Wie wichtig ist die Dramaturgie einer Aufnahme?

  • Servus!


    Wenn auf einer Aufnahme mehrere Werke, vielleicht auch noch von unterschiedlichen Komponisten, enthalten sind, kommt es gelegentlich vor, dass ich mit der Reihenfolge, mit der die Stücke angeordnet wurden, nicht glücklich bin. Theoretisch ließe sich das zwar mit der Programmierung des CD-Spieles beheben, aber wer macht das schon?! Ich jedenfalls nicht...


    Ein in meinen Ohren krasses Beispiel für eine falsche Anordnung ist die Aufnahme von Brumels Missa Et ecce terrae motus mit dem Huelgas Ensemble, auf der nach dieser wundervollen Messe noch ein Dies Irae folgt, welche für sich zwar auch wunderschön ist, aber absolut unpassend nach der Messe ist. Das hätte zuerst auf die CD gehört, und danach erst die Messe, denn diese Messe ist eines von den Stücken, wonach man einige Zeit nichts mehr hören mag, weil die Musik innerlich lange nachklingt.



    Wie wichtig ist euch die richtige Anordnung der Stücke auf solchen Multiwerk-CDs? Muß das erste Stück eines sein, das sofort alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, damit der Hörnerven gleich Hab-Acht-Stellung geht? Und das Letzte ein richtiger Rausschmeißer? Achtet ihr überhaupt auf sowas?



    herzliche und fragende Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Ich glaube, dass es mir immer wichtiger wird.


    Schreckliches Beispiel:


    Nach dem unvollendeten Kontrapunkt kracht das Präludium und die Fuge BWV 898 rein!
    Das ist gar nicht schön. :wacky:

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Zitat

    Original von salisburgensis
    Servus!


    Wenn auf einer Aufnahme mehrere Werke, vielleicht auch noch von unterschiedlichen Komponisten, enthalten sind, kommt es gelegentlich vor, dass ich mit der Reihenfolge, mit der die Stücke angeordnet wurden, nicht glücklich bin. Theoretisch ließe sich das zwar mit der Programmierung des CD-Spieles beheben, aber wer macht das schon?! Ich jedenfalls nicht...
    ...


    Das glaube ich dir gerne. Aber wenn du die CD auf dein Notebook überspielst, ist das Umprogrammieren lediglich das Verschieben von ein paar Zeilen in der Playlist und hält ewig (na ja, fast ;) ).

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Um einer unschönen Zusammenstellung zu entgehen, mag der PC zwar eine Möglichkeit sein, aber wer lieber auf einer Anlage hört, hat einfach Pech.


    Ein prominentes Beispiel, das mich immer stört bzw. an den Rande eines Nervenzusammenbruchs bringt, ist folgendes:



    Kaum weicht der Nebel, man denkt, der Himmel da oben, wie ist er so weit;
    Klappe zu, Müller tot, man hängt noch den letzten Tönen melancholisch sinnend nach - und schon verkünden die Lautsprecher fröhliches Bachgeplätscher und und eine (zwar noch, aber trotzdem) lustig springende Forelle hüpft über den toten Müllersbursch.


    Wer hat sich diese Zusammenstellung bloß ausgedacht?


    Liebe Grüße!

    "Der Aufführung fehlte es nicht an Sensibilität, Gefühl und Verstand, aber am Gleichmaß von Harmonie, Not und Glück" (J. Kaiser)

  • Zitat

    Original von Tizian
    Um einer unschönen Zusammenstellung zu entgehen, mag der PC zwar eine Möglichkeit sein, aber wer lieber auf einer Anlage hört, hat einfach Pech.
    ...


