Lawrence Brownlee - ein neuer Star als tenore di grazia?

  • Liebe Taminos,


    um dem Vorwurf entgegenzuwirken, immer nur über die Alten zu jubeln, möchte ich Euch heute fragen, wie Ihr die Stimme und die potentielle Entwicklung von Lawrence Brownlee einschätzt, der etwas im Schatten von JD Florez einige spektakuläre Auftritte hatte.
    Ich finde das Stimm-Material sehr interessant, noch zu "keusch" und unpersönlich im Timbre, aber brillant über die Register verblendet, mit einer Voix mixte, wie sie seit Kraus und Gedda nicht raffinierter gebildet wurde. Zudem ist die Agilität sehr beeindruckend, seine Expansion in die Höhe durchaus auch, hier entgleitet ihm noch manchmal bei etwas zu offener Tonbildung die perfekte Kontrolle. Ich habe ihn als Almaviva (Barbiere) und in Ausschnitten aus Puritani gehört.


    Wie seht Ihr diesen jungen Sänger?



    LG,


    Christian

  • Lieber Christian,


    sehr bewußt kenne ich die Stimme noch nicht, was sich ändern wird, sobald diese Aufnahme bei mir eingetroffen ist:


    Gioacchino Rossini (1792-1868 )
    Der Barbier von Sevilla


    Elina Garanca, Lawrence Brownlee, Nathan Gun,
    RO München, Miguel Gomez-Martinez
    Label: Sony , DDD, 2005




    Weiteres zu gegebener Zeit....


    LG, Elisabeth

  • Liebe Elisabeth,


    die habe ich gerade gehört. Sehr anständiges Dirigat und solide Hausmannskost, aber Garanca ist vokal phantastisch und Brownlee der beste Almaviva, den ich lange gehört habe - Florez eingeschlossen.


    Ich bin gespannt auf Deine Meinung.



    LG,



    Christian

  • Als ich Lawrence Brownlee vor ca. 5 Jahren zum ersten Mal im Fernsehen sah (er sang die "Regimentstochter-Arie) war ich sofort davon überzeugt, dass wir diesen 1973 in Ohio/USA geborenen Sänger hier noch öfter hören werden.


    Neben der oben gezeigten "Barbier"-Aufnahme und der "Carmina Burana" unter Simon Rattle habe ich noch folgende Recital-Platte:



    Sein Repertoire ist inzwischen recht ansehnlich, in Europa hat er sich allerdings damit abzufinden, hinter Juan Diego Florez oft nur die Zweitbesetzung zu sein. In seiner Heimat USA hat er inzwischen schon fast Kultstatus, wie mir opernbegeisterte Freunde von dort berichtet haben.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Christian!


    Brownlee stehe ich ausgesprochen positiv gegenüber. Ich kenne ihn jedoch nicht von einer CD, sondern nur aus einer Aufführung der Regimentstochter hier in Hamburg, die ich vor etwa einem Jahr gesehen habe.


    In Erinnerung habe ich nur Gutes, vor allem die brilliante, kraftvolle und trotzdem unangestrengte Höhe. Das Publikum lag Brownlee zu Füßen. Begeistert habe ich mitgeklatscht.


    Das Abendblatt schrieb damals:


    "Der Amerikaner Lawrence Brownlee als Tonio erfüllte bei seinem Hamburg-Debüt alle Erwartungen, die an diesen international hochgelobten Tenor gestellt werden. Das gefürchtete musikalische Torwand-Schießen in "Ah, mes amis" gewann er mühelos: neun Treffer mit dem hohen C."


    Und die Welt meinte:


    "Der lyrische Tenor Lawrence Brownlee, der als Tonio zeitweilig seinen Tirolerhut gegen den Stahlhelm des 21. Regiments eintauscht, um Marie heiraten zu können, schickte die Cs bravourös gen Bühnenhimmel, wobei ihm der letzte, lang ausgehaltene Spitzenton ganz besonders gut gelang, wofür er entsprechende Ovationen bekam."


    Wer es nachprüfen will: Just in diesem Dezemer 2007 und Anfang Januar 2008 ist er erneut in dieser Rolle zu sehen. Der Besuch lohnt sich!


    Thomas

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Ich habe Brownlee als Almaviva in der Wiener Staatsoper gehört und fand ihn absolut erbärmlich, was viele andere Stammgäste auch so empfunden haben. Seit damals wurde er auch nicht mehr wieder eingeladen. Eine recht kleine Stimme, er hatte Probleme mit dem Halten von Noten und auch das Kostüm (für das er allerdings nicht viel kann) war nicht eben vorteilhaft, er sah aus wie ein kleiner bunter Schlumpf...

    Hear Me Roar!

  • Liebe Leute,


    vielen Dank für die Statements. Den Eindruck einer schmalen Stimme hatte ich auch, der Einwand der schlecht gehaltenen Noten verwundert mich, aber ich kenne bis auf eine (allerdings gute) Ausnahme (eben auch Fille du régiment) nur Studioproduktionen.


    Das Argument der Kostümierung und des Körperwuchses finde ich nicht gar so überzeugend. Schließlich hat man auch Shicoffs Babygrein-Gesicht und Pavarottis Tapsigkeit ertragen. Einen Tenor-Beau brauche ich nicht unbedingt.


