Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert Nr 5 op 73 "Kaiser-Konzert"

  • Sagitt meint:


    Mit Verwunderung stelle ich fest, dass Beethovens fünftes Klavierkonzert gar keinen eigenen thread hat. Dem will ich abhelfen, schon deswegen,weil dieses Konzert mir 1959 die Tür zur Klassik geöffent hat ( Wilhelm Kempff- nur nebenbei notiert, gehört eigentlich in unseren thread zur Literatur- Elisabeth Plessen beschreibt, wie dieses Konzert sie aus Depression und Ess-Störung wieder ins Leben brachte).
    Dieses Konzert steht unter den fünfen wie ein besonderer Gipfel da und ich glaube, es ist das Konzert, das als Klavierkonzert am häufigsten gespielt wird.
    Beethoven war noch in der heroischen Phase- die fünfte und siebte Sinfonie sind benachbart.
    Ich könnte die Frage, ob es mein Lieblingskonzert Beethovens ist, nicht wirklich beantworten; es waren Phasen da, in denen ich das Konzert so häufig gehört habe, dass ich Aufnahmen dieses Werks dringend beseitelegen musste, um es dann Jahre später wieder neu hören zu können.
    Von den unglaublich vielen Aufnahmen dieses Werks nenne ich nur eine, die mir über die Jahre hinweg immer lieb war und ist: Arturo Benedetti-Michelangeli. Er hat das Konzert viel gespielt in seinem Leben. Leider ist nur die Aufnahme aus Wien technisch befriedigend. Leider deswegen, weil ich den Orchesterpart nicht gerade spannend finde- aber dies beseite. Michelangeli hat den " bedeutenden" Ton drauf. Es klingt so pathetisch, wie ich glaube, das Konzert gespielt werden muss. Dazu kommt ein unvergleich guter Anschlag im zweiten Satz- die Trillerketten sind ein Erlebnis für sich.


    Wie es scheint, ist dieses Konzert ja nicht so beliebt im Forum ? Mal sehen .....

  • Och, das mit der Beliebtheit würde ich so nicht sagen. Beethovens 5. Klavierkonzert, in der Einspielung Gilels/Sanderling, war für mich der Einstieg in die klassische Musik.


    Anders als Du empfinde ich den Orchesterpart als sehr spannend, insbesondere die sehr, sehr ( ;) ) lange Einleitung nach den ersten Klaviertakten.


    Deswegen meine Lieblingsaufnahme:



    Claudio Arrau, zum Zeitpunkt der Aufnahme 81 Jahre alt, versprüht natürlich nicht mehr das "Feuer früherer Jahre", aber er beherrscht den Klavierpart ohne technische Probleme (ich habe zumindest keine gravierenden gehört), und die Orchesterbegleitung Davis' ist mehr als nur Begleitung. Er läßt sich Zeit, alle Schönheiten des Orchestersatzes auszuspielen und betont imo besser als alle anderen Dirigenten, daß das 5. Klavierkonzert, quasi als Vorläufer der Brahms-Klavierkonzerte, nicht als "Virtuosenkonzert" anzusehen ist, sondern als Symbiose des Klaviers und Orchesters.


    Ferner spielt die Staatskapelle superb, und das Klangbild ist so wie ich es am liebesten mag: Mit leichtem Hall vershene, aber noch durchsichtig.


    Übrigens, das 4. Klavierkonzert mit Arrau/Davis ist nicht so sehr "mein Fall", da zu langsam.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Sagitt meint:


    Bevor ich weitere Reaktionen hervorrufe,korrigiere ich meinen Beitrag. Ich finde den Orchesterpart von op. 73 großartig, aber nicht die performance der Wiener Sinfoniker unter Guilini. Norrington,Gardiner und Harnoncourt fallen mir sofort dazu ein, aber die Pianisten sind nicht unbedingt mein Fall,die beiden am Hammerklavier ohnehin nicht und Aimard spielt mir dies Konzert nicht pathetisch genug.
    Eine sehr eigenwillig interessante Variante ist diejenige von Rattle und Brendel und den Wiener ( Phiharmoniker).

  • Hallo,


    Kennengelernt habe ich das Beethovens Klavierkonzert Nr 5 in der Einspielung mit Wilhelm Kempff unter Ferdinand Leitner. Da ich eine Alternative wollte, besorgte ich mir die Aufnahme mit Wilhelm Backhaus unter Hans Schmidt-Isserstedt. Ich möchte keiner von beiden Aufnahmen den Vorzug geben. Die Kempff Aufnahme gibt es jetzt übrigens als Neuauflage in der Serie "The Originals" in Kombination mit dem Klavierkonzert Nr 4.(in Nr 4 Spielt Kempff u.a eine eigene, heute recht altmodisch anmutende Kadenz)


    Die Zeit blieb nicht stehen, und das Digitalzeitalter erforderte Neuaufnahmen. Meine Wahl fiel auf die Aufnahme unter Karl Böhm, mit Maurizio Pollini. Jedoch die Einspielung mit Claudio Arrau ist mit persönlich die liebste, vielleicht auch, weil ich den Künstler mit diesem Konzert im Wiener Musikverein hören durfe. Normalerweise bin ich kein Freund von Colin Davis, aber bei dieser Aufnahme passte einfach alles.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Schau an, Alfred, bei Arrau/Davis sind wir uns einig ;) .


    Die Pollini/Böhm-Aufnahme empfand ich als gelinde Enttäuschung, denn über solides Mittelmaß schienen beide nicht hinauszugehen. Es mag auch angehen, daß meine Erwartungshaltung zu groß war, denn das 4. Klavierkonzert, das die beiden ebenfalls einspielten, ist meine "Referenz" und so dachte ich wohl, das 5. wäre auch eine...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Sagitt meint:


    Im Schatten dieser beiden deutschen Beethovenspieler stand- zu Unrecht- Hans Richter Haaser,1912 geboren, aber in Deutschland nie wirklich bekannt geworden. Er hat das fünfte Klavierkonzert seinerzeit mit Istvan Kertesz eingespielt, Es war eine deutlich " modernere" Auffassung dieses Konzert,schlanker,weniger pathetisch. Ich mochte dies damals ( um 1962 herum). Aber meine Beethoven-Prägung erfolgte eben auch durch diesen Richter Haaser beim Bonner Beethovenfest 1962. Von Richter Haaser gibt es kaum noch Aufnahmen auf dem deutschen Markt- das vierte und fünfte Konzert war mal bei einem billig-label erhältlich.
    Auch heute würde ich die Aufnahmen noch als anhörenswert bezeichnen,obwohl sich meine eigene Präferenz im Laufe der Jahrzehnte verändert hat. Michelangeli hat vielen anderen Pianisten seinen exquisiten Anschlag voraus. Ich kann es kaum in Worte fassen, warum das Pathos eines Michelangeli schätze und das eines Backhaus ablehne. Vielleicht bekomme ich im Forum nochmals Anregungen ?

  • Hallo!
    Nun hole ich auch Beethovens fünftes Klavierkonzert noch mal hervor.


    Zitat

    Original von sagitt
    Im Schatten dieser beiden deutschen Beethovenspieler stand- zu Unrecht- Hans Richter Haaser,1912 geboren, aber in Deutschland nie wirklich bekannt geworden. Er hat das fünfte Klavierkonzert seinerzeit mit Istvan Kertesz eingespielt, Es war eine deutlich " modernere" Auffassung dieses Konzert,schlanker,weniger pathetisch. Ich mochte dies damals ( um 1962 herum). Aber meine Beethoven-Prägung erfolgte eben auch durch diesen Richter Haaser beim Bonner Beethovenfest 1962. Von Richter Haaser gibt es kaum noch Aufnahmen auf dem deutschen Markt- das vierte und fünfte Konzert war mal bei einem billig-label erhältlich.
    Auch heute würde ich die Aufnahmen noch als anhörenswert bezeichnen


    Ja, meine erste Aufnahme war auf einem "Billig"-Sampler, allerdings ohne das vierte. Inzwischen Kostet diese CD



    17 Euro (bei Amazon). Mir gefällt diese Aufnahme auch. Welches meine Lieblingseinspielung ist, kann ich spontan nicht sagen, da müßte ich mal alle im Vergleich durchhören. Aber eine, bei der ich sage, daß sie (für mich) perfekt ist, kenne ich nicht.
    Ich hoffe, ich erhalte hier einige (Kauf-)Anregungen, wenn Ihr Eure favorisierte Aufnahme vorstellt.
    Viele Grüße,
    Pius.

