Ich setze >Mozart< bewusst in die Mitte der beiden, da sich Mozart offensichtlich gerne mit den beiden Komponisten befasste und mit deren Musik umgab. Die Geschichte beginnt mit Baron Gottfried van Swieten, einem der größten Gönner Mozarts und dem nach neuester Mozart-Literatur dessen frühes Ableben aufs Gewissen geschrieben wird (Bezug: Dr. Ludwig Koeppen Mozart’s Tod, eine sehr gut recherchierte Materialzusammenstellung über die Umstände in Mozarts letzten Lebensmonaten; der Leser vermag sich selbst ein Urteil über diese vom Autor sehr eigen, dennoch fabelhaft bewiesene These bilden).
Am 10. April 1782 schreibt Mozart an den Vater:
[…] ich gehe alle Sonntag um 12 Uhr zum Baron von Suiten – und da wird nichts gespiellt als Händl und Bach. – ich mach mir eben eine Collection von den bachischen fugen. […]
Mozart’s Fugensammlung umfasst solche von Johann Sebastian, Carl Philipp Emanuel und Friedemann Bach. Aus dem Wohltemperierten Clavier adaptierte Mozart elf Fugen, davon sechs dreistimmige und fünf vierstimmige jeweils zu Streichtrios bzw. Streichquartetten (KV 404a, 405). Im Hause van Swieten wurde üblicherweise in der Streichtrioformation musiziert, wozu Mozart zu seinen Übertragungen der sechs dreistimmigen Fugen jeweils ein eigenes Präludium komponierte. Der besseren Spielbarkeit halber transponierte Mozart die beiden dis-moll-Fugen aus dem I. und II. Teil nach d-moll und die fis-moll-Fuge aus dem II. Teil des WT nach g-moll (sozusagen das „wohltemperierte Streichtrio“).
Die fünf Adagios resp. ein Largo sind allerliebste, kunstvolle und kurzweilige Werke Mozart’s, die im Zusammenspiel und –klang mit den Bach’schen Fugen eine schöne Entdeckungsreise sind. Die manchmal nicht ganz einfache Umsetzung der Übertragung der Stimmführung des Cembalos auf die Streicher löst Mozart meisterhaft!
Mozart schreibt am 20. April 1782 an seine Schwester:
[…] hier schicke ich dir ein Präludio und eine dreystimmige Fuge… es ist ungeschickt geschrieben – Das Präludio gehört vorher, dann folgt die fuge darauf. – Die ursache aber war, weil ich die fuge schon gemacht hatte, und sie, unterdessen dass ich das Präludium ausdachte, abgeschrieben […]. Die ursache dass diese Fuge auf die Welt gekommen ist wirklich meine liebe Konstanze. – Baron van suiten zu dem ich alle Sonntage gehe, hat mir alle Werke des Händls und Sebastian Bach […] nach Hause gegeben. – als die Konstanze die Fugen hörte, ward sie ganz verliebt darein […] und gab mit bitten nicht nach, bis ich ihr eine fuge aufsetzte, und so ward sie. - ich habe mit fleiß Andante maestoso darauf geschrieben, damit man sie nur nicht zu geschwind spielle… ich werde mit der Zeit und mit guter gelegenheit noch 5 machen, und sie dann dem Baron van suiten überreichen […]
Mozart beschäftigte sich in dieser Zeit unglaublich viel mit dem Kontrapunkt resp. der Fuge, so sind fast Unmengen an Fugenfragmenten von Mozart erhalten. Auch die in unmittelbarer zeitlicher Nähe stehenden Skizzen zur unvollendeten c-moll-Messe bergen sieben zum Teil recht komplexe Fugen und Doppelfugen für vierstimmigen Chor. Zum d-moll-Quartett KV 417b (421) ist eine Fugenskizze erhalten geblieben, die thematisch bereits an das Requiem Anklang nimmt (der Sprung von b nach cis). Im Weiteren begegnen wir der Fuge für zwei Klaviere in c-moll, datiert vom 29. Dezember 1783, das wohl bis dahin beste kontrapunktische Werk Mozart’s. Es gefiel ihm selbst offenbar so gut, dass er lange später (26. Juni 1788 ) mit einer Adagio-Einleitung versah und - nach bereits bekannter Manier – für Streichquartett umschrieb.
Zum Zeichen der größten Verehrung an Bach-Vater schrieb Mozart am 16. Mai 1789 in das Stammbuch des kurfürstlichen sächsischen Hoforganisten Engel zu Leipzig eine kleine Gigue für das Klavier, welche kühn, aber witzvoll und genial-leicht (leider nicht zu spielen) ist.
Es existieren noch viele weitere Fugenfragmente von Mozart, zu deren qualitativ „besten“ und am weitesten geführten Maximilian Stadler sehr schöne brauchbare Vervollständigungen schrieb.
Baron van Swieten war es auch, der Mozart beauftragte, einige von Georg Friedrich Händels Oratorien „neu“ zu instrumentieren. Bei diesen „für unsere Zeiten brauchbarer eingerichteten“ Werken, wie sie in der Erstausgabe von Breitkopf & Härtel 1802 betitelt werden, handelt es sich um die Pastorale „Acis und Galathea“ (KV 566) versehen von Mozart mit einer Einleitung zum zweiten Akt, das Oratorium „Der Messias“ (KV 572), das Oratorium „Alexanderfest“ (KV 591) und soweit bekannt die „Caecilien-Ode“ (KV 592).
Dass sich Mozart sehr intensiv mit Händel beschäftigt hat, beweisen nicht zuletzt die oben Aufgeführten Bearbeitungen. Eine honoriges Hommage an Händels Schaffen ist Mozart's Requiem, konkret das Instoitus: Hier zitiert Mozart nahezu Textgenau den Eingangschor von Händels 1737 komponierter >Funeral Anthem for Queen Caroline<, wobei er das in g-moll stehende Original nach d-moll transskribiert. Und auch die geniale Kyrie-Fuge entlehnt Mozart einem Werk Händels: nämlich dem Schlußchor der „Dettingen Anthem“ von 1743, welche er von D-Dur – natürlich – nach d-moll verwandelt.
Dieses kleine Essay soll zeigen, dass es durchaus möglich war und noch ist, durch die Beschäftigung mit und Ehrerbietung an „alte Meister“ und im respektvollen Umgang mit deren Oeuvre, neue Meisterwerke „auf die Welt zu bringen“.
Viele Grüße,
Ulli