ZitatDer klare Blick ins Innere der Musik. Zum Tod des Komponisten und Dirigenten Giuseppe Sinopoli (20.4.2001). Von Max Nyffeler
Zu seinem 50. Geburtstag dirigierte Mauricio Kagel die Uraufführung seines Stücks "Finale", in dem er gegen Schluß tot vom Podium fällt - der berühmte Dirigententod als inszenierter Überraschungscoup. Der Herrscher über die Musik bricht in der Ausübung seiner Macht vor aller Augen zusammen, und noch in diesem finalen Akt weiß er sich der Sensationslust des Publikums sicher. Doch während sich Kagel nach dieser ästhetischen Überlistung des Todes lächelnd davonschleichen konnte, war es für Giuseppe Sinopoli am 20. April blutiger Ernst. Im dritten Akt von Giuseppe Verdis "Aida" erlitt er am Pult der Deutschen Oper Berlin eine Herzattacke, an der er kurz darauf starb. Dem Schock fehlte nicht der makabre Hintergrund: Die Vorstellung dirigierte Sinopoli zum Zeichen der Versöhnung mit seinem alten Freund Götz Friedrich, dem kürzlich verstorbenen Intendanten der Deutschen Oper Berlin. Er hatte sich mit ihm 1990 überworfen, als er schon den Vertrag als Chefdirigent des Hauses in der Tasche hatte. Nun wurden Sinopolis Begleitworte im "Aida"-Programmheft zur fatalen Vorahnung: " Wenn Götz mich heute zum Pult begleitet, wird es mir scheinen, als wiederhole er mit klarer überzeugender Stimme die Worte des Ödipus von Sophokles, die er, bevor er die Szene verlässt, an die Menschen von Kolonos richtet: '... Du und diese Stadt ... das Schicksal sei Euch gnädig, und im Wohlergehen erinnert Euch immer mit Freude an mich, wenn ich tot sein werde.'"
Der tragische Tod des berühmten Dirigenten Giuseppe Sinopoli (1946-2001) auf dem Podium war keinesfalls der einzige derartige Fall. Ganz ähnlich erging es Joseph Keilberth (1908-1968), als er Tristan und Isolde in München dirigierte.
Aber nicht nur Dirigenten, auch Sänger fielen ihm unerwartet vor den Augen aller zum Opfer: Leonard Warren (1911-1960), für so manchen der größte Bariton des 20. Jhs., brach 1960 in New York zusammen, als er - makaber - die Arie Urna fatale dal mio destino aus La forza del destino sang. Und auch der große Tenor Jussi Björling (1911-1960) entging nur knapp diesem Schicksal: "Am 15. März [1960] erlitt er kurz vor einer von Königin Elisabeth besuchten Aufführung von La Bohème an der Royal Covent Garden Opera einen Herzinfarkt, wollte aber unbedingt die Partie vor der 'Queen Mother' singen." Er überlebte diese Aufführung dennoch nur um wenige Monate.
Gibt es weitere prominente Beispiele? Und: Ist ein Tod auf der Bühne/dem Podium im Grunde nicht der heimliche Wunsch eines jeden Sängers/Dirigenten?