Diese Musik bleibt mir fremd - weshalb?

  • Geschätzte Mitglieder des Forums,


    Im Zusammenhang mit meinem Nachdenken über die Musik von Gustav Mahler und Franz Schmidt in den entprechenden Threads, drängt sich mir eine grundsätzliche Frage auf:


    Gibt es Musikunverträglichkeiten, wie es Medikamentenunverträglichkeiten gibt?
    Und wenn ja, was ist die physiologische Ursache davon?


    Das Beispiel: Was ist das Charakteristische an der Tonsprache eines Gustav Mahlers, welches mir den Zugang zu ihm versperrt, und vice-versa: wie ist das Klanggeschehen eines Franz Schmidt beschaffen, dass ich jeden Ton von ihm geniessen kann? Oder muss ich die Frage umdrehen und fragen: Wie ist der Walter beschaffen, dass...


    Ich ringe seit Jahren um Mahler und besitze einige Aufnahmen und DVD `s ( so etwa alle Abbado/Lucerne-Dokumente, die ja nun wohl nicht von schlechten Eltern sind).
    Aber es bleibt dabei: Ich langweile mich bei Mahler, und das ärgert mich eigentlich.
    Andererseits stelle ich mit grosser Genugtuung fest, dass mich jeder Ton von Franz Schmidt beglückt. Altersmässig und stilistisch sind sie ja nun auch nicht so weit voneinander entfernt.


    Franz Schmidt (* 22. Dezember 1874 in Pressburg; † 11. Februar 1939 in Perchtoldsdorf).
    Gustav Mahler (* 7. Juli 1860 in Kalischt, Böhmen; † 18. Mai 1911 in Wien)

    Ich frage: Gibt es (natürlich auch unabhängig von Schmidt/Mahler) so etwas wie ein lymbisches Resonanzprinzip, welches auf eine gewisse Tonsprache anspricht und auf eine andere eben nicht?


    Gute Wünsche an Alle zu Zeiten der winterlichen Sonnwende von


    Walter

  • Lieber Walter!


    Ich kenne das Problem. Man möchte gerne, sogar unbedingt, gut Freund werden mit einem Komponisten (auch einer Werkgattung, einem bestimmten Instrument, einer Singstimme), jedoch bleibt bislang der Zugang verwehrt.


    Dies kann sich ändern durch beispielsweise ein besonderes Erlebnis, eine Assoziation im Zusammenhang mit einer bestimmten Situation, einem spontanen worttreuen Sinneswandel. Da wird plötzlich ein Schalter umgelegt, und der Bezug ist da.


    Oder natürlich durch kontinuierliche Arbeit, immer neue Anläufe, kognitive Beschäftigung, das Anknüpfen an einen Hoffnung verheißenden Ausgangspunkt.


    Bei der ersten Variante muss man schon ein wenig Glück haben, manchmal bekommt man unverdient etwas geschenkt, wovon dann Geist und Gemüt profitieren.
    Die zweite Möglichkeit ist da etwas steuerbarer, doch ob man per aspera reüssiert, bleibt dahingestellt.


    Letztlich ist doch alles eine Frage der eigenen Disposition.
    Prägungen spielen natürlich eine Rolle, doch was Herz und Seele, wenn das nicht sowieso analoge Begriffe sind, anspricht, ist meines Erachtens nicht gänzlich begründbar. Bei aller Lernfähigkeit und allem Entwicklungspotential, gepaart mit gutem Willen und der Bereitschaft, an sich zu arbeiten, evoziert die Überwindung des inneren Schweinehundes nur begrenzt den Hammelsprung über den eigenen Schatten.


    Mir persönlich geht es so mit Berlioz: Viele Versuche in jeder Richtung haben mir diese eigenwillige Tonsprache noch nicht näher bringen können, weshalb ich beinahe gierig die entsprechenden aktuellen Threads verfolge, um Einblicke und Ausblicke gewinnen zu können.


    Denn ich möchte!


    Ob das Empfinden es irgenwann - endlich - einmal zulassen wird, ist offen wie mein Ohr.


    Meine kleine Anregung für Dich zu einem Mahler-Port: Versuche es doch mal mit nur dem letzten Satz der Dritten. Kerze, Gläschen Wein, nun, oder das für Dich adäquate Wellnessprogramm.


    Hoffnungsvoll,



    audiamus



    .

  • Schöner Thread!


    Zitat

    Meine kleine Anregung für Dich zu einem Mahler-Port: Versuche es doch mal mit nur dem letzten Satz der Dritten. Kerze, Gläschen Wein, nun, oder das für Dich adäquate Wellnessprogramm.


    ...oder den 3. Satz der 4.


    ...oder lies:


    :)



    Ich stand Anfangs Mozartsinfonien sehr skeptisch gegenüber.
    Im Nachhinein merkte ich dann, dass es lediglich ein Menuett-Mozart
    -Problem ist.


    Auch ich versuchte mich so gut es ging auf seine Sinfonien
    einzulassen. Jedoch passierte nichts. So sehr ich auch alle Vorurteile die ich ihm bisher entgegenbrachte ausschaltete. Bis dato habe ich noch immer jene Menuett-aversie, aber ich bin schon etwas weiter in dem Hören seines sinfonischen Schaffens gelangt, und empfinde manchen Satz der bsp. 40. mittlerweile als recht entspannend. Sinfonik, allerdings, ist für mich eher Mahler als Mozart :-)


    Vielleicht muss ich auch erst noch älter werden. (Abgesehen von seinen von mir sehr verehrten Opern ist Mozarts Schaffen für mich also ebenfalls noch auf dem Stand, auf dem Mahler für Dich steht. Leider...vielleicht) :pfeif:


    :hello:

  • Nun, ich habe mit Mahler dasselbe Problem, irgendwie langweilt er mich. Es wäre ja nicht so schlimm, jemanden nicht zu mögen, wenn er nicht so wichtig wäre - dann hat man immer das ungute Gefühl, dass man ihn einfach noch nicht verstanden hat.


    P.S.: Dieses Problem trifft nicht zu auf: Sinfonien Nr. 4 + 5 8o

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Lieber Walter,


    das ist in der Tat eine wundervolle Threadidee.


    Mir geht es so mit einem Großteil der Musik Wagners, aber auch bei Mahler habe ich oft Probleme mit dem Missverhältnis zwischen Aufwand und Umfang und dem Maß meiner emotionalen Reaktion. Zu Franz Schmidt kann ich noch nicht genug sagen, da er für mich noch weitgehend Neuland ist, weil ich vor einiger Zeit beim ersten Hineinhören keinen Zugang fand, was aber auch an der damaligen Oberflächkichkeit meiner Neugier gelegen haben kann. Ich werde das demnächst sicher noch einmal mit mehr Aufmerksamkeit und Ruhe versuchen.


    In meinem Fall hat das auch nicht unbedingt mit einer Aversion gegen große Besetzungen oder Überlängen zu tun, denn bei Berlioz oder Richard Strauss stören die mch überhaupt nicht (Einschub @ audiamus: ich hoffe, noch heute meinen Thread über L'ENFANCE DU CHRIST weiter führen zu können und lege Dir gerade dieses Werk ganz besonders ans Herz). Allgemein habe ich allerdings etwas gegen Musik, die ich vor allem als laut empfinde, und zwar nicht nur vom Klang, sondern vom Gestus her. Deswegen habe ich auch besondere Schwierigkeiten mit Schostakowitsch und überhaupt vielen Russen. :untertauch:


    Bitte versucht nicht, mich zu bekehren. Dazu tragen die diversen Threads hier schon viel bei. Vielleicht fehlt es oft wirklich am richtigen Einstiegswerk zur rechten Zeit, und das ist wahrscheinlich viel eher eine Live-Aufführung als eine Konserve, der man sich leicht entziehen kann.