    Nein! PCs lechzen förmlich danach, mit Anlagen verbunden zu werden!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Ich reagiere schon beim Mix von 2 verschiedenen Komponisten auf einer CD allergiisch. Jahrelang habe ich so etwas überhaupt aus meiner Sammlung verbannt.
    Wenn ich Haydn hören will, dann sollte es Haydn sein - und möglichst auch noch das gleiche Genre.
    Besionders übel empfinde ich wenn (was gelegentlich vorkommt) Sinfonien mit Konzerten (oder Kammermusik !!) auf eine CD gepresst werden...


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber salisburgensis!


    Ich denke nicht, dass man das über einen Kamm scheren kann.
    Kommt ja nun sehr auf das Werk/die Werke und die dramaturgische und somit historische und/oder biographische Nachvollziehbarkeit an, siehe beispielsweise Op. 130-Thread.


    Bei Scarlatti-Sonaten ist es mir relativ wurscht, bei Brahms-Requiem gekoppelt mit Debussy-Images kann man ohne viel Programmiererei durch einen Knopfdruck das Martyrium beenden, bei Kunst der Fuge können unterschiedliche Abfolgen durchaus erhellenden Sinn machen, und wenn Wagner-Möbel herumgeschoben werden, dann kommt halt Theophilus' Tracklist-Zauber ins Spiel, sollte denn die CD einen solch hohen Repertoire-Wert aufweisen.


    Nicht selten ändere ich auch mal willkürlich Reihenfolgen, sei's zum Vergleich, sei's aus Laune oder Launen heraus.
    So kann ich gut mal nur einen langsamen Satz aus einer Symphonie oder ein Scherzo aus einem Streichquartett hören, oder ich überspringe ein Andante in einer Klaviersonate, weil ich's im Moment absolut nicht verknusen kann.


    Gerade wird über Bruckner IX diskutiert. Kaum findet sich ein Finalsatz zusammen, plums, wird das gewohnte Teil hecklastig und die schöne Dramaturgie samt Adagioseligkeit aus hundertjähriger Feinarbeit sind beim Teufel.


    Gruß,



    audiamus



    .

  • Als Hörerin von Kammermusik,Liedliteratur bzw Sänger-Porträts ist man solchen Kummer nciht nur gewohnt, er ist sogar fester Bestandteil des Musikhörens geworden.
    Ich habe fast keine CD(ausser den Opern) auf denen nur ein einziges Werk zu hören ist und bunteste Mischungen sind eher die Norm. Wenn i h z.B. ein Porträr von Arleen Auger höre gibt es da von der Händel-Arie über Schubert-Lieder bis hin zur Oscar-Straus Operette alle Epochen und Genres versammelt.
    Die beste Lösung, wenn man zu alledem nicht "in the mood "ist und nur bestimmte Sachen hören möchte:
    Einfach aus dem Sessel oder von wo auch immer aufstehen und ab und an ein paar Knöpfchen drehen bzw drücken..... :D.



    Abgesehen davon würde ich auch solche Sampler oder Porträt-Cds aufbauen wie Konzerte und von vonrneherein eine dramaturgisch reflektierte Ordnung einhalten.
    Be einer Cd mit Klarinettenquintetten z.B. erst Mozart, dann Brahms und nciht umgekehrt.
    Ich finde thematisch ausgerichtete Programme immer sehr schön und habe da etliche CDs mit Lieder zu Texten verschiedener Dcihter,(z.B. Goethe, Baudelaire , Victor Hugo )eine Cd mit dem Namen "Schilflieder" auf der Lieder und Kammermusik gemischt sind usw. Aber wie gesagt: ich bin auch nciht immer in der Stimmung, Melancholisches und Fröhliches hintereinander weg zu hören und muss mich dann eben zum Player hinbewegen. ;)


    F.Q.

  • Ich sehe da im Zeitalter von Fernbedienungen wirklich kein Problem. Früher habe ich mir, gerade bei Liedern, manchmal ein kleines Programm programmiert, je nachdem worauf ich gerade Lust hatte (u.a. weil ich damals keine FB hatte und per Kopfhörer im Bett liegend hörte, da hätte hektisches Aufspringen zum Track-Skipping zu Unfällen führen können).


