Ramón Vinay - Die Nummer Zwei

  • Zugegebenermaßen: Der Thread-Untertitel ist etwas reißerisch, doch dürfte er dem Thread zu Ramón VINAY (1911-1996), dem großen Heldentenor, vielleicht mehr Zulauf verschaffen.



    Fragt sich nun: In welchem Zusammenhang die Nummer Zwei?


    Ich habe mir die Besetzung bei den Bayreuther Festspielen in den 50er- und 60er-Jahren angeschaut, und Vinay wechselte sich mit dem heute viel berühmteren Wolfgang WINDGASSEN in den Rollen des Parsifal, Tristan, Tannhäuser u.a. ab.


    Eine kleine Tabelle macht dies deutlich:


    Parsifal: 1951 Windgassen, 1952 Windgassen, 1953 Vinay, 1954 Windgassen, 1956 Vinay usw.
    Tristan: 1953 Vinay, 1957 Windgassen, 1959 Vinay, 1962 Windgassen usw.
    Tannhäuser: 1954 Vinay, 1955 Windgassen, 1961 Windgassen usw.


    Ein paar Hörproben genügten, um mich von Vinay zu überzeugen. Seine Stimme klingt für meine Begriffe gewaltiger als die Windgassens.


    Interessant ist auch, daß Vinay mehrmals das Fach wechselte: Bis 1944 war er Bariton, wechselte er zum Heldentenor, um 1962 wieder zum Bariton zu wechseln; zuweilen sang er auch Baß-Partien bis zu seinem Karriereende 1969 bzw. definitiv 1974.


    Neben seinen Wagner-Rollen wurde er v.a. als Otello berühmt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Felipe II.


    Neben seinen Wagner-Rollen wurde er v.a. als Otello berühmt.


    ... und die Toscanini-Aufnahme ist mE DIE Referenz:


    Giuseppe Verdi (1813-1901)
    Otello


    Vinay, Nelli, Valdengo, Merriman, Assandri,
    NBC SO, Toscanini
    Label: RCA , ADD/m, 47




    LG, Elisabeth

  • Wenn ich Windgassen und Vinay vergleichen soll, was sehr schwierig ist, so müsste nach meiner Meinung der Thread heissen: Wolfgang Windgassen-Die Nummer Zwei;
    denn wo Vinay "ohne Rücksicht auf Verluste" ins Rennen geht, erlebe (höre) ich bei Windgassen schönes Material, aber null Stimme (Tristan `57 aus Bayreuth, heute gehört, hat meine Meinung bestätigt).
    Dann schon lieber Vinay (Bayreuth `52).


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo heldenbariton,


    Nummer Zwei bezog sich in erster Linie auf die Bekanntheit - ich meine, Windgassen ist (in Deutschland) heute bekannter.


    Zitat

    Zitat Wikipedia
    Vinay ist insbesondere für vier legendäre Interpretationen bekannt: Otello (Verdi) unter der Leitung von Arturo Toscanini (1947); Tristan unter der Leitung von Herbert von Karajan (1951) sowie Siegmund und Parsifal unter der Leitung von Clemens Krauss (1953). Diese letzte, live entstandene Aufnahme zeugt jedoch, neben der Kraft und der Energie seiner Stimme, auch von seiner großen Mühe sowohl mit der deutschen Sprache als auch mit der Textsicherheit (der Souffleur ist laufend und überdeutlich zu vernehmen).


    Ist das wahr?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Heldenbariton hat vollkommen recht.
    Vinay mit Windgassen zu vergleichen, hieße. Einen Felsen, mit einem Kieselstein vergleichen. Vinay sang am Anfang seiner Karriere viele großen Baritonpartien. Als Tenor sang er außer den Wagner-Helden: Cavaradossi, Canio, Radames, Don Jose, Samson, u.a. Seine bedeutenste Rolle, war natürlich der Otello, den er 250 mal auf der Bühne gestaltet hat. Er sang nicht Otello,er war Otello. In dieser Rolle ist er auch 5 mal auf Tonträger verewigt worden. Davon 4 mal mit den großen Dirigenten. A.Toscanini, F.Busch, Th.Beecham und in Salzburg W. Furtwängler. In den 60er Jahren kehrte er(wahrscheinlich wegen Höhenschwierigkeiten) in sein anfängliches Baritonfach zurück.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

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  • Ein direkter Vergleich zwischen Vinay und Windgassen ist eher schwierig. Man wird bei beiden Vorzüge und Nachteile finden. Die etwas anämische Farbe von Wingassens Tenor ist als Siegfried oder Tannhäuser sicher nicht jedermanns Sache, seine - das ist hier im Forum auch schon angeklungen - etwas biedere, auch durchaus altbackene Gestaltung wird nicht nur reine Freude verbreiten.