  • TESTAMENT CDs sind allgemein teuer (siehe Michelangeli CD oder Violin Players). :(


    Wie ist aber die Aufnahmequalität? Viel Rausch,wenig Klang oder umgekehrt?

  • Hallo!

    Zitat

    Original von Klassikliebhaber
    TESTAMENT CDs sind allgemein teuer (siehe Michelangeli CD oder Violin Players). :(


    Wie ist aber die Aufnahmequalität? Viel Rausch,wenig Klang oder umgekehrt?


    Nein, die Aufnahme ist nicht verrauscht. Auch sonst gefällt mir diese Einspielung des fünften Klavierkonzerts. Wie das vierte ist, weiß ich nicht, ich habe das fünfte auf einer CD eines Billig-Labels (müßte ein EMI-Ableger sein) zusammen mit Mozarts zwanzigstem. Inzwischen scheinen die Rechte zu Testament gewandert zu sein.
    17 Euro würde ich dafür aber nicht ausgeben.
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Lieber Sagitt ,
    der Titel "kaiser-Konzert" trifft nicht den Kern . Dieser wäre "Empereur" , da das Werk wie andere Kompositionen Beethovens viel mit dem grossen Franzosen Napoléon zu tun haben .
    In mancherlei Hinsicht hat Beethoven Napoleons Visionen nicht gesehen : Das vereinte Europa .
    Deine Liebe zu Michalangelis Deutung kann ich s e h r gut verstehen .
    Es gibt in der "Praga"-Serie einen technisch recht gute Aufnahme . ABMs Vorteil liegt darin , dass er das konzert nicht runterdonnert und nie zum Höchstgeschwindigekitspianisten neigt . Daran scheitern die meisten Pianisten ( 2. Satz !!! ) .
    Viele grüsse,
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo, Schoonderwoerd-Freunde!


    Bei Ulli fing es an, nun hören derzeit ja alle nur noch diese Aufnahme:



    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich bin derzeit grade in einem Schoonderwoerd-Taumel - und finde wir sollten die Aufnahmen der beidenKlavierkonzerte Nr 4 und 5, die bis dato vorliegen in den Spezialthreds dieser Konzerte ausführlicher besprechen.


    Schon passiert, denn diese Zeiten


    Zitat

    Original von Pius
    Welches meine Lieblingseinspielung ist, kann ich spontan nicht sagen, da müßte ich mal alle im Vergleich durchhören. Aber eine, bei der ich sage, daß sie (für mich) perfekt ist, kenne ich nicht.


    gehören nun der Vergangenheit an!
    Schoonderwoerd ist bei op. 73 (mehr als bei op. 58 ) für mich absolute Referenz geworden! :jubel::jubel::jubel::jubel:


    Wer will mitjubeln?
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius


    Wer will mitjubeln?


    Ich - aber ich finde das Vierte dennoch besser.


    Bisher waren meine persönlichen Referenzen Claudia Arrau in den Fällen von IV und V; ich tu mich schwer damit, diese ad acta zu legen.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo,


    ich hab:


    Aimard/Harnoncourt
    Glenn Gould
    Zimerman/Bernstein


    Letztere gefällt mir am besten, Zimermans kristallender Ton passt super vor allem zum letzten Satz. Glenn Gould ist etwas eigenartig (z. B. die Arpeggien am Anfang), Aimard nicht schlecht, mit viel Drive, aber Zimermans Ton gefällt mir besser, außerdem ist der Orchesterklang unter Bernstein (wie zu erwarten) mächtiger.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von Pius
    Wer will mitjubeln?


    Bin dabei! :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:



    ... obwohl ich in größerer Besetzung Immerseel wegen seiner hinreißenden Kadenzen und überhaupt, und auch Lubin sehr schätze.

  • Die neue Aufnahme mit Helene Grimaud sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.



    Das Coverfoto verunsichert den Betrachter. Es zeigt die Pianistin mit einem süffisant herausfordernden Blick als wollte sie sagen >Geh mir aus dem Weg, Kleiner, sonst kriegst du was auf die Fresse!<. Lasst euch davon nicht beeindrucken, und auch nicht von einigen verheerenden Kritiken. So schlecht ist die Einspielung nun auch wieder nicht - vielleicht ein wenig gewöhnungsbedürftig.
    Ich empfinde Grimauds Interpretation als recht forsch und "objektiv", ohne zuviel Pathos. Manche mögen dies als geglättet oder blutarm empfinden (betrifft besonders den zweiten Satz), aber ich denke, dass Beethovens Es-dur-Konzert auch diese Lesart sehr gut verträgt.
    Die in der FonoForum-Rezension (Heft 10/07, S. 90) angekreideten technischen Mängel ("...wenn Beethoven in seine Sechzehntelläufe plötzlich Triolen einstreut, wirkt dies bei bei Grimaud so unbeholfen, als sei sie gerade erst darauf aufmerksam geworden...") kann ich selbst nach mehrmaligem Hören mit Kopfhörer und Partitur beim besten Willen nicht nachvollziehen.
    Ich will nicht behaupten, dass dies die "beste" Aufnahme von Beethovens Es-dur-Konzert ist, aber ich halte sie auf jeden Fall für hörens- und empfehlenswert.


    Viele Grüße
    Frank

  • Beethoven selbst betitelte die Komposition gegenüber dem Verleger mit „Großes Konzert“. Zwar stammt die Werkbezeichnung „The Emperor“ nicht von Beethoven. Die Komposition ist vielmehr im Sinne einer Musik als Auflehnung gegen Napoleon den Usurpator zu verstehen (also eher „The Anti-Emperor“). Das Werk ist aber gleichwohl geprägt von den aktuellen welthistorischen Ereignissen. Beethoven tritt hier einmal mehr als Weltgeist in der Musik auf (die Grundtonart Es-Dur entspricht der der „Eroica“).


    Gerade der mächtige 1. Satz hallt wider von welterschütternden Ereignissen (man denke an Jena / Auerstedt). Ohne viel Phantasie lassen sich im 1. Satz etwa donnernde Geschütze, der Zusammenstoß ganzer Armeen, erschütternde Kampfszenen, Momente sieghafter Männlichkeit im Text der Musik nachweisen.


    Im episodisch, utopischen 2. Satz geht es immerhin um ein so großes Thema wie das Verhältnis des Einzelnen zur Gemeinschaft: Zunächst steht das Klavier (der Einzelne) neben dem Hauptgesang (die Gemeinschaft), dann eingeordnet in der Gemeinschaft (der Streicherchor tritt zurück), dann schließlich untergeordnet (der Holzbläserchor dominiert). Daneben kann der 2. Satz als „Klangstudie“ gehört werden. Beethoven soll gegenüber Czerny von „Gesängen frommer Wallfahrer“ gesprochen haben. Parallelen zum Benedictus der Missa Solemnis lassen sich ziehen.


    Der 3. Satz schließlich hat mit der „Freiheit“ ein weiteres großes Thema. Es ist ein Tanz, ein wahrer Reigen der Freiheit.


    Alle drei Sätze sind also – geradezu typisch für Beethoven – ideell enorm aufgeladen. Dies ist bei einer Interpretation, die mehr als eine textgenaue Exekution sein will, zu berücksichtigen und – insbesondere auch bei HIPen Aufführungsbedingungen - für unsere heutigen Ohren umzusetzen.


    Zu alledem ist noch zu gewärtigen, dass das 5. Klavierkonzert Beethovens als erstes echt modernes Exemplar seiner Gattung gelten kann. Es ist hervorragend geeignet für einen Virtuosen. In Anlage und Ausdruck unterscheidet sich grundlegend von dem 4. Klavierkonzert. Gerade auch der 3. Satz mit seinen im Grunde primitiven Phrasen fordert die virtuose Pranke, um angemessen groß und gewichtig zu klingen.


    Wie stellt sich nun die Schoonderwoerd'sche Einspielung zu diesen Vorbedingungen (zugleich eine Werkbeschreibung anhand der Schoonderwoerd'schen Zeiten):


    1. Satz


    Der erste Satz besteht im ganzen aus einer weit ausholenden Kadenz zu Beginn und einem sich anschließenden triumphalen Marsch-Allegro.


    Die Kadenz wiederum setzt sich aus drei mächtigen Tutti-Akkorden im fortissimo, denen der Solist jeweils weiträumige, schwungvolle und hoch virtuose Kaskaden entgegensetzt, deren erste Zwei mit einer Art Herzenston (espressivo) enden. Antizipiert man die später im Satz sich entwickelnden heftigen Auseinandersetzungen zwischen Solist und Orchester, so bedarf es nicht allzuviel Phantasie, diese eröffnenden Tuttischläge und Solokadenzen als dreifachen Anruf des „Helden“ und dessen dreifaches selbstbewusst-freudiges Erwidern zu deuten. Bei Schoonderwoerd gelingt der erste Aufruf mit Erwiderung recht gut [0:00 – 0: 23], wenngleich wir natürlich den Heldenruf und dessen Erwiderung schon gewaltiger, überzeugender und auch virtuoser vernommen haben. Beim zweiten Anruf und seiner Erwiderung [0:23 – 0:48], in deren Verlauf der Pianist nun beidhändig gefordert ist, fällt die (hier für den Helden unbedingt geforderte) Virtuosität bei Schoonderwoerd leider auf ein nicht mehr überzeugendes Niveau ab [insbesondere 0:38 – 0:44]. Gleiches ist für die dritte Erwiderung festzustellen [0:50 – 0: 55]. Nun könnte zwar man sagen, die Hinweise auf Schoonderwoerds sich schon hier offenbarende pianistische Defizite seien beckmesserisch; denn es gehe bei Schoonderwoerd doch vor allem um die HIPen Aufführungsbedingungen. Da die Aufnahme hier im Forum aber trotz zahlreicher anderer hervorragender Einspielungen schon vielfach überschwänglich, geradezu hymnisch als vom Himmel gefallene Offenbarung gepriesen wurde, muss der Hinweis erlaubt sein, dass Schoonderwoerd pianistisch jedenfalls einem Vergleich mit dem Durchschnitt der allbekannten Einspielungen berühmter Pianisten bei weitem nicht standhalten kann.


    Das Marsch-Allegro setzt mit dem stolzen, rhythmisch geprägten Hauptthema ein [1:20 – 1:31]. Auch dies haben wir schon entschiedener, mächtiger gehört (kein Kunststück bei größerer Besetzung, weshalb ich darauf auch nicht mehr eigens hinweise). Die Präsentation dieses Hauptthemas gelingt Schoonderwoerd im übrigen recht überzeugend. Gleiches gilt für die sich anschließende Verlängerungs- und Überleitungsphase [- 2:15], bei der Motive des Hauptthemas im Holz ausgeführt werden. Besonders schön kommt hier bei dem insgesamt sehr transparenten Klangbild Schoonderwoerds die Pauke zur Geltung, was das militärische Idiom der Musik sinnvoll unterstreicht.


    Bei 2:16 erklingt das 2. Thema in es-moll, zunächst als verhaltene Marschweise. Leider verpasst Schoonderwoerd hier die Dynamik vollständig, indem er das 2. Thema statt im vorgeschriebenen pianissimo quasi in unveränderter Lautstärke vorstellt. Bei 2:31 wird dieses 2. Thema in Es-Dur hymnisch wiederholt. Dabei wird das Thema von den Hörnern getragen. In der Tiefe sind rhythmisch markante Bässe eingezeichnet. Bässe und Pauke sollen dabei im pianissimo zurücktreten. Leider klingt diese hymnische, im Sinne einer wundervoll zuversichtlichen Antwort gedachte Variante des 2. Themas bei Schoonderwoerd recht hölzern, wenig atmosphärisch. Die dynamischen Balancen stimmen nicht. Die Pauke ist zu laut, die Bässe quasi nicht zu hören (bei dieser Besetzung!). Die Violinen können an ihrer Legatokultur durchaus noch feilen.


    Ab 2:48 meldet sich das Hauptthema zurück. Auch hier wird das vorgeschriebene pianissimo nicht umgesetzt. Offenkundig hatte Beethoven im Sinn, dass das Hauptthema allmählich wieder aufkommen und sich nach und nach über forte bis zum fortissimo steigern soll. Ein groß angelegtes crescendo also. Den „Höhepunkt“ (fortissimo) erreicht Schoonderwoerd bei 3:21, freilich ohne sich bis zu dieser Stelle auch entsprechend gesteigert zu haben. Der dynamische Höhepunkt, den er nicht mehr steigern konnte, wodurch die Motivwiederholungen des Hauptthemas ungewollt und unpassend verzweifelt klingen [3:15 – 3:20], war bei ihm lange zuvor schon erreicht. Eine Schwäche der Schoonderwoerd'schen Einspielung kann also generell auch in der dynamisch vergleichsweise schmalen Bandbreite gesehen werden (auch hierauf gehe ich nicht mehr in jedem Einzelfall ein). Leider ist die trotz alledem unkritische, ja überschwengliche Rezeption dieser Aufnahme ein Hinweis darauf, dass heutzutage für viele Hörer in dynamischer Hinsicht alles in Ordnung zu sein scheint, wenn nur das sforzando effektvoll-markant umgesetzt ist (was bei Schoonderwoerd übrigens der Fall ist).


    Bei 4:10 – 4:12 hören wir in den 1. Violinen einen im weiteren Verlauf thematisch bedeutsamen Gesang.


    Bei 4:16 und 4:18 ist im gesamten Orchester jeweils die punktierte Figur aus dem Hauptthema zu hören, unterbrochen von einer erwartungsvollen Generalpause. Es klingt wie scharfe Fragen des Orchesters an das Klavier (wir werden sie später erneut hören). Unter Dominant-Sept- und Nonen-Pulsierungen des Orchesters setzt das (angesprochene) Klavier mit einem chromatischen Lauf ein, der in einen lang anhaltenden Triller im Diskant mündet [4:24 – 4:33]. Ein Auftritt der stark an Mozart erinnert. An dieser Stelle kann sich das Klavier noch recht unbeteiligt geben. Es hatte in der Einleitung sein Können souverän demonstriert und meint, die scharfe Herausforderung des Orchesters lässig, ja geradezu neckend entgegnen zu können: Es spielt eine aufsteigende chromatische Skala, wozu das Orchester (bekanntlich) nicht in der Lage ist. Anschließend greift das Klavier das Hauptthema auf und führt es verändert fort [4:34 – 5:15]. Die Passage ist bei Schoonderwoerd recht gut gelungen. Ab 5: 16 folgt eine von der Dominate Ges-Dur ausgehende Überleitung zum 2. Thema in h-moll (ces-moll).


    Das 2. Thema ist bei 5:56 erreicht und präsentiert sich zunächst in einer geheimnisvoll klingenden 1. Variation. Die 2. Variation dieses Themas in Ces-Dur beginnt bei 6:12. Sie wirkt sublimer. Beide Variationen klingen bei Schoonderwoerd sehr schön. Besonders schön kommt in der 2. Variation das vom einzelnen Cello gehaltene ges zur Geltung. Bei 6:34 beginnt die 3. kriegerisch, militärische Variation in B-Dur. Das klingt bei Schoonderwoerd leider wieder unangemessen leicht und luftig.


    Zwischen 6:50 und 8:31 läuft das Klavier eine Art „große Kür“ auf Motiven des Hauptthemas. Das von Schoonderwoerd verwendete Instrument klingt dabei an mancher Stelle jedenfalls für heutige Ohren etwas hölzern, beinahe komisch, wodurch seine Rolle im Rahmen dieses gewaltigen und sehr bald erschütternd konfrontativen Satzes nicht angemessen zum Ausdruck kommt. Es klingt einfach nicht wie der kriegerische Held, der sich (die Durchführung wird es unbarmherzig zeigen) dem Orchester todesmutig und sieghaft entgegenstellen wird. Der Austritt des Klaviers nach der Kür entspricht seinem Eintritt: Wieder spielt es eine chromatische Skala [8:31 – 8:34], die hier aber in einer Gegenbewegung ausgeführt wird (rechts auf-, links absteigend) und in einer forte-Explosion des Orchesters mündet (das Orchester hat die Faxen jetzt langsam dicke!). Bei Schoonderwoerd kommt die forte-Explosion aufgrund der dürren Besetzung leider nicht angemessen heraus [8:34/35]. Auch den Furor, der hier eigentlich herrschen soll, und das fortissimo bei T. 238 bleiben Schoonderwoerd und die Seinen schuldig. Auch die erneuten scharfen forte-Fragen des Orchesters an das Klavier [9:36/37 und 9:39/40], punktiert und von einer Generalpause unterbrochen, bleiben bei Schoonderwoerd blass und beiläufig. Das Klavier antwortet wiederum mit einer aufsteigenden chromatischen Skala, nunmehr kraftvoll anschwellend und beidhändig, die bei 9:50 die Durchführung eröffnet.


    Die Durchführung ist wahrlich nichts für schwache Nerven. Blut wird fließen. Viel Blut. Für die Freiheit! (Bei der von Schoonderwoerd statt eines Konzertflügels verwendeten „Spieldose“ wird man sich manches freilich hinzudenken müssen. Beethoven hatte schon recht, wenn er zeitlebens über die Unzulänglichkeit der zeitgenössischen Klaviere klagte.)


    Der Beginn der Durchführung (G-Dur) ist zunächst von meditativen Klavierarpeggien [z. B. 9:55 – 10:00] geprägt. In dynamischer Hinsicht hat Beethoven hier einen sich über einen längeren Entwicklungsprozess hinziehenden Spannungsbogen notiert. Dabei sollte sich das Klavier immer als dominant erweisen. Das Orchester ist durch klare dynamische Vorgaben für die einzelnen Stimmen zurückgenommen. Klavier und Orchester umspielen einander, wobei sich das Klavier als agiler erweist und das Orchester nur allmählich durch kürzer werdende und dabei immer gleiche Motive drängender wird. Es herrscht eine trügerische Ruhe. Es braut sich etwas zusammen! Um das Klavier gegenüber dem allmählich zulegenden Orchester dominant zu halten, notiert Beethoven ab T. 292 [10:45 – 11:08] für das Klavier ein forte. Leider sind trotz dieses forte bei Schoonderwoerd in dieser Passage von dem Klavier über weite Strecken nur die schweren Taktteile der Sechzehntel-Ketten zu hören. Ein schönes Beispiel dafür, dass man bei falscher Balance auch mit Kleinstbesetzung intransparent spielen kann – und umgekehrt!


    Ab 11:08 hören wir wieder von allen Bläsern und im forte das punktierte Motiv, bei dem wir scharfe, herausfordernde Fragen des Orchesters an das Klavier assoziieren. Das Klavier erwidert bei dem nun erreichten Konfrontationshöhepunkt wiederholt im fortissimo mit mindestens ebenso scharfen, gereizten Antworten [11:08 – 11:22]. Das fortissimo des Schoonderwoerd'schen-Flügels erinnert hier eher an das Brüllen eines Babylöwen, denn das einer ausgewachsenen Raubkatze. Ein Konzertflügel tut hier wahrlich Not. Denn jetzt herrscht Krieg! Beethoven komponiert mit gegenläufigen Oktavgängen von Orchester und Klavier den bestürzenden Eindruck einer Schlacht. Eingeleitet wird dies äußerst effektvoll durch den punktierten es (fortissimo) - ges (sforzando) Intervall, der in einer Interpretation gar nicht deutlich genug hervorgehoben werden kann. Schoonderwoerd führt dies leider vergleichsweise wenig markant aus [11:23]. Das Klavier gebietet dem Orchester mittels dieser kühnen Wendung Einhalt und nutzt den so gewonnenen Vorteil sogleich schamlos für eine Frontaloffensive per Doppeloktaven, die alles niederwalzen, was sich ihnen in den Weg zu stellen versucht [ab 11:24 – 12:03]. Schon nach Sekunden ist alles in heilloser Flucht vor dieser Urgewalt begriffen [ab 11:26 -]. Der Schoonderwoerd'schen Einspielung fehlt hier schlicht die Spannung, der Furor. Das klingt zu harmlos. Ein Vorbild hat diese Kriegsszene übrigens in Mozarts KV 491, nur das dort das Klavier vom Orchester zurechtgewiesen wird, während hier der zwischenzeitlich emanzipierte Held alles niederwalzt. Ab 12:03 pfeift sich das Klavier nach „erledigtem Job“ durch die Überleitung zur Reprise vom Sieg beseelt davon.


    Die Reprise setzt bei 13:03 ein, und zwar mit einem neuerlichen „Muskelspiel“ des Klaviers, dessen abschließende, aufsteigende chromatische Skala [ab 13:54 -] diesmal gar auf einem spöttischen Ton endet, bevor das Orchester wieder mit dem Hauptthema einsetzt. Von nun an sind die Verhältnisse geklärt. Das Orchester hat seinen aggressiven Ton verloren. Jede seiner Gesten wird vom Klavier sogleich gebührend beantwortet. Das Klavier weicht dem Orchester dabei nicht mehr von der Seite. Die Intermezzi des Klaviers bekommen etwas Spielerisches, Selbstbewusstes, Dominierendes. Der Held hat sich auf ganzer Linie durchgesetzt!


    2. Satz


    Das H-Dur (ces) des 2. Satzes knüpft an an das 2. Thema aus der Exposition des 1. Satzes und, besonders sinnfällig, an den Konfrontationshöhepunkt aus der Durchführung des 1. Satzes. Das es des 1. Satzes wird dabei zum dis des 2., und auf diesem dis setzt mit einem innigen, choralartig-hymnischen Gesang der 2. Satz auch ein. Besonders sinnfällig erscheint die Anknüpfung an den Konfrontationshöhepunkt aus der Durchführung des 1. Satzes, weil sich der 2. Satz wie eine friedvolle und deshalb utopische Reflexion auf die kriegerischen Auseinandersetzungen des 1. Satzes hören lässt.


    Auch zu Beginn dieses Satzes fällt auf, dass die Aufführungsanordnung bei Schoonderwoerd dynamische Abstufungen kaum zulässt. Man höre dazu etwa die Passage 0:19 – 0:57, in der ab 0:28 ein crescendo notiert ist, das zwei Takte später seinen Höhepunkt im forte erreicht haben sollte [0:37], um dann im nächsten Takt wieder ins piano zu diminuieren [0:42 – 0:46] und den direkt darauffolgenden Takt wieder im forte zu beginnen [0:47 -]. Eine sehr ausgefeite Dynamik also, die bei Schoonderwoerd nur sehr eingeschränkt umgesetzt wird (werden kann?).


    Ab T. 16 setzt das Klavier im pianissimo (espressivo) mit wunderbar friedlich absteigenden Triolen -Achteln der rechten Hand ein [1:11 -]. Beethoven notiert die Triolen überwiegend im staccato, einzelne aber im legato. Schoonderwoerds und/oder seine „Spieldose“ bringen hier ausschließlich ein staccato hervor. Dass Beethovens eigenes Spiel und seine Präferenz stark legato geprägt waren, wird in dieser Ausführung vollständig missachtet. Sehr schön allein die unterhalb des Klaviers ausdrucksvoll begleitenden Streicher. In der Wiederholung mit Holzbläserbegleitung klingen letztere leider etwas penetrant direkt, obwohl sie eigentlich im pianissimo begleiten sollten [2:19 -].
    Insgesamt meine ich, dass bei Schoonderwoerd der scharfe, gläserne Klang des verwendeten Flügels und insbesondere auch die Holzbläser der zauberhaft-entrückten Atmosphäre dieses Satzes nicht eben gut bekommen. Der Satz endet mit zwei zögernd aufstrebenden Es-Dur Arpeggien [6:25 -], die in das Rondo des 3. Satzes überleiten, hier also die ungeteilte Aufmerksamkeit des Hörers auf sich ziehen sollten, was aber bei Schoonderwoerd wegen des darüber etwas ungezügelt dröhnenden Hornes nur bedingt möglich erscheint.


    3. Satz


    Der pausenlose Übergang vom Adagio zum Rondo lässt auf einen engen konzeptionellen Zusammenhang der Sätze schließen. Das Rondo ist bestimmt von einfachen, beinahe primitiven Phrasen. Es gibt wenig Kontrapunkt. Stattdessen stimmungsvolles Spiel.


