhaupt Gegenstand einer Diskussion sein? Ob ein Merkmal "Klassische Musik wird geliebt" - was immer "geliebt" in diesem Zusammenhang heißen soll - = "Musikalische/s Veranlagung/Talent ist vorhanden" auf einem Gen vorhanden ist, ist doch Gegenstand naturwissenschaftlicher Feststellung und kann nicht Gegenstand geisteswissenschaftlichen Diskurses sein, oder? :beatnik: Dann ist eine hier geführte Diskussion zu dem Thema aber doch eher sinnentleert, weil nicht zielführend. Müsste die Fragestellung nicht eher lauten:
    1. Welche/r Tamina/o ist medizinischer oder biologischer Spezialist in angewandter Genetik?
    2. Welche/r Tamina/o ist bereit, zur Klärung der Fragestellung ein genetisches Profil von sich erstellen und zwecks weiterführender Feststellung genetischer Zusammenhänge im Tamino-Klassikforum veröffentlichen zu lassen?


    Und Liebe - seit wann ist die genetisch disponiert? Ich dachte, Liebe sei eine neurotische Fehlfunktion, sonst nichts. :D


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Zitat

    Original von Loge
    OK, dann einigen wir uns darauf, dass bei der Entwicklung der Liebe zur klassichen Musik durch eine bestimmte Person neben den Genen auch eine wie auch immer näher zu definierende "Genese" eine (geringe) Rolle spielt. :D


    Loge


    Das wäre dann wohl die sog. "Sozio-Genese Blankenese"... :hahahaha:


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Loge
    OK, dann einigen wir uns darauf, dass bei der Entwicklung der Liebe zur klassichen Musik durch eine bestimmte Person neben den Genen auch eine wie auch immer näher zu definierende "Genese" eine (geringe) Rolle spielt. :D


    Abgesehen davon, daß die »Gene« IMO überhaupt keine Rolle spielen, der (zudem in einer historischen Perspektive zu berücksichtigende) makrosoziale Kontext, in dem eine jeweilige Person steht und ihre je spezifische Enkulturation dagegen eine ganz entscheidende, sind wir uns (fast) einig. ;)


    Viele Grüße,
    Medard

  • Also, wenn Liebe zur klassischen Musik genetisch vorprogrammiert ist, dann muss ich als Säugling in der Geburtsklinik vertauscht worden sein. ?(


    katlow

  • Zitat

    Original von Klawirr
    Abgesehen davon, daß die »Gene« IMO überhaupt keine Rolle spielen, der (zudem in einer historischen Perspektive zu berücksichtigende) makrosoziale Kontext in der eine jeweilige Person steht und ihre je spezifische Enkulturation dagegen eine ganz entscheidende, sind wir uns (fast) einig. ;)


    O Du Ahnungsloser, Du! :D - Wie erklärst Du uns dann, dass z. B. mein im selben "makrosozialen Kontext" und derselben "Enkulturation" sozialisierter Bruder (nur 1 Jahr älter und eng mit mir inmitten einer musikalischen Familie aufgewachsen) anders als ich im zartesten Knabenalter keinerlei Liebe zur klassichen Musik entwickelt hat? Dafür gibt es nur eine Erklärung: Bei ihm hat es das "Musen-Gen" (beider Stämme) nicht in seine DNS geschafft, sondern ist vom nicht weniger aggressiven "Kaufmanns-Gen" (väterlicher Stamm) verdrängt worden.


    Loge

  • Zitat

    Original von katlow
    Also, wenn Liebe zur klassischen Musik genetisch vorprogrammiert ist, dann muss ich als Säugling in der Geburtsklinik vertauscht worden sein. ?(


    katlow


    Dito!
    Um mich war seit jeher die klassiklose Wüste - nach der Regel müßte ich jetzt eher Roberto Blanco, Heino-Fan und sowas sein - vielleicht bin ichs und ich täusche mir selber nur ein Klassikinteresse vor? Ich sollte mal tief in mich gehn :rolleyes: .... :)


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Die Liebe zur klassischen Musik, kann meiner Meinung garnicht genetisch programiert sein. Musikalität kann genetisch programiert sein. Wohin sich die Musikalität entwickelt, hängt von der Erziehung und von den Lebensumständen ab. So kann sich ein musikalischer Mensch z.B. ja auch zum Jazz, oder zur Popmusik hingezogen fühlen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von âme


    Dito!
    Um mich war seit jeher die klassiklose Wüste - nach der Regel müßte ich jetzt eher Roberto Blanco, Heino-Fan und sowas sein - vielleicht bin ichs und ich täusche mir selber nur ein Klassikinteresse vor? Ich sollte mal tief in mich gehn :rolleyes: .... :)
    lg
    Thomas


    ... oder in meinem familiären Umfeld Heintje und Maria sowie Margot Hellwig (?)-Fan. Andererseits fällt mir gerade ein: Mein Opa hat in Masuren im Dorfkrug in Lötzen mit seiner Geige zum Tanz aufgespielt, bevor die regelmäßige Dorfschlägerei ausbrach - sollte die diskussionsgegenständliche Liebe noch daher kommen. Könnte es dann sein, dass besagte genetische Disposition eine Generation überspringt und dabei auch nur - meine Geschwister haben mit dem Ganzen nichts am Hut - eine einzelne Person der betroffenen Generation befällt, also unter bestimmten noch zu klärenden Umstände sich dominant-rezessiv verhält? Letztere Annahme würde Loges Beobachtung hinsichtlich der Vererbung des Musen- vs. Kaufmannsgens erklären.


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Zitat

    Original von âme


    Dito!
    Um mich war seit jeher die klassiklose Wüste - nach der Regel müßte ich jetzt eher Roberto Blanco, Heino-Fan und sowas sein - vielleicht bin ichs und ich täusche mir selber nur ein Klassikinteresse vor? Ich sollte mal tief in mich gehn :rolleyes: .... :)


    Damit wäre also sowohl die biologistische als auch die soziologistische Determination per anecdotal evidence widerlegt! *)


    Mir sehr sympathisch (allein aufgrund der Unsympathie dieser beiden vulgärdeterministischen Ansätze und ihres Jargons :D)! Zumindest in der ästhetischen Reflexion ist der Mensch frei, auch wenn er sonst überall gekettet und geknechtet wird (von Genen, Institutionen, der Schwerkraft, was weiß ich noch) :D


    :hello:


    JR


    )*Ja, Wulf, ich weiß, daß man mit anekdotischen Einzelfällen nix widerlegen kann...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von katlow
    Also, wenn Liebe zur klassischen Musik genetisch vorprogrammiert ist, dann muss ich als Säugling in der Geburtsklinik vertauscht worden sein. ?(


    katlow


    Ich auch :D - aber das behauptet der Rest meiner Familie eh, weil ich die Einzige im ganzen Clan bin, die in der Schule was mit Mathe anfangen konnte...


    Ne, aber mal ernsthaft: Die Frage der genetisch Programmierung wird ja auch in anderen Lebensbereichen gestellt. Ich durfte mich damit in Kriminologie auseinander setzen. Nun, dort hat man sich auf einen Mehrfaktorenansatz geeinigt - sprich: von allem ein bischen. Ist zwar nicht unbedingt eine zufriedenstellende Antwort, weil man daraus keine eindeutigen "Bekämpfungsstrategien" entwickeln kann, aber wohl doch einleuchtender als eine singuläre Ursache.


    LG
    Rosenkavalier

  • Zitat

    Original von Ulrich Kudoweh
    Kann der Gegenstand dieser Diskussion überhaupt Gegenstand einer Diskussion sein? Ob ein Merkmal "Klassische Musik wird geliebt" - was immer "geliebt" in diesem Zusammenhang heißen soll - = "Musikalische/s Veranlagung/Talent ist vorhanden" auf einem Gen vorhanden ist, ist doch Gegenstand naturwissenschaftlicher Feststellung und kann nicht Gegenstand geisteswissenschaftlichen Diskurses sein, oder? :beatnik: Dann ist eine hier geführte Diskussion zu dem Thema aber doch eher sinnentleert, weil nicht zielführend.


    Richtig, ich prognostiziere auch eine Debatte tief im Tal der Ahnungslosen. Wir werden - wie weiter oben schon zu bewundern - adrette Allgemeinplätze bestaunen und uns an feinster Stammtisch-Wissenschaft laben können. Oder greift tatsächlich jemand seriös und tief in die Kiste der Genetik? Gibt's so einen Taministen wirklich?


