Meine Lieben,
Vincenzo Bellini scheint mir im Verhältnis zu seiner Bedeutung im Forum noch immer etwas unterrepräsentiert. Es mag sein, daß seine Begabung, scheinbar mühelos in unendlicher Folge ohrwurmverdächtige Melodien schaffen, ihn für manche Kritiker zu wenig elitär erscheinen läßt. Doch zum Beispiel Verdi und Wagner haben sich nicht umsonst begeistert über ihn geäußert. Wie kaum ein anderer seiner Zeitgenossen, so scheint mir, verstand sich Bellini darauf, Schmachtfetzen und Virtuosität in sinnlicher Musik vereinigen, raffinierte Steigerungen und Bögen als einfach erscheinen zu lassen, Sentimentalität in Wohllaut zu verströmen. "La sonnambula" ist dafür sehr charakteristisch.
Da meine Kenntnis von Einspielungen dieses Werks sehr beschränkt ist, hoffe ich auf ausreichend Stellungnahmen von Euch, die den Rang dieser Oper unterstreichen und auf die diversen Wiedergaben hinweisen.
Mein Einstieg war/ist nachhaltig bestimmt durch eine Live-Aufnahme der Scala von 1955:
Sie ist geprägt von einem hervorragenden Team, das sich da zu einer Sternstunde zusammengefunden hatte. Maria Callas als Amina ist hier ganz charakteristisch zu erleben. Ab und zu ein paar schrille Töne, aber eine unglaubliche Wandlungsfähigkeit und ein beseelter Ausdruck, der alles vergessen macht. Wenn man gesagt hat, die Callas ist die Amina, dann kann ich mich dem nur anschließen. La divina - pur. Cesare Valletti gibt einen kongenialen Elvino ab, der stilistisch vollkommen harmoniert. Und beide werden wunderbar getragen von Leonard Bernstein, der zum Teil sehr langsame Tempi nimmt, ohne je irgendwie durchzuhängen. Giuseppe Modesti als Rodolfo und Gabriella Carturan als Teresa ergänzen hervorragend. Lisas Eugenia Ratti beeindruckt zwar durch virtuose Stimmführung, scheint im Tonfall aber etwas zu karikaturistisch überzogen.
Alles in allem würde es sich um eine exemplarische Aufnahme handeln, doch leider ist die Tonqualität teilweise an der Grenze des Zumutbaren; wiederholte Übersteuerungen beeinträchtigen den Genuß doch empfindlich, auch wenn - glücklicherweise - etliche Passagen recht gut anzuhören sind. Aber sehr professionell kann die Aufnahmetechnik nicht gewesen sein - oder was meinen da Kundigere, welche diese Edition kennen?
Trotzdem: Für Bellini- und Callas-Fans sowie für Verehrer von nur scheinbar klischeehafter Italianità ein Erlebnis!
LG
Waldi