    Das stürmisch-drängende Rondo-Thema zerfällt in seinem Vordersatz (T. 1 – 8 ) abwechselnd in je 2 Takte im fortissimo und 2 Takte im piano. Die steil aufsteigenden Bewegungen der Takte 1 und 2 [- 0:03] sowie 5 und 6 [0:06 – 0:09] (Es-Dur Dreiklänge) stehen im fortissimo, die leicht absteigenden Bewegungen der Takte 3 und 4 [0:03 – 0:06] sowie 7 und 8 [0:09 – 0:12] dagegen im piano. Schoonderwoerd gestaltet diese Bewegungen zwar mit dem notwendigen Schwung. Auch hier ist die Darstellung in dynamischer Hinsicht aber wieder zu eindimensional. Der Nachsatz beginnt mit einer chromatisch absteigenden Bewegung [0:12 – 0:15], die in ein forte-Motiv mündet, dessen Rhythmus an die spätere 7. Sinfonie erinnert [0:15 – 0:17]. Mit der sich anschließenden Wiederholung der chromatisch absteigenden Bewegung bricht der Nachsatz im 6. Takt dieser Periode vorzeitig im Klavier ab. Vervollständigt wird die Periode in den Takten 7 und 8 durch spöttisch anschwellende (crescendo) Streicher [0:21 – 0:23], die dem Klavier so das Heft aus der Hand nehmen. Es folgt eine Wiederholung des Rondo-Themas durch das volle Orchester. Ich muss sagen, dass das Schoonderwoerd'sche Orchester in dieser Passage ganz vortrefflich und mitreißend musiziert. Schon das crescendo der spöttischen Streicher gelingt. Das Rondo-Tutti im forte klingt wunderbar frisch, schwungvoll und triumpfierend. Der Klang des Ensembles hat hier Transparenz und Weite. Besonders schön kommen so die Tremoli in der Pauke und dem Holz zur Geltung [0:24 – 0:53]. Hier funktioniert der Schoonderwoerd'sche Ansatz plötzlich. Da ist so viel Spielfreude und rhythmische Präzision (Pauke!) drin, dass es einen förmlich mitreißt. Meine absolute Lieblingsstelle der ganzen Aufnahme ist ohne Frage der diese Passage abschließende Es-Dur Akkord der 1. Violinen, die hier mit so viel Schwung und Druck ankommen, dass es sie glatt aus der Kurve haut [0:52/53]. Die verbleibenden 6 Takte bis zum Ende dieser Rondo-Passage bei T. 42 sind von einem militärischen Rhythmus im Blech geprägt, den wir schon aus dem 1. Satz kennen [0:53 – 1:02].


    Es schließt sich eine Kadenz des Klaviers an, bei der gerade zu Beginn einmal mehr ernüchternd deutlich wird, dass der große Schwachpunkt dieser Aufnahme der verwendete Flügel ist. Bei 2:07 Ende die Exposition.


    In der Durchführung wird zunächst das Rondo-Thema vom Klavier wiederholt. Sodann tritt der punktierte Rhythmus aus dem Nachsatz des Rondo-Themas in Streichern und Holzbläsern in den Vordergrund [2:56 – 3:05]. Eine weitere kurze Kadenz des Klaviers mündet in eine erste „brillante“ Rondo-Variation [3:22 – 3:45]. Der von Schoonderwoerd verwendete Flügel stößt hier hörbar an die Grenze seiner Möglichkeiten. Bei 3:45 folgt eine Art Verschnaufpause in Kombination einer transformierten Fassung des Rondo-Themas mit dem militärischen Rhythmus. Daran anschließend erklingt eine zweite „durchsichtig-perlende“ Rondo-Variation [3:56 – 4:24]. Dann folgt, nach einer abermaligen kurzen Verschnaufpause eine dritte „träumerisch-tänzerische“ Rondo-Variation [4:36 – 5:04]. Wieder folgt eine kurze Verschnaufpause [- 5:10]. Die gesamte Variations-Passage ist bei Schoonderwoerd ebenfalls recht gut gelungen. Bei 5:10 sollte nun nach dem Text ein Ansturm lauter Klavierfigurationen erklingen, ähnlich denjenigen, die den ganzen Prozess in Bewegung gesetzt haben. Die Streicher sind ins piano zurückgenommen. Leider klingt Schoonderwoerds Flügel hier gar nicht wie ein Sturmlauf – ein Lüftchen ist's. Vermutlich beginnt er so verhalten, weil er sich kurz darauf ins fortissimo steigern muss. Und wir wissen nun schon hinlänglich, dass die dynamischen Fassetten des Instruments stark limitiert sind. Sehr schön rhythmisch auch hier aber die Streicher mit ihrem das Klavier begleitenden punktierten Motiv. Die Passage endet auf einem ausgedehnten Klaviertriller und dem Versuch eines Es-Dur Arpeggios der Streicher, das an den Suchprozess am Ende des Adagios erinnert [5:37 – 5:58].


    Mit dem Rondo-Thema treten wir bei 6:00 in die Reprise ein, die ziemlich genau der Exposition entspricht.


    Bei 8:20 endet die Reprise und es erscheint zum 4. Mal das Rondo-Thema. In Anspielung auf die 2. Variation im Durchführungsteil nun auf der Subdominante. So schön auch das Rondo-Tutti in der Exposition gelungen war, die stolz triumpfierende Streicherpassage, in die diese 4. Rondo-Wiederholung mündet [8:43 -], kann einem Vergleich mit modernen Aufnahmen dieses Konzerts nicht standhalten. Schoonderwoerds Ensemble wirkt hier sehr angestrengt. Bei 9:04 ist die Tonika wieder erreicht und es entspinnt sich ein Wechselgespräch zwischen Klavier und Orchester. Recht schön gelungen bei Schoonderwoerd, wenngleich der Flügel hier beinahe ein wenig kitschig klingt. Mich erinnert das sehr an die Filmmusik aus der BBC Verfilmung von Jane Austens Pride and Prejudice [insbesondere 9:28 – 9:33]. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Beethoven diesen zuckersüßen Klang realisiert haben wollte. Dieses Idyll wird durch einen forte Schlag des Orchesters, gefolgt von den schon bekannten militärischen Rhythmen jäh unterbrochen [9:45 – 9:50].


    Kurz vor Schluss folgt nun eine gleichermaßen entscheidende wie dramatische Passage, in der das Klavier in seinen vergeblichen versuchen, die Bewegung wieder zu beleben, von der gnadenlos pochenden Pauke bis zur völligen Ermattung nieder gerungen wird [9:51 - . Es ist das kriegerische, punktierte Motiv, das die Pauke hier unausgesetzt schlägt. Die resignativ absteigenden sowie allmählich leiser und langsamer (bis Adagio) werdenden Akkorde des Klaviers [ab 9:59] klingen wie das Rondo-Thema, nur in Umkehrung. Wie Phönix aus der Asche gelingt dem Klavier bei 10:20 mit einem Es-Dur Arpeggio über 6 Takte und 4 Oktaven hinweg nochmal ein glänzender Ausbruch aus diesem Griff der Pauke, der aber vom Orchester mit ebenfalls 6 Takten und fortissimo Akkorden bis zum dreigestrichenen „g“ hinauf noch überboten wird. Das Orchester, die Gemeinschaft, die Freiheit hat gesiegt!


    Die Einspielung des 5. Klavierkonzerts von Beethoven durch Schoonderwoerd ist eine interessante Hörerfahrung. Der poetischen Idee hinter dem Werk kann die Aufnahmekonstellation (insbesondere für unsere heutigen Ohren) aber kaum gerecht werden. Es gibt einzelne schöne und gelungene Passagen. Dem stehen weitaus häufiger klangliche und dynamische Defizite gegenüber. Ein weiterer Schwachpunkt ist sicherlich der verwendete Flügel, der in diesem in jeder Hinsicht „großen“ Konzert in seiner Rolle häufig nicht überzeugend wirkt. Der vielfach hier im Thread kritiklos geäußerte, überschwengliche Jubel scheint mir so objektiv nicht gerechtfertigt.


    Loge

  • Salut,


    Danke für Deine exklusive Analyse, die ihresgleichen sicher so schnell nicht finden wird.


    Für mich zeichnet sich eben durch Deine Auseinandersetzung mit der Schoonderwoerdschen Einspielung noch einmal im Besonderen ab, welche herausragende [ohne Wertung!] Position diese Performance einnimmt: Ein Vergleich mit herkömmlichen - und dabei sind auch die sogenannten HIP-Einspielungen inkludiert - Interpretationen ist mit Schoonderwoerd einfach bereits deswegen nicht möglich, da es sich hierbei um ein Experiment handelt; m. E. um ein überaus gelungenes. Wie ich bereits auch zum 4ten Klavierkonzert angemerkt habe, ist dies ein Versuch, eine bestimmte [nämlich besetzungsarme] Aufführungssituation nachzustellen - mag diese auch im Fall des 5ten Konzertes noch so fiktiv sein [für das Vierte ist es definitiv keine Fiktion, sondern Rekonstruktion]: Es ist unstreitig, daß auch bei der Produktion des Ensemble Cristofori die Mächtigkeit der Musik nichts zurückstecken muß, was viele Hörer überrascht hat. Mit der Aufnahmequalität war Schoonderwoerd meiner Erinnerung zufolge selbst nicht ganz zufrieden - jedenfalls entnehme ich dies seiner gemachten Aussage, daß die Einspielung von op. 61a und dem 3ten Klavierkonzert mit einer völlig anderen Technik aufgezeichnet wurde - nicht nur mit zwei Mikrofonen, wie im vorliegenden Fall der Konzerte Vier und Fünf.


    Ob nun das verwendete Soloinstrument ein Schwachpunkt, oder, wie mehrfach bekundet, gerade der Höhepunkt dieser Einspielungen ist, wird nicht weiter diskutabel sein - dies gehört zudem auch im Wesentlichen zu der allgemeinen Diskussion, ob ein moderner Steinway-Flügel einem solchen Werk "gerechter" wird. Das Instrument wurde von Schoonderwoerd in Italien entdeckt und gehört seitdem zu seinem sensiblesten Privatbesitz - daß der Pianist und sein Instrument von Liebe und Gegenliebe profitieren, ist jedenfalls für mich völlig klar. Schoonderwoerd kennt seinen Schützling bis zum letzten Holzspahn, was für mich absolut hörbar ist. Ich persönlich bin sehr dankbar dafür, daß Schoonderwoerd sich nicht scheut, seinen Liebling der Öffentlichkeit zu präsentieren. Vorsicht ist geboten bei der Beurteilung der pianistischen Fähigkeiten Schoonderwoerds - vielfach sind es einfach die meinetwegen als unzureichend annehmbaren verbliebenen technischen Interna des Instruments, die sich nicht verbessern lassen, ohne dem Instrument dann den Stempel einer nachträglichen "Verbesserung" aufzudrücken.


    Daß die diskutierte Aufnahme von diversen Zusammenschnitten aus Live- und Studioaufnahmen hinsichtlich des Klanges des Soloinstrumentes profitiert, ist klar: Die natürlichen Defizite des Instrmentes waren live sehr deutlich hörbar. Das Erlebnis aber, das Instrument live zu erleben, überwog auf ganzer Linie. Schoonderwoerds "Defizite" zeigen sich insbesondere live im Durchhaltevermögen - ich möchte jedoch einen Pianisten erleben, der das 4te und 5te Konzert ohne großangelegte Pause durchspielt, ohne außer Atem zu geraten. Auch dies ist bei der vorliegenden Aufnahme durch die Schnitte eher nicht hörbar. Es zeichnet sich hier deutlich meine Präferenz für Geschnittenes ab, um Perfektion zu erreichen - vielfach kritisiert, von mir goutiert: Demgegenüber stehen die Livekonzerte, die ein ganz anderes Flair mit völlig anderen Schwerpunkten bieten.


    Arthur Schoonderwoerd gehört sicher nicht zu den wenigen Auserwählten im Kreise der Elite-Pianisten - umsomehr aber zu den mutigsten und interessantesten. Sein Spiel ist in jedem Fall hervorragend und meinem eigenen vorzuziehen [was nicht schwer fallen dürfte].


    Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß es sich hierbei lediglich um ein Experiment handelt, das keinen Anspruch auf Richtigkeit stellt, wenn auch verschiedene Details der damaligen Aufführungspraktiken als Grundlage herangezogen wurden. Diese dienen nicht als Rechtfertigung, sondern lediglich als Basis.


    In jedem Fall ist die Einspielung sehr lohnenswert.


    Viele Grüße
    Ulli


    [SIZE=7]P.S. Und wiederum ist es schade, daß nicht der extra eingerichtete Schoonderwoerdthread zur Diskussion verwendet wurde...[/SIZE]

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Loge
    Der vielfach hier im Thread kritiklos geäußerte, überschwengliche Jubel scheint mir so objektiv nicht gerechtfertigt.


    Da zeigt sich mE der Schwachpunkt Deiner Argumentation. Es gibt keine "objektive" Bewertung, sie ist immer mehr oder weniger subjektiv gefärbt. Gerade Deine in sich geschlossene und auf den ersten Blick überzeugende Auseinandersetzung geht von einigen strikt subjektiven Grundannahmen aus, die man nicht zu teilen braucht mit der Folge, daß DeineKritik in diesem Fall ins Leere läuft.


    Zitat

    Original von Loge
    Die Komposition ist vielmehr im Sinne einer Musik als Auflehnung gegen Napoleon den Usurpator zu verstehen (also eher „The Anti-Emperor“). Das Werk ist aber gleichwohl geprägt von den aktuellen welthistorischen Ereignissen. Beethoven tritt hier einmal mehr als Weltgeist in der Musik auf .
    Gerade der mächtige 1. Satz hallt wider von welterschütternden Ereignissen (man denke an Jena / Auerstedt). Ohne viel Phantasie lassen sich im 1. Satz etwa donnernde Geschütze, der Zusammenstoß ganzer Armeen, erschütternde Kampfszenen, Momente sieghafter Männlichkeit im Text der Musik nachweisen.


    Meines Wissens gibt es keine schriftlichen oder mündlichen Äußerungen von Beethoven, die zweifelsfreie Rückschlüsse auf seine politischen Überzeugungen zulassen.


    Sie werden deshalb mit Hilfe freier Spukulation oder der üblichen Assoziierungstechnik frei konstruiert, je nach Temprament und politischer Überzeugung des jeweiligen Autors (abschreckend zB Schleuning im Buch über die Eroica, der ohne den geringsten Beleg Beethoven zu einem jakobinischen Widerstandskämpfer im kaiserlichen Wien macht).


    Jena und Auerstedt sind zB in diesem vollkommen belanglos, denn 1809 spielten sich vor Beethovens Haustür erbitterte Kämpfe zwischen den Österreichern und den Franzosen ab (Schlacht bei Aspern, Schlacht bei Wagram, Andreas Hofer). Warum ein Rückgriff auf Vergangenes? Das Konzert könnte ebensogut mit Erzherzog Karl oder dem öst Kaiser assoziiert werden. In dem Werk fließen keineswegs Ströme von Blut, schon gar nicht für die Freiheit. Welche Freiheit übrigens? Die pathetische, die ganze Menschheit umfassende der franz. Revolution? Oder (1809!) nicht etwa die Feiheit von der napoleonischen Fremdherrschaft?


    Es lassen sich bei dieser Vorgehensweise für jede Ansicht Belege finden. Mit andere Worten, für das Verständnis des Werkes geben sie gar nichts her, allenfalls für eine strikt subjektive Auffassung.



    Im übrigen hat Ulli schon zu Deinen anderen Mißverständnissen (Verwendung des Flügels, Experimentalcharakter der Einspielung) ausführlich Stellung genommen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • Lieber Ulli,


    danke für Deine Zeilen. Ich möchte, um Missverständnisse zu vermeiden, deutlich machen, dass ich die Schoonderwoerd'sche Aufnahme nicht ablehne. (Hier im Forum wird jegliche Kritik gerne in ein Schwarz-Weiß-Schema gepresst.) Ich halte die besprochene Aufnahme vor allem für eine interessante Hörerfahrung, wie ich ja schrieb. Und in der Tat habe ich dieser Aufnahme, weil sie derzeit so sehr von sich Reden macht, auch meine Ehrerbietung erwiesen, indem ich gerade sie zum Gegenstand meiner detaillierten Besprechung des 5. Klavierkonzerts gemacht habe. Schaden wird ihr das sicherlich nicht. Eine Aufnahme, über die man (auch kontrovers) spricht, hat als künstlerischer Ausdruck (der doch immer ein Versuch ist, wo kämen wir denn sonst hin!) schon gewonnen. Als einen solchen Versuch nehme ich die Schoonderwoerd'sche Aufnahme aber sehr ernst und habe sie mit den besten mir bekannten Aufnahmen des 5. Klavierkonzerts (mit "Elite-Pianisten") verglichen.


    Interessant ist Dein Hinweis, dass die Aufnahme aus Studio- und Livemitschnitten entstanden sei. Das wusste ich nicht. Ich hatte beim Hören aber den Eindruck, dass die Spielweise insgesamt ungewöhnlich heterogen wirkt. Einzelne Passagen aus dem 3. Satz erschienen mir weitaus inspirierter als etwa der ganze 1. Satz. Vielleicht haben solche Passagen also an anderen Tagen und unter anderen Aufnahmebedingungen einfach besser funktioniert.


    Vielleicht sollten wir im Schoonderwoerd-Thread einen Querverweis auf meine Besprechung einfügen. Ich habe leider bis heute nicht begriffen, wie das technisch funktioniert.


    Loge

  • Zitat

    Original von Robert Stuhr


    Da zeigt sich mE der Schwachpunkt Deiner Argumentation. Es gibt keine "objektive" Bewertung, sie ist immer mehr oder weniger subjektiv gefärbt. Gerade Deine in sich geschlossene und auf den ersten Blick überzeugende Auseinandersetzung geht von einigen strikt subjektiven Grundannahmen aus, die man nicht zu teilen braucht mit der Folge, daß DeineKritik in diesem Fall ins Leere läuft.


    Genau, eben mehr oder weniger. Wenn über einem Notenkopf ein Punkt notiert ist und der Spieler führt diese Note legato aus, dann ist das objektiv eben eher weniger richtig. Ist aber vorliegend auch ziemlich belanglos, denn der Großteil meiner Anmerkungen zu Schoonderwoerd bezieht sich auf technische Ausführungsdetails, ohne Rücksicht auf die von mir unterstellten poetischen Ideen. Im übrigen würden allein die kaum zu leugnende "große" Anlage des Konzerts und die ernorme Virtuosität des Solos ausreichen, um vertretbare Ansatzpunkte für meine Kritik an dem klanglichen Ergebnis mancher Passagen bei Schoonderwoerd zu bieten. Die historischen Bezüge und bildlichen Umschreibungen dienen nur als phantasieanregende Assoziationsvorschläge.


    Das Wort "objektiv" in meinem Schlußsatz habe ich übrigens nur eingefügt, um deutlich zu machen, dass ich niemandem sein Recht auf seine subjektive Begeisterung absprechen will. Ich hätte das Wort genausogut auch weglassen können.


    Zitat


    Im übrigen hat Ulli schon zu Deinen anderen Mißverständnissen (Verwendung des Flügels, Experimentalcharakter der Einspielung) ausführlich Stellung genommen. Dem ist nichts hinzuzufügen.


    Da liegen keine Missverständnisse bei mir vor. Zum "Experimentalcharakter" einer Einspielung habe ich in Erwiderung auf Ulli schon Stellung genommen. Sollen wir die Einspielung von vornherein als künstlerische Aussage nicht ernst nehmen? Dass der Flügel historisch ist, ist mir bekannt.


    Loge

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  • Meine Lieben


    Obwohl ich mich in diversen Threads als „Beethoven-Entfremdeten“ outen musste, bedeutet dies nicht, dass mich dessen Werk nicht mehr interessieren würde. Emotionale Distanz bedeutet noch nicht Inkompetenz.


    Deshalb erlaube ich mir dennoch ein paar Gedanken zum 5. Klavierkonzert. Es ist mein Schicksalskonzert.


    Ich argumentiere in meinen Beiträgen immer subjektiv. Das scheint zwar einige wenige Taminos bisweilen zu enervieren. Aber ich kann nicht anders und bin zudem der Meinung, emotionales Engagement bedeute ebenfalls nicht Inkompetenz.


    Wie auch immer: Ich bin im Musikstudium an diesem Konzert gescheitert. Das hat zwar mit dem Konzert an sich nichts zu tun, sondern mit meiner damaligen gesundheitlichen Verfassung. Ich habe mich aber an diesem Werk überarbeitet. Ich musste das Studium aufgeben und einen anderen beruflichen Weg einschlagen.
    Klar, dass ich dem Konzert mit heftiger Ambivalenz gegenüberstehe: Die heroischen Ecksätze finde ich heute schlichtweg unerträglich, der aetherische Mittelsatz ist mir nach wie vor ein Heiligtum.


    Da ich beurteilen kann, welche technischen Probleme zu lösen sind, muss ich Loge (tolle Analyse!!!) recht geben, wenn er bei der manuellen Bewältigung durch Schoonderwoerd einige Fragezeichen setzt.
    Allerdings gehe ich (wie Ulli) davon aus, dass sein historisches Instrument bei weitem schwieriger zu spielen ist als ein geschmeidig intonierter Steinway.


    Grundsätzlich finde ich das Experiment Schoonderwoerd ein legitimer und willkommener „Hinhörer“ und „Ohrenputzer“. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
    Wie Sagitt, bin auch ich der Meinung, dass Michelangelis Wiener Einspielung unerreicht ist.
    Die Einspielung durch Grimaud finde ich leider (auf hohem Niveau) harmlos, ausser im Adagio, welches ihrem zurückhaltend romantisierenden Ansatz entgegenkommt: hier schenkt sie mir Hühnerhaut! Wahrlich ein PilgerInnengesang!


    Mit liebem Gruss aus Bern von


    Walter

  • Hallo zusammen,


    leider oder vielleicht auch nicht, bin ich nicht in Lage technische Fertigkeiten der Musiker einzuschätzen, oder die Musik als solche Note für Note analytisch auseinanderzunehmen. Ich kann allenfalls eine Reihenfolge nach dem Schema: Welche meiner Einspielungen höre ich am liebsten erstellen.


    Das 5. Klavierkonzert ist das Schlüsselkonzert für mich überhaupt. Durch dieses Konzert und durch das Genre Operette (ja ich weiss das passt nicht zusammen) habe ich zur klassischen Musik gefunden.


    Ich habe vier Einspielungen.



    Meine Nr. 1 ist natürlich genau die Einspielung die mich zum intensiven Hören klassischer Musik inspirierte:


    Alfred Brendel - Wiener Symphoniker / Zubin Metha


    Meine Nr. 2 die Forumsbekannte Einspielung


    Artur Schoonderwoerd - Cristofori


    Nr. 3 ebenfalls HIP


    Steven Lubin - The Academy of Ancient Music / Christopher Hogwood


    und meine Nr. 4


    Leon Fleisher - Cleveland Orchester



    Wie schon geschrieben kann ich nicht erklären warum oder weshalb mir diese oder jene Aufnahme am besten gefällt. Ich urteile rein nach dem Gefühl.


    LG


    Maggie

  • Hallo liebe Maggie


    Deine Liste beweist ein gutes Gefühl.
    Schoonderwoerd ist interessant, Lubin und die Academy of Ancient Music (wohl das beste HIP-Orchester) ist spielerisch und frisch, Brendel ist immer eine Referenz und Fleisher ist IMO der „amerikanische Brendel“, ergo: Eine wunderbare Mischung steht in Deinem Regal.


    Die Verwandtschaft zwischen Konzert und Operette ist übrigens gar nicht so abwegig: Das Dialogisieren ist in beiden Genres ein zentraler Topos, und gerade in Beethovens Fünftem gibt es recht viel Theatralisches.


    Ein herzlicher Gruss aus Bern von


    Walter

  • Ich besitze bislang folgende Einspielungen des 5. Klavierkonzerts:


    Zuerst die zwei von mir favorisierten Aufnahmen:


    Furtwängler/Fischer
    Karajan/Weissenberg


    In beiden Einspielungen kann man das Drama hinter den Noten erfahren. Die von mir im Rahmen meiner Schoonderwoerd-Analyse weiter oben beschriebene poetische Idee ist hier hörbar (bei Furtwängler erwartungsgemäß noch mehr als bei Karajan, der die Idee eher aus den Noten heraus entstehen lässt). Leider ist die Aufnahmequalität bei Furtwängler schon recht historisch. Aber man kann hören, dass sowohl Furtwängler als auch Fischer hier mehr ausdrücken wollen, als in den Noten steht. Die Einspielung unter Karajan ist von einem ausgesprochen sinfonischen, bassfundierten, ausdrucksstarken Klang bei großer Transparenz geprägt. Das Klavierspiel Weissenbergs ist phänomenal. Nirgends höre ich den von mir weiter oben beschriebenen Konfrontationshöhepunkt in der Durchführung des Kopfsatzes derart erschütternd. Die punktierten Antworten, die Weissenberg hier dem Orchester entgegen schleudert, sind wahrlich einschüchternd und grimmig. Weissenberg hatte eine unglaubliche Pranke, einen unglaublichen Anschlag!


    Leider besitze ich keine Aufnahme mit Gilels, der für dieses Konzert, das einen Virtuosen mit festem Zugriff erfodert, ebenfalls prädestiniert war, wenn ich etwa an den Klang des Eröffnungsakkords aus seiner Pathétique denke. Kennt jemand eine Einspielung unter Gilels? Welche wäre zu empfehlen?


    ***

    Diese beiden hier würde ich nochmals von der nachfolgenden Schlussgruppe absetzen, weil sie ebenfalls mehr als nur solides Orchester- und Klavierspiel bieten (der Unterschied zum Spitzenduo ist gering):

    Böhm/Pollini
    Leitner/Kempff


    Leider wirken bei beiden Aufnahmen die Orchester für mich eine Spur zu behäbig (bei Leitner noch mehr als bei Böhm).


    ***


    Diese hier bieten für mich solides Orchester- und Klavierspiel:


    Ozawa/Eschenbach
    Stein/Gulda
    Solti/Ashkenazy


    Die Aufnahme unter Ozawa ist vor allem orchestral sehr gut gelungen (wobei auch an dem etwas akademischen Spiel Eschenbachs nichts zu deuteln ist).


    Stein begleitet mit Verve. Enttäuschend ist für mich Gulda, der sein Spiel an manchen Stellen drosselt (eigentlich gar nicht typisch für ihn).


    Bei Solti/Ashkenazy habe ich den Eindruck, das die Aufnahme im Vorbeigehen entstand. Solide Routinearbeit. Lyrische Passagen sind nicht sensibel genug gestaltet. Vieles wirkt gleichermaßen hart und brillant.


    Loge


  • Diese Aufnahme hatte ich schon in den 70er Jahren als LP.


    Zugreifendes Klavierspiel von Dieter Zechlin im ersten und im dritten


    Satz und in der Mitte, wunderbares lyrisches Dialogspiel, mit dem


    hervorragenden Gewandhaus-Orchester unter Kurt Sanderling.



    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Auf Walter Heggendorns Aussage, daß er die MIchelangeli/Guiluni - Aufnahme mit den Wiener Symphonikern am besten findet, habe ich diese Aufnsahmre mir besorgt, da ich die beiden auch von den anderen Konzerten her sehr schätze.


    Und das war ein richtiges Osterei!
    Es ist eine Live-Aufnahme, dennoch wunderbar, in jedere Hinsicht! Mir kam das so oft gehörte Konzert ganz neu vor, viel strahlender, als jede andere Aufnahme, der 2. Satz viel eindringlicher und das Rondo einfach hinreißend.


    Danke, Walter!


    Das heißt nicht, daß ich Schoonderwoerds Leistung damit verringert sehe. ( Loges Analyse hat mir sehr imponiert, dennoch - die sachliche Auseinandersetzung und das Empfinden beim Anhören, sind 2 Paar Schuhe, wie die 2 ganz unterschiedliche Darstellungen von ihm und den beiden tollen Italienern.
    Beethovens Musik gibt das her, es ist nicht nur erstaunlich, sondern wahrscheinlich auch der Grund für die weltweit mögliche Liebe zu seiner Musik.


    Lieben Ostergruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • So, und nun kommt Pletnev in die Sammlung dazu.


    2007 war ich an 2 aufeinanderfolgenden Abenden in den Konzerten, die Pletnev dann auf CD herausgab.
    Der erste Abend mit 1., 2. und 3. Klavierkonzert war sehr intensiv und beeindruckend.
    Der 2. mit dem 4. und 5. konnte die Spannung damals für mich nicht halten.
    Um so besser, daß man das Ganze nun noch einmal hören kann.


    Und nun ist der Eindruck ein ganz anderer.


    In meiner Sammlung ist diese die Aufnahme mit den meisten dynamischen Effekten, wobei ich natürlich nicht weiß, was Beethoven für Spielanweisungen gegeben hat und ob Pletnev sich daran hält.
    Ich kann es nur anhören und den Höreindruck mit den anderen Interpetationen vergleichen .
    Und da fällt auf, daß hier sehr viel mehr differenziert wird mit Tempo, Lautstärke, aber auch immer so, daß es ein Anschwellen und Abschwellen gibt, die Kontraste werden "gemildert.
    Es klingt sehr gut, ist alles andere als langweilig, man wird gefesselt, gut hinzuhörenl
    Der erste, langsame Teil des 2. Satzes - so schön klingt es nirgends sonst!!!


    Der 3. satz - auch hier wieder sehr temperamentvolle Gestaltung nach einem für meinen Geschmack mustergültigen Übergang vom 2. und 3. Satz ohne Überrumpelung und Herausreißen aus dem schönen Klang davor, man wird eher behutsam ins Rondo geleitet.


    So gefällt mir das 5. Klavierkonzert!. ich kann gar nicht sagen, welches nun für mich das Interessanteste ist. Kann mich wieder mal nicht entscheiden.


    Dieses ist jedenfalls so gespielt, wie ich mir denke, daß es bei Beethoven, der ja so viel Wert auf Ausdruck gelegt hat, geklungen haben könnte.



    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Hallo,


    ein silbrigen Klang bietet das hier verwendete Instrument, ein Salvatore Lagrassa aus dem Jahre 1812:



    Ludwig van Beethoven [1770-1827]


    Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73


    Robert Levin, Hammerflügel
    Orchestre Révolutionaire et Romantique
    John Elliot Gardiner


    Die Einspielung als solche ist für meine Begriffe eher gefällig, vor-sich-hinsummend... der Streicherapparat ist schon recht gut bestückt: 12 erste, 10 zweite Geigen, 8 Violen, 6 Celli, 5 Kontrabässe. So richtige "festliche Stimmung" will sich hier aber trotz des ganz wunderbaren Spiels aller Beteiligten nicht einstellen. Irgendwie kommt das Werk hier nicht so richtig aus sich heraus und tröpfelt etwas bescheiden vor sich hin... Wenn ich Kaiser gewesen wäre, ich hätte mal ordentlich auf die Pauke gehauen, um den Haufen wachzurütteln!


    :D


    Aber, was soll's: ich habe mir die CD eh wegen der Chorfantasie zugelegt.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Die Einwände gegen Gardiner kann ich nachvollziehen. So geht es mir bei seinen Beethovensinfonienwiedergaben. Bei Beethovens KK5 (wie bei allen Beethoven KKs) bin ich schwer zufrieden zu stellen:
    Meine Favorites (gefallen mir etwa gleich gut) sind momentan (kann sich aber durchaus ändern)


    1.) 1968 Szell Gilels; Cleveland Orchestra
    2.) Zinman Berlin15.10.05 mit Ax; Berliner Philharmoniker Radio Broadcast
    3.) Chung Seoul 03.01.07 mit Dae-Jin, Seoul Philharmonic Orchestra Tv broadcast

    Bei der Chorfantasie gibt es noch eine Text-Variante von Becher aus DDR-Zeiten.


    :hello:

  • Meine Lieben,


    Alfred Brendel gehört bei diesem Konzert jedenfalls zu meinen Favoriten. Aber ganz reizvoll ist der Gegensatz zu der viel dramatischeren Interpretation von 1949 durch George Szell, dem London Philharmonic Orchestra und Clifford Curzon. Da wirkt Brendel fast wie ein verträumter Romantiker dagegen.


    LG


    Waldi

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