„Aus Potsdamm vernimt man, daß daselbst verwichenen Sontag der berühmte Capellmeister aus Leipzig, Herr Bach, eingetroffen ist, in der Absicht, das Vergnügen zu geniessen, die dasige vortreffliche Königl. Music zu hören. Des Abends, gegen die Zeit, da die gewöhnliche Cammer-Music in den Königl. Apartements anzugehen pflegt, ward Sr. Majest. berichtet, daß der Capellmeister Bach in Potsdamm angelanget sey, und daß er sich jetzo in Dero Vor Cammer aufhalte, allwo er Dero allergnädigste Erlaubniß erwarte, der Music zu hören zu dürfen. Höchstdieselben ertheilten sogleich Befehl, ihn herein kommen zu lassen..."
Mit dieser (im ganzen fast dreimal so langen) Meldung der „Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen" vom 11. Mai 1747, die von Zeitungen in Hamburg, Frankfurt a. M., Magdeburg und sogar in Leipzig nachgedruckt wurde, beginnt die dokumentari sche Uberlieferung des vielleicht aufsehenerregendsten Ereignisses im Leben Johann Sebastian Bachs, seines Besuches am Hofe Friedrich II. von Preußen. Ein Stück „Hohenzollern-Legende" ist allerdings auch hier schon im Spiel, denn die „mit Königlicher Freiheit" erscheinen den „Berlinischen Nachrichten" praktizierten eine permanente Selbstzensur, die sich auch auf den Bericht über Bachs Potsdamer Aufenthalt am 7. und 8. Mai 1747 auswirkt. Im Brustton der Überzeugung wird behauptet, der „berühmte Capellmeister" sei eigens gekommen, um mit „allergnädigster Erlaubniß" die „vortreffliche Königl. Music zu hören". Beinahe ungewollt, ohne Vorsatz von seiten des Potentaten, sei es dann zu einer Fugenimprovisation gekommen, der Voraussetzung für Bachs Entschluß, das „ausbündig schöne" Thema des Preußenkönigs in einer „ordent lichen Fuga" auszuarbeiten und durch den Druck vervielfältigen zu lassen.
Das ist eine der überlieferten Varianten zur Entstehung des "Musicalischen Opfers", das einerseits als eines der instrumentalen
"Haupt-Werke" Bachs gilt, zum anderen aber zu den Kompositionen gehört, die im Kozertbetrieb nie so recht heimisch wurden. Das liegt zum einen sicher daran, daß sich die Musik der Darstellung auf Instrumenten, die Erfindungen des 19. oder 20. Jahrhunderts sind, hartnäckig widersetzt, zum anderen sicher auch daran, daß ein Publikum, das durch Erziehung und Alltags-Kultur
eher auf melodisch ohne grössere Schwierigkeiten Nachvollziehbares "getrimmt" ist, mit der zugegebenen Sperrigkeit
von Aufbau, Faktur und klanglichem Ergebnis seine Schwierigkeiten haben mag. Darin gleicht es in gewisser Weise den späten Werken Beethovens, denen dieses (Opus 133 sei als Beispiel genannt) ebenfalls nachgesagt wird.
Das Werk besteht aus unterschiedlich besetzten Ricercare,Canons,Fugen und einer viersätzigen "Sonata Sopr'il Soggetto Reale" a Traversa, Violino e Continuo, einer Triosonate, die hier als 4sätzige Kirchensonate präsentiert wird.
In allen Teilen der Komposition ist das "Königliche Thema" entweder komplett oder bruchstückhaft präsent.
Gemessen am Rang der Komposition sind die Aufnahmen derselben vergleichsweise rar. Ich besitze 2; eine aus dem Jahr 1983 mit dem Leipziger Bach-Kollegium, aufgenzeichnet im Konzertzimmer des Potsdamer Schlosses Sanssouci, wobei einer der legendären Hammerflügel Gottfried Silbermanns aus dem Jahre 1746 Verwendung findet, auf dem Bach vor dem König improvisiert hat. Nach dem Hören dieses Instrumentes konnte ich Bachs radikale Ablehnung dieser "Neuerung" mitleidend nachvollziehen, meine zweite Aufnahme ist eine frühe (aus 1979) Einspielung von Musica Antiqua Köln, für mich auch nach so langer Zeit immer noch eine der schönsten und "emotionalsten"
Darsellungen dieser ausserordentlichen Kompositon, die es immer wieder schafft, mich nach dem Erleben widriger Umstände ins "innere Gleichgewicht zu bringen.
In der Brilliant-Bach-Edition ist das "Musikalische Opfer" des Leipziger Bach-Collegiums noch lieferbar !
Bach: Musikalisches Opfer Musica Antiqua Köln (1979) DGG