Siegmund von Hausegger: Natursymphonie

  • Der Titel der Sinfonie verspricht Natur: Freundliche Vogelmelodien, Hirtengesänge, der rauschender Bach, sich im Wind wiegende Baumwipfel und ein röhrender Hirsch im Blech. Das erwartete ich schließlich von einer Natursinfonie. Doch ein Blick vorher in den guten und ausgiebigen Einführungstext der neuen Ausgrabung von CPO hätte mich eines Besseren belehrt. Siegmund von Hauseggers gleichnamige Sinfonie hält sich lieber im kargen Gebirge auf, ohne Tiere, ohne Vegetation - dafür schroffe Bergwipfel, Licht und Schatten, klare Luft. In der Tat erinnert mich der Weg durch diese Sinfonie an die Gefühle bei einer Wanderung durch das Hochgebirge.



    Siegmund von Hausegger ( 1872 - 1948 )
    Natursymphonie


    (56 Minuten)


    WDR Rundfunkchor Köln, WDR Sinfonieorchester Köln,
    Ari Rasilainen




    Das Werk ist hochromantisch, die Besetzung groß:

    Zitat

    3 Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, 3 Klarinetten, 1 Baßklarinette, 3 Fagotte, 6 Hörner, 1 Bachtrompete, 3 große Trompeten, 3 Posauen, Baßtuba, 2 Harfen, Celesta, Glockenspiel, Becken, Triangel, Xylophon, Tamtam, kleine und große Trommel, Rührtrommel, 2 Paukisten, eine Menge Streicher und eine große Konzertorgel


    Kühn setzt der Chor im letzten Satz ein und begleitet das Orchester durch den kompletten 4ten Abschnitt, der Texte von Goethe:


    Prooemion


    Im Namen dessen, der Sich selbst erschuf
    Von Ewigkeit in schaffendem Beruf;
    In Seinem Namen, der den Glauben schafft,
    Vertrauen, Liebe, Tätigkeit und Kraft;
    In Jenes Namen, der, so oft genannt,
    Dem Wesen nach blieb immer unbekannt:


    So weit das Ohr, so weit das Auge reicht,
    Du findest nur Bekanntes, das Ihm gleicht,
    Und deines Geistes höchster Feuerflug
    Hat schon am Gleichnis, hat am Bild genug;
    Es zieht dich an, es reißt dich heiter fort,
    Und wo du wandelst, schmückt sich Weg und Ort;
    Du zählst nicht mehr, berechnest keine Zeit,
    Und jeder Schritt ist Unermeßlichkeit.


    [nicht vertont:
    Was wär ein Gott, der nur von außen stieße,
    Im Kreis das All am Finger laufen ließe!
    Ihm ziemt's, die Welt im Innern zu bewegen,
    Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
    So daß, was in Ihm lebt und webt und ist,
    Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermißt.


    Im Innern ist ein Universum auch;
    Daher der Völker löblicher Gebrauch,
    Daß jeglicher das Beste, was er kennt,
    Er Gott, ja seinen Gott benennt,
    Ihm Himmel und Erden übergibt,
    Ihn fürchtet und wo möglich liebt.]


    Gruß
    Jörg

  • Hallo Jörg,


    vielen Dank für Deinen Beitrag über die neue CPO-Ausgrabung. Da mich das monumentale Werk ebenfalls sehr interessiert, könntest Du in ein paar Worten charakterisieren, wie die 'Natursymphonie' stilistisch in etwa einzuordnen ist? Gibt es Anklänge an z. B. Strauss oder an Mahler, wie dies ja in einer Vorbesprechung angedeutet wurde? Würde man sie, wenn man nur die Musik hörte, ohne das Entstehungsjahr 1911 zu kennen, sie auch in das Umfeld dieser Zeit um 1910 verorten, wie Strauss' 'Alpensymphonie', Mahlers späte Symphonien oder Schönbergs Frühwerke, z. B. die 'Gurrelieder'?


    Schöne Grüße
    Johannes

  • Hallo Johannes,


    ja, diese Sinfonie ist ein Kind aus dem Beginn des vorhergenden Jahrhunderts. Spätromantik im Umfeld von Richard Strauss und richtig - mehr noch von Gustav Mahler - sehr ernst und der im zweiten Satz eingebettete Trauermarsch wirkt sogar geradezu bedrohlich. Ausschnitte kann man ja bei jpc anhören.


    Gruß
    Jörg

  • Hallo Jörg,


    mit den jpc-Hörproben hatte ich auch schon versucht, mir einen Eindruck von dem Werk zu verschaffen, was mir aber nicht gelungen ist, da die Ausschnitte, die ja ohnehin von zu kurzer Dauer sind, äußerst ungünstig gewählt und dadurch wenig aussagekräftig sind. Deshalb meine genauere Nachfrage an Dich. Deine Kurzcharakterisierung hört sich schon sehr vielversprechend an. Vielen Dank für die erhellenden Zeilen :]


    :hello:
    Johannes