    Gespannt
    B.

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    und kein noch so simpel gestrickter Politiker wird sie als "politisch inkorrekt" brandmarken


    Lieber Alfred, was willst du mit diesem Satzteil mitteilen? Zeugt die Beachtung der "Political Correctness" in der Bedeutung des angelsächsischen Kulturkreises nach deiner Meinung von intellektueller Einfalt oder denken PolitikerInnen, die "den Stammtisch" bedienen, etwa besonders feinsinnig? (Es würde mich nun glatt interessieren, ob Herr Roland Koch auch jährlich gen Bayreuth wallet :D)


    Letztere erreichen wahrscheinlich für sich die größten Vorteile, aber nachdem wir hier versuchen, die Befindlichkeit klassikliebender Menschen aller Berufsstände zu ergründen, verlasse ich die Politiktreibenden per se zunächst. Bezogen auf den bewussten Satzteil und auch die weiteren Ausführungen bin ich durchaus der Meinung, dass jemand, der/die etwas auf einen ausgefeilten und hochstehenden kulturellen Sensus hält, gerade besonders die dazugehörigen Manieren in Form eines Grundrespekts vor den Mitmenschen pflegen sollte, damit die Dinge auch zusammenpassen. Und diesen Respekt meint ursprünglich der Begriff der "Political Correctness".


    Was sicher grottenfalsch ist, wäre eine Aussage dahingehend, dass nur den wahren Zugang zur klassischen Musik und Hochkultur habe, wer politisch konservativ oder über 60 ist. Dieses seltsame Vorurteil hält sich ebenso hartnäckig wie unberechtigt, wird von einigen Kreisen liebevoll gehätschelt und stellt eine nicht unerheblichen mentale Zugangsbremse für viele dar. Im Sinne einer Hebung des Geschmacksniveaus in der Breite der Bevölkerung ist das Pflegen von Abgehobenheit sicher nicht, eher ein beständiges Angebot, einen solchen Weg mitzugehen


    Mensch und Musik:


    Die Anthropologie sagt - sinngemäß in meinen simplen Worten - dass Musik eine der ältesten kulturellen Ausdrucksformen der Menschen mit einem universellen Verbreitungsgrad ist. Jede Kultur hat sie. Tongebung, sei es durch Stimme oder Hilfsmittel sowie die Wahrnehmung von Klang und das Entwickeln von Gefühlen dazu sind menschliche Grundfähigkeiten. Also dürfte dazu ein Grundgen vorliegen bei allen, wie auch allgemein festgelegt ist, dass Haare auf dem Kopf wachsen und nicht auf der Fussohle.


    Ich gehe somit davon aus, dass Aussenfaktoren überwiegend maßgeblich dafür sind, inwieweit sich individuelle Vorgaben und -lieben entwickeln. Wer Hochwertiges geniessen und erfassen will, braucht Muse. Die Grundbedürfnisse des Lebens (Nahrung etc.) mussten auch zumindest in dem Moment erfüllt sein, als der Steinzeitmensch seine erste Trommel oder Flöte bastelte und darauf Töne produzierte.


    Klassik versus Pop?


    Wer sich mit Hingabe mit Musik beschäftigt, wird bald entdecken, dass die Basiselemente die gleichen und erhebliche Qualitätsunterschiede bei beiden vorhanden sind. Klassik oder Pop sind für mich jedenfalls gerade dann ein Genuss, wenn jeweils gerade der persönliche Nerv getroffen wird. Somit MUSS Crossover nicht per se Mist sein (auch wenn es das oft genug ist). Es kann m. E niemals kulturell zielführend sein, den einen Geschmack in die Schmuddelecke zu stellen und den anderen auf den Sockel.


    Kommerz:


    Künstler müssen ihre Existenz mit ihrem Tun erhalten können. Somit spielt Pekuniäres immer und auch zu Recht eine Rolle. Jedoch: Was steht im Vordergrund: Geld oder Kunst? Wenn ersteres der Fall ist, wird Kunst meist sachfremd eingesetzt und die Qualität leidet. es kommt hoch, was zu verramschen ist.


    Fazit:


    Bitte keine Sockel und Weihrauchgefäße! Kultur ist für alle da und begreifbar. Ich ziehe es vor, mich lieber voll und ganz an schöner und hochwertiger Musik jeglicher Art zu erfreuen und mich mit Gleichgesinnten darüber auszutauschen, als vielleicht herumzusatelzen und heraushängen zu lassen, wie vermeintlich kulturell hochstehend man doch als Klassikfan sei.
    Denn: Was dabei rauskommt, wenn die Nase über das Gehirn gereckt wird, ist weidlich bekannt.




    LG :hello:


    Ulrica

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Nachdem meine Herren Vorredner, um Bergiffsbestimmung ringend, die eigentlich schlichte Frage mit beeindruckend-verstörenden Fachbergiffen bombardiert haben und mein argloses Gemüt wahrlich erschreckten, frage ich mich, ob mein Beantwortungsversuch nicht doch allzu unakademisch-oberflächlich, wenn nicht gar frevelhaft banal, ausfällt. Denn die Liebe zur Klassik kann genetisch bedingt sein, sie kanns aber, horribile dictu, auch nicht.
    Selbstherrlich nehme ich mich als Beispiel, bei dem ich eine genetische Disposition vermute. Mein Großvater väterlicherseits soll höchst musikalisch gewesen sein, der beachtlich Klavier spielte und im örtlichen Männergesangverein seinen nicht weniger beachtlichen Bariton dem Deutschen Requiem, der Schöpfung, den Vier Jahreszeiten etc. zur Verfügung stellte, abgesehen davon daß er alljährlich zum heiligen Gral nach Bayreuth pilgerte. Auch mein Vater spielte passabel Klavier, hörte gern "gute" Musik, wie das damals hieß, dachte aber nicht im Traum daran, seinen Sohn diesbezüglich zu fördern. Ich vermute mal, daß eine genetische Disposition bei mir vorhanden war, als ich als Kind meine Liebe zur Musik selbst entdeckte und sie ohne jegliche Förderung seitdem auf eigene Faust mit Eifer weiterentwickelte. Kein Fest, wo Geschenke verteilt wurden, an dem ich nicht mit präzisen Buchwünschen zur Musikgeschichte aufwartete. Nie werde ich die entgeisterten Gesichter meiner Eltern vergessen, aks ich mit 9 Jahren verkündete, ich hätte mich in der Schule zum Klavierunterricht angemeldet, obwohl doch gar kein Klavier im Hause war und der einstige Bechstein-Flügel, der im Kriegsbombardement verbrannte Stolz bürgerlicher Kultur, lnur noch als nostaligische Erinnerung präsent war. Doch die ferne Oma hatte ein altes Klavier aus Dresdener Tagen, das wußte der so musikenergische Knabe und alsbald übte er Tonleitern aus eigenem Antrieb. Und so entwickelte ich, was ich "ererbt von meinen Vätern", über die Jahrzehnte hin weiter fort bis zum heutigen Tag, immer noch lernend, immer noch staunend. Genetik hin, Genetik her, ohne meine mir oft selbst nicht so recht begreifliche Zähigkeit in musicis wäre die hübsche Veranlagung sang- und klanglos verdorrt.


    So, und jetzt stelle ich mir einen Menschen vor, deren Vorfahren seit Generationen falsch gesungen haben, die prima durchs Leben kamen ohne den klitzekeinsten Krümel Verständnis für Musik, und dieser Mensch, ob gefördert oder nicht, erweist sich nach Jahrhunderten der musikalischen Dürre als Ausbund von Musikalität, so daß die Musik für ihn zentrale Bedeutung bekommt. Ohne jegliche genetische "Vorwarnung" entwickelt dieser Mensch vielleicht sogar eine Begabung, die die Musik als Beruf zwingend erforderlich macht. Davon gibts vermutlich mehr, als man gemeinhin galuben möchte.


    Mir fällt noch eine dritte Variante ein. Genetisch bedingte Musikbegabung, die von Generation zu Generation weiter fortschreitet, einen absoluten Höhepunkt erreicht, und dann allmählich wieder abflacht: siehe die Bach-family des großen Johann Sebastian. Oder jene durch Generationen sich musikalisch stetig steigernde Ahnenfolge, die in einem weltberühmten Genie kulminiert und dann sofort abbricht: siehe die Puccinis. Tonio, der Sohn des großen Giacomo, ein Ingenieur, war schlicht unmusikalisch und konnte keinen Haus- von einem Notenschlüssel unterscheiden.


    Schade, daß ich Alfreds Frage nur mit solch banalen Schnurren beantworten kann. Doch das Leben ist oft banal, auch in der Musik, mögen wir uns noch so sehr um wissenschaftliche Drapierungen kümmern.


    Florian

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Damit wäre also sowohl die biologistische als auch die soziologistische Determination per anecdotal evidence widerlegt! *)


    Mir sehr sympathisch (allein aufgrund der Unsympathie dieser beiden vulgärdeterministischen Ansätze und ihres Jargons :D)!


    Mir auch! Insbesondere, weil ich nicht von »Determination« sondern von »Disposition« gesprochen habe. Zwei Wörter, zwei Begriffe, zwei Bedeutungen.


    Zitat

    Zumindest in der ästhetischen Reflexion ist der Mensch frei, auch wenn er sonst überall gekettet und geknechtet wird (von Genen, Institutionen, der Schwerkraft, was weiß ich noch) :D


    :hello:


    JR


    Naja, sagen wir mal: relativ frei! :D Daß das sich selbst setzende Individuum eine Fiktion ist, dürfte jedenfalls einigermaßen konsensfähig sein; und daß »Geschmack« auch nicht völlig schwerelos durch a-soziale und a-kulturelle Räume weht ebenfalls. Ich betone: »nicht völlig schwerelos«. Also: bitte nicht wieder mit (Vulgär)Determinismus kommen, ja...


    Aber das können wir ja mal anderenorts weiterdiskutieren. ;)


    Viele Grüße,
    Medard

  • Selbst wenn die Polarität "musikalisch" oder "nicht musikalisch" begabt genetisch bedingt sein sollte (ich bin kein Naturwissenschaftler, formuliere es daher lieber im Konjunktiv), so ist die Liebe zur klassischen Musik meiner Meinung nach doch eher (aber auch nicht nur) eine Frage der kulturellen Sozialisation.


    Ich bin als Kind auch nicht gerade mit klassischer Musik "gefüttert" worden und mein Musikgeschmack hat sich damals eher dem Familiengechmack angepasst. Als ich in der Schulzeit stärker mit Klassik in Berührung kam, hat sie mich schon interessiert, der Gruppendruck hinsichtlich Pop, Folk und Rock war in den 70er Jahren jedoch leider stärker (heute ist die Situation bei jungen Leuten, wenn ich meine Söhne und ihre Umgebung betrachte, meiner Meinung nach wesentlich entspannter - Klassik- und Opernhörer werden heute eher toleriert).


    Erst als ich etwas älter wurde, habe ich mich wieder der Klassik zugewandt und sie ist heute die Musik, mit der ich mich bei Weitem am meisten beschäftige.


    So wie der Mensch allgemein sowohl Natur- als auch Kulturwesen ist, so wird wohl auch seine Vorliebe für eine bestimmte Musikrichtung nicht nur einseitig genetisch oder kulturell bestimmt, sondern ist wohl eher ein komplexes Gebilde aus beiden Arten von Einflüssen.


    Meine Söhne kamen beide seit ihrer frühen Kindheit mit klassischer Musik in Berührung (weil sie halt bei uns im Haus stark präsent ist) und haben auch ab einem gewissen Alter in der Musikschule die musikalische Früherziehung genossen. Der ältere hört sie "ganz gern ab und zu mal"; sein jüngerer Bruder entwickelte schon früh ein verstärktes Interesse dafür (er ist aber auch musikalischer). Bei mir und meiner Schwester war es ähnlich, also spielen wohl doch die Gene auch eine gewisse Rolle.


    :hello: Petra


    P.S. Ok, Ok, das waren jetzt auch "anekdotische" Einzelfälle, die nicht bekräftigen und nichts widerlegen - komischerweise interessieren sich jedoch Statistiker immer sehr für die Häufung solcher Einzelfälle. :D

  • Zitat

    Ist die Liebe zur klassischen Musik genetisch vorprogrammiert


    also ich glaube das nicht - denn woher soll ichs dann haben ?!
    (Oder es bestätigt meine Theorie, dass ich vertauscht wurde... :D )



    weder meine Eltern noch meine Großeltern waren besonders interessiert an klassischer Musik.
    Mein Großvater väterlicherseits, hörte Klassik nur des Prestiges wegen - weil er Geschäftsführer eines Unternehmens in Wiesbaden war, da gehörte das zur Gesellschaft (...)
    Meine Großmutter mütterlicherseits liebte zwar Wagner, aber sie hat nur ein einziges Mal eine Opernausfführung besucht.
    Ansonsten Walzer und Operetten.