    Mal sehen, was die Zukunft bringt.


    LG,


    Christian

  • Fast eine Duplizität: Hört euch mal den Norman Shankle an, das könnte beinahe ein optischer und akustischer Zwillingsbruder sein.
    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Siegfried


    Norman Shankle ist nicht nur eine Art Zwillingsbruder, er teilt auch mit Brownlee das Schicksal, oft für Florez als Zweitbesetzung eingesetzt zu werden (z.B. beim "Don Pasquale" in Genf) - sozusagen als "Einspringer vom Dienst".

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Forianer,


    ich habe mir den "Barbiere" nur wegen Brownlee gkauft. Es soll ja Leute geben, die die Aufnahme wegen einer (in meinen Augen) bis heute völlig bedeutungslosen Mezzosopranistin gekauft haben... :pfeif:



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich kann mich Dreamhunter nur anschließen, auch ich dachte mir damals: "Hoffentlich kommt der nicht so bald wieder!" Dabei war ich wegen ihm in diesem "Barbiere", weil ich eben einiges Positive über ihn gelesen hatte und neugierig war. Umso größer dann meine Enttäuschung, die aber rein akustischer Natur war, um etwaigen Einwänden zuvorzukommen :beatnik: Schon möglich, dass er auf einer CD toll klingt (Im Studio klingen viele toll :wacky: ), aber das will ich nach diesem Live-Erlebnis nicht unbedingt überprüfen, außer die CD wäre gratis. Allerdings würde ich ihn mir auf der Bühne schon noch einmal anhören, denn vielleicht haben ihm damals die Nerven einen Streich gespielt oder er hatte einfach einen schlechten Abend. Das kann ja jedem einmal passieren.
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    Hallo Forianer,


    ich habe mir den "Barbiere" nur wegen Brownlee gkauft.


    Hallo Liebestraum,


    mich würde Deine Beschreibung und Beurteilung dieser Stimme sehr interessieren!


    :hello:


    Elisabeth

  • Hallo Elisabeth,


    ich habe eine große Sammlung von CD-Gesamtaufnahmen des "Barbiere", weil diese Oper mich immer wieder aufs neue fasziniert.


    Daraus ergeben sich natürlich eine ganze Menge Vergleichsmöglichkeiten, wenn man beispielsweise die Sänger- und Orchesterleistungen etwas näher unter die Lupe nimmt.


    Daher kam die Garanca nicht besonders gut weg. Brownlee allerdings würde ich in dieser Aufnahme als hervorragenden Interpreten des Almaviva bezeichnen: sehr schlanke Stimme, mit keinerlei Problemen in der Höhe, da wirkt nichts gequetscht oder gepresst.


    Kurz: ich musste einfach zugreifen :yes:



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo Elisabeth,
    mir ging es ähnlich wie Liebestraum. Mein Hauptinteresse galt beim Kauf des "Barbiere" eigentlich Nathan Gunn, der den Figaro singt. Brownlee war die positive Zugabe. Hier sind die beiden nach der Aufnahme:



    LG
    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Seit dem letzten Beitrag sind inzwischen mehrere Jahre vergangen, obwohl der Name Lawrence Brownlee doch immer mal wieder hier im Forum erwähnt wird.
    Mir persönlich gefällt sein Timbre besser als das von Florez.


    Hier noch einige Aufnahmen:



    :hello:
    Jolanthe

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo Jolanthe,


    ich habe mir vor kurzem diese CD von ihm zugelegt:



    U. a. ist er mit der Arie des Tonio "Pour mon ame quel destin" aus Donizettis "Regimentstochter" zu hören incl. der 9 hohen Cs - das Ganze mit Klavierbegleitung. Sehr empfehlenswert!


    Gruß
    Manfred

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Danke Manfred für den Tipp!


    Ich hatte mir gestern übrigens dieses Konzert mit ihm auf youtube angesehen und fand es sehr beeindruckend.


    watch?v=ZfaLVGZKgdE&feature=share


    :hello:
    Jolanthe


  • Lawrence Brownlee ist der Star des Abends - morgen im Fenice in Venedig:
    Neujahrskonzert aus Venedig
    Mittwoch, 01. Januar um 18:05 Uhr (60 Min.) bei arte
    Der 29-jährige Venezolaner Diego Matheuz, aufstrebender Star der internationalen Opernszene und Chefdirigent am Teatro La Fenice, dirigiert am 1. Januar 2014 im Gran Teatro La Fenice di Venezia Chor und Orchester des Theaters beim großen Concerto di Capodanno, dem venezianischen Neujahrskonzert.
    ARTE zeigt den zweiten Teil des Konzerts, der großen Opern gewidmet ist.
    Solisten sind die Sopranistin Carmen Giannattasio und der amerikanische Tenor Lawrence Brownlee.
    Wie schon in den vergangenen Jahren wird der zweite Teil des Konzerts, der traditionell dem großen Opernrepertoire gewidmet ist, auf ARTE ausgestrahlt. Und wie es Tradition ist an der Fenice, wird es auch 2014 das Neujahrskonzert mit „Va’ pensiero sull’ali dorate“, dem Gefangenenchor aus "Nabucco" und dem Brindisi aus Verdis "La Traviata" ausklingen.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)