    Demgegenüber ist sein Tristan für mich eine der stärksten Rollenverkörperungen, die es (bezogen auf diese Rolle) auf Tonträgern überhaupt gibt.


    Vinay gehört jetzt zu jenen kraftstrotzenden Sängern, die mit einem baritonalen Fundament aufwarten können und damit den Stimmklang bedienen, der von vielen wohl mit dem Begriff "Heldentenor" verbunden wird.


    An Kritikpunkten würde ich sein oft ungenaues Singen, seine etwas rüde Art der Tonproduktion, die problematische Höhe und tatsächlich seine Textunsicherheiten anführen.


    Bei seinen Wagnerpartien bin ich immer hin-und-her gerissen, das hat schon was, aber manchmal wird meine persönliche Toleranzgrenze doch erreicht, auch z. B. beim Tristan aus Bayreuth 1952.


    Unbestreitbar ist es der "Otello", bei dem er gestalterisch erstaunliches leistet - da ensteht eine enorme Dichte, weil der Sänger diese Rolle tatsächlich lebt. Mein Favorit hier ist die Toscanini-Einspielung von 1947, die Paarung Toscanini-Vinay finde ich noch eine Spur gelungener, als jene von Fritz Busch und Vinay.


    Wenn man sich den Telramund aus dem Bayreuther Jahr 1962 anhört, wird man das kaum als eine gelungen Rückkehr ins angestammte Stimmfach werten können...

  • Die Spezialisten von NAXOS haben sich der legendären Othello-Aufnahme von 1947 angenommen und bringen diese ab heute neu remastered auf den Markt:



    Giuseppe Verdi: Otello


    Ramon Vinay, Herva Nelli, Giuseppe Valdengo, Virginio
    Assandri, Nan Merriman, Leslie Chabay,
    NBC SO, Arturo Toscanini
    Label: Naxos , ADD/m, 1947
    2 CDs
    Erscheinungstermin: 21.2.2008


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Als Parsifal weiß Vinay durchaus zu überzeugen. Heute habe ich die '56er Aufnahme aus Bayreuth erhalten. Das baritonal Eingefärbte, Heldentenor-Artige bekommt der Rolle m. E. durchaus. Daneben ein junger Fischer-Dieskau als grandioser Amfortas, überragend auch Greindl und der Rest.


    Vinays Deutsch mag nicht perfekt sein, aber verglichen mit Domingo ist es geradezu hervorragend.



    Besetzung:


    Amfortas: Dietrich Fischer-Dieskau
    Titurel: Hans Hotter
    Gurnemanz: Josef Greindl
    Parsifal: Ramón Vinay
    Klingsor: Toni Blankenheim
    Kundry: Martha Mödl


    Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele
    Hans Knappertsbusch
    19. VIII. 1956

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • MARTINELLI halte ich für einen der überzeugenden Interpreten des "Otello" . Hier liegen auch DOMINGOs eigentliche Qualitäten ( etwa in der Aufnahme der Scala - eröffnung mit Carlos Kleiner am pult ) .


    Was Domingo bweget hat , grosse Wagnerrollen zu singen (?) wir mir immer ein Rätsel bleiben


    Ob VINAY ein bedeutenderer "Otello"<war als Domingo sei dahingestellt . Ich lasse bewusst Domingos späte Zeit weg .


    WINDGAESSEN war wohl kaum zu betsreiten einer der intelligensten Tenöre überhaupt . Bei ihm erleben wir eine Einheit von Gesangskunst wie auch Darstellungsvermögen . Das war auf dem "Grünen Hügel" sicherlich einzigartig und wird wohl kaum noch einmal so zu erreichen sein .


    Wenn wir den "Otello" und Wagner-Partien heranziehen , so sollten wir Hans HOPF nicht vergessen .#


    Viele Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank,


    was heißt denn hier Domingos späte Zeit?