    das würde also so als Formel aussehen:



    Klischee Klassik (ausschließlich interpretiert von Karajan)
    + Wagner
    + Operetten & Walzer
    ___________________
    = Lully & Hardcore Barock



    das muss mir mal einer erklären, in Mathe war ich nie besonders :wacky:

  • Zitat

    das muss mir mal einer erklären


    OK. Ich tus


    Die Hinwendung zur Klassik beruht wahrscheinlich auf einem genetischen Defekt - ist aber nicht als Störung - sondern allenfalls als EIGENART zu werten :hahahaha:


    :baeh01: :baeh01:


    Deine spezielle Vorliebe ist wahrscheinlich ähnlich zu werten;


    Früher hätte man "Mißratener Sohn" oder "schwarzes Schaf" dazu gesagt - allein das verbietet die PC..... :hahahaha:


    LG


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Ulrich Kudoweh


    Und Liebe - seit wann ist die genetisch disponiert? Ich dachte, Liebe sei eine neurotische Fehlfunktion, sonst nichts. :D


    Liebe Grüße, Ulrich



    Genau! Was sonst.
    Also ist die Liebe zur klassischen Musik auch eine genetische Fehlfunktion und Tamino ist das, was man mit einem anderen Wort auch "Behindertenwerkstatt" oder vornehmer "Integrationseinsrichtung" nennen könnte..... :faint:


    Andersens Märchen vom häßlichen Entlein, das in der falschen Familie aufwächst , bekommt angesichts dieses Threads noch ungeahnten Aufschwung bei uns.


    Ich bin sicher, dass Musikalität und musikalisches Talent an sich zwar genetisch disponiert sind, aber wenn es die Liebe zur klassischen Musik auch wäre, was wäre mit den Bewohnern alll der Regionen und Erdteile, in denen es die klasssische Musk gar nicht gibt oder gab? Haben die alle exorbitante genetische Mangelerscheinungen? ?(
    Da es die klassische Musik erst seit ein paar Hundert Jahren gibt, müssen die Gene in einer Art Spontan- Evolution dann gleich mit ihr zusammen entstanden sein.
    Oder wer ist hier die Henne und wer das Ei?


    Fragen über Fragen.......


  • ... vielleicht eine subtile Form der Rebellion? (und wahrscheinlich viel effektiver als Heavy Metal) ;)


    :hello: Petra

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    )*Ja, Wulf, ich weiß, daß man mit anekdotischen Einzelfällen nix widerlegen kann...


    Seit wann unterstellst Du mir eine derart verbissene Humorlosigkeit? In dem thread ist doch alles möglich. :baeh01:


    Ich behaupte: erst durch die Vitamine einer Birne zur klassischen Musik gefunden zu haben. Oder wie erklärt ihr euch sonst , daß ich ein außerordentliche Affinität zu der Musik Saties habe?? :beatnik:


    Mit genetischen Grüßen
    Wulf



    P.S. Vielleicht sollten wir alle - bevor es zur Diskussion geht - unsere Grundkenntnisse in Genetik auffrischen. Wie kann ich einen Sachverhalt nur ansatzweise ernsthaft diskutieren, wenn ich von den Grundlagen keine Ahnung habe? Also mir geht es so..... :pfeif:

  • Also ich erinnere mich zumindest noch sehr gut an Mendels Erbsen :yes: :D
    ..... und bin somit das Produkt eines rezessiven Vererbungsprozesses,der eine Generation übersprungen, hat während mein Bruder und meine Schwester die dominanten weniger-klassikbegeisterten Liebes Gene erbten.... Dafür aber die Tangotanzgene und die Mathegene sowieso ... oder sind das keine Liebesgene..... ?( ?( ?(


    Ich finde es jedenfalls genial, dass sich Liebe nun auch vererbt-da sollte man doch gleich noch ein paar Kinder in die Welt setzen und zum verbesserten Genpool der Menschheit beitragen!


    F.Q.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose