Für Rienzi und Gerrit Stolte alias Thorsten Müller, natürlich auch für Bettina und Wilfried und wer es sich sonst noch antun möchte...
Salut,
die Sinfonie D-Dur KV 504 >Prague< ist datiert mit Wien, 6. Dezember 1786. Die neueste Mozartliteratur widerspricht natürlich mal wieder den herkömmlichen Anekdoten, Mozart habe dieses Werk eigens für Prag komponiert:
Die Premiere der Oper „Le Nozze di Figaro“ fand in Prag am Anfang Dezember 1786 mit großem Erfolg statt. So berichtet die Prager Oberpostamtszeitung am 12. Dezember 1786:
Prag, den 11. Dezember. Kein Stück (so gehet hier die allgemeine Sage) hat je so viel Aufsehen gemacht als die italienische Oper: Die Hochzeit des Figaro, welche […] schon einigemal mit dem vollsten Beyfalle gegeben wurde […]“
Dies lässt vermuten, dass die Einladung Mozart’s nach Prag, um eine Aufführung der >Nozze< zu dirigieren, erst nach der erfolgreichen Premiere stattfand, welche gemäß oben zitierter Zeitungsannonce vor dem 11. Dezember gewesen sein muss, da die Oper bis dahin „schon einigemal“ gegeben wurde. Demnach kann die Sinfonie nicht für Prag bestimmt gewesen sein. Nichtsdestotrotz wurde die >Prager Sinfonie< in Prag am 19. Januar 1787 (eine Woche vor Mozarts 31. Geburtstag) uraufgeführt.
Mozart erreichte zusammen mit Constanze und dem Geiger Franz Hofer im Gepäck am Mittag des 11. Januar 1787 Prag. Am 17. Januar 1787 fand eine Aufführung des >Figaro< in Mozarts Anwesenheit statt, am 22. Januar 1787 hatte Mozart selbst die Leitung der Oper.
Seinem Freund Gottfried von Jacquin schreibt Mozart am 15. Januar 1787:
[…] künftigen freytag den 19:ten wird meine academie im theater seyn; ich werde vermutlich eine zwote geben müssen […] .
Über die geplante zweite Akademie ist nichts bekannt geworden, die erste vom 19.01.1787 ist jedoch dokumentiert – wiederum in der Prager Postamtszeitung (vom 23. Januar 1787):
Freytags den 19teh gab Hr. Mozard auf dem Fortepiano im hiesigen Nationaltheater Konzert. Alles was man von diesem großen Künstler erwarten konnte, hat er vollkommen erfüllt […] .
Man (= die Mozartforschung) nimmt an, dass Mozart beim Klavierspiel soviel Aufsehen erregt hat, dass die Erwähnung der D-Dur-Sinfonie glatt unterging. Die Mozartforschung weist auch betreffend der >Prager< auf mehrfache Anspielungen hin, die gen >Figaro< weisen, welche ich persönlich allerdings nicht nachvollziehen konnte.
Wenn man schon Betthoven’s 5. Sinfonie als „Schicksalssinfonie“ bezeichnen darf, wegen des „anklopfenden Schicksals“ zu Beginn dieser Sinfonie, so darf ich behaupten, dass zu Beginn der Prager Sinfonie bereits Sigr. Don Giovanni bei Mozart angeklopft hat. Und dies ist bei näherer Betrachtung gar nicht so abwegig, wie es klingen mag:
Bei einem Vergelich des ersten Satzes der D-Dur Sinfonie KV 504 mit der Ouverture zu „Don Giovanni – ossia: Il dissoluto punito“ stellt man schnell fest, dass die langsame Einleitung bei der >Prager< 36 Takte zählt, bei D.G. 30. Der Beginn des Hauptteils der Exposition ist in beiden Fällen D-Dur und ist thematisch in den ersten 6-7 Takten nahezu identisch. In der „Prager“ folgen in Takt 7 des schnellen Hauptteils (Takt 43 der Partitur) die Holz- und Blechbläser mit Pauken „solistisch“ – d.h. vollständig ohne Streicher - , in der D.G.-Ouverture in Takt 8 (Takte 38ff. der Partitur). Bemerkenswert auch die Themenidentität der Takte 139ff. der Prager mit den Takten 115ff. der D.G.-Ouverture (jeweils das Ende der Schlußgruppe). Nur nebenbei erwähnt hat der erste Satz der Prager Sinfonie insgesamt 302 Takte, die D.G.-Ouverture in der Opernfassung 293 und in der Konzertschluß-Fassung 298 Takte. Auch charakterlich sind die beiden Sätze ziemlich ähnlich, wobei meiner Meinung nach die Prager Sinfonie etwas tiefgründiger ist, als die doch eher zynische D.G.-Ouverture…
Die Chromatik der langsamen Einleitung der D.G.-Ouverture mag auch im Andante der Prager Sinfonie wiederzufinden sein, wenn man möchte – und die aufsteigenden Synkopen der D.G.-Ouvertüre als absteigende Synkopen im 3. Satz der „Prager“. Thematisch sind auch die Takte 46ff. aus D.G. mit den Takten 55ff. des 3. Satzes der Prager sehr eng verbunden.
Wie dem auch sei und was Mozart immer dabei gedacht haben mag, ich hoffe, mal wieder einiges Interesse an diesen Werken geweckt zu haben!
Viele Grüße,
Ulli
NB: Prag ist eine wunderschöne Stadt, zumal hier auch Franz Kafka beerdigt wurde.