    Er hat ja erst in reifem Alter den Otello, wenn auch selten gesungen.


    Ramon Vinay war, wie die gesamte Fachwelt weiß, der weitaus


    bedeutendere Otello, warum, kann man weiter oben nachlesen.


    Nach Vinay folgen immerhin noch ca. 6 Otello-Interpreten, die


    in dierer Rolle bedeutender waren als Domingo.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

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  • Lieber Herbert ,



    Riccardo Chailly hat das i einem Interview über seine grössten Openeindruck ( Eröffnung der Scala mit dem Dirigat von Carlos Kleiber (( es gibt einen Opernmitschnitt ) ganz anders erlebt .


    Domingo selbst in einem umfabgreicheren Interview in der deutschen ARD auch .


    Welche sollen denn die indestens sechs bedeutenderen Otello - Interpreten nach Vinay gewesen sein ?


    Danke für Dein e Mitteilung .


    Beste Grüsse ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank,


    ich denke da an: M.del Monaco, J.Vickers, C.Cossutta, J.McCracken,


    C.Guichandut, T.Ralf, W.Atlantow, D.Usunow und noch einige


    deutschsprachige: H. Hopf, E. Kozub. H. Beirer, L. Suthaus.


    An Stimmschönheit ist Domingo den meisten überlegen, aber bei


    der Interpretation des Otello spielen noch ganz andere Kriterien eine


    wichtige Rolle, siehe Ramon Vinay.


    Viele großen Verdi-Tenöre haben sich der Herausforderung "Otello"


    garnicht gestellt, z.B. Caruso, Björling, Tucker, Bergonzi oder Corelli.


    Vieles zu diesem Thema, findet man in dem Thread:


    "Verdis Otello - Der Höhepunkt des italienischen,dramatischen Gesangs."


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • ... CARUSO soll übrigens DOCH mal den Otello gesungen haben
    (lt. eines von mir besuchten Vortrags im Verdi-Jahr 2001),
    allerdings nur im Studio - und mit je 1 Woche Pause zwischen den einzelnen Akten ;)


    :hello:

  • Ich gestatte mir mal, zu widersprechen. Zunächst finde ich nicht, daß Vinay ein großartiger Otello war. Dafür war seine Interpretation zu oberflächlich und laut, seine Stimme zu schwer und zu unklar. Klar, bei seinen frühen Aufnahmen ist man irgendwie von der Gewalt des Organs beeindruckt - aber mehr auch nicht. Was den späten Vinay angeht, halte ich es mit Jens Malte Fischer: Er war weder ein Tenor noch ein Bariton sondern einfach ein Sänger ohne Stimme. Ein Baß war Vinay schon gar nicht. Ich habe ihn als Großinquisitor im Don Carlo: Vinay ist so ziemlich der einzige "Baß", den ich kenne, der absolut keine Tiefe hat.


    Die Urgewalt, die Vinay in den ersten Otello-Einspielungen an den Tag legt, ist für mich das einzige, was Domingo in dieser Rolle fehlt. Ansonsten halte ich ihn gegenüber Vinay in allen Belangen für überlegen: Stimmschönheit, Interpretation, Intelligenz, Ausdruckstiefe -Technik. Domingo sang den Otello bis ans Ende seiner langen Karriere. Für Vinay war nach ein paar Jahren Schluß - er hatte am Anfang viel Kraft und kaum Technik und am Ende weder das eine noch das andere.


    Etwas noch zu den von Herbert nominierten Interpreten:
    Mario del Monaco ist ein ähnlicher Fall wie Vinay, obwohl er ein viel besserer Sänger war. Verschleiß gab es bei Del Monaco nicht. Aber auch er hat sich durch die Rolle gebrüllt. Seine ersten Aufnahmen von 1950/51 sind auf Grund der permanenten Brüllerei eigentlich ungenießbar, wären sie nicht, ähnlich wie bei Vinay, wegen ebendieser eigentlich unmenschlichen Kraftmeierei so faszinierend. Del Monaco lag als Tenor außerdem viel zu tief - Verdi wollte für diese Rolle überhaupt keinen brüllenden "Baritenor", schon Tamagno war für ihn bekanntlich zu laut. Die Feinheiten der Rolle gehen bei Del Monaco allesamt verloren. Del Monaco ist der Stentor-Otello par excellence - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich ziehe Domingo vor. Obwohl ihm die Kraft fehlt, wird er der Rolle ungleich viel mehr gerecht.
    Bei Vickers und McCracken habe ich ein Problem mit dem unidiomatischen Ausdruck und vor allem mit den für mein Ohr sehr unattraktiven Timbres. Beide haben für meinen Geschmack häßliche Stimmen. Das Votum geht auch hier an Domingo.
    Cossuttas Stimme war für Otello ein paar Nummern zu klein. Er brilliert in einigen leichteren Puccini-Partien, aber Otello ist schon ein anderes Kaliber (wie Verdi generell). Seine Stimme ist zu dünn für die Rolle. Auch hier bevorzuge ich Domingo.
    Beim Rest der Auswahl komme ich zu demselben Resultat: Guichandut (Kraft statt Schönheit, Technik und Ausdruck), Ralf (interessant aber arg unidiomatisch), Atlantow und Usunov (vor allem laut) und die Deutschen fallen allesamt hinter Domingo ab.


    Was die anderen angeht, die nie den Otello auf der Bühne gesungen haben:
    Corelli - Gott bewahre! Es gibt einen Live-Mitschnitt seines "Niun mi tema". Das ist laut und oberflächlich, von einem furchtbaren Lispeln durchzogen... ich glaube, daß es eine gute Entscheidung von Corelli war, diese Partie nicht vollständig zu singen.
    Björling - ich bezweifle, daß sein lyrischer Tenor das mitgemacht hätte.
    Caruso - wäre sicher interessant gewesen, aber ich vermute, daß er mit dieser Partie arge Schwierigkeiten gehabt hätte.
    Tucker - wäre wahrscheinlich aufgrund seines doch teilweise geschmacklosen und unidiomatischen Ausdrucks keine Konkurrenz für Domingo geworden.
    Bergonzi - hat diese Rolle in der Carnegie Hall gesungen, allerdings nur in einer Probe. Die Aufführung wurde dann abgesagt. Es gibt einen Mitschnitt der Probe: Bergonzi kam über das mittlere G kaum hinaus... Außerdem hatte Bergonzi eine kleine Stimme, die in Häusern über 2500 Plätze regelmäßig unterging, und das nicht in Partien wie Otello sondern bereits bei Puccini!


    Ich denke, daß Giovanni Martinelli der beste Otello auf Tonträgern war. Interessant sind auch die Ausschnitte, die Giacomo Lauri Volpi und Aureliano Pertile aufgenommen haben. Eine Wucht war auch Francesco Merli. Es existiert ein Mitschnitt des kompletten ersten Aktes einer Aufführung von 1938 aus dem Castello Sforzesco in Mailand mit Merli - das ist eine Stimme von einer derart ungeheuren Kraft, daß sie Del Monaco und Vinay locker in den Schatten stellt. Dabei verfügt Merli allerdings über ein schönes Pianissimo, brüllt nicht und interpretiert mit viel Sensibilität.
    Schade, daß es von Merli, Pertile und Lauri Volpi keine Gesamtaufnahmen gibt. Merli würde bei mir sonst unangefochten an Nr.1 stehen.


    Für mich sieht die Otello-Rangliste so aus:
    Martinelli
    Merli, Lauri Volpi, Pertile (In Ausschnitten)
    Domingo
    ...
    ...
    Vinay.


    :hello:
    M.

  • Einerseits halte ich das missionarische Bewerten von künstlerischer Leistung für problematisch, doch kommen wir andererseits nicht drumrum, zumal es immer wieder desaströse Ausrutscher gibt, die ich mir nicht erklären kann, hört das in der Produktion niemand?


    Es ist kein Geheimnis, dass ich vermutlich nie mehr zum großen Domingofan werde. Er hat eine tolle Stimme, nur was hat er daraus gemacht? Wenn es gefällt und den eigenen Vorlieben entspricht o.k., doch habe ich Domingo nie als befriedigenden Otello gehört. IMO ist auch der Kleibermitschnitt überschätzt. Was allerdings Timbre und Schmelz angeht steht Domingo sicher ganz oben auf dem Treppchen. Die Gestaltung, die Tonbildung, die Differenzierung und die Größe fehlen mir weitgehend.


    Allerdings Sänger wie McCracken, Cossutta, Atlantow darüber zu stellen und als große Rolleninterpreten zu bezeichnen ginge mir zu weit. Ich bin mit der Barbirolleaufnahme aufgewachsen, da es meine erste Operngesamtaufnahme war (vor fast 35 Jahren). Doch als ich anfing zu vergleichen, ich diese eine meiner Lieblingsopern auch mehrmals live (u.a. Cossutta und Atlantow) gehört hatte, wurde mir das in jeder Hinsicht nur katastrophal zu nennende Ausmaß der Barbirolliaufnahme bewußt. Ich erhöre es auch als eines der problematischten Barbirollidirigate.


    Zu meinen Otellovorlieben mehr im Otello-Thread in Kürze.


    Nun endlich zu Ramon Vinay - ich kann und konnte mit dieser Stimme, Tonbildung, Klang, Rauhheit, u. a. nie etwas anfangen. Die einzige Aufnahme, die für mich akzeptabel rüberkommt ist der 52er Karajantristan. Selbst das Preiserrecital ist für mich im Positivsten nicht erwähnenswert, das ist für mich an der Grenze, überhaupt von Gesang zu sprechen.


    Man höre sich dagegen einmal Jon Vickers an, nicht mein Schönklanliebling, doch in einigen Rollen großartig - eben Otello, Tristan, etc.

    BECK ohne MESSER
    "Jeder Mensch ist eine Melodie. Lieben heißt: sie innehaben." (Franz Werfel)

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  • Erstaunlich, wie hier geurteilt wird. Ich kenne kaum eine Aufnahme vom Rang des Toscanini-Otello. Kennt ihr das denn auf Vinyl?


    Vom "Dio, mi potevi" will ich gar nicht reden; das ist ja alles andere als gebrüllt, sondern mit schmerzerstickter Stimme ("ma o pianto, o duol!") so schön in Töne gabracht, daß man weinen möchte.


    Ich höre gerade das "Dio ti giocondi"-Duett; und wie kann man das denn oberflächlich nennen? Vinay singt den Otello als dünnhäutigen Assimilierten, der immer wieder in eine totale Verunsicherung stürzt und darauf hochemotional reagiert; Ohnmacht und Schmerz, Paranoia und Parforce bedingen sich wechselseitig. - Im Duett Beginn Akt III ist die Gestaltung gar nicht statisch, sondern folgt einem bewunderungswürdigen Aufbau in Richtung einer völligen emotionalen Eskalation. Bedenkt man noch, daß dies live und konzertant gegeben wurde, kann man die Disposition aller Beteiligten nur aufs Höchste würdigen.

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

    Einmal editiert, zuletzt von farinelli ()

  • Zitat

    Erstaunlich, wie hier geurteilt wird. Ich kenne kaum eine Aufnahme vom Rang des Toscanini-Otello. Kennt ihr das denn auf Vinyl?


    Lieber Farinelli,
    ich hoffe, daß Du mich nicht zu den erstaunlichen Urteilern zählst.
    Ich kenne keine Otello-Einspielung vom Rang der Toscanini-Aufnahme,
    was nicht zuletzt der einzigartigen Interpretation Vinays zu verdanken ist und, daß die Live-Aufnahme unter Fritz Busch immerhin auf Platz 2 eizuordnen ist, geht ebenfalls vorwiegend auf das Konto der beiden
    Protagonisten Ramon Vinay und Leonard Warren.


    (Vinay war übrigens während seiner Tenorzeit immer die Nummer 1 als Otello)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Aber nein, lieber Herbert; Deine Urteile korrespondieren auf wunderbare Weise mit der eleganten Autorität Deines Avatars (um den ich Dich beneide).


    Was ich hier entgegnen möchte, gehört im Grunde alles in unterschiedliche Parallel-Threads (kann man dafür eigentlich kein deutsches Wort finden?)


    Es berührt Fragen der Hörgewohnheit, des Generationswechsels unter den Opernfreunden, der Bereitschaft des "Rückwärtshörens" und der Qualität digitalisierter Master der frühesten Monozeit. Als die Toscanini-Opern auf CD billig verschleudert wurden (vor etwa sieben Jahren), habe ich mir den Otello und die Aida gekauft; aber der Klang hat sehr wenig von der Aura der Original-Platten.


    Die Soli-Celli-Divisi-Einleitung des großen Liebesduetts im Otello klingt auf den ersten HMVs tatsächlich fast wie eine gute Filmmusik der 40er, mit diesem besonderen herbsüßen Schmelz. Die Mischung der Stimmfärbungen von Herva Nelli und Ramon Vinay übertreiben die Rollentypisierung beinah ein wenig ins Zart-Lichte bzw. Leidenschaftlich-Dunkle; der unterschwellig lodernden Gewalt des Otello hört man bereits hier an, daß er die Desdemona auf den leisesten Druck hin vernichten könnte (wie eine Kerze im Sturmwind, um ein abgeschmacktes Bild zu bemühen).


    Chi batte a quella porta? -
    È il vento.


    Die Meriten des Erede-Otellos liegen daher weniger in einer verbesserten Tontechnik oder der an Vinay zu messenden Leistung Del Monacos, sondern - IMO - an der in Temperament und Stimmcharakter dramatischer aufgewerteten Desdemona der Tebaldi, die diesem Paar eine ganz neue Deutung verleiht. - Die Nelli ist primär ideal, rein, selbstlos liebende Gattin - und Opfer; bei der Tebaldi spürt man auch etwas wie Auflehnung und hoheitsvolle Würde.


    Beonders aber betrifft dies das erotische Verhältnis der Eheleute: Man kann kaum umhin, Vinay als reiferen Gatten einer wesentlich jüngeren Frau zu empfinden (was seiner Eifersucht eine vorbestimmte Richtung gibt, indem es seine Position von Anfang an schwächt). - Tebaldi und Del Monaco wirken eher gleichaltrig, voller Leidenschaft, die auf beiden Seiten in mühsam unterdrückte Gefühle von verletztem Stolz umschlägt.


    Das ist, nota bene, ohne Optik, aus einem Abstand von über 60 Jahren beurteilt. Folgt man Robert Merrill, hatte Vinay eine kaum überbietbare erotische Ausstrahlung und war 1947 noch jung.


    Daß aber Vinay wie Del Monaco hier als Stentorsänger diffamiert werden, ohne auf das irreduzible Moment der Erotik in ihrem machtvollen sängerischen Impetus einzugehen, spricht für sich.

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Wer kennnt Vinay denn als Siegmund, Tannhäuser oder Tristan? Das dürften doch ziemlich ideale Rollen für ihn gewesen sein. Beim Parsifal ist man gewöhnlich gespaltener Meinung.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Wer kennnt Vinay denn als Siegmund, Tannhäuser oder Tristan? Das dürften doch ziemlich ideale Rollen für ihn gewesen sein. Beim Parsifal ist man gewöhnlich gespaltener Meinung.



    Lieber Joseph,


    ich kenne Vinay (neben seinem großartigen Othello) als Tannhäuser in diesem Livemitschnitt aus der Met:



    Richard Wagner (1813-1883)
    Tannhäuser


    Vinay, Varnay, Thebom, London, Hines, Harvuot, Metropolitan Opera Orchestra & Chorus, Kempe


    Label: Walhall , ADD/m, 1955




    Und Du hast recht: es ist wirklich eine ideale Rolle für ihn!



    LG, Elisabeth

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  • Tannhäuser, Tristan und Siegmund kenne ich mit Vinay, aber natürlich "nur" von Bayreuther Live-Aufnahmen. Vinay ist der Typ für agressive, aufbegehrende Charaktere. Tannhäuser, Tristan und Siemund liegen ihm deshalb besonders gut. Dazu muß man feststellen, daß es im Wagnerfach auch andere hervorragende Tenöre gab.
    Einzigartig ist Vinay "nur" als Otello. Er sang nicht Otello, er war Otello.


    Ich besitze folgende Mitschnitte aus Bayreuth mit Vinay:
    Tannhäuser von 1954 (Karajan)
    Tristan von 1952 (Karajan )
    Walküre von 1953 (Krauss )
    Parsifal von 1953 (Krauss )


    Als Parsifal bevorzuge ich einen leichteren Tenor, z.B. W. Windgassen, J.King, J.Cox, etc.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von pieter.grimes
    ... CARUSO soll übrigens DOCH mal den Otello gesungen haben
    (lt. eines von mir besuchten Vortrags im Verdi-Jahr 2001),
    allerdings nur im Studio - und mit je 1 Woche Pause zwischen den einzelnen Akten ;)


    :hello:



    Was soll das heißen, im Studio? Caruso hat die Rolle des Otello studiert und eine Inszenierung an der MET mit ihm war in Planung (ca. 1921-22). Aber eingespielt hat er nur Ora e per sempre addio und das Rache-Duett mit Titta Ruffo.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo,


    ich habe gehört, daß es einen Live-Mittschnitt von der MET geben soll, mit del Monaco als Otello und Vinay als Jago. Stimmt das das ?


    Gruß,


    Antalwin

  • Hallo Antalwin,


    der Mitschnitt aus der MET mit Vinay als Jago neben Del Monaco ist mir nicht bekannt, dafür einer aus Dallas:



    Gruß
    Manfred

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

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  • Eine Wucht war auch Francesco Merli. Es existiert ein Mitschnitt des kompletten ersten Aktes einer Aufführung von 1938 aus dem Castello Sforzesco in Mailand mit Merli - das ist eine Stimme von einer derart ungeheuren Kraft, daß sie Del Monaco und Vinay locker in den Schatten stellt. Dabei verfügt Merli allerdings über ein schönes Pianissimo, brüllt nicht und interpretiert mit viel Sensibilität.


    *sabber* ist zwar OT aber das muß ich haben. Weiß jemand wo das drauf ist?? mit De Sabata und Caniglia?

  • Zitat von »Mengelberg«
    Eine Wucht war auch Francesco Merli. Es existiert ein Mitschnitt des kompletten ersten Aktes einer Aufführung von 1938 aus dem Castello Sforzesco in Mailand mit Merli - das ist eine Stimme von einer derart ungeheuren Kraft, daß sie Del Monaco und Vinay locker in den Schatten stellt. Dabei verfügt Merli allerdings über ein schönes Pianissimo, brüllt nicht und interpretiert mit viel Sensibilität.


    Hallo Gioconda,


    den o. a. Mitschnitt kenne ich leider nicht. Auf der u. a. CD von Preiser singt Merli allerdings auch "alles Wichtige" aus Othello: "Già nella notte densa" mit der überragenden Claudia Muzio, "Dio ti giocondi" , ebenfalls mit Muzio, "Dio, mi potevi scagliar" und "Niun mi tema" (Aufnahmen v. 1935 mit dem Ochesterder Mailänder Scala unter Lorenzo Molajoli). Sein Monolog aus dem 3. Akt zählt für mich zu den besten überhaupt (neben Martinelli, Melchior, Lauri-Volpi).



    Gruß
    Manfred

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


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    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Hallo,


    meinen ausdrücklichen Dank an Joseph II. ! Ich habe mir den Otello unter Toscanini und den Tristan unter Karajan besorgt und bin für den "Baritontenortragöden" Ramon Vinay Feuer und Flamme ! Weitere Gesamtaufnahmen werden folgen.


    Gruß,


    Antalwin

  • [den o. a. Mitschnitt kenne ich leider nicht. Auf der u. a. CD von Preiser singt Merli allerdings auch "alles Wichtige" aus Othello: "Già nella notte densa" mit der überragenden Claudia Muzio, "Dio ti giocondi" , ebenfalls mit Muzio, "Dio, mi potevi scagliar" und "Niun mi tema" (Aufnahmen v. 1935 mit dem Ochesterder Mailänder Scala unter Lorenzo Molajoli). Sein Monolog aus dem 3. Akt zählt für mich zu den besten überhaupt (neben Martinelli, Melchior, Lauri-Volpi).


    Danke, die kenne ich. Live wäre natürlich trotzdem sehr interessant, kenne sonst keine live-Mitschnitte oder Rundfunkübertragungen mit Merli. Zu Muzio sage ich nur, natürlich nicht mehr ganz taufrisch, ABER: :thumbsup: Neben Rethberg eine meiner idealen Desdemonas.

  • Danke, die kenne ich. Live wäre natürlich trotzdem sehr interessant, kenne sonst keine live-Mitschnitte oder Rundfunkübertragungen mit Merli.

    Bei you tube gibt es das "Esultate" von Merli (1939), das große Duett mit Desdemona (Scala, 1938, mit Maria Caniglia) und (Triest, 1945, mit der 23jährigen Renata Tebaldi). Die Tonqualität: na ja ...

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


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    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

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