    Mag sein, dass irgendwann die Wissenschaft eine chemische Ursache für dieses variable Problem findet. Ich glaube einfach, dass es oft eine Frage der Seelenverwandtschaft mit dem jeweiligen Komponisten ist. Bei dem, was Du hier schon so reichhaltig über Deine seelische Disposition hast durchblicken lassen, könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, dass die tendenziell religiös-verzweifelnde Weltsicht Mahlers Dir entweder schon im Ansatz oder in einer verstörenden Wirkung zuwider läuft, was sicher legitim wäre. Langeweile bedeutet ja nicht immer schlichtes Desinteresse, sondern kann auch eine Übersprungreaktion sein, wenn man nicht zulassen will, dass einem etwas nicht gefällt, was die meisten großartig finden. Vielleicht ist es wirklich ein Ansatz, mal die seelisch-biographischen Dispositionen der Komponisten näher anzusehen, auf die Du spontan ansprichst - oder spontan radikal ablehnst.


    Aber ich will hier nicht den Amateurpsychologen heraus kehren, denn schon bei meinem eigenen Beispiel gibt es da, mindestens oberflächlich, auffällige Widersprüche.


    Ich bin jedenfalls gespannt, was hier an grundsätzlichen Überlegungen jenseits bloßer praktischer Ratschläge, die sicher auch nützlich sein können, an denkbaren Möglichkeiten zutage gefördert wird.


    :hello: Rideamus

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  • Auch wenn es vielleicht eher in einen Spezialthread gehört (und dort auch sicher schon gesagt wurde): Eine offensichtliche Einstiegsmöglichkeit für diejenigen, die Mahler als zu lang, zu laut oder was immer empfinden, sind natürlich die Lieder. Am eingängigsten (und mit vielen Bezügen zu den Sinfonien) sind wohl die Lieder eines fahrenden Gesellen und die Wunderhornlieder. Zwar könnte man hier nun auch wieder kommen und orchesterbegleitete Lieder von 3-6 min als overkill empfinden, aber das betrifft nun die Gattung, nicht den Komponisten.
    Mit diesem Hintergrund hört man (was m.E aber bei Mahler ohnehin viel deutlicher ist als bei z.B. Strauss oder Wagner) leichter, dass die große Orchesterbesetzung sehr selten das Ziel "laut" (um seiner selbst willen) hat, sondern ein weites, hochdifferenziertes Klangspektrum. Vor allem aber lernt man in den Liedern diese eigenartige Mischung aus Ironie, Ernst, Melancholie und scheinbarer Naivität kennen, die weite Teile der Musik von Mahler kennzeichnet.
    Oder man hört gleich die 9. Sinfonie, bei der m.E. keine Bombastgefahr besteht und die zufällig auch die beste Sinfonie des 20. Jhds. ist...;)


    Audiamus' Ausführungen zu diesem Problem im Allgemeinen ist wenig hinzuzufügen. Eine grobe Faustregel ist, je mehr und v.a. je unterschiedlichere Musik man schon kennt und schätzt, desto einfacher fällt der Zugang zu unbekannter oder ungeliebter Musik (deshalb befinden sich vermutlich viele unserer "Epochenhörer" in selbstverstärkenden Schleifen).
    Offenheit ist nicht einfach zu bewahren. Anhand vieler Beschreibungen der ungeliebten Musik kann man oft gar nicht entscheiden, ob jemand das wirklich so hört und sich nur zur Beschreibung seiner Eindrücke der Klischees bedient oder ob er vielleicht von Anfang an mit Vorurteilen im Hinterkopf an die Musik herangegangen ist. Und das muß natürlich kein bewußter Vorgang sein. (Naheliegenderweise ist Wagner ein vorurteilsträchtigerer Komponist als Haydn oder Prokofieff.)


    Die Rolle der Interpretation, in der man ein Werk kennenlernt, ist bei mir persönlich eher gering, aber mir sind gegenteilige Erfahrungsberichte bekannt. Sehr groß kann diese Rolle natürlich bei HIP bzw. Nicht-HIP für Musik vor 1800 sein. (Mir sind auch glaubwürdige Berichte bekannt, dass Leute nach Anschaffung einer neuen Stereo-Anlage ihren Musikgeschmack außerordentlich erweitert haben, obwohl ich selbst das überhaupt nicht nachvollziehen kann.)


    Schließlich gibt es natürlich ein breiteres Spektrum als Mögen und Nichtmögen. Man kann gelangweilt, interessiert, aber nicht begeistert, indifferent, abgestoßen usw. sein


    Und auch der offenste Hörer wird immer Musik finden, mit der er sehr wenig anfangen kann oder die er zwar respektiert und interessant findet, die ihm aber nicht wirklich nahe geht. Ich glaube z.B. nicht, das mir Debussys oder Ravels Musik jemals so viel bedeuten wird wie Beethovens oder Mahlers. Aber es ist kein Nichtmögen und auch keine Indifferenz, ich mag etliche ihrer Werke sogar sehr.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich glaube, es kommt darauf an, ob der Komponist im Zuhörer sozusagen eine Saite zum Mitschwingen bringt - und das kann sich von einem Tag auf den anderen ändern. Einige der Komponisten, die mir früher nahezu verhaßt waren, sind heute meine Lieblinge (ja, auch Mahler gehört dazu - nämlich zu den früher gehaßten und jetzt geliebten, auch Bruckner, auch Wagner, auch Schostakowitsch, auch Orff; wobei es bei mir oft ein Auf und Ab gab, ehe sie sich den Fixplatz erobern konnten). Wichtig ist meiner Meinung nach, den weniger geliebten Komponisten gegenüber weiter offen zu bleiben und ihnen von Zeit zu Zeit eine neue Chance zu geben.
    Vorsatz für 2008: Nochmals Brahms hören... :D
    :hello:

    ...

  • Ein Nachklappgedanke:


    im Grunde ist das ja mit Büchern und jeder anderen Kunstform nicht anders. Manches habe ich früher verschlungen und fand ich toll, was mir zunehmend fremder wird (das meiste von Brecht zum Beispiel, aber nicht seine Gedichte). Anderes will sich mir auch heute nicht erschließen oder ich habe erst gar keine Lust darauf. Das gilt auffäkkig häufig für barocke Prosa a la Grass etc.


    Lichtenberg hat schon Recht: wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, muss es nicht das Buch sein. Es muss aber auch nicht unbedingt der Kopf sein, sondern könnte auch für den Zusammenklang der beiden gelten.


    Auf Musik ist das fraglos übertragbar. Zum Glück auch veränderbar, nur erzwingen bringt wohl am wenigsten außer einer vagen Erfahrung von Unwillen.


    @ JR
    Natürlich bin ich auch nicht ganz so kurzhörig, dass ich große Besetzungen automatisch mit Lautstärke oder gar Lärm gleichsetze. Deswegen habe ich ausdrücklich auf den Gestus abgehoben, nicht die Phonzahl. Nicht alles, was laut ist, ist auch Lärm. Ebensowenig ist nicht alles, was leise ist, auch Musik. Höchstens leichter "erträglich" im Sinne von ausweichbar. Ich finde halt den Gestus der Mehrheit der mir bekannten russischen Musik auftrumpfend - warum auch immer, und im Einzelfall sicher zu Unrecht. Das behagt mir nun einmal weniger, wie allgemein jedes "Sich-in-den-Vordergrund-Drängen".


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Wichtig ist meiner Meinung nach, den weniger geliebten Komponisten gegenüber weiter offen zu bleiben und ihnen von Zeit zu Zeit eine neue Chance zu geben.
    Vorsatz für 2008: Nochmals Brahms hören... :D


    Lieber Edwin,


    Dann bitte auch ein bißchen "Rosenkavalier" und ein ganz klein wenig Puccini. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß sie doch eines Tages in Dein verhärtetes Herz eindringen. :) Ich werde dafür auch wieder versuchen, Webern oder Schönberg besser zu verstehen, die mir bisher nur selten etwas gaben. Oder mich mehr für die Russen interessieren!


    LG


    Waldi

  • Ein sehr interessanrtes Thema, das Walter da angestossen hat und in jedem Posting dazu stecken schon einige Gedanken, die ich voll unterschreiben kann.
    Bei mir sind die Resistenzen gegen bestimmte Komponisten und Gattungen sicher nciht eindimensional zu erklären, denn sie erleben -siehe Edwin- immer wieder Wandlungen.
    Grundsätzlich kann ich eigentlich bisher nur sagen, dass mir ähnlich wie Rideamus-alles was zu "laut" und zu demagogisch oder bombastisch daher kommt, suspekt ist und Alles, was zu lange dauert, mag ich auch nicht, es sei denn als Hintergrundmusik.
    Ich ziehe als grundsätzlcih die kleinere, intimere und transparentere Variante vor. Kammermusik lieber als Symphonie, Lied lieber als komplette Opern(zumindest, wenn nur vopn Cd und ohne Bûhne)
    Bei Oper spielt natürlich neben dem Werk selbst die Aufführung und Inszeneirung bzw Besetzung eine ganz entscheidende Rollen und überhaupt spielt die Art der Auffûhrung einer Musik für mich eine deutlcih grössere Rolle als z.B. für J.R. udn kann mir das ganze Werk verleiden. Neulich habe ich eine deutsche Version des Giulio Cesare aus den 50 igern angehört und war degoutiert-igitt! da nutzt es auch nciht mehr, dass das eine meiner liebsten Opern ist. :no:
    Genauso würde mir vielleciht eine superinteressante Inszenierung eines Ring in entgermanisierter "Light Version" vielleciht sehr gefallen. ?(


    Was die Seelenverwandtschaft zu den Komponisten angeht, weiss ich nciht, ob das ein Argument sein kann. Ich liebe z.B. Bach und Mozart, ich liebe Bellini, Händel, Dowland, Marais, Schumann, Schubert, Duparc, Hahn, Fauré, Berg und so viele Andere mehr: was haben die gemeinsam?????
    Gute Musik-sonst fällt mir spontan wenig ein.


    Dass eine emotionale Seite angerührt werden muss, ist ganz entscheidend. Wenn es in der richtigen Weise geschieht und im richtigen Moment geschieht, kann auch Musik, die ich sonst fremd empfinde, mir ganz nah und vertraut werden. Meistens wird mir solche Musik von Menschen nahegebracht, denen sie wichtig ist und daher bin ich trotz allen Eigensinns ein recht gutes Missionsobjekt, scheint mir.


    Wenn jemand eines Tag mal das passende pädagogischen Talent aufbringt, mich mit Wagner und R.Strauss zu versöhnen, mache ich eine Falsche Veuve Clicquot auf-aber der Fall ist vertrackt, weil da auch ideologische Dinge eine Rolle spielen und hier wirklich verschiedenste Abneigungen zusammentreffen.
    Laut, demagogsich, viel zu lang und bombastisch-dazu durch die Personen der Komponisten bei mir ideologisch überfrachtet-also einfach zuviel von Allem.


    Mit Mahler dagegen habe ich viel weniger Probleme, obschon die Symphonien ebenfalls sehr lang und stark besetzt sind. Mir gefällt darinnen einfach die ironische Brechung und die viel unprätensiösere weil gebrochenere Sicht der Welt.
    Lieber Walter, hast Du mal den Zugang über die Lieder versucht? Bei mir ist das ein guter Weg und gerade bei Mahler ja bestens gangbar.



    Immerhin habe ich mich z.B. nun dank Peter bereits ein klein wenig auch mit Bruckner anfreunden können(Trick siebzehn: man sagt dem Anderen nicht, was er da hört, fragt, wie's gefällt und wenn dann kommt : oh, das ist aber schön! : Ätsch, das ist nun aber Bruckner, Wagner, Strauss..... :baeh01: natürlich nimmt man nur die absoluten Highlight-Schokoladenstellen :pfeif: )
    Ich denke, dass jeder offene und berührbare Mensch hier bei Tamino früher oder später alte Muster und Vorurteile ablegen muss, wenn er ernsthaft an den Diskussionen teilnimmt.



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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Eine grobe Faustregel ist, je mehr und v.a. je unterschiedlichere Musik man schon kennt und schätzt, desto einfacher fällt der Zugang zu unbekannter oder ungeliebter Musik (deshalb befinden sich vermutlich viele unserer "Epochenhörer" in selbstverstärkenden Schleifen).


    Na danke. :D
    Wie wärs mit andersrum?
    Nachdem man sich die Musikgeschichte rauf und runtergehört hat, bleibt man da, wo man sich am ehesten heimisch fühlt und wo, frei nach Edwin, die eigenen Saiten am ehesten mitschwingen.


    Zitat

    (Naheliegenderweise ist Wagner ein vorurteilsträchtigerer Komponist als Haydn oder Prokofieff.)


    Auch ein eher urteilsträchtiger ist Wagner.
    Außerdem geht nichts über ein gesundes und robustes Vorurteil. :D

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Natürlich bin ich auch nicht ganz so kurzhörig, dass ich große Besetzungen automatisch mit Lautstärke oder gar Lärm gleichsetze. Deswegen habe ich ausdrücklich auf den Gestus abgehoben, nicht die Phonzahl. Nicht alles, was laut ist, ist auch Lärm. Ebensowenig ist nicht alles, was leise ist, auch Musik. Höchstens leichter "erträglich" im Sinne von ausweichbar. Ich finde halt den Gestus der Mehrheit der mir bekannten russischen Musik auftrumpfend - warum auch immer, und im Einzelfall sicher zu Unrecht. Das behagt mir nun einmal weniger, wie allgemein jedes "Sich-in-den-Vordergrund-Drängen".


    Für meine Ohren ist allerdings der "Gestus" von Mahler doch deutlich anders als der von Tschaikowsky oder Rachmaninoff ("auftrumpfend" z.B. eher selten). Und bei anderen "lauten, selbstbewußten" wie Beethoven, Wagner, Strauss wieder anders.
    Hier muß ich allerdings meine Einschränkung revidieren, denn das kommt natürlich auch oft von einseitigen Interpretationen. Tschaikowsky z.B. mag ich inzwischen eher wenig (das Violinkonzert ist einiges der wenigen Stücke, die so etwas wie physisches Unwohlsein bei mir auslösen können). Aber mir gefallen inzwischen die Ballettmusiken z.B. eher besser als die Sinfonien (an denen mich vermutlich ähnliches stört wie Dich).



    Kann ja gut sein, dass es bei Dir andersrum ist. Das war ja auch kein Vorwurf, soll jeder machen, wie er glücklich ist. Bei anderen Forianern (teils etwas jüngeren Alters) habe ich allerdings genau diesen Eindruck. Außerdem bemerke ich diesen Gewöhnungseffekt ja bei mir selbst.
    (Solche Selbstverstärkungseffekte sind m.E. auch eine wesentliche Ursache für die relative Unbeliebtheit von Klassik allgemein. Man müßte das wirklich mal wahrnehmungs- und hirnphysiologisch untersuchen.)


    Außerdem gibt es, auch wenn man sich das vielleicht nicht eingesteht, natürlich noch den Drang sich ein wenig abzuheben. Mozart, Tschaikowsky, Wagner, puh wie ordinär! Der Hörer von Distinktion bevorzugt demgegenüber selbstverständlich Frobergers Cembalo-Suiten, Beethovens späte Quartette oder Melodies von Fauré ;)


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Danke Euch allen für die freunlichen Reaktionen auf ein schwieriges Thema:


    @ Audiamus:
    Wie soll ich den Schalter umlegen, wenn ich keinen solchen habe/oder ihn nicht finde, weil es dunkel ist....
    „Schalter“ bedeutet doch: die Art und Weise der Musikrezeption in meinem lymbischen System.
    Kann ich diese beeinflussen, zum Beispiel durch Emotionen?


    Ein Beispiel. Mein Sohn hat mit dem Schweizerischen Jugendsinfonieorchester unter Kai Bumann mehrmals Mahlers Dritte aufgeführt (eine emotionale Schaltersuche!): Ich habe mich mehrmals ohne emotionales Erregtssein durch die Klangmassen gequält, obwohl doch mein Spross die Aufführung „veredelte“ (er würde mir ein solches Statement heftigstens übel nehmen...)


    Auch der letzte Satz der Dritten hat sich mir nur rudimentär erschlossen, und: diese Musik NAEHRT mich nicht.
    Natürlich ist das GUTE Musik, das spüre ich schon, und das weiss ich auch, habe ich in meinem pleistozänschen Musikstudium doch Mahlersinfonien analysiert, (wenn auch mit grossem Widerwillen)


    Wie das ehrliche Ringen um Mahler mit einem Hammelsprung über den Schatten des Nicht-Angezupft-Werdens der inneren Saite überwunden werden kann, ist mir leider schleierhaft.
    (O.K: Der innere Schweinehund will das bekannte Gebell hören...)


    jaaan:
    Das mit dem „Menuettle-Mozärtle“ kann ich nachvollziehen. (Bei mir ist es der „Erste-Klavierstunden-Mozarrrrrrt“).
    Du meinst also, eine gewisse Attitude, wie eben die „Menu(n)ettigkeit“ würde nicht mit Deinem Wesen im Einklang gebracht werden können: So ist es wohl! Versuch es bitte mit den Klavierkonzerten! Das ist grööössster Mozart!


    @ Rappi:
    Danke für das Mitleiden:
    Wer sagt denn, dass Mahler so wichtig sein muss für Dich (und für mich)?
    Wichtig ist eine kulturelle Tat nie für alle, nur für einige. Aber ich verstehe Dich: du möchtest, wie ich, Dir den Mahler nicht durch die Latten gehen lasen. Wäre doch schade! Sehe ich eben auch so.


    @ Rideamus:
    Du erträgst das „Laute“ nicht. Ich kann nachfühlen. (Bitte höre Schmidt: der ist imo nie laut um des Lauten Willen!)
    Aber weshalb erträgst Du das Laute nicht? Weil Dein Wesen nicht in Resonanz geht mit dieser Qualität (hier: Quantität). Dein inneres Hör-Wesen ist eben ein „Quietamus“, kein „Pompamus“, sehe ich das richtig?
    Ich persönlich habe beide „Wichtel“ in mir, je nach Wetterlage kommte der eine oder der andere zum Tragen... Vielleicht sollte ich einen neuen inneren „Lothar“ abwarten, um mich in die mahlerschen Stürme zu werfen...
    Das mit der Seelenverwandtschaft habe ich mir natürlich auch schon überlegt: A propos Weltschmerz kann ich es mit dem Mahlerschen lockerstens aufnehmen!!! Würde bedeuten, dass ich mir diese Tonsprache deshalb vom Leib halte, weil sie mir zu NAHE kommt? Interessanter Ansatz! Die Vorstellung also, dass meine innere Saite (Edwin) in einem solchen Uebermass angeschlagen wird, dass sie eben nicht mehr klingt, sondern nur noch kreischt. Ich sehe das eigentlich auch in dieser Richtung.


    @ Johannes Roehl


    Du hast recht: Die Lieder eines fahrenden Gesellen und die Kindertotenlieder kann ich durchaus „ertragen“ (Man vergebe mir das Vokabular!)
    Dennoch sprechen mich die 4 letzten Lieder von Strauss bedeutend mehr an, obwohl auch Strauss zu den Schwierigen gehört.
    Und wenn wir schon bei den Namen sind:
    Einen Schostakowitsch ertrage ich fast nicht, einen Miaskowskij bete ich an...
    Von Prokofieff mag ich allenfalls sein 3.Klavierkonzert und seinen Romeo + Julia, den Rest aber.....(hier wäre das Kotz-Smiley fast am richtigen Platz), hinwiederum kann ich mich kaum erholen ob den Qualitäten von Glière...
    Ist jemand berufen mein Psychogramm zu erstellen...?


    Zur 9.Sinfonie Mahlers muss ich beichten, dass ich sie überhaupt nicht kenne.... (shame on me). Danke für den Hinweis.


    Deinen Begriff der „Selbstverstärkenden Schleifen“ finde ich hilfreich. Hier stellt sich grundsätzlich die Frage nach der Beschaffenheit unserer Wahrnehmung per se: Manchmal frage ich mich, ob wir überhaupt in der Lage sind, etwas wahrzunehmen, was NICHT unseren inneren Mustern entspricht.
    Kann es sein, dass wir selektiv diejenigen „Pattterns“ hätscheln, die unserem inneren Gestimmtsein entsprechen? Wir hörten dann also immer UNSERE Musik! Johanne Roehlian Bach, Walter Amadeus Mozdorn....


    Edwin Baumgartner:
    Ich finde auch, dass die Metapher der inneren Saite, die in Resonanz gebracht werden muss, hilfreich ist. Das bedeutet aber dann auch: ich höre eigentlich nur diejenige Musik richtig, die meinem eigenen Gestricktsein entspricht. Und da wären wir wieder bei der Konklusion: Wir „hören“ eigentlich immer uns selbst.


    @ Fairy Queen:
    "Resistenz" heisst doch: nicht vorhandene innere Bereitschaft: Wie heisst das doch im Medizinerlatein: "Latenz" oder so was, "Vulnerabilität", ach ich finde das Wort grad nicht.
    Einfach ein fruchtbarer Boden. Dieser ist aber nicht für alle Pflanzen gleichermasen fruchtbar. Jedoch: Es gibt Düngemittel! Wie etwa "Torfus tamini"...
    Höre Dir von Richard Strauss die "Vier letzten Lieder" an und wir werden zusammen den Veuve aushöhlen...


    Ich freue mich auf weitere spannende Anregungen.


    Grüessli aus Bern von


    Walter

  • Ich gestehe ganz offen, daß mir nicht einleuchten will, warum man sich die Liebe für etwas erarbeiten will, wenn man eine Abneigung dagegen verspürt. Aus meiner Sicht ist es im günstigsten Fall möglich, die Abneigung zu minimieren - Begeisterung wird wohl nie draus werden.


    Dennoch ist es möglich, daß - quasi aus heiterem Himmel - gewisse Werke die man bisher mit leichtem Widerwillen betrachtetet- an Bedeutung für einen selbst gewinnen.


    Sehr oft ist es nogtwendig das betreffende Werk LIVE im Konzert zu hören, weil es von Instumentaleffekten und Klangfarben abhängig ist - und kaum eine Anlage in der Lage ist das ädiquat wiederzugeben.


    Andere Werke sind sehr Interpretqationsabhängig und "gefallen " nur unter gewissen Bedingungen.


    In diesen Fällen ist es möglich ein AHA-Erlebnis zu haben, welches in manchen Fällen sogar von Dauer sein kann.


    Und wenn nicht: Auch kein Problem: Es gibt genug Musik die ich noch hören wollte.
    Man muß nicht alles lieben.


    "Jedermanns Freund ist niemandes Freund", sagt ein altes Spreichwort


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Walter,
    möchtest Du unbedingt ein Problem damit haben, dass Dir manche Musik nicht gefällt? Wie wäre es einfach, es einfach hinzunehmen und das zu hören, was Dir zusagt, als unbedingt den Zugang zu etwas zu finden, was Du nicht reinlässt :D Da bleibt doch so viel übrig...


    :hello:

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  • Zitat

    Original von Blackadder
    Wie wäre es einfach, es einfach hinzunehmen und das zu hören, was Dir zusagt, als unbedingt den Zugang zu etwas zu finden, was Du nicht reinlässt :D Da bleibt doch so viel übrig...


    Eben :D

  • Oh wie recht Ihr doch eigentlich habt, hoch verehrte Alfred und Blackadder!


    Es geht mir ja eigentlich nicht um meine Mahler-Krämpfe (wie ich schon im Eingangs-Statement betont habe), sondern um die grundsätzliche Frage, welche Prozesse ablaufen beim Generieren der "inneren Saite" einerseits und beim "Anschlagen" derselbigen andererseits.


    Danke, dass Ihr mich genötigt habt, die Frage und damt den thread, wieder auf den Punkt zu bringen.


    Euch wünsche ich überstehliche Festtage (was ich auch mir wünsche, und vielleicht dank Tamino soger realistisch ist...)
    Walter

  • Also Ihr Lieben


    Ich will nochmals präzisieren: der thread heisst ja nicht "wie muss ich mich anstellen, damit eine bestimmte Musik mich "erhört", mich freit und umgarnt, damit ich sie endlich lieben kann",
    sondern: Welche Prozesse ereignen sich beim Hörvorgang, wenn ich von einer Musik angesprochen werde, und sind diese Prozesse verschieden davon, wenn ich mit einem musikalischen Idiom nicht warm werde (wenn mir diese Musik eben "fremd bleibt"). Das Ringen um Mahler werde ich zwar beibehalten, es ist aber nur ein Aufhänger für eine grundsätzliche Frage zur Musikrezeption.


    Gute Güsse aus Bern
    Walter

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  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    @ Johannes Roehl
    Du hast recht: Die Lieder eines fahrenden Gesellen und die Kindertotenlieder kann ich durchaus „ertragen“ (Man vergebe mir das Vokabular!)
    Dennoch sprechen mich die 4 letzten Lieder von Strauss bedeutend mehr an, obwohl auch Strauss zu den Schwierigen gehört.


    Das kann ich z.B. nun nicht nachvollziehen. Die 4LL sind zwar sehr schöne Stücke, aber haarscharf an oder jenseits der Kitschgrenze. Die Kindertotenlieder sind dagegen von einer derartigen Intensität, dass viele sie deshalb nur selten hören. (Man hat hier das alte scheinbare Paradox, dass wir aus der Darstellung des Tieftragischen ästhetischen Genuß ziehen)


    Zitat


    Deinen Begriff der „Selbstverstärkenden Schleifen“ finde ich hilfreich. Hier stellt sich grundsätzlich die Frage nach der Beschaffenheit unserer Wahrnehmung per se: Manchmal frage ich mich, ob wir überhaupt in der Lage sind, etwas wahrzunehmen, was NICHT unseren inneren Mustern entspricht.
    Kann es sein, dass wir selektiv diejenigen „Pattterns“ hätscheln, die unserem inneren Gestimmtsein entsprechen? Wir hörten dann also immer UNSERE Musik! Johanne Roehlian Bach, Walter Amadeus Mozdorn....


    Edwin Baumgartner:
    Ich finde auch, dass die Metapher der inneren Saite, die in Resonanz gebracht werden muss, hilfreich ist. Das bedeutet aber dann auch: ich höre eigentlich nur diejenige Musik richtig, die meinem eigenen Gestricktsein entspricht. Und da wären wir wieder bei der Konklusion: Wir „hören“ eigentlich immer uns selbst.


    Ich möchte hier ungern grundsätzliche Fragen unserer Wahrnehmung klären müssen. ;) Aber eines möchte ich doch zu bedenken geben. Was Du schreibst, klingt so, als seien "innere Muster" schicksalhaft vorgegeben, als hätten wir keinen Einfluß darauf, wer wir letztlich sind. Das ist eine bizarre Vorstellung, als seien wir gefesselte Kinozuschauer, die nur das sehen und empfinden, was "das innere Gestimmtsein" zuläßt. (Wer ist das innere Gestimmtsein bzw. der Geschmackszensor, wenn nicht wir selbst?)


    Der Hinweis der Selbstkonditionierung soll eher zeigen, dass jeder von uns sein inneres Gestimmtsein jedenfalls teilweise in der Hand hat. Je nachdem, welche Reize er wie aufnimmt, wie er sich auf sie einläßt oder eben nicht, wird ja der Charakter des ästhetischen Subjekts geprägt.


    Geschmack fällt nicht vom Himmel. Den wenigsten Kindern schmecken Bier, Wein, Blauschimmelkäse. Einiges davon genießt man zunächst vielleicht nur, weil man zu den Erwachsenen gehören will, nicht weil es wirklich schmeckt. Wenn wir unseren Geschmack beim Essen und Trinken nie weiterentwickelt hätten, wären wir höchstens bis zum Milchbrei gekommen...


    Ähnlich sehe ich überhaupt nichts Falsches dabei, Musik zu hören, der man erstmal indifferent oder sogar ablehnend gegenübersteht, weil man einfach glaubt, dass viele andere Hörer und Musiker sie aus gutem Grund für hörenswert halten (so wie die Erwachsenen herben Wein und stinkenden Käse für lecker halten).
    Gewiß ist unser Geschmack nicht beliebig flexibel oder formbar. Aber was einem schmecken wird, wird man nicht herausfinden, wenn man es nicht ausprobiert. (Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es beim Hören keine solche tiefsitzenden Ekelreaktionen geben kann wie beim Essen).


    Natürlich soll letztlich jeder hören, "was er mag." Aber "was er mag" liegt weder von vornherein noch irgendwann abschließend fest.


    Es mag eine bizarre Vorstellung sein und ich weiß nicht, ob sie hier weiterhilft. Aber ich sehe eine Analogie von Kunstwerken und Personen. Eine der wesentlichen Erkenntnisse im Umgang mit Menschen (u.a. eine Form des kateg. Imperativs) ist, dass wir einsehen müssen, dass Personen nicht für unseren Genuß da sind. Moralische Beziehungen, erst recht tiefere zwischenmenschliche, können nur entstehen, wenn wir andere als etwas für sich selbst wertvolles anerkennen. Damit ergibt sich auch, dass wir offen für sie sind und unsererseits Offenheit von ihnen erwarten, nicht nur instrumentelle Verhältnisse.


    So ähnlich bin ich der Ansicht, dass es eine kontraproduktive (wenngleich verbreitete) Einstellung ist, in Kunstwerken als erstes etwas zu sehen, dass dem eigenen Genuß dienen soll. (Anders als Personen als Mittel zu behandelt ist das allerdings nicht unmoralisch.) Wie eine Person ist ein Kunstwerk etwas, was ich nicht selbst gemacht habe und worüber ich nicht als Mittel zum Lustgewinn verfügen sollte. Es hat, im Jargon ausgedrückt, Selbstzweckcharakter. Dessen Anerkennung sollte zu der Offenheit führen, die wiederum möglich macht, dass ich im Kunstwerk nicht nur das finde, was ich hineinlege oder ein Mittel zum Lustgewinn, sondern dass so etwas wie Kommunikation stattfinden kann. Dass ich in der Rezeption des Kunstwerks zu Erlebnissen und Erfahrungen komme, die ich nur so machen kann.
    (Als Theologe sind Dir solche Überlegungen vielleicht nicht völlig fremd.)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    Welche Prozesse ereignen sich beim Hörvorgang, wenn ich von einer Musik angesprochen werde, und sind diese Prozesse verschieden davon, wenn ich mit einem musikalischen Idiom nicht warm werde


    Ha, schau mal im Religionsthread.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    @ Rideamus:
    Du erträgst das „Laute“ nicht. Ich kann nachfühlen. (Bitte höre Schmidt: der ist imo nie laut um des Lauten Willen!)
    Aber weshalb erträgst Du das Laute nicht? Weil Dein Wesen nicht in Resonanz geht mit dieser Qualität (hier: Quantität). Dein inneres Hör-Wesen ist eben ein „Quietamus“, kein „Pompamus“, sehe ich das richtig?
    ... Würde bedeuten, dass ich mir diese Tonsprache deshalb vom Leib halte, weil sie mir zu NAHE kommt? Interessanter Ansatz! Die Vorstellung also, dass meine innere Saite (Edwin) in einem solchen Uebermass angeschlagen wird, dass sie eben nicht mehr klingt, sondern nur noch kreischt. Ich sehe das eigentlich auch in dieser Richtung.


    Dann haben wir doch einiges gemeinsam. Zum Glück ist es nicht so, dass ich das Laute grundsätzlich nicht ertragen kann (obwohl Du da sicher nicht ganz Unrecht hast, was meine vermutliche Natur betrifft). Ich tue mich nur erheblich leichter, wenn ich dem Anlass die gleiche Bedeutung zumessen kann wie der Wirkung, die ihm gerecht werden will. Beim "Rex tremendae" in Berlioz' großer Totenmesse (oder dem Äquivalent bei Verdi) habe ich keinerlei Probleme damit, obwohl mir auch da das "Sanctus" natur - gemäß lieber ist. Bei Prokoffievs FEURIGEM ENGEL zieht dagegen allenfalls das Gehirn mit, aber dieses Feuer lässt mich sowas von kalt... Es ließ es sogar schon anno dunnemals in einer ziemlich guten Frankfurter Aufführung mit Anja Silja.


    Nicht dagegen der Freudensturm nach dem "ICH WILL NICHT!" der FRAU OHNE SCHATTEN. Deshalb sind in der Tat auch mir die "Vier Letzten Lieder" von Strauss, Kitschverdacht (den ich ablehne) hin oder her, noch wesentlich lieber als etwas DAS LIED VON DER ERDE - obwohl es für mich das Größte und Liebste ist, was Mahler geschaffen hat. In dem Zusammenhang gebe ich gerne zu, dass ich die KINDERTOTENLIEDER, die ich bewundere, vielleicht deshalb von mir weg halte, weil meine Reaktion derjenigen der sonst von mir wenig geschätzten Alma Mahler gleicht: "Wie kann man so etwas nur komponieren (wollen)"! Aus dem gleichen Grund fällt mir auch nur der hier ein :kotz: ein, wenn ich mitbekomme, wie Goreckis Dritte Symphonie als Stimmungsstück von Hitparadenqualität "genossen" wird, ohne dass man sich dessen Anlass vergegenwärtigt. Mag sein, dass es seinen guten Grund hat, warum das überhaupt möglich ist. Trotzdem tut man dem Stück und schon gar dem Komponisten und seinem Thema großes Unrecht an damit.


    Natürlich gibt es da begründete Abwehrreaktionen, die alles andere als Betroffenheitsfirlefanz sind. Seltsamerweise habe ich die bei Brahms' ALT-RHAPSODIE nicht, wohl aber bei dessen EIN DEUTSCHES REQUIEM. Verweigere ich "echte Tiefe"? Möglich, aber in dem Fall wohl kaum. Allerdings: der intellektuele Habitus, der das als eine Schwäche auslegt, stört mich erheblich. Schon deshalb, weil ich mich frage, wie man eine derart bohrende "Tiefe" überhaupt ohne Selbstmordgedanken aushalten kann.


    Damit zurück zum Anlass des Threads: ich habe mich vorher schon gegen mögliche Bekehrungsversuche gewehrt. Ich sehe das ein wenig wie Alfred und Black Adder: nicht jede Musik ist für jeden geschrieben worden, schon gar nicht in jeder Situation. Nicht von ungefähr stand mir manche Musik in jungen Jahren viel näher, weil ich (auch) unbekümmerter war. Wenn hier nicht so oft mitschwingen würde, dass man mindestens tendenziell zu den geistig Armen gehört, weil man z. B. leichte Musik mehr schätzt als die schweren Kaliber, wäre schon Einiges gewonnen.


    Auch musikalischer Fundamentalismus ist ein solcher, und man tut gut daran, etwaigen Missionarstrieben, seien es eigene an sich selbst oder anderen oder die Anderer, mit großer Vorsicht freien Lauf zu lassen.


    Das gilt selbstverständlich nicht, wenn es darum geht, jemanden, dem man eine Vorliebe für ein bestimmtes Repertoire unterstellen darf, auf bestimmte Lücken darin, die man sieht oder vermuten kann, aufmerksam zu machen.


    Vertrauen wir ruhig unserem "System". Es weiß in aller Regel recht gut, wann und warum bestimmte Musik uninteressant oder gar unbekömmlich ist. Auch wenn wir das selbst nicht immer verstehen können oder wollen, es muss keine intellektuelle Trägheit oder gar Beschränktheit dahnter stecken.


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    Gibt es Musikunverträglichkeiten, wie es Medikamentenunverträglichkeiten gibt?
    Und wenn ja, was ist die physiologische Ursache davon?


    du hast da sicher ein weites feld betreten, zu dem auch schon viel gesagt worden ist.
    ich würde nur gerne zwei kleine einwürfe machen, nämlich


    1. würde ich die physiologie nicht überbewerten.
    ich weiß, dass es momentan sehr in mode ist, auf sie zu verweisen, bei den psychologen beispielsweise ist ja die neurophysiologie etwa mittlerweile wesentlich dominanter als die beschäftigung mit freud (obwohl der nervenarzt war), jung et cetera, und auch bei den politologen bahnt sie sich mittlerweile wege, wenn es etwa darum geht, wer-wann-wie zb für aggressive rhetorik empfänglich ist und ob sich das in die subjektiven tendenzen zwischen universalismus - ausgrenzung einwirkt.


    und ... der verweis darauf ist sicher nicht ungerechtfertigt, wie es auch nicht ungerechtfertigt ist, quasi-religiöse momente aus den wissenschaften zu verbannen, nur wäre ich wie gesagt vorsichtig damit, nach einer physiologischen ursache dafür zu suchen, ob dir musik gefällt oder nicht.
    meiner meinung nach kann das ein faktor sein, der von bedeutung ist, aber es gibt viele, viele andere, die wesentlich wichtiger sind (die sozialisation etwa und ganz banal: die stimmung, der biographische hintergrund usw.)


    2. würde ich auch vorsichtig mit der these sein, dass dir musik nur deshalb nicht gefällt, weil du sie nicht "verstehst".


    gerade bei musik ist "verstehen" ohnehin ein schwieriger begriff. du kannst die quantentheorie verstehen oder zu verstehen lernen, warum sisyphos für camus ein glücklicher mensch war und natürlich kannst du auch das system verstehen, dass hinter der 12ton-musik steckt, aber in den bereichen der kunst würde ich das "verstehen" nicht überbewerten.
    ich beispielsweise könnte niemanden erklären, welches musikalische system hinter pierrot lunaire steckt, aber die musik "gefällt" mir einfach und ich höre sie sehr gerne.


    ich würde freilich auch nicht behaupten, dass das verstehen völlig irrelevant ist. wenn man sich beispielsweise vor augen führt, dass für wagners "musiktheater" text und musik von gleicher bedeutung waren, dann kann man wohl die these aufstellen, dass erst das verstehen der handlung zu den höchstmöglichen genüßen seiner musik führt, weil etwa die länge vieler wagner-opern (jetzt bitte festhalten!) rein musikalisch nicht zu rechtfertigen ist.
    (ich weiß nicht, in wem es jetzt grummelt, aber ich glaube wirklich, dass etwa die meistersinger - rein musikalisch gesehen! um ein gutes stück hätten gekürzt werden können)


    mh. wo war ich?
    achja: nicht unter- aber auch nicht überbewerten.
    ich werde sicher keine floskeln gebrauchen, in denen die wörter bauch und herz gegen den vermeintlich kühlen, abgestumpften "kopf" in stellung gebracht werden, aber trotzdem bin ich wie gesagt sehr skeptisch, wenn es beim thema musik um das "verstehen" geht.


    ich glaube nicht, dass dir eine mahler-symphonie nach der lektüre von einigen adorno-texten besser gefallen wird.
    hör einfach die musik, die dir gefällt.


    so mache ich es jedenfalls und ich habe nicht vor, irgendeinen bildugnsbürgerlichen musik-kanon abzuarbeiten, weil ich zu einer kulturellen elite gehören will, in der "man" eben auch gustav mahler mögen muss.


    ps: möglich, dass jemand schon etwas ähnliches wie ich geschrieben habe, aber ich habe den thread nach dem eröffnungsbeitrag nur überflogen.

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • @Johannes
    Ich danke Dir für Deinen interessanten Beitrag.


    Ich meine auch nicht, dass sogenannte innere Muster schicksalshaft und unveränderbar vorgeben sind. Innere Muster (falls es solche gibt) müssten ja eh immer in Resonanz sein mit äusseren.
    Ich gehe auch davon aus, dass man innere Rezeptionsmuster durch Konditionierung/Einübung verändern kann.
    (sonst bliebe mir Mahler auf ewig verloren... was ja gemäss den geschätzten Alfred, Blackadder und Musicophil auch kein allzu grosses Desaster sein muss, weil es noch genügend andere Delikatessen gibt!)


    Wer Kaviar nicht gern hat, der wird Kaviar nie gern bekommen? Für den einen stimmt das, für den anderen nicht. Der Fondue-Fresser aus Bern könnte ja nach Stavanger umziehen und nach ein paar Jahren...wer weiss?
    Es ist völlig richtig, dass die Ausbildung des Musikgeschmacks von vielfältigsten Faktoren abhängig ist. Das heisst, dass die „innere Saite“ keine fixe Grösse sein muss.


    Du schreibst:
    „Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es beim Hören keine solche tiefsitzenden Ekelreaktionen geben kann wie beim Essen“
    Ich muss gestehen, dass ich mir da nicht so sicher bin! Ich rufe wahrscheinlich den heiligen Volkszorn auf mich, aber die Musikantenstadelei weckt bei mir seit jeher......, und ich bin sicher, dass sich das nicht ändern wird, nicht ändern kann, auch wenn ich mir alle Mühe der Welt gäbe.


    Aber auch diese Musik hat ihre eigene Entität, die prinzipiell repektiert werden muss.(in jedem Fall natürlich die Menschen, welche solche Musik von Herzen lieben)


    Ich gebe Dir recht, dass alle Kunstwerke eigene Entitäten darstellen, etwas, das uns als Anderes gegenüberteht.
    Aber das, was uns gegenüberteht, ist gerade durch dieses Uns-Gegenüberstehen mit uns in einer Relation, in einem Kontakt. Es findet immer ein Austausch statt. Und wir können bekanntlich nicht nicht-kommunizieren.
    Die Entität lassen, wie sie ist (möglicherweise fremd, und anders), das ist „Lieben“.


    Musikantenstadeleien zu lieben bedeutet demnach: Einhalten des Gebots: Liebe deine Feinde....Doch Spass beiseite.


    @ Marc
    Danke auch Dir für deine Ausführungen.
    Ich kann mich nicht erinneren, geschrieben zu haben, dass ich mit irgendwelcher Musik nicht warm werden könne, weil ich sie nicht verstünde. Vielleicht meinst Du die Musikanalyse während des Studiums, oder "das Nachdenken üner die Musik von Schmidt und Mahler" in meiner Einleitung.
    Nein, wirklich nicht! es ist umgekehrt: Verstehen tut man imo etwas eh nur, wenn man es liebt!
    Was die Physiologie betrifft mag der Buchtipp von Blackadder hilfreich sein. Ich hab das Buch mal angelesen. Es ist soll durchaus lesbar sein und gibt tatsächlich interessante Denkanstösse zu unserem thread!


    Ich freue mich zwar ob dieser Diskusssion, bin aber, so befürchte ich, nächstens intellektuell überfordert...
    Wie heisst es doch so schön: Die Geister, die ich rief...


    Ich gehe dann einmal zu den Klavierkonzerten von Mozart...., die ich uneingeschränkt liiiiiebe.


    Gute Wünsche von
    Walter

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  • Zitat

    Original von Marc
    ich glaube nicht, dass dir eine mahler-symphonie nach der lektüre von einigen adorno-texten besser gefallen wird.
    hör einfach die musik, die dir gefällt.


    so mache ich es jedenfalls und ich habe nicht vor, irgendeinen bildugnsbürgerlichen musik-kanon abzuarbeiten, weil ich zu einer kulturellen elite gehören will, in der "man" eben auch gustav mahler mögen muss.


    Da hast du im Prinzip vollkommen Recht. Doch bei mir ist es fast immer so, dass ich, wenn ich Musik kennenlerne und sie mir sehr gut gefällt, anschließend in Internetforen wie hier oder sogar Wikipedia stöbere und siehe da - das entsprechende Werk wird hoch gelobt. Andersrum gefallen mir annerkannte Meisterwerke auch so gut wie immer. Würde man eine Liste von 100 Werken einer Gattung machen, nach Beliebheits- bzw. Bekanntheitsgrad geordnet, würden mir wahrscheinlich die ersten 10 alle gefallen, die letzten 10 deutlich weniger - für Exoten eine traurige Nachricht, aber leider wahr.
    Dies gilt aber, wie gesagt, nur fast immer. Ab und zu stechen große, berühmte Werke heraus, die mir gar nichts sagen. Da ich nicht glaube, dass auf einmal mein persönlicher Geschmack so stark abweicht, sage ich mir lieber: ich habe das Werk (noch) nicht verstanden und lege es deswegen nicht endgültig beiseite.


    Dies gilt z. B. für Mahler.


    Sollte mir ähnliches bei unbekannten Stücken widerfahren, denke ich mir (vielleicht naiverweise) stattdessen: nun, die Musik ist eben nicht gut (kein Wunder, sonst wäre sie bekannter 8o ).
    Diese Haltung kommt aber möglicherweise auch daher, dass ich bisher noch keine Musik kennengelernt habe, die mir ausgezeichnet gefällt und gleichzeitig absolut unbekannt ist.


    Jedenfalls kann ich nicht glauben, dass hochgeschätzte und bedeutende Musik mir ewig verschlossen bleiben wird. Deswegen werde ich solche Werke niemals beiseite legen. Ich würde auch niemals sagen, "Mahler gefällt mir nicht, deswegen kann er mir egal sein, es gibt genug anderes zu entdecken, was mir besser gefällt." (so etwas liest man ja oft, häufig im Zusammenhang mit moderneren Komponisten oder bei den von Johannes Roehl angesprochenen "Epochenhörern")

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo lieber Rappi


    Danke für deinen Beitrag. Du schreibst: (sorry, ich schaffe mit meinem alten Mac, und meinem noch älteren Hirn, das Textzitieren noch nicht)


    "Ab und zu stechen große, berühmte Werke heraus, die mir gar nichts sagen. Da ich nicht glaube, dass auf einmal mein persönlicher Geschmack so stark abweicht, sage ich mir lieber: ich habe das Werk (noch) nicht verstanden und lege es deswegen nicht endgültig beiseite"


    Mir fallen im Zusammenhang mit unserer Threadfrage die Satzteile: "...mir nichts sagt" und
    "(noch) nicht vertanden" auf. gemäss deiner Wortwahl, gehst Du davon aus, dass ein Musikwerk Dir etwas "sagen" will, und Du es eben allenfalls nicht "verstehst". Ich weiss natürlich, was Du meinst, ich würde es eben nicht so intellektuell formulieren, wobei die Formulierung: "ich spüre keine vibes - es bringt mich nicht in Schwingung" esoterischer Kitsch wäre.
    Wie auch immer: es geht bei der Musikrezeption offenbar um Komminikation! Das ist hochinteressant. Aber ich bin heute nicht mehr in der Lage, weiter darüber nachzuhirnen.


    Gute Nacht wünscht
    Walter

  • Zitat


    Original von Walter Heggendorn
    Ich freue mich zwar ob dieser Diskusssion, bin aber, so befürchte ich, nächstens intellektuell überfordert...


    Lieber Walter,


    ich glaube zwar nicht, dass Dich diese Diskussion intellektuell überfordert,
    möchte mich aber dem Rat von Blackadder und Erwin Baumgarten anschließen.
    Warum quälst Du Dich mit Mahler, wenn Du zu ihm keinen Zugang findest?
    Es besteht doch kein zwingender Grund, und außerdem gibt es ja genug andere Musik. Oft ist es auch ein Zufall, durch den man sich mit dem einen oder anderen Komponisten intensiver beschäftigt.
    Quäle Dich nicht weiter und gehe ruhig und gelassen einmal wieder zu Mozarts Klavierkonzerten. Das ist immer eine gute Empfehlung.


    Liebe Grüße


    Emotione

  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    Mir fallen im Zusammenhang mit unserer Threadfrage die Satzteile: "...mir nichts sagt" und
    "(noch) nicht vertanden" auf. gemäss deiner Wortwahl, gehst Du davon aus, dass ein Musikwerk Dir etwas "sagen" will, und Du es eben allenfalls nicht "verstehst". Ich weiss natürlich, was Du meinst, ich würde es eben nicht so intellektuell formulieren, wobei die Formulierung: "ich spüre keine vibes - es bringt mich nicht in Schwingung" esoterischer Kitsch wäre.
    Wie auch immer: es geht bei der Musikrezeption offenbar um Komminikation! Das ist hochinteressant. Aber ich bin heute nicht mehr in der Lage, weiter darüber nachzuhirnen.


    Hallo,


    du hast mich richtig verstanden. Ein ähnlicher Fall wäre z. B., wenn ich zwei Bücher lesen würde: das eine wäre äußerst schlechtes Deutsch, das andere großartig geschrieben, aber auf Spanisch. Beide Bücher würden mir nicht gefallen. Bei letzterem wäre es bedauernswert, bei ersterem nicht. Ähnlich verhält es sich, wie ich fiinde, in der Musik. Die Schwierigkeit liegt darin, zu erkennen, in welche der beiden Kategorien ein nichtssagendes Werk einzuordnen ist.
    Würde man isoliert von allen Kritiken, Werkbesprechungen, Meinungsaustauschen etc. über klassische Musik leben, müsste man eingestehen, dass man womöglich etliche Meisterwerke nach den ersten gescheiterten Hörversuchen zu Unrecht beiseite gelegt hätte. Man hätte gedacht, das ist einfach schlechte Musik, man könnte ja gar nicht wissen, was nun wirklich schlecht und was nur schwer zugänglich ist (gezwungenermaßen müsste man dann konsequent sich alle in Wahrheit noch so schlechten Stücke mindestens 20x anhören).


    P.S.: Ich schreibe auch von nem Mac! Aber kein allzu alter ;)

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Lieber Walter,


    liebst du um Schönheit...
    Ohne den Bogen wieder auf Mahler zurückspannen zu wollen, hier sprichst Du ein großes Wort mit einer Gelassenheit aus, die ich Dir in gerade solch einem Zusammenhang garnicht zugetraut hätte.
    Und auch ohne hier eine feurige Debatte um den mysteriösesten Begriff im menschlichen Seelenleben entfachen zu wollen, denn die brennt flächendeckend, kann ich nicht ganz Dein Credo "Verstehen tut man imo etwas eh nur, wenn man es liebt!" nachvollziehen.


    Denn es ist kein Geheimnis, dass Liebe wachsen, genährt werden und gepflegt werden muss. Sie entwickelt sich, ändert ihre Richtung, ihre Intensität, ihre Form und Formen, ihre Ausdrucksmittel und ihre Wahrnehmung dessen und derer, der, die oder das geliebt wird.
    Und hier kommt natürlich auch die Kommunikation ins Spiel, denn Liebe ist im Idealfall Geben und Gegengeben.


    Auch wenn der Künstler, dies, denke ich, gilt auch für andere Filialen, seine Argumentation im Gegensatz zu einer/einem Angebeteten nicht mehr ändern mag, weil er vielleicht vom Komponieren zum Dekomponieren übergegangen ist, kommuniziert er dennoch.


    Er tat's in seiner Zeit, indem er auf Umstände, Reaktionen und Einflüsse mit seiner Kunst reagierte, und damit tut er's immer noch. Denn Kunst bedeutet, unter vielem Anderen, sich auszudrücken, in eigener Sprache mit individuellen Mitteln zu sprechen, mitzuteilen.


    In der Musik vielleicht ganz besonders, da hier nicht nur der Schaffende, sondern auch der Nach-Schaffende an der Vermittlung beteiligt ist.


    Redet also ein Künstler, ein Werk zu Dir, verstehst Du gleichsam seine Sprache. Redet es an Dir vorbei, verstehst Du sie nicht.


    Ich bekenne mich als der Fraktion hier wie überall zugehörig, die glaubt, Sprachen erlernen, schätzen und lieben lernen zu können, so wie man durch die Liebe, an der Liebe und mit der Liebe lernen kann. Und so können Verständnis wie Gefühl Wege gehen.
    Nur zu lieben reicht nicht, Wagner braucht fast fünf Stunden, um das klarzustellen.



    Einen lieben Gruß in die Schweiz,



    audiamus



    .

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