    Außerdem habe ich selbst bei sehr üblichen und sinnvollen Kopplungen häufig keine Lust, weiterzuhören, etwa weil ich die Stücke nicht mag. Gewiß ist es vernünftig, die Violinromanzen dem Beethovenschen Konzert folgen zu lassen, hören will ich sie normalerweise ebensowenig wie Griegs Konzert nach Schumanns oder die Chorfantasie nach einem Beethoven-Konzert. Und auch nicht das Rondo zusätzlich nach op.133, obwohl ich durchaus mal das Quartett mit dem Rondo ohne Fuge höre (dann aber eben auch nicht mehr die Fuge).
    Über solche Kopplungen kann ich mich jedoch kaum ereifern, weil sie ziemlich logisch sind. Dennoch muß ich mir die Freiheit nehmen zu springen und erst recht mache ich das dann bei Recitals.
    Mich würde vermutlich mindestens ebenso stören, wenn drei Füll-Lieder vor der Schönen Müllerin kämen und ich immer dran denken müßte, mit track 4 zu starten usw.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber J.R. man sollte mit Unterstreichen des Wortes "Fernbedienung" nciht auch noch das ungesunde Couch-Potatoe-Verhalten der Bevölkerung unterstützen, sondern als Moderator erst recht ein leuchtendes Vorbild sein und für jeden Track-Wechsel zum Player joggen oder springen (auch über Hindernisse, wenn's sein muss)! :yes:
    Was die Unfallgefahr angeht, musst du dann eine Wahrscheinlichkeitsrechnung aufstellen, welche Folge- Kosten im Endeffekt der Volkswirtschaft mehr Schaden zufügen würden...... :D


    F.Q.

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich sehe da im Zeitalter von Fernbedienungen wirklich kein Problem.


    Ich sehe in einer Fernbedienung keine Lösung des Problems.


    Wenn mich die Musik derart weit mit fortgetragen hat, dass es ohne Störung eine Weile dauert, bis ich wieder vollständig anwesend und ansprechbar bin, ich diese Abwesenheit aber genießen und so lange sie anhält auskosten will, dann ist die Fernbedienung ein allzu gegenwärtiges Ding. Ein Knopfdruck, und sofort steht zwar die CD still, aber auch mit der Musikseligkeit ist es vorbei.


    Aber das ist nur ein Teilaspekt des Themas. Eine Aufnahme hat schließlich nicht nur ein letztes Stück, sondern auch einen Anfang und ein Mittendrin...


    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich reagiere schon beim Mix von 2 verschiedenen Komponisten auf einer CD allergiisch. Jahrelang habe ich so etwas überhaupt aus meiner Sammlung verbannt.
    Wenn ich Haydn hören will, dann sollte es Haydn sein - und möglichst auch noch das gleiche Genre.
    Besionders übel empfinde ich wenn (was gelegentlich vorkommt) Sinfonien mit Konzerten (oder Kammermusik !!) auf eine CD gepresst werden...


    Lieber Alfred,


    einer der großen Chancen solcher Zusammenstellung ist es doch, Querbezüge aufzuzeigen und darzustellen. Diese Bezüge können von einem Werk des Komonisten zu einem anderen zeigen, vor allem aber, oft quer durch die Jahrhhunderte, von einem Komponisten zum nächsten. Die Musik ist ein fließender kreativer Prozess, bei dem ein Komponist den anderen inspiriert. So wird in vielen Werken aufgebaut, zugrundegelegt, zitiert und kopiert.


    Diese Zusammenhänge erschließen sich oft nur durch einen gewissen Vergleich. Da liegt es doch nahe, diese Werke, die in irgendweiner Weise miteinander verwoben sind, zusammen auf eine CD oder in einem Konzert zu präsentieren? Musik nicht für sich genommen sondern in ihrem Kontext betrachtet..


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello: