Muß klassische Musik "spannend" sein ??

  • Muß klassische Musik "spannend" sein ??


    Fast möchte man meinen, dies wäre der Fall.


    Wie so oft wurde ich zu diesem Thread durch einen anderen im Forum angeregt, ich glaube es ging um Interpretationen von Schubert-Sinfonien.
    Und da stieß ich doch tatsächlich auf den Satz:


    Zitat

    "Böhm dagegen viel ruhiger und erhabener und auch viel schöner. Man kann sich wunderbar in der Musik verlieren. Aber richtig spannend ist das auch nicht."


    Inzwischen weiß ich auch, daß es um Schuberts "Unvollendete" ging, und wer das geschrieben hatte - ich habe das Schreiben dieses Beitrags unterbrochen und die vielgeschmähte Suchfunktion des Forums benutzt, indem ich mir alle Beiträge ausgeben ließ, die das Wort "SPANNEND" enthielten:


    Es waren 2194 (!!) an der Zahl.


    Nun frage ich mich, ob klassische Musik denn a priori "spannend" sein muß ?


    Ob sie nicht auch erhaben, strahlend, optimistisch oder spielerisch, bzw kontemplativ versonnen oder melancholisch, süßlich oder einschmeichelnd sein kann ?


    Ich habe den Eindruck daß sich unsere gesamte Zeit daran orientiert, wie Spannend, unangenehm, hässlich oder aufputschend eine Darbietung ist, weil sie dann zu unserer hektischen von Häßlichkeit geprägten Zeit passt, wo man den Menschen, neine es sind ja keine Menschen, sondern Konsumenten zumutet aus Plastikbechern zu trinken, mit Microwelle aufgewärmtes Fast Food zu fressen (sic) und Stadtbilder zu ertragen wo man neben gotische Kathedralen und Jugendstilbauten, ekelerregende windschiefe Türme zumutet auf denen das Logo irgendeiner Versicherungsgesellschaft oder eines synthetisch gesüssten Kohlensäuregeränkes prangt.


    Nun wird es Musikstücke geben, bei denen "Spannung" durchaus angebracht sein mag - aber ausgerechnet bei Schubert ? oder bei Mozart ?
    Ein spannender Beethoven mag ja noch angehen, aber ein spannender Chopin, Haydn oder Schubert ? Ein spannender Brahms ???


    Viele Leute gehen ja ins Konzert um sich zu ENTspannen. Auch wenn das einige nicht gerne hören


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich finde schon, dass klassische Musik spannend sein muss, um zumindest mir
    zu gefallen:


    Spannend durch:


    - Verschiedene Stimmen sollten sich so miteinander verweben, dass sie sowohl
    einzelnd als auch zusammen moeglichst, mit der richtigen Mischung aus konsonant
    und dissonant, spannend klingen. Es muss eine Dichte geben, die ich nicht wirklich
    beschreiben kann. Ist natuerlich voellig subjektiv. :pfeif:


    :hello:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Hallo Alfred,


    spannende Frage. :D


    Dazu müsste man erst einmal darüber reden, was man genau unter "Spannung" versteht und was der Einzelne als spannend ansieht.


    Der eine mag Spannung aus der Musik an sich erfahren, für wieder andere ist es spannend, neues Repertoire zu erschließen, noch ein anderer Gewinnt die Spannung aus Interpretationsvergleichen.


    Die Musik an sich kann nur aus der subjektiven Perspektive des einzelnen Hörers als spannend empfunden werden. Eine Interpretation darf spannend gestaltet sein, wenn der Komponist entsprechende Freiräume gelassen hat. Alles Andere wäre Willkür im Umgang mit dem Werk.


    Just my 0,02 €


    Frank :)


    Nachtrag: Selbstverständlich ist Brahms spannend! Immer! :) :yes:


  • Lieber Alfred,


    so, wie Du die Frage gestellt hat, scheint mir das eher auf einen philologischen Diskurs hinaus zu laufen, denn in dem von Dir zu Beginn zitierten Satz wird das Wort "spannend" in etwa so allgemein benutzt wie bei neueren Generationen das Wort "geil" - als Allgemeinbegriff für gut, mitreißend und was es sonst noch über die von von Dir zitierten Prädikate hinaus an Möglichkeiten gibt, positive Eindrücke in ein einzelnes Wort zu fassen ohne zu spezifisch zu werden. Die Spitze geht (mit Recht) eher gegen den Sprachgebrauch, denn das Wort selbst taugt eigentlich wenig zur Kennzeichnung der Musik oder ihrer Darbietung, meint es doch wohl nur eines: man hört, aus welchen Gründen auch immer, mit besonderer Aufmerksamkeit zu.


    Das kann allein an der Musik liegen, ist aber meist eine Kombination aus Komposition und Interpretation. Ich habe mich zum Beispil bei den Goldberg-Variationen schon "zu Tode" gelangweilt, bin aber stets von neuem gefesselt, wenn Glenn Gould sie spielt. Das finde ich wirklich "spannend", denn selbst wenn ich, wie bei einem sehr guten Krimi, die "Lösung" schon kenne, bin ich immer wieder von neuem davon hingerissen, wie Gould das macht. Ist das "spannend"? Sicher nicht im ursprünglichen Sinn des Wortes, wohl aber in der Analogie des alten Werbespruches, der seinerzeit ziemlich unpassenderweise Edgar Wallce galt: Es ist unmöglich, von Glenn Gould nicht gefesselt zu sein. Selbst wenn man mal nicht mit ihm einverstanden ist, was in anderen Werken ja nicht selten vorkommt.


    In diesem Sinne sollte in der Tat jede musikalische Darbietung "spannend" sein, wenn es sich nicht gerade um Tafel- oder andere Begleitmusik handelt, die auch als solche konsumiert wird.


    :hello: Rideamus

  • Dier Frage dieses Beitrages Muß klassische Musik "spannend" sein ?? ist schnell beantwortet:


    Was ist denn das Gegenteil von spannend ?
    Antwort: langweilig !


    Also - mit angweiliger Musik kann ich nichts anfangen.
    Ich habe keine Lust vor der Anlage zu sitzen und mir so ein langweiliges "Gesäusel " anzuhören und dabei nichts zu empfinden.
    Ich nenne besser keine Beispile...............


    :yes: Klassische Musik muß also spannend sein - so spannend wie möglich !



    Und volle Zustimmung an Hüb !
    Brahms ist megaspannend, besonders wenn Dirigenten wie Szell, Solti und Bernstein (ganz besonders der CBS-Bernstein) diesen dirigieren.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Große Teile der abendländischen Musik, besonders aber der zwischen 1600 und 1900, die wohl nicht nur hier im Forum den populärsten Teil ausmachen dürfte, beruhen auf Spannung und Auflösung dieser Spannung. Besonders deutlich wird das in der funktionalen Harmonik und in der Sonatenform der Wiener Klassik: die Grundspannung ist dort die harmonische, im Normalfall zwischen Tonika und Dominante, die in der Exposition etabliert, in der Durchführung zugespitzt und in der Reprise aufgelöst wird. Das ist natürlich nur ein stark vereinfachtes Bild und nur ein Aspekt von Spannung und Entspannung.
    Auch die meisten Opernhandlungen sind wohl irgendwie spannend (A will B, B will C, C will aber nicht usw.); angemessene Musik sollte das irgendwie wiedergeben.


    Noch einfacher und allgemeiner, möchte ich Teleton zustimmen: Wenn die Alternative zu "spannend" "langweilig" ist, sind wir wohl alle eher für spannend :D
    Sonst können wir ja gleich "Klassik zur Entspannung"-Sampler :kotz: einlegen.
    Um des Kontrastes willen, muß es natürlich auch entspannte Abschnitte geben usw.
    Schubert ist, verglichen mit Beethoven (aber selbst mit Mozart) ein vergleichsweise "entspannter" Komponist, der sich oft sehr viel Raum und Zeit läßt, lange abgeschlossene Melodien noch einmal wiederholt usw. Dadurch kann aber auch, wie etwa im Kopfsatz der letzten Klaviersonate eine Art bleierne Bewegungslosigkeit, Ein-auf-der-Stelle-treten werden, was wieder eine ganz eigene Art Spannung erzeugt.


