Truhenorgel/Orgelpositiv oder Kirchenorgel als Continuoinstrument für Bachs Kantaten?

  • Liebe Bachfreunde,


    um über das Thema „Cembalo ja oder nein“ bei Bachs Kantaten zu diskutieren, steht bereit ein Thread zur Verfügung.


    Die Frage, ob man besser eine große Kirchenorgel oder eine Truhenorgel bzw. ein kleines Orgelpositiv verwendet, könnte eventuell genug Diskussionsstoff für einen eigenen Thread beinhalten.


    Ohne Umschweife möchte ich hierzu meine Meinung in den Ring werfen:


    Die relativ scharf formulierte Kritik eines unserer Forumsteilnehmer gegen die Truhenorgeln kann ich nicht wirklich nachvollziehen, jedenfalls dann nicht, wenn es um das Thema Continuo und nicht den solistischen Einsatz geht, denn hierfür könnten ggf. einige Register fehlen, die zugleich durchsetzungsfähig und angenehm klingen.


    Beim Eingangschor von BWV 73 plädiere ich z.B. für den Einsatz von zwei Orgeln, eine Truhenorgel für das normale Orchestercontinuo und eine Kirchenorgel für die instrumentalen "Herr wie du willt" -Einwürfe.
    Für mich sind dies allerdings Ausnahmen.


    Wenn es aber nur ums normale Continuo geht, sehe ich bei den kleinen Orgeln drei große, wichtige Vorteile:


    Zunächst ist die Gefahr, die anderen Continuoinstrumente zu übertönen, naturgemäß kleiner.
    Ich möchte ja unbedingt hören, was für Ideen ein Cellist oder Fagottist für seine Continuobässe hat ( auch Vibrato oder Non-Vibrato…) und mich am holzigen Klang eines Barockcellos oder eines Barockfagotts erfreuen.


    Dann können diese Orgeln mitten im Orchester, oder (wie im Falle des von dort aus leitenden Koopmans) vor dem Orchester hingestellt werden.
    Die räumliche Nähe zu den anderen Musikern, vor allem jenen der Continuogruppe, ist auf jeden Fall für ein gutes Zusammenspiel förderlich.


    Und nicht zuletzt kann man die Orgeln transportieren, was ein einheitlich-gewohntes Klangbild mit sich bringt, und auch für Proben oder Aufführungen in Konzertsälen vorteilhaft ist.


    Bei den großen Kirchenorgeln sehe ich es genau umgekehrt:


    Nicht von der Hand zu weisen ist hierbei die Gefahr, die Mitspieler zu übertönen und aus dem Continuospiel ein Orgelkonzert zu machen.


    Das für die Continuogruppe so wichtige Zusammenspiel ist aufgrund der größeren räumlichen Distanzen m.E. nur in seltenen Fällen derart einfach zu realisieren, wie es immer bei Truhenorgeln oder kleinen Orgelpositiven ( bei Gardiner hört man z.B. eine Orgelpositiv von Robin Jennings) möglich ist.


    Ich bin ehrlich gesagt froh, dass die Zeiten, in denen Hedwig Bilgram unter der Leitung von Karl Richter zu Bachs originalen Bässen mehr oder weniger kleine „Orgelkonzerte“ erfand, vorbei sind, auch wenn ich ihre Phantasie und Improvisationskunst durchaus bewundere.
    Bestimmte Orgelimprovisationen Bilgrams hatten sich bei mir schon so eingeprägt, dass ich damals noch dachte, diese wären von Bach so notiert worden...


    In den 70ern erlebte ich durch die ersten HIP-Aufnahmen dann auch einen riesigen Aha-Effekt.
    Auf einmal konnte ich die Schönheit der individuell gestalteten, originalen Basslinien besser heraushören.
    Das wurde auch dadurch erreicht, dass z.B. nur ein ausdrucksstark spielendes Cello/Fagott und eine kleine Truhenorgel für die Begleitung einer Arie zuständig waren.
    Als sehr positiv empfand ich es damals auch, dass Continuospieler wie Leonhard, Tachezi oder van Asperen nicht irgendwelche kontrapunktischen Fleißaufgaben erledigten, sondern ein zwar zurückhaltendes, aber dennoch wichtiges harmonisch/rhythmisches Fundament für die Musik lieferten.
    Das konnte und kann mich bis heute überzeugen.


    Bei Richter hat man in gewissen Fällen hat zur dramatischen Steigerung zusätzlich zu den x-fach besetzten Kontrabässen auch noch das Orgelpedal eingesetzt (siehe auch Matthäus-Passion: „…und die Erde erbebete“)
    Bedaure, aber so etwas kann ich heute nur noch furchtbar finden, und der Siegeszug der kleinen Orgeln zeigt doch auch, dass es viele andere Musiker und wohl auch Hörer auf dieser Welt gibt, die es ganz genau so empfinden, die aufrechten HIP-Gegner jetzt einmal ausgenommen.


    Da Bachs Musik zum Glück nicht mehr ausschließlich in Leipziger oder Weimarer Kirchen zu hören ist, kann die Wiederherstellung einer speziellen, lokal-historischen Situation wohl kaum ein erstrebenswertes Ziel sein.
    Es muss m.E. vielmehr darum gehen, die Musik in unserer Zeit so gut wie möglich aufzuführen.
    Oft sind die historischen Mittel dabei die besten.
    Es mag aber auch gewisse historisch dokumentierte Situationen gegeben haben, die faktisch eine Unpässlichkeiten darstellten. Diese sollte man, wie ich finde, nicht wiederherstellen, was auch für Fragen der Besetzung des Continuos gilt.
    Viel wichtiger wäre es m.E. , Bachs Idealvorstellungen herauszufinden und diese dann in die heutige Aufführungspraxis einzubringen bzw. zu überprüfen, ob damit überzeugende Resultate erzielt werden können.


    J.E. Gardiner hat z.B. einmal die interessante Frage gestellt, ob die Leipziger Kantatenaufführungen wirklich nach Bachs (oder auch nach unseren) Vorstellungen gelungen waren.
    Es müsse doch enorm schwierig gewesen sein, jeden Sonntag die entsprechenden Sänger und Musiker zu organisieren.
    Wie oft wurde eigentlich geprobt?
    Konnte überhaupt immer geprobt werden?
    War nicht angesichts der technisch-musikalischen Schwierigkeiten dieser Werke ein Fiasko mehr oder weniger vorprogrammiert?
    Oder waren die Sänger/Instrumentalisten stilistisch derart versiert und aufeinander eingespielt, dass es glanzvolle Aufführungen gab?


    Nikolaus Harnoncourt nimmt an, dass man an den Partituren mit ihren unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden erkennen könne, ob dem Kantor an einem bestimmten Sonntag z.B. ein fähiger Altsänger, oder ein besonders virtuoser Flötist zur Verfügung stand. Diese habe er dann bis an ihre Grenzen gefordert.


    Wahrscheinlich stimmt beides, und leider (oder zum Glück?) sind Zeitreisen bis heute technisch unmöglich, sonst könnte man sich ein eigenes Bild machen.


    Gardiner meinte dann auch noch, dass es bestimmt niemanden gäbe, der heute ernsthaft daran interessiert sein wird, etwaige damalige Unpässlichkeiten, oder gar ein mittleres Aufführungs-Fiasko möglichst originalgetreu nachbilden zu wollen, denn Bachs Musik habe es schließlich verdient, dass wir uns um ein möglichst hohes handwerkliches und künstlerisches Niveau bemühten.


    Wer wollte ihm da widersprechen?


    Ist dies denn nicht auch einer der Gründe, weswegen man heutzutage kaum noch auf Knabenstimmen für Bachs geistliche Werke zurückgreift?


    Eben mit dem Argument, dass wir heute aufgefordert sind, es so gut wie möglich zu gestalten, halte ich am bevorzugten Einsatz von Truhenorgeln oder Kleinpositiven für das Continuo bei Bachs geistlichen Werken fest, siehe auch die oben genannten Gründe zur Klangbalance und zum Zusammenspiel.


    Natürlich ist es immer die Streitfrage, ob eine historische Unzulänglichkeit wirklich nur eine solche darstellte, oder ob es sich bei dieser gerade um einen Vorteil gehandelt habe.
    Doch Vorsicht:
    Mit solchen Argumentationsketten wurden noch in den 60ern die Massenchöre und dergleichen legitimiert...


    Immer wieder neu müssen solche Fragen abgewogen, diskutiert und vor allem in der Praxis erprobt werden.


    Bei der solistischen Besetzung des Chores etwa haben es ja Rifkin, Parrot und Kuijken schon sehr überzeugt ausprobiert. Wirklich überzeugend finde ich ihre Resultate jedoch nicht.
    (Für mich klingt eine Besetzung von ca. vier Stimmen je Chorstimme am besten, was nach meiner Auffassung auch am ehesten dem Bachschen „Entwurff“ , der ja seine Idealvorstellung formuliert, entspricht. )


    Sicher kann man heute nur noch über die Frage mutmaßen, ob der Einsatz der großen Kirchenorgel oder eines kleinen Orgelpositivs für das Continuo den Idealvorstellungen Bachs entsprach oder nicht.
    Meiner Ansicht nach hätte er ein kleines Orgelpositiv oder eine kleine Truhenorgel besser gefunden.
    Es steht ja jedem frei, solche Dinge von Fall zu Fall je nach örtlicher Situation auszuprobieren


    Den Ausdruck „Piepsorgeln“ oder dergleichen zu verwenden, halte ich im übrigen für polemisch, jedoch nicht für angemessen, denn mit solchen Bezeichnungen bringt man diese Instrumente assoziativ in den Bereich von billigem Spielzeug ( siehe auch Plastikblockflöten =Blödflocke), was den Realitäten weder klanglich noch preislich entspricht.


    Ich habe mich einmal bei Herrn Dr. h.c. Jürgen Ahrend nach dem Preis einer solchen kleinen Truhenorgel erkundigt und war schon ziemlich überrascht.
    Den damaligen Preis möchte ich hier nicht nennen, aber der Normalbürger man muss schon dafür sparen, ähnlich wie vielleicht für einen großen Konzertflügel. Selbstverständlich kommen diese Preise nicht ohne Grund zustande.


    Die Kleinorgeln sind für mich also ein großer Gewinn für die Aufführungspraxis der geistlichen Werke Bachs.


    Natürlich schwingen hier noch andere Fragen mit, wie etwa der Einsatz des Cembalos (ich bin meistens dagegen!) oder die grundsätzliche Frage, wie denn ein Tastenspieler überhaupt den Generalbass ausführen sollte.


    Vielleicht eröffnet ja irgendjemand hierzu noch einen neuen Thread.


    In Erwartung einer angeregt sachlichen Diskussion grüsst


    herzlichst


    :hello:Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Hallo Glockenton,


    es steht zu befürchten, dass sich nur die drei oder vier üblichen Verdächtigen für dieses Thema interessieren, obwohl Du da ein ziemlich großes Fass aufgemacht hast.
    Vielleicht wäre es ganz nützlich, die Thematik ein bisschen zu unterteilen, sonst werden die Antworten immer so lang.
    Man kann sich einerseits versuchen, darüber klar zu werden, wie es in Leipzig und anderswo gehandhabt worden ist.
    Andererseits lässt sich trefflich über Geschmack streiten, wenn es um die Frage geht, was denn heute angenehm und wünschenswert wäre.
    Und dann hast Du gleich noch einen weiteren Sack voller Fragen und Anregungen ausgeschüttet.


    Um gleich mal hinten zu beginnen:

    Zitat

    Natürlich schwingen hier noch andere Fragen mit, wie etwa der Einsatz des Cembalos (ich bin meistens dagegen!) oder die grundsätzliche Frage, wie denn ein Tastenspieler überhaupt den Generalbass ausführen sollte.
    Vielleicht eröffnet ja irgendjemand hierzu noch einen neuen Thread.


    Den B.-c.Thread hatte ich schon angekündigt. Und er kommt auch noch.
    Beim Cembalo heißt es nicht nur „ja oder nein“, sondern auch „Orgel und Cembalo?“
    Und Generalbass ist ja nicht immer gleich, sondern auch nach allen möglichen Kriterien zu differenzieren. Selbst bei Bach geht nicht immer dasselbe.


    Aber um auch gleich ein bisschen Bewegung in die Sache zu bringen, ein paar Bemerkungen eher instrumentenbezogener Natur:

    Zitat

    Zunächst ist die Gefahr, die anderen Continuoinstrumente zu übertönen, naturgemäß kleiner.
    Ich möchte ja unbedingt hören, was für Ideen ein Cellist oder Fagottist für seine Continuobässe hat ( auch Vibrato oder Non-Vibrato…) und mich am holzigen Klang eines Barockcellos oder eines Barockfagotts erfreuen.


    Erst gestern durfte ich wieder eine Truhenorgel mehr sehen als hören, denn ihre Rolle im B. c. war auf das Pantomimische des Spielers beschränkt, von einigen verzierten Ausflügen in die oberen Lagen abgesehen. Als dann sogar solistisches Spiel angesagt war, verlor sie jede Phrase gegen die Violine – und das trotz organo pleno, was in dem Fall eben nur drei oder vier Register waren.
    Und sollte das Übertönen wirklich einmal vorkommen, kann man sich auf ein leises Register zurückziehen, denn dafür sind sie ja da, die Register: zum Registrieren.


    Zitat

    Die räumliche Nähe zu den anderen Musikern, vor allem jenen der Continuogruppe, ist auf jeden Fall für ein gutes Zusammenspiel förderlich.


    Das ist auf jeden Fall ein schwer wiegendes Argument.


    Zitat

    Und nicht zuletzt kann man die Orgeln transportieren, was ein einheitlich-gewohntes Klangbild mit sich bringt, und auch für Proben oder Aufführungen in Konzertsälen vorteilhaft ist.


    Natürlich auch ein großer Vorteil. Oft kann man solche Instrumente auch günstig bei Orgelbauern mieten.


    Zitat

    Bei den großen Kirchenorgeln sehe ich es genau umgekehrt:
    Nicht von der Hand zu weisen ist hierbei die Gefahr, die Mitspieler zu übertönen und aus dem Continuospiel ein Orgelkonzert zu machen.


    Sofern der Leiter auch Autorität besitzt, kann er dem Organisten ja wohl aufgeben, leiser zu spielen. Mit einem Holzgedackt 8’ übertönt man nichts, egal in welcher Orgel der steht.


    Zitat

    Das für die Continuogruppe so wichtige Zusammenspiel ist aufgrund der größeren räumlichen Distanzen m.E. nur in seltenen Fällen derart einfach zu realisieren, wie es immer bei Truhenorgeln oder kleinen Orgelpositiven ( bei Gardiner hört man z.B. eine Orgelpositiv von Robin Jennings) möglich ist.


    Ein Problem der Lokalität. Zu dem noch die Frage der Tonhöhe und der Stimmung kommt.


    Zitat

    Ich bin ehrlich gesagt froh, dass die Zeiten, in denen Hedwig Bilgram unter der Leitung von Karl Richter zu Bachs originalen Bässen mehr oder weniger kleine „Orgelkonzerte“ erfand, vorbei sind, auch wenn ich ihre Phantasie und Improvisationskunst durchaus bewundere.
    Bestimmte Orgelimprovisationen Bilgrams hatten sich bei mir schon so eingeprägt, dass ich damals noch dachte, diese wären von Bach so notiert worden...


    Wobei das möglicherweise einer der wenigen authentischen Punkte Richterscher Aufführungspraxis war. :D


    Zitat

    Als sehr positiv empfand ich es damals auch, dass Continuospieler wie Leonhard, Tachezi oder van Asperen nicht irgendwelche kontrapunktischen Fleißaufgaben erledigten, sondern ein zwar zurückhaltendes, aber dennoch wichtiges harmonisch/rhythmisches Fundament für die Musik lieferten.
    Das konnte und kann mich bis heute überzeugen.


    Mit vielen Mikrofonen und guten Tonmeistern ist das bei Aufnahmen sicher zu bewerkstelligen. Bei Aufführungen habe ich es so gut wie noch nie erlebt, dass die Balance wirklich gefunden wurde. Fast immer gabs nur Pantomime vom Organisten.


    Zitat

    Bei Richter hat man in gewissen Fällen hat zur dramatischen Steigerung zusätzlich zu den x-fach besetzten Kontrabässen auch noch das Orgelpedal eingesetzt (siehe auch Matthäus-Passion: „…und die Erde erbebete“)
    Bedaure, aber so etwas kann ich heute nur noch furchtbar finden, und der Siegeszug der kleinen Orgeln zeigt doch auch, dass es viele andere Musiker und wohl auch Hörer auf dieser Welt gibt, die es ganz genau so empfinden, die aufrechten HIP-Gegner jetzt einmal ausgenommen.


    Obwohl auch das wohl der historischen Praxis entspricht. Ob mans mag ist ja dann wieder die zweite Frage.


    Zitat

    J.E. Gardiner hat z.B. einmal die interessante Frage gestellt, ob die Leipziger Kantatenaufführungen wirklich nach Bachs (oder auch nach unseren) Vorstellungen gelungen waren.
    Es müsse doch enorm schwierig gewesen sein, jeden Sonntag die entsprechenden Sänger und Musiker zu organisieren.
    Wie oft wurde eigentlich geprobt?
    Konnte überhaupt immer geprobt werden?
    War nicht angesichts der technisch-musikalischen Schwierigkeiten dieser Werke ein Fiasko mehr oder weniger vorprogrammiert?
    Oder waren die Sänger/Instrumentalisten stilistisch derart versiert und aufeinander eingespielt, dass es glanzvolle Aufführungen gab?


    Pardon, aber Gardiner kann ich manchmal nicht ernst nehmen. Hätte er u. a. Wolffs großes Bach-Buch gelesen, hätte er sich die Fragen verkniffen. Und die Fiasko-Annahme grenzt schon wirklich ans Lächerliche.


    Zitat

    Nikolaus Harnoncourt nimmt an, dass man an den Partituren mit ihren unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden erkennen könne, ob dem Kantor an einem bestimmten Sonntag z.B. ein fähiger Altsänger, oder ein besonders virtuoser Flötist zur Verfügung stand. Diese habe er dann bis an ihre Grenzen gefordert.


    Das darf man schon länger als bewiesen betrachten.


    Zitat

    Ist dies denn nicht auch einer der Gründe, weswegen man heutzutage kaum noch auf Knabenstimmen für Bachs geistliche Werke zurückgreift?


    Der Hauptgrund dürfte wohl sein, dass der Stimmbruch heute etwa fünf bis sechs Jahre früher einsetzt. Außerdem dürften sich selbst die Thomaner heute einen derartigen Drill verbieten, wie er vor bald 300 Jahren üblich war.


    Zitat

    Sicher kann man heute nur noch über die Frage mutmaßen, ob der Einsatz der großen Kirchenorgel oder eines kleinen Orgelpositivs für das Continuo den Idealvorstellungen Bachs entsprach oder nicht.
    Meiner Ansicht nach hätte er ein kleines Orgelpositiv oder eine kleine Truhenorgel besser gefunden.


    Dann hätte er vermutlich so etwas anschaffen lassen, die Position dazu hat er wohl gehabt. Aber es fällt auf, dass im 18. Jh. die Art von Truhenorgeln, wie sie heute verwendet werden, ungebräuchlich war. Dagegen besaßen viele stationäre Orgeln einige Register im Kammerton, während die Orgel sonst im Chorton stand. Das ist durchaus ein Indiz für die Verwendung, denn bei Bach kommen beide Tonhöhen in den Kantaten vor.


    Zitat

    Den Ausdruck „Piepsorgeln“ oder dergleichen zu verwenden, halte ich im übrigen für polemisch,


    Na klar. :D


    Zitat

    Ich habe mich einmal bei Herrn Dr. h.c. Jürgen Ahrend nach dem Preis einer solchen kleinen Truhenorgel erkundigt und war schon ziemlich überrascht.


    Dann hast Du Dich das erste Mal bei Ahrend nach Preisen erkundigt. :D
    Er ist – mit gutem Recht – einer der teuersten Orgelbauer überhaupt.


    Zitat

    Die Kleinorgeln sind für mich also ein großer Gewinn für die Aufführungspraxis der geistlichen Werke Bachs.


    Ich halte sie für ein Grundübel. Aber deswegen werden wir uns nicht die Köpfe einschlagen.
    Allerdings soll das für den Anfang erst einmal genügen.

  • Salut zusammen !


    Vielleicht bin ich hier ja bereits als glühender "Richterianer" bekannt wie berüchtigt.


    Und man kann gewiß über seine Besetzungspraxis trefflich diskutieren, doch scheint mir außer Frage zu stehen, daß Richters Continuo in seiner Klangfarbenbreite prinzipiell so weit von Bachs Intentionen nicht entfernt gewesen ist; mithin auch dogmatische "Puritaner" zugeben müssen, wieviel "Richtiges im Falschen stecken" kann.


    Grüße,


    Gerd

  • Meines Wissens nach ist die Frage nach der Verwendung einer Truhenorgel oder des Postivs der Kirchenorgel nicht von der Frage nach der Besetzung (solistisch vs. chorisch) und der Platzierung des Ensembles zu trennen.


    Bei Bach in Leipzig war das Ensemble im sonntäglichen Gottesdienst auf der Orgelempore platziert - also wurde das Positiv der großen Orgel verwendet, oft ein Cembalo dazu, solistische Besetzung der Instrumentalisten und Sänger - die mussten ja alle da oben Platz finden!
    Wie es bei festlicheren Anlässen, z.B. Passionsaufführungen war, müsste ich erst nachlesen, z.B. bei Lawrence Dreyfus, Bach's Continuo Group.


    Ich habe inzwischen einige Aufnahmen mit "großer" Orgel - zugedeckt wird da niemand. Ob die völlige Transparenz des Ensembles, Bach's komplexe polyphone Kompositionsweise hin oder her, erwünscht oder möglich war, sei dahingestellt, könnte aber durchaus eher heutige Ästhetik darstellen.


    Da wir heute solche Werke eher konzertant goutieren, wollen wir auch etwas sehen - die Kirchenbänke lassen sich nicht einfach umdrehen, also steht das Ensemble im Altarraum u.ä., und da wäre die Abstimmung mit dem Organisten oben nur per TV-Verbindung möglich. Also wurde die Truhenorgel eingeführt usw. - eins führt zum nächsten. Heute sind wir das gewohnt, aber im Barock hätte man diese Geräte zumindest finselig gefunden, denke ich. Die meisten klingen ja auch so, dtto. die Cembali - nur nicht zu laut, das Continuo! Allerdings wird die Musik so ziemlich "kopflastig", wenn chorisch besetzt ist, erst recht.


    Wenn ich da die neuen Kuijken-Aufnahmen höre ... da ist doch alles wieder im Lot!


    Ansonsten kann ich mich nur Hildebrandts Ausführungen anschließen :jubel: :jubel: :jubel:


    Wir könnten ja hier noch einmal alle Bach-Aufnahmen mit Kirchenorgel auflisten.

  • Zitat

    Original von miguel54
    - nur nicht zu laut, das Continuo! Allerdings wird die Musik so ziemlich "kopflastig", wenn chorisch besetzt ist, erst recht.


    Ebent!
    Das scheint mir genau das Missverständnis zu sein, an dem zu arbeiten ist. Die Geschichte des B. c. mit all ihren Ausfransungen ist noch nicht lange Gegenstand der Forschung, aber allmählich kann man die ersten Auswirkungen hören.
    Das oben schon genannte Konzert der Accademia Byzantina ging auch in diese Richtung: Der Continuo war besetzt mit 2 Celli, 1 Kontrabass, 2 Cembali/1 Cembalo + 1 Orgel. Das klang immer noch nicht zu basslastig.


    Die Truhenorgeln scheinen mir ein letztes Überbleibsel der Orgelbewegung zu sein, die ja auch als Überreaktion auf die hochgezüchtete dynamische Orgel des 19. und beginnenden 20. Jhs. ein möglichst schlankes, spitzes Klangbild favorisierte. Natürlich sind Truhenorgeln auch gut zu transportieren und nicht so teuer wie eine größere Begleitorgel.


    Kleinorgeln im 18. Jh. tragen aber fast immer solche Zusätze wie Haus- oder Kabinett-, in Kirchen findet man sie höchst selten. Vielmehr liest man in vielen alten Orgelbauverträgen und Abnahmegutachten der großen, stationären Instrumente, dass diese und jene Register "delicat zur Music" o. ä. klingen, wobei mit Music dann natürlich das Zusammenspiel mit Vokalisten und/oder Instrumentalisten gemeint ist.


    Weiter gibt es eine ganze Reihe von Registrieranweisungen (u. a. bei Mattheson und Kauffmann), die ebenfalls auf dieses Zusammenspiel eingehen und dann manchmal Registrierungen verlangen, die uns heute kaum glaublich erscheinen: Mal mit, mal ohne Posaune, zum Sologesang den Hauptwerksprincipal etc. pp.


    Bleibt die Frage, ob wir das als angemessen oder gar schön empfänden oder ob wir uns erst daran gewöhnen müssten, bevor wir es als angemessen oder sogar schön empfinden. :D

  • Zitat


    Original von Hildebrandt
    Erst gestern durfte ich wieder eine Truhenorgel mehr sehen als hören, denn ihre Rolle im B. c. war auf das Pantomimische des Spielers beschränkt, von einigen verzierten Ausflügen in die oberen Lagen abgesehen. Als dann sogar solistisches Spiel angesagt war, verlor sie jede Phrase gegen die Violine – und das trotz organo pleno, was in dem Fall eben nur drei oder vier Register waren.


    Zitat


    Original von Hildebrandt
    Mit vielen Mikrofonen und guten Tonmeistern ist das bei Aufnahmen sicher zu bewerkstelligen. Bei Aufführungen habe ich es so gut wie noch nie erlebt, dass die Balance wirklich gefunden wurde.


    Merkwürdig...ich habe bisher eine andere Erfahrung gemacht.
    Ich muss auch zugeben, dass ich aus verschiedenen Gründen den größten Teil meiner Hörerfahrung mit Bachkantaten mit CDs gemacht habe. Es kann sehr gut sein, dass Du mir da an Live-Hörerfahrungen voraus bist.

    Aber spielt da nicht auch die Frage hinein, wo man sitzt?
    Für eine H-moll Messe Harnoncourts bin ich vor Jahren (extra!) nach Graz gefahren und habe mir einen vorab einen Platz in der 2. Reihe, direkt am Mittelgang des Stefaniensaals reserviert, um so einen Klang zu haben, der in etwa dem entspricht, was man von Aufnahmen kennt.
    Abgesehen davon, dass der Klang insgesamt doch noch besser (!) als die beste Anlage war, konnte ich die Orgel, die vorne links platziert war, sehr gut hören, auch bei leiseren Registrierungen. Manchmal fand ich sogar, dass sie etwas leiser sein könnte, gerade beim allgemeinen pp. Da musste Tachezi schon sehr viel weglassen, um nicht zu laut zu sein. Manchmal hat er deswegen sogar nur die linke Hand gespielt.
    Die Akustik des Konzertsaals war noch nicht einmal so kräftig, wie in einer Kirche.


    Bei einer anderen Kantatenaufführung in einer Bielefelder Kirche wurde ebenfalls eine kleine Orgel eingesetzt. Auch die konnte ich gut hören, obwohl ich zu weit hinten sass, und mir deshalb aufgrund der Akustik viele sonstige Details verloren gingen. An die Orgel kann ich mich deswegen heute noch erinnern, weil der Spieler sehr Legato gespielt hat, noch mehr als bei Herreweghe.


    Aber ich kann wirklich nicht glauben, dass man jahrzehntelang alle Bachkantaten aufnimmt/aufführt, und dabei nicht merkt, dass man die Continuoorgel nur mit Hilfe einer nachhelfenden Aufnahmetechnik hören kann, schon gar nicht bei den uns bekannten Dirigenten, denen man doch zutrauen darf, dass sie so etwas bemerkt hätten.
    So ganz schlüssig scheint mir diese Argumentation also nicht zu sein.


    Aber ich will mich ja dem Gedanken, die große Kirchenorgel als Generalbassinstrument einzusetzen, überhaupt nicht grundsätzlich verschließen.
    Man müsste es wirklich einmal live hören.
    Wenn das nicht geht, dann bleiben nur die Konserven, bei denen man hinsichtlich der Klangbalance nie genau weiß, ob und wie viel am Mischpult gespielt wurde.

    Nach meinem Dafürhalten sollte man möglichst puristisch mit so wenig Mikrophone wie nur möglich aufnehmen, und vornehmlich durch die Aufstellung im Raum den Mix optimieren, aber das ist ein ganz anderes Thema, das allerdings mit unserer Fragestellung trotzdem eine Menge zu tun hat.
    Schließlich reden wir hier ja meistens von auf Tonkonserven eingespielten Bachkantaten.


    Zitat


    Original von miguel54
    Wenn ich da die neuen Kuijken-Aufnahmen höre ... da ist doch alles wieder im Lot!


    Sicher, bei Kuijkens BWV 11 Aufführung, die auf DVD erhältlich ist, wird tatsächlich eine ziemlich große Orgel eingesetzt, die gleich links neben dem im Altarraum platzierten Musikern steht.
    Eine sehr praktikable Konstellation, die man allerdings nicht in jeder Kirche so vorfinden wird.
    Da ich hier nur einen DVD-Trailer habe, kenne ich davon ich leider nur einen Ausschnitt vom Eingangschor.
    Von der Orgel kann ich nichts hören, was aber, da es nur der Trailer einer Aufnahme ist, noch nichts heißen muss.


    Setzt er denn bei seinen neuen SACD-Aufnahmen immer eine Kirchenorgel ein?
    Auf jeden Fall ist er ja ein Anhänger der Rifkin-Lehre im Hinblick auf die Chorbesetzung.
    Davon bin ich weder aufgrund der Resultate, noch von der historischen Sachlage her wirklich überzeugt.
    Ich bezweifle also für mich, dass bei den Kuijken-Aufnahmen immer ( klanglich) alles im Lot ist.
    So sieht man auf der DVD z.B. einige Stützmikros für die Sänger, die, meinem Eindruck nach, gegen das vollen Orchestertutti ziemlich laut ansingen müssen.
    Die Altistin setzt sich trotz des Mikros nicht angemessen durch.
    Aber das ist auch wieder ein anderes, wenn auch sehr interessantes Thema.
    Für den, der es so solistisch mag, sind die Kuijken-Aufnahmen sicherlich eine dicke Empfehlung. Da würde ich sie in jedem Fall den Rifkin-Aufnahmen vorziehen.


    Soeben habe ich mir bei JPC etwas von der Kantate BWV 1 in Ausschnitten angehört


    und finde, dass es vom Orgelklang und vom Lautstärkeverhältnis her tatsächlich sehr gut klingt.
    Wenn das eine Kirchenorgel ist, die man da hört, dann hätte ich nichts dagegen. Ich gehe davon aus, dass diese Orgel sich in der Nähe der anderen Musiker befunden hat.
    Entscheidend ist natürlich auch, wie der Generalbass gespielt wird.


    Was ich dort in -nur in Schnipseln- hören kann, finde ich vom Spiel und vom Klang her schon sehr gut.
    Obwohl die Orgel immer gut zu hören ist, kann man auch noch solistische Dinge der anderen Bassinstrumente, etwa des Cellos, hören - sehr schön!


    Besonders gut gelungen finde ich auch die Arie "Erfüllet ihr himmlichen, göttlichen Flammen..." , nicht nur vom Continuo her.


    Schnell habe ich noch einen Quervergleich mit Suzuki und Koopman gemacht.




    Zum Nachhören: Suzuki Track 3, Kuijken Track 12

    Suzuki verzichtet in der besagten Arie zum Glück auf sein geliebtes B.c.-Cembalo ( leider nicht im Eingangschor), so dass man hier ggf. einen Vergleich zur Kleinorgel hören kann.
    Aufgrund seiner Johannes Passion-DVD gehe ich jetzt einmal ganz unvorsichtig davon aus, dass er auch sonst eine Truhenorgel benutzt.


    Schlecht finde ich auch diesen Gesamtklang nicht, wenngleich man bei Kuijken das Orgelregister etwas deutlicher heraushören kann.


    Auf Koopman gehe ich jetzt wegen seiner sonstigen Interpretation der Arie lieber nicht ein...
    Dazu irgendwann im Thread zu BWV 1 mehr.


    Nach wie vor werden die Schwierigkeiten mit der räumlich-praktischen Durchführung, die eventuelle Kostenfrage und auch die unterschiedlichen Stimm-Tonhöhen gegen den Einsatz der grossen Orgel für das Continuo sprechen, jedenfalls in vielen Fällen.


    Und, seien wir doch ehrlich:
    Trotz aller historischen Argumente wird jeder in letzter Konsequenz nach seinem individuellen Geschmack entscheiden, wie er es macht, bzw. was er sich am liebsten anhört.
    Auch von daher finde ich Gerds Einwurf sehr legitim.


    Ich jedenfalls könnte und wollte als Musiker niemals etwas durchziehen, was ich aufgrund von Forschungsergebnissen zwar für richtig halte, aber mich in der Praxis total unglücklich machen würde.
    Damit will ich keineswegs behaupten, dass in Fragen der Aufführungspraxis der Bachkantaten alles relativ ist, denn das ist es wirklich nicht.


    Wahrscheinlich würde ich dann bewusst "unhistorisch" werden, wenn irgendein Forscher zweifelsfrei herausfindet, dass man für den B.c. bei Bachs Kirchenwerken immer auch ein Cembalo mitgehen lassen müsse...


    Je mehr man als Musiker geforscht und ausprobiert und als Nur-Hörer unterschiedliche Hörerfahrungen gesammelt hat, desto bessere Möglichkeiten wird man haben, seinen Geschmack zu verfeinern und als Musiker überzeugende Resultate zu erzielen.


    Das gilt auch für die interessanten Fragen zum Basso continuo bei Bachs geistlichen Werken.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Original von Glockenton
    Aber spielt da nicht auch die Frage hinein, wo man sitzt?


    Mag sein. Etwa fünf Meter direkt vor der Orgel. Vor ein paar Wochen saß ich bei Suzuki mit den Weihnachtskantaten auf demselben Platz und hörte dieselbe Orgel auch kaum.


    Und wenn man da so sitzt, die winzige Truhenorgel mehr sieht als hört, dafür aber das 70-registrige Monstrum nur ein paar Meter weiter links steht und schweigt, da kann man schon auf den Gedanken kommen, ob es nicht einleuchtender wäre, statt der 70 gleichschwebenden Register auf 440 Hz nur deren 50 zu bauen, mit denen man symphonisch auch immer das Auskommen finden könnte, und daneben eine ordentliche kleinere, dennoch handfeste Orgel mit vielleicht zehn bis 15 Registern zu bauen, auf 415 Hz und mit einer schönen ungleichschwebenden Stimmung. Die könnte auch einen weichen, tragfähigen italienischen Holzprincipal 8’ bekommen, und man wäre für die alte Musik ganz anders gerüstet.


    Zitat

    Aber ich kann wirklich nicht glauben, dass man jahrzehntelang alle Bachkantaten aufnimmt/aufführt, und dabei nicht merkt, dass man die Continuoorgel nur mit Hilfe einer nachhelfenden Aufnahmetechnik hören kann, schon gar nicht bei den uns bekannten Dirigenten, denen man doch zutrauen darf, dass sie so etwas bemerkt hätten.
    So ganz schlüssig scheint mir diese Argumentation also nicht zu sein.


    Stellt man einem solchen Dirigenten direkt die Frage, warum er mit so einem Instrument die Aufnahmen gemacht hat, windet er sich ein bisschen und gibt zu, dass das nicht die beste Lösung sei. Aber aus Gründen der Praktikabilität...


    Zitat

    Aber ich will mich ja dem Gedanken, die große Kirchenorgel als Generalbassinstrument einzusetzen, überhaupt nicht grundsätzlich verschließen.


    Nur das man dann zu einer der wenigen passend ausgestatten Kirchen reisen muss und sich und der ganzen Aufnahmemannschaft damit einen erheblichen Aufwand aufbürdet. Zu machen ist es schon, bei einer Gesamtaufnahme wird es arg umständlich.


    Zitat

    Wahrscheinlich würde ich dann bewusst "unhistorisch" werden, wenn irgendein Forscher zweifelsfrei herausfindet, dass man für den B.c. bei Bachs Kirchenwerken immer auch ein Cembalo mitgehen lassen müsse...


    Bei einer ganzen Reihe kann man jedenfalls nicht mehr abstreiten, dass Bach es so gewollt hat. Da wird das Cembalo zusätzlich zur Orgel eingesetzt. Und für mich klingt das ausgezeichnet.


  • Ich besitze von Kuijken die Volumes 2 bis 5 und dort wird, soweit ich das hören kann, überall eine Kirchenorgel eingesetzt.


    Kuijken äußert sich zwar im Beiheft jeder CD in einer allgemeinen Einführung zu Bachs Kantaten auch ausführlich zur "Instrumentalbesetzung, insbesondere der Bassgruppe", hier geht es aber hauptsächlich um das Cello, es wird der Nachbau einer "Viola Pomposa" eingesetzt. Leider sagt Kuijken zurr Orgel gar nichts.


    Ich nehme aber an, dass der besonders satte Continuo-Klang bei Kuijken sowohl am Einsatz einer Kirchenorgel als auch an diesem sehr tief klingenden besonderen Cello liegt.


    Wenn ich die bereits von Glockenton erwähnte Arie "Erfüllet, ihr himmlischen göttlichen Flammen" aus BWV 1 erst als Kuijken-Hörschnipsel (siehe oben, Track 12)), und dann in meiner Gardiner-Aufnahme anhöre,



    - auf der CD 2 die Nummer 14 als Hörbeispiel anklicken -, so ist hier die Orgel (eine Truhenorgel vermutlich) im Vergleich zu Kuijken kaum zu hören. Um dem Continuo trotzdem zu mehr Tiefe und Volumen zu verhelfen, spielt offenbar ein Fagott mit.


    Ich würde aus dieser Frage nicht unbedingt einen Glaubenskrieg machen und kaufentscheidend ist sie für mich auch nicht. Dennoch, dieser volle und dunkle Orgelklang im Continuo hat schon was.


    Ich kenne ihn außer von den Kuijken-Aufnahmen noch von drei CDs mit Bachkantaten mit Christophe Coin.


    Die Cover sehen jetzt so aus:



    die Orgel ist hier sehr schön z.B. bei Track 8 zu hören.


    Mit Gruß von Carola

  • Zitat

    Original von Glockenton
    Ich bin ehrlich gesagt froh, dass die Zeiten, in denen Hedwig Bilgram unter der Leitung von Karl Richter zu Bachs originalen Bässen mehr oder weniger kleine „Orgelkonzerte“ erfand, vorbei sind, auch wenn ich ihre Phantasie und Improvisationskunst durchaus bewundere.
    Bestimmte Orgelimprovisationen Bilgrams hatten sich bei mir schon so eingeprägt, dass ich damals noch dachte, diese wären von Bach so notiert worden...


    Dazu – im Vorgriff auf den Continuo-Thread – noch ein Zitat eines wirklich zuverlässigen Zeugen:


    Zitat

    „Wer das delicate im General=Baß und was sehr woll accompagnieren heißt, recht vernehmen will, darf sich nur bemühen unsern Herrn Capellmeister Bach allhier zu hören, welcher einen jeden General=Baß zu einem Solo so accompagnirt, daß man denket, es sey ein Concert, und wäre die Melodey so er mit der rechten Hand machet, schon vorhero also gesetzet worden. Ich kan einen lebendigen Zeugen abgeben, weil ich es selbsten gehöret.“
    Lorenz Mizler: Neu eröffnete Musikalische Bibliothek, 1739


    Hedwig Bilgram lag also wirklich wohl nicht falsch mit ihrer Auffassung vom B.c.-Spiel.
    Betrachtet man sich einige eigene Aussetzungen oder Korrekturen in Schülerarbeiten durch JSB, kann einem schon die Kinnlade runterklappen, denn das hat mit dem oft allzu diskreten Charme der derzeitigen Praxis rein gar nichts zu tun.


    Aber wie gehen wir nun um mit derlei Erkenntnissen?

  • Kuijken hat u.a. offensichtlich Lawrence Dreyfus' Buch Bach's Continuo Group gelesen und setzt es auch um - die Erkenntnisse über die Verwendung von Kirchenorgel und Cembalo, Violoncello und Fagott stehen seit 1987 jedem zur Verfügung, der nur guten Willens ist. Kuijken geht sogar darüber hinaus - das mit der Viola da spalla hatte Dreyfus noch nicht klären können.


    Wie Hildebrandt schon bemerkt hat, spielen praktische Gründe eine große Rolle: Vor allem die Wahl der Kirche mit einer geeigneten Orgel und genügend Platz auf der Empore.
    Seien wir ehrlich: Wer unter den Taminanern würde in ein Kirchenkonzert mit Bach-Kantaten gehen, bei dem er das Ensemble die ganze Zeit im Rücken hoch oben auf der Orgelempore hat?


    Konsequent umgesetzt haben die Erkenntnisse über das Continuo nur Andrew Parrott, Hermann Max, Sigiswald Kuijken, Paul McCreesh, Reinhard Goebel ...


    Max benutzt allerdings noch seinen Chor, was ich ihm nicht verübeln kann. Die solistische Vokalbesetzung haben nach Rifkin dann Parrott, McCreesh, Kuijken praktiziert - Rifkin hat aber aufs Doppelaccompagnement verzichtet und auch keine Kirchenorgeln verwendet.


    Das mit den Chören kommt von Zelter her und seinen Zeitgenossen, die das Wort "Chor" bei Bach so gedeutet haben, wie sie es gewohnt waren. Die Truhenorgeln sind auch so eine späte Erfindung. Bach mit seinem gravitätischen Klangideal hätte nur den Kopf geschüttelt, denke ich ...

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  • Zitat

    Original von miguel54
    Kuijken hat u.a. offensichtlich Lawrence Dreyfus' Buch Bach's Continuo Group gelesen und setzt es auch um - die Erkenntnisse über die Verwendung von Kirchenorgel und Cembalo, Violoncello und Fagott stehen seit 1987 jedem zur Verfügung, der nur guten Willens ist. Kuijken geht sogar darüber hinaus - das mit der Viola da spalla hatte Dreyfus noch nicht klären können.


    Eigentlich schon seit 1985. Da fand nämlich das Symposium "Theorie und Praxis bei Bach und Händel" in Basel statt. Referenten und Themen u. a.:
    J. Christensen: Zur Generalbaßpraxis bei Bach und Händel
    Philip Swanton: Der Generalbaß in J. S. Bachs Kantaten mit obligater Orgel
    Joshua Rifkin: Bachs Chor - ein vorläufiger Bericht
    J. Rifkin: "...wobey aber die Singstimmen hinlänglich besetzt sein müssen"


    Besonders Christensen führt lupenreine Beweise und zeigt, dass das, was selbst heute noch praktiziert wird, mit Bachs Absichten oft nichts gemein hat.
    Swantons Referat ist eine Zusammenfassung seiner Diplomarbeit an der SCB und mit über 50 Seiten immer noch ein schönes Stückchen Lesestoff, das sehr ins Detail geht und gut gesicherte Zeugnisse liefert.


    Zitat

    Seien wir ehrlich: Wer unter den Taminanern würde in ein Kirchenkonzert mit Bach-Kantaten gehen, bei dem er das Ensemble die ganze Zeit im Rücken hoch oben auf der Orgelempore hat?


    In Haarlem bestand die Ausstattung lange Zeit aus einzelnen Stühlen, die für die Orgelkonzerte regelmäßig allesamt umgedreht wurden, so dass das Publikum ungehinderten Blick auf eine der imposantesten Orgeln überhaupt hatte. :D


    Zitat

    Konsequent umgesetzt haben die Erkenntnisse über das Continuo nur Andrew Parrott, Hermann Max, Sigiswald Kuijken, Paul McCreesh, Reinhard Goebel ...


    Was aber nur für die Kantaten gilt. Glücklicherweise ist z. B. Christensen auch praktisch an etlichen anderen Aufnahmen beteiligt.


    Zitat

    Das mit den Chören kommt von Zelter her und seinen Zeitgenossen, die das Wort "Chor" bei Bach so gedeutet haben, wie sie es gewohnt waren.


    Das ist aber eine andere Geschichte. Mit Rifkins Beweisführung habe nicht nur ich Probleme.


    Zitat

    Die Truhenorgeln sind auch so eine späte Erfindung. Bach mit seinem gravitätischen Klangideal hätte nur den Kopf geschüttelt, denke ich ...


    Naja, es gab ein "Trauungspositiv" in der Thomaskirche, was aber bei den Kantaten wohl nicht zum Einsatz kam.

  • Hallo Carola,


    vielen Dank für die interessanten Beispiele!


    Wenn ich nun das Instrumentalvorspiel der bewussten Nummer 3 von BWV 1 zwischen Gardiner und Kuijken vergleiche, so fällt mir auf, dass mir Kuijkens Version nicht nur (orgel)klanglich, sondern vor allem von der allgemeinen Spielweise und vor allen der Art des Generalbasspiels her, sehr viel besser gefällt.


    Das zusätzliche Fagott bei Gardiner klingt für mich hier ziemlich deplatziert, weil es auch den Pizzikato-Effekt des Cellos stört.
    Wer spielt den da die Orgel bei Kuijken?
    Das würde mich interessieren.
    Jedenfalls spielt er/sie es es genauso, wie ich es aus verschiedenen Gründen bevorzuge, oder, um es mit miguel54 seinen Worten zu sagen" Alles im Lot"


    Obwohl ich ja nicht so gerne den solistischen Chor höre, wäre allein der hervorragend Orgelpart dieser Arie für mich schon ein Grund, die SACD doch zu bestellen...(!)


    Das Beispiel mit Coin ist auch sehr schön! Auch bei Rezitativ Track 22 kann man die gut klingende Orgel besonders deutlich hören.


    @ Hildebrandt
    Vielen Dank für das von Dir herausgefundene Zitat.


    Hierzu zwei Dinge:
    Zunächst spricht er von "delicat", was ich mit Worten wie "geschmackvoll" oder "angemessen" in unsere heutige Sprache übertragen würde.
    Aus dem Zitat geht aber nicht hervor, dass Bach "wie ein Wilder" losgelegt hätte, womit er auch die Hauptstimme(n) "verdunkelt" hätte.
    In dieser Richtung hatte es - glaube ich- sein Sohn auch einmal schriftlich formuliert.


    Außerdem ist hier vom "Accompagnieren" , also vom Begleiten die Rede.
    Unter "delicat" darf man wohl verstehen, dass man als Hörer grundsätzlich noch in der Lage sein sollte, zwischen einer obligaten Stimme und einer Begleitung zu unterscheiden.
    Ein Begleiter soll sich ja nicht derart in den Vordergrund spielen, dass man annehmen muss, dass seine Stimme die eigentliche Hauptstimme sei.

    Wenn es also jemand geschmackvoll und angemessen gemacht haben muss, dann doch wohl der Meister selbst.

    Weiterhin kann man an dieser Quelle m.E. erkennen, dass Bachs tendenziell eher freizügiges Continuospiel eher Ungewöhnlich gewesen sein muss, denn sonst hätte der Zeitzeuge es nicht in derartigen Worten hervorgehoben.


    Besonders bewundernswert war es wohl, dass es wunderbare Gegenstimmen und improvisierte Aussetzungen waren, die sich aufgrund ihrer Schönheit und Perfektion wie fertig komponiert anhörten und doch war es jederzeit klar, dass es sich um eine Begleitung, und nicht um ein Orgelkonzert handelte.


    Es fragt sich, ob man heute versuchen sollte, es Bach in dieser Weise nachzuahmen, ohne ihn jemals gehört zu haben.


    Als überaus genialer Komponist, der er nun einmal war, konnte er es sich leisten, seinen eigenen etwas mehr hinzuzufügen, als es sonst üblich war.


    Doch kann ein Musiker des Jahres 2008 dies auch so einfach tun?
    Ich bezweifle das doch.


    Für mich spricht also vieles dafür, diese Textstelle in diesem Sinne zu interpretieren.


    Wer sich also meint, sich für sein reich ausgeschmücktes Continuospiel auf solche Aussagen berufen zu können, der sollte dann auch in etwa die genialen Fähigkeiten Bachs haben...


    Auch bei den von Bach korrigierten Generalbass-Aussetzungen muss man vorsichtig sein und nicht automatisch glauben, dass man einen Generalbass in einer Kirchenkantate ausgerechnet so zu spielen hätte, nur um ein Höchstmaß an historischer Genauigkeit zu hinzubekommen.

    Es handelte sich möglicherweise nur um Übungsaufgaben, die einen speziellen pädagogischen Zweck verfolgten.
    Vielleicht bekamen die Schüler zur Aufgabe, einmal auszuprobieren, was man aus den Zahlen des Generalbass maximal herausholen könnte?
    Für die tägliche Praxis halte ich es für eher unwahrscheinlich, dass ein guter Continuospieler des Jahres 1720 aus einem bezifferten Bass gewaltige kontrapunktische Fleißaufgaben herausholte, und dass Ganze dann auch noch aus dem Stegreif improvisierte.


    Eine schriftliche Aussetzung sollte man mit einem aus dem Stegreif gespielter Generalbass nicht unkritisch gleichsetzen.


    Zitat


    Original von Hildebrandt


    Aber wie gehen wir nun um mit derlei Erkenntnissen?


    Bei der Interpretation des Quellentextes auf jeden Fall nicht fundamentalistisch, sondern wissenschaftlich kritisch, also bezogen auf den jeweiligen Kontext.
    So eine Quelle ist für sich genommen noch keine Erkenntnis.


    Als praktischer Musiker nehme ich solche Stellen interessiert zur Kenntnis. Ich versuche dabei, so in die Musik hineinzuhören und hineinzulesen, ( es schadet dem Continuospieler nicht, wenn er die Partitur mitliest!) dass ich die Stellen erkennen kann, an denen ich eine kleine kontrapunktische Linie hinzufügen kann oder vielleicht auch muss.
    Stilistische Sicherheit und ein Improvisationstalent sind hierfür wichtige Voraussetzungen.


    Bei Aufnahmen sollte man m.E. sparsamer mit Improvisationen umgehen, damit sich solche Dinge durch die unnatürliche Möglichkeit der ständigen, technischen Wiederholung nicht beim Hörer als obligate Stimmen verselbstständigen.
    Diese Probleme gab es zu Bachs Zeiten ja auch nicht.


    Als hörender Musiker beobachte ich bewundernd und kritisch zugleich, wie es ein Meister seines Fachs ( wie z.B. Koopman, Tachezi, Leonhardt) vormacht, und ich versuche auch davon zu lernen.
    Selbst die Stellen, mit denen ich ggf. nicht einverstanden bin, können mir dabei lehrreich sein.


    Zitat

    Hedwig Bilgram lag also wirklich wohl nicht falsch mit ihrer Auffassung vom B.c.-Spiel.


    Ohne Zweifel ist sie eine sehr patente und hochbegabte Musikerin, was ich nicht in Abrede stellen wollte.
    In jungen Jahren war ich noch ein großer Fan ihrer Spielweise.
    Diese jedoch durch das obige Zitat irgendwie auf eine Ebene mit Bachs Spielweise zu bringen, wäre m.E. ein Missverständnis, denn, ohne ihr nahe treten zu wollen, hat Bach wohl doch noch völlig anders gespielt.


    Probier einmal Track 39 von folgender Aufnahme:



    Abgesehen davon, dass der Ausschnitt nur Mono etc. ist: Gefällt Dir das etwa?


    Mir jedenfalls nicht....
    Es ist mir zu dominant, zu gewollt dramatisch, etc...
    Ich muss natürlich einschränken, dass ich hier in Ermangelung einer vorliegenden CD noch nicht einmal weiß, ob es Hedwig Bilgram, oder irgendein(e) anderer Organist/in gespielt hat.
    In jedem Fall war es so im Sinne Karl Richters und passte in den damals favorisierten Stil.


    Viel "delicater" finde ich dann doch das hier ( Track 10 )



    trotz der Truhenorgel, deren Klang und Registrierung mir hier durchaus zusagt.


    Wenn man die große Orgel hätte nehmen können, die Kuijken auf seinen Aufnahmen einsetzt, dann hätte es bei entsprechender Registrierung vielleicht noch besser geklungen.


    Dramatischer, mit entsprechend hellerer Orgelregistrierung geht es übrigens hier zu
    (Track 10)



    Hier mag ich den scharfen Klang der Orgel nicht so besonders, ansonsten finde ich es aber auch sehr gut interpretiert, auch das Generalbassspiel.


    Zitat


    Original von miguel54
    ...Bach mit seinem gravitätischen Klangideal


    Abgesehen davon, dass die in diesem Zusammenhang immer wieder hinzugezogene Chorfrage möglicherweise OT ist:


    Auch dieses gravitätische Ideal ist ein guter Ansatzpunkt zu glauben, dass er sich mehr als eine Stimme pro Sänger gewünscht hat.
    Der entsprechenden Dialog zum Thema "gravitätisch" aus dem Thread "Bachkantaten mit Sigiswald Kuijken ist mir dabei bekannt.


    "Wie Hildebrandt schon bemerkt hat" kann man mit Rifkins Beweisführung berechtigterweise Probleme haben...
    Und ich füge hinzu, auch mit den klanglich-akustischen Resultaten (musikalisch stehe ich z.B. Kuijkens Aufnahmen nicht besonders kritisch gegenüber).


    Um nicht weiter OT zu werden, lasse ich es damit in diesem Thread bewenden.



    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Original von Glockenton
    Um nicht weiter OT zu werden, lasse ich es damit in diesem Thread bewenden.


    Stimmt, die Eingangsfrage lautet anders. Und deshalb sollten wir die Frage, wie der B. c. ausgeführt werden sollte, in den kommenden Generalbaß-Thread verschieben und uns hier wieder mehr der Diskussion widmen, worauf er bei den Bach-Kantaten zu spielen wäre.


    Wenn ich mir die Indizien und Zeugnisse allesamt betrachte, bleibt für mich nur der Schluss, dass nicht nur Bach, sondern ganz allgemein zu dieser Zeit die „große Orgel“ den B. c. übernommen hat.
    Das reicht von CPE Bachs Äußerung, die große Orgel sei bei ‚Kirchensachen’ absolut unverzichtbar, über solche Indizien wie die Angabe in einer Abschrift von BWV 80, dass im ersten Satz „Orgel Posaunenbaß 16’“ zu verwenden sei, bis zu zahlreichen Registrierungsvorschriften und –anregungen, in denen nahezu immer Register empfohlen werden, die man auf einer Truhenorgel nicht findet, oftmals mehrere 8’-Labiale zugleich.
    Auch Mahnungen, beim B. c.-Spiel nicht immer die Sesquialtera einzusetzen, deuten darauf hin und lassen neben dem Schluss, dass schon damals die Organisten in Routine verfallen sind, auch die Annahme zu, dass deutlich hervortretende Register auch beim B. c. eingesetzt worden sind.


    Riskante Annahme: Sind wir bei Bach vielleicht zu oberstimmenorientiert? Kann das Klangbild im Vergleich selbst oder auch gerade zu hiP-Aufführungen wesentlich basslastiger gewesen sein?


    Wenn ich mir vorstelle, was im Eingangschor von BWV 80 klanglich geschieht, wenn der ohnehin schon deutliche Bass, dort, wo er den c. f. führt, von der Orgel mit der Posaune 16’ fundamentalisiert wird...
    Bei Suzuki klingt das alles zwar ausgezeichnet, er erreicht die Wirkung aber auch ohne die verwendete, wie immer aber kaum hervortretende Kleinorgel.


    Track 1



    Koopman lässt sich immerhin auf einen Kompromiss ein und registriert offensichtlich einen Dulzian 16’ (Wo hat er den her? In Truhenorgeln passt der auch nicht rein.), was aber immer noch ziemlich weit von einer barocken vollbechrigen Posaune 16’ entfernt ist.



    Track 1


    PS: Nicht nur hier höre ich einen sehr erheblichen Unterschied in der Klangqualität zwischen den jpc-Schnipseln und der CD auf der Anlage.


  • Von Kuijken, Volume 1 kenne ich leider auch nur die Hörschnipsel von JPC.


    Bei Vol. 2 wird für die Orgel Benjamin Alard angegeben.


    Vol. 3-5: Ewald Demeyere


    Mit Gruß von Carola

  • Erst einmal vielen Dank an Carola für die schnelle Antwort. =)
    Die Leute kenne ich nicht, aber was nicht ist, kann ja noch werden.


    Hildebrandt:


    Das sind auch zwei sehr interessante Beispiele, bei denen nebenbei gesagt in beiden Fällen trotz unterschiedlicher Interpretation sehr schön musiziert wird.
    Beide Aufnahmen dieses Eingangschors könnten auch als Plädoyer für einen rund klingenden kleinen Kammerchor im Zusammenhang mit Bachs Kirchenmusik fungieren.... :pfeif:


    Den c.f. kann man bei auch bei Suzuki schön hören.
    Als ich mir diesen Ausschnitt gerade anhörte, konnte ich mir schon ein durchsetzungsfähiges tiefes Orgelregister hinzudenken, bwv. -wünschen.


    Als ich dann Koopmans Version hörte, gefiel es mir schon sehr gut. :D
    Es klingt erdig, holzig.....ja, wie soll man es ausdrücken?
    Möglicherweise wurde diese Bassstimme doch auf einer großen Kirchenorgel gespielt.
    Leider habe diese Vol. 22 noch nicht.
    Vielleicht hat sie zufällig jemand, der uns mit den Angaben aus dem Beiheft aushelfen kann?


    Suzukis Aufnahme werde ich dann wohl auch noch ob des schönen Chorgesangs in die näheren Kauferwägungen mit einfließen lassen müssen...
    Bis vor kurzem hätte ich mir das für seine Kantaten-Aufnahmen eher nicht vorstellen können, aber man muss sich immer wieder neu von zu schnell gefassten Vorurteilen freimachen.
    Koopmans Folgen sind ja ohnehin fest eingeplant.


    Zurück zum Thema Orgel:
    So einen c.f. im Bass mit einer großen Orgel zu unterstützen, ist schon eine feine Sache. Solche Dinge stellen für mich allerdings eher einen Sonderfall dar, bei dem die Vorteile der Kirchenorgel in der Tat sehr deutlich werden können.
    Wichtig ist nur, dass solche Stimmen nicht brutal "hineingebraten" klingen.
    Diesbezüglich hört es sich bei Koopman für mich angemessen an.


    Zitat


    Original von Hildebrandt


    Riskante Annahme: Sind wir bei Bach vielleicht zu oberstimmenorientiert? Kann das Klangbild im Vergleich selbst oder auch gerade zu hiP-Aufführungen wesentlich basslastiger gewesen sein?


    Das kann gut möglich sein, ich nehme es sogar an.
    Man muss diesen Aspekt allerdings sehr differenziert diskutieren und in der Praxis nicht nach Schema F vorgehen.
    Für eine sanfte Arie mit Cello-Continuo kann als Harmonieinstrument auch schon eine gedackt registrierte Orgel und eine Theorbe/Laute reichen; möglicherweise reicht sogar die Theorbe allein.
    Bei einem voller besetztem Stück wiederum geht dann der Violon ( oder sogar zwei, je nach Raumgröße etc.) mit, die (Kirchen)-Orgel könnte lauter registriert werden usw...
    Das Primat der barocken Affektenlehre möchte ich auch hier im Vordergrund sehen.
    Außerdem sollte die Bassgruppe ob ihrer schieren Größe nicht wieder behäbig und schwerfällig werden, was immer eine besondere Herausforderung für die Continuo-Gruppe darstellt.


    Schwer zu trennen ist hierbei auch die Frage, wie man mit der rechten Hand spielt. Welche Akkordlage im Verhältnis zur Haupstimme, bleibt man von der Tonhöhe her unter der Haupstimme, oder spielt man sogar höher?
    Wann spiele ich weite, wann enge Lage ( heute sagt man "Voicing" dazu)?
    Allein durch die Tonhöhe und die Art der Registrierung ergibt sich im Continuo ( und auch insgesamt) ein dunkleres, oder eben ein oberstimmenorientiertes Klangbild.


    Dazu könnte ich zwar meine Gedanken beitragen, allerdings sollten wir das in dem noch zu schaffenden Thread tun, und nicht hier.
    Es ist nur oft so, dass solche Fragen in der Praxis schwer voneinander zu trennen sind, weswegen es immer wieder gewisse Überschneidungen in den Threads geben wird.


    Zitat

    PS: Nicht nur hier höre ich einen sehr erheblichen Unterschied in der Klangqualität zwischen den jpc-Schnipseln und der CD auf der Anlage.


    Auch OT, aber was soll`s:


    Unbestritten, wenn ich den nicht auch hören würde, wäre ich ja taub. :D
    Neulich wollte ich im Vibrato-Thread lediglich bemerken, dass die JPC-Auschnitte gegenüber früher ein gutes Stück besser geworden sind, z.B hinsichtlich Mono->Stereo und auch hinsichtlich einer besseren digitalen Auflösung als das damals vorherrschende extreme LoFi.
    Man kann m.E. schon gewisse Parameter (etwa einer Solostimme) so gut heraushören, dass man eine künstlerische Beurteilung wagen darf.
    Aber WAV-Qualität kann es selbstverständlich noch nicht haben.


    Es bleibt spannend.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Liebe Beteiligten,


    Ich fürchte, daß Alfred mir jetzt böse ist. Denn kann nur schreiben, daß diesen Thread mich ungeheuer interessiert.
    Vermutlich gibt es viel mehr Taminos, die so denken. Uns fehlt einfach das Wissen um hier mitdiskutieren zu können.


    Ich habe eine CD-Box mit den Orgelkonzerten von Händel. Rudolf Ewerhart begleitet vom Collegium Aureum spielt auf 4 verschiedene Orgel (DHM 05472 77246 2). Eine davon ist eine mehr als zwei Jhdt. alte Kabinettorgel. Ist sie der Vorläufer der Truhenorgel?


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Ich habe eine CD-Box mit den Orgelkonzerten von Händel. Rudolf Ewerhart begleitet vom Collegium Aureum spielt auf 4 verschiedene Orgel (DHM 05472 77246 2). Eine davon ist eine mehr als zwei Jhdt. alte Kabinettorgel. Ist sie der Vorläufer der Truhenorgel?


    Kabinettorgeln waren im 18. Jh recht verbreitet, besonders in den Niederlanden, in Norddeutschland und England. Man kann auch etwas verallgemeinernder von Hausorgeln sprechen. Jedenfalls handelt es sich um stationäre Instrumente von schon einiger klanglicher Vielfalt und Eindrücklichkeit.



    Truhenorgeln sind erheblich kleiner, transportabel und in ihrer heutigen Ausprägung Kinder der jüngsten Vergangenheit.



    Diese hier hat die Register
    Gedackt 8'
    Rohrflöte 4'
    Principal 2'
    Quinte 1 1/3'
    Octav 1'


    ist also sehr schlank oder spitz im Klang bzw. sehr leise, wenn man nur die 8'-Lage verwendet.

  • Zitat

    Original von Glockenton


    Den c.f. kann man bei auch bei Suzuki schön hören.


    Gruss :hello:
    Glockenton


    Auch ich würden den c.f. sehr gerne hören, bloß: Was ist das?


    Bitte mit den Abkürzungen etwas aufpassen, nicht alle sind so in dem Thema drin.


    Ansonsten, wie Glockenton schon sagte: Es bleibt spannend. Und ich finde, dass die Hörbeispiele so eine Diskussion ungemein bereichern und konkret machen. Über den Kopfhörer kann ich die JPC-Schnipsel auch so schlecht nicht finden, viel besser klingt meine Anlage auch nicht. :untertauch:


    Mit Gruß von Carola

  • Zitat

    Original von Carola
    Auch ich würden den c.f. sehr gerne hören, bloß: Was ist das?


    Bitte mit den Abkürzungen etwas aufpassen, nicht alle sind so in dem Thema drin.


    Schulligung. :wacky:


    c. f. = cantus firmus (also die vorgegebene, feststehende Melodie).
    In unserem Fall "Ein feste Burg ist unser Gott" im Instrumentalbass des Eingangschorals.

  • Guten Tag




    Dem kann ich zustimmen :yes: :yes:
    Wahnsinnig interessant !


    Im Moment blättere ich in diesem



    Buch von Friedemann Otterbach in den Kapitelln "Generalbaß" und "Vokalmusik" um auch etwas Wissen zu finden :pfeif:


    Gruß aus der


    Kurpfalz


    Bernhard

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  • Zitat

    Original von Glockenton
    Für eine sanfte Arie mit Cello-Continuo kann als Harmonieinstrument auch schon eine gedackt registrierte Orgel und eine Theorbe/Laute reichen; möglicherweise reicht sogar die Theorbe allein.


    Das ist zwar auch off topic, aber was die Verwendung von Lauten, Theorben u. dgl. betrifft, scheint Bach sie nicht als ständiges Continuo-Instrument verwendet zu haben. Wenn er eine ausdrücklich wollte, hat er auch einen Part für sie geschreiben. Er scheint sie klangsymbolisch mit den Themen Trauer und Tod assoziert zu haben in seiner Kirchenmusik. (s. Dreyfus)
    Ansonsten kann man sie lautstärkebedingt sowieso kaum hören ...


    Das mit dem Cello ist auch so eine Sache, aber das gehört auch nicht hierher ...


    Man kann so eine sanfte Arie auch mit einer Kirchenorgel sanft begleiten, und Violone, oder mit Cembalo, wenn den die Orgel zu laut wäre, oder beidem, mit einer Theorbe wohl kaum. Das ist wieder neuzeitliche Klangvorstellung.

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Truhenorgeln sind erheblich kleiner, transportabel und in ihrer heutigen Ausprägung Kinder der jüngsten Vergangenheit.



    Lieber Hildebrandt,


    Danke für die Aufklärung. Dadurch habe ich jetzt aber eine andere Frage. Was ist die Beziehung zwischen Harmonium und Truhenorgel? Bloß die Tatsache, daß man nicht mehr zu treten braucht, weil Elektrizität das übernimmt?


    LG, Paul

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von miguel54
    Das ist zwar auch off topic, aber was die Verwendung von Lauten, Theorben u. dgl. betrifft, scheint Bach sie nicht als ständiges Continuo-Instrument verwendet zu haben. Wenn er eine ausdrücklich wollte, hat er auch einen Part für sie geschreiben. Er scheint sie klangsymbolisch mit den Themen Trauer und Tod assoziert zu haben in seiner Kirchenmusik. (s. Dreyfus)
    Ansonsten kann man sie lautstärkebedingt sowieso kaum hören ...


    Man kann so eine sanfte Arie auch mit einer Kirchenorgel sanft begleiten, und Violone, oder mit Cembalo, wenn den die Orgel zu laut wäre, oder beidem, mit einer Theorbe wohl kaum. Das ist wieder neuzeitliche Klangvorstellung.


    Eigenen Thread wert ?
    Die Verwendung von Zupfinstrumetariums in seinen Kantaten u. Passionen wird wohl wirklich von Bach in ganz wenigen Ausnahmefällen vorgesehen gewesen sein ?
    (Wird das bei Einspielungen/Aufführungen wirklich schon über Gebühr praktiziert ?


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von musicophil
    Was ist die Beziehung zwischen Harmonium und Truhenorgel? Bloß die Tatsache, daß man nicht mehr zu treten braucht, weil Elektrizität das übernimmt?


    Mit der Winderzeugung – dem Treten – hat das alles nichts zu tun.


    Beim Harmonium (Psalmenpumpe) werden die Töne durch freischwingende Metallzungen erzeugt wie beim Akkordeon (Quetschkommode).
    Die Truhenorgel funktioniert wie eine 'richtige' Orgel, d. h. es gibt Labialpfeifen (Klangerzeugung wie bei der Blockflöte durch den Luftstrom, der sich an einer Kante (Labium) bricht und die darüber stehende Luftsäule zum Schwingen bringt). die in mehreren Reihen (Registern) auf einem Holzkasten (Windlade) stehen.
    Zungenpfeifen sind in Truhenorgeln aus verschiedenen Gründen eher selten – und wenn es sie gibt, handelt es sich um aufschlagende Zungen (wie bei Oboe oder Fagott) mit aufgesetztem Resonanzkörper.


    Um es komplett zu machen: Eine Sonderform der Kleinorgel ist das Regal, bei dem ausschließlich Zungenregister (meist nur eins) mit sehr kleinen Resonanzkörpern verwendet werden (wichtig von Renaissance bis Hochbarock, etwa als Generalbassinstrument bei Monteverdi).
    "Regal" ist dann auch der Name eines kurzbecherigen Zungenregisters in größeren Orgeln. Oft deuten Zusätze auf die Bauform hin: Trichterregal, Kopfregal, Holzregal.
    Zu Bachs Zeiten wegen der sehr großen Obertönigkeit (Schnarrwerk) schon außer Mode. Mattheson nannte den Klang "höchst eckelhaft".

  • Zitat

    Original von Bernhard
    Guten Abend



    Eigenen Thread wert ?
    Die Verwendung von Zupfinstrumetariums in seinen Kantaten u. Passionen wird wohl wirklich von Bach in ganz wenigen Ausnahmefällen vorgesehen gewesen sein ?
    (Wird das bei Einspielungen/Aufführungen wirklich schon über Gebühr praktiziert ?


    Bei Bach selbst ist die Verwendung der Laute nur bei zwei Werken durch eine existierende Stimme in der Partitur verbürgt: Bei der Johannespassion und der sog. Trauer-Ode (da sogar zwei). Bei Bachs Leipziger Amtsvorgänger Kuhnau muss sie öfter dabei gewesen sein. Es gab zu Bachs Zeit kompetente Lautenisten in Leipzig, er besaß auch eine offenbar kostbare Laute, aber wo er sonst peinlich genau alle Continuo-Instrumente auflistet, glänzt die Laute durch Abwesenheit. Es gibt keinen Hinweis auf Ablehnung, aber außer den zwei genannten Werken keinen Hinweis auf Verwendung. Mehr gibt die Quellenlage nicht her. Einen eigenen Thread bedarf das, denke ich, nicht. Eine routinemäßige Verwendung der Laute als Continuo-Instrument ist aber für Bach wohl nicht authentisch.


    Beim Fagott ist es übrigens ähnlich, obwohl da ca. 30 Werke verbürgt sind. Er scheint bei solchen Instrumenten einen Part geschrieben zu haben, wenn er sie wollte - in der Matthäuspassion z.B. wird oft Fagott als Bassinstrument eingesetzt wegen der Flöten, aber das gibt das erhaltene Quellenmaterial nicht her - da findet sich keins.


    Auch hier spielen wie bei der Orgelwahl sicher praktische Erwägungen des Ensembleleiters eine Rolle: wer dieses und jenes hat, wird es auch einsetzen, sprich seine MusikerInnen beschäftigen wollen. Das ist auch wahrscheinlich oft der Grund für den Nicht-Einsatz eines Cembalos: Wer hat denn zwei Continuo-Tastisten regulär im Ensemble? Bach hatte mit seinen Söhnen und Schülern reichlich welche! Und Continuo-Improvisation aus der Partitur war belegtermaßen Teil der Ausbildung.


    Aber zurück zur Kirchenorgel - ich werde morgen auf der Fahrt nach Berlin mal bei Dreyfus dazu nachlesen und hier berichten.

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von miguel54



    Bei Bach selbst ist die Verwendung der Laute nur bei zwei Werken durch eine existierende Stimme in der Partitur verbürgt: Bei der Johannespassion und der sog. Trauer-Ode (da sogar zwei).


    Diese Werke fielen mir auch nur auf Anhieb ein.


    Zitat

    Es gab zu Bachs Zeit kompetente Lautenisten in Leipzig, er besaß auch eine offenbar kostbare Laute, aber wo er sonst peinlich genau alle Continuo-Instrumente auflistet, glänzt die Laute durch Abwesenheit.


    Und einen kompetenten Instrumentenbauer zu Leipzig, der auch Lauten erbaute: Johann Christian Hoffman, Bach schätze seine Instrumente.


    Zitat


    Es gibt keinen Hinweis auf Ablehnung, aber außer den zwei genannten Werken keinen Hinweis auf Verwendung. Mehr gibt die Quellenlage nicht her. Einen eigenen Thread bedarf das, denke ich, nicht. Eine routinemäßige Verwendung der Laute als Continuo-Instrument ist aber für Bach wohl nicht authentisch.


    Es sollen schon Gitarren bei Bachkantaten miterklungen haben !?


    Zitat

    Aber zurück zur Kirchenorgel - ich werde morgen auf der Fahrt nach Berlin mal bei Dreyfus dazu nachlesen und hier berichten.


    Gute Fahrt :hello:


    und gespannt wartend :yes:


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • 'tschuldigung, daß ich die zuletzt versprochene Auskunft über Dreyfus' Meinung zur Orgel bei Bachs Continuogestaltung so lange schuldig geblieben bin - hier ist einfach zu viel los (und hält mich auch z.B. vom Anhören der Haydn-Sinfonien ab).


    Für Dreyfus ist die Kontroverse Kirchenorgel vs. Truhenorgel kein Thema! Die Truhenorgel kommt bei ihm nicht vor! Und der Grund ist ganz einfach: Er spricht von den originalen Orgelstimmen bei Bach, und die waren transponiert (und z.T. auch beziffert), weil die Orgeln im Chorton, also höher gestimmt waren, und deswegen eine transponierte Stimme geschrieben werden mußte, damit die Orgel auf der richtigen Tonhöhe erklingt, wenn sie zusammen mit im tieferen Kammerton gestimmten Instrumenten zusammenspielt. Bei einer Truhenorgel würde sich dieses Problem nicht stellen - wobei ich offen gesagt nicht sicher weiß, ob sie gleich im Kammerton gestimmt geliefert werden. Wenn nicht, haben sie sicher eine Transponiervorrichtung. Dreyfus geht stillschweigend davon aus, daß Bach die große Kirchenorgel meint.


    Hiermit ist ganz klar, daß die Frage, die diesen Thread bewegt, ein Kind unserer Zeit ist. Den Klang heutiger Truhenorgeln hat Bach mit Sicherheit nicht im Sinn gehabt, als er die Orgelstimmen seiner Kirchenmusik schrieb.

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von miguel54


    Hiermit ist ganz klar, daß die Frage, die diesen Thread bewegt, ein Kind unserer Zeit ist. Den Klang heutiger Truhenorgeln hat Bach mit Sicherheit nicht im Sinn gehabt, als er die Orgelstimmen seiner Kirchenmusik schrieb.


    In dieser neuen



    Einspielung der Bachkanataten 32, 49 u. 57 durch den Choeur regional d'Auvergne und dem Ensemble Les Folies Francoises, Leitung: Patrick Cohen-Akenine, wird durchgehend -und nicht nur in der Sinfonia der Kantate "Ich geh und suche mit Verlangen"- eine "große" Orgel und zwar die Orgel



    der Kirche zu Pontaumur/Auvergne überzeugend verwendet. Die Orgel ist eine Rekonstruktion Bachs Arnstädter "Dienstorgel" um 1703.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Das Bild der Orgel weigert sich, mir zu erscheinen, aber hier gibt es eine ganze Serie Fotos vom Bau der Orgel. Toll, daß die Franzosen sowas machen - mit einem deutschen Orgelbauer .....


  • Guten Tag


    Zitat

    Original von miguel54
    aber hier gibt es eine ganze Serie Fotos vom Bau der Orgel. Toll, daß die Franzosen sowas machen - mit einem deutschen Orgelbauer .....


    Interessante Bilderserie; ob es wohl zukünftig Orgelmusikaufnahmen -z.B. vom jungen Bach- von dieser bemerkeswerten Orgel geben wird ?
    (Oder gibt es schon welche ?)
    Was hat eigentlich die Verantwortlichen bewogen eine "Bachorgel" in ihrer Kirche einbauen zu lassen ?


    Gruß :hello:


    aus dedr Kurpfalz


    Bernhard

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