    Der Hauptsatz der "Unvollendeten" ist allerdings das wohl spannungsreichste, tragischste Orchesterstück Schuberts. Selbst das Gesangsthema sollte eher wie eine Insel im düsteren Chaos wirken, keineswegs darf die Kaffeehausgemütlichkeit den gesamten Satz erfassen, das wäre eine völlige Verfehlung des Stücks.
    (Auch das andante darf nicht zu langsam und ätherisch genommen werden; der Satz fängt nämlich zwischendurch auf eigenartige Weise an zu "tanzen")


    Wer dagegen "An Silvia" auf Gedeih und Verderb "spannend" machen will, sollte seinen Ansatz ebenfalls überdenken ;)
    Es kommt also, wie immer, drauf an.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Muß klassische Musik "spannend" sein ??


    Diese Frage kann wohl nur jeder einzelne für sich beantworten. Zumal spannend ein dehnbarer Begriff sein kann, wie bereits festgestellt wurde.


    Ich denke: Musik muss nicht spannend sein!


    Wie sortiere ich für mich den Begriff Spannung ein? Spannung bedeutet für mich vor allem: ungeteilte Aufmerksamkeit. Die Musik fesselt mich und meine Sinne, und ich möchte den Moment des Hörens mit keinem anderen Sinneseindruck oder Tätigkeit teilen. Damit hat Spannung für mich auch etwas intellektuelles.


    Ich kenne und liebe diese Momente, sie sind etwas ganz besonderes. Aber es sind nicht die einzigen Momente, die mich an die Musik binden.


    Die Grundfrage scheint mir jene: Was soll Musik für mich leisten?
    Und da gibt es so viele unterschiedliche Aspekte. Musik kann zum Nachdenken anregen, sie kann Gefühle wie Verzückung oder Traurigkeit auslösen (oder verstärken), sie kann ein Genusserlebnis erzeugen, sie kann in Erstaunen versetzen über die meisterliche Interpretation und Aufführung, sie kannl ein intellektuelles Erlebnis bereiten, sie kann ablenken, sie kann zum Tanzen anregen, eine lockere Atmosphäre erzeugen, kann Freude bereiten, soll eine Botschaft übermitteln, und..und..und..Da sind so unheimlich viele verschiedene Facetten!


    Ich kann und will keine dieser Facetten für mich und meine Art des Konsums von Musik ausschließen. Wichtig ist mir nur eines: Musik darf mir nicht gleichgültig sein.


    Zuletzt noch eine Anmerkung: Es ist keineswegs so, dass Musik, welche die Aufmerksamkeit nicht bis zum Zerreißen zu fesseln vermag, als gleichgültig zu betrachten ist! Wenn ich in dem steten Fluss der Buch der Klänge von Hans Otte mit meinen Gedanken von dem "Hier und Jetzt" in ferne Gedankenwelten getragen werde (ein vergleichbarer Effekt stellt sich auch bei dem bekannteren The Kölln Concert von Keith Jarrett ein) oder durch agressive und schneller Drum'n'Bass-Musik (elekktronische Tanzmusik) die pure Energie in mir erwecken fühle: in beiden Fällen ist der Moment des Musikkonsums sicher kein spannender oder intellektueller, aber eben auch nicht gleichgültig!


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Lieber Alfred!


    Wie hier bereits in mehreren Variationen anklang, ist der philologisch-philosophische Aspekt Deines Themas wirklich nicht unerheblich.


    Ebenso aber auch der physikalisch-idiomatische.


    Tatsächlich sind der Begriff „Spannung“ und sein Adjektiv in einer Welt, die bei Abfall von Nervenkitzel schlagartig der Kümmernis anheimfällt und bei Ausfall des Elektronengefälles voll im Dunkeln tappt, zu einem Allgemeinplatz für positive Bewertung jedweden Sujets degeneriert.


    So war, um ein autobiographisches Beispiel aus der Bildenden Kunst beizusteuern, das größte Lob, das meine ehemalige Professorin für Malerei einem Studenten zuteil werden lassen konnte, neben „find’ ich ganz witzig“ hauptsächlich „da wird’s spannend“.


    Und doch ist der Terminus, um den es hier geht, schon der Entstehung und Aufnahme von Musik eigentümlich verbunden und spielt in ihrem Reich eine vielfältige wie grundlegende Rolle.


    Allein beim Erzeugen von Tönen fällt er mit seinem Adlatus, dem ebenfalls physikalisch interpretierbaren Ausdruck „Kraft“, ins Gewicht.


    So braucht der Sänger die Spannung (und, kein Protagonist ohne seinen Antagonisten, Entspannung) des Zwerchfells, der Kehlkopf- und diverser anderer Muskulatur, ebenso wie der Bläser, bei welchem sich zwangsläufig die Lippenspannung hinzugesellen sollte, der Pianist spielte kläglich ohne adäquaten Tonus in den Fingern und so fort. (Ungelogen las ich irgendwo einmal im Zusammenhang mit dem dritten, dem „Elephantenkonzert“ meines Lieblingsrussen folgende Worte: „Und wieder entfaltete Rachmaninoff seine gewaltigen Hände, mit denen er eine Kloschüssel umspannen konnte.“


    Analog hierzu sind auch die tonerzeugenden Instrumente wenig brauchbar ohne Spannung, sei es die der Saite über ihrem ebenfalls gespannten Resonanzkörper oder die der im „Druck“ physikalische Entsprechung findenden Luftsäule.


    Und gleich einem Teil des Schlagwerkinstrumentariums benötigt mit dem Trommelfell auch das rezeptive Organ des Musik Aufnehmenden die Spannung als Voraussetzung für ein reibungsbasiert reibungsloses Funktionieren.


    Muss also, in Anbetracht solcher Korrelationen, Musik nicht zwangsläufig Spannung enthalten und vermitteln?
    Jedes Crescendo-Decrescendo, jeder Legatobogen, jedes Accelerando-Ritardando nicht spannend gespannt sein?


    Oder anders:


    Ein Mensch fragt: Was wär’n alle Bäche
    Und Mozarts und Haydns, entspräche
    nicht aller Geschick
    dem Satz der Physik,
    dass Spannung ist gleich Kraft durch Fläche?


    LG,



    audiamus

  • Musik ist Zeit. - Zeit ist Bewegung. - Bewegung ist Spannung.


    Tritt zu einem Ton ein weiterer hinzu, wird aus dem einen Ton das Intervall - pure Spannung!


    Musikhören bedeutet letztlich nichts anderes, als das wir in uns die Spannung aufbringen, die das Werk trägt. Wir projezieren dabei die vielfachen Tonbeziehungen und Teilvorgänge aus dem Nacheinander ihres zeitlichen Ablaufs in uns in eine (innere) Gleichzeitigkeit. In jedem Gegenwärtigen hören wir so das schon Vergangene, im Gegenthema das Thema, im Finale noch den Hauptsatz mit und erleben die Spannungen von einem zum anderen in uns. Jedenfalls sollte es bei bewusstem Hören so sein.


    Loge

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  • Zitat

    Original von teleton
    Dier Frage dieses Beitrages Muß klassische Musik "spannend" sein ?? ist schnell beantwortet:


    Was ist denn das Gegenteil von spannend ?
    Antwort: langweilig !


    Also - mit angweiliger Musik kann ich nichts anfangen.


    Lieber Wolfgang,


    Für mich ist die Frage genauso schnell beantwortet, da Muß eine "conditio sine qua non" voraussetzt.
    Für mich ist bereits Beethoven oft - wenn ich Musik so nennen muß - zu spannend.
    Die Antwort ist also m.E. "weder "notwendig" noch "verboten".


    LG, Paul

  • Hallo!


    Ich glaube schon, dass Alfred tendenziell Recht hat, wenn er behauptet, dass hier vielfach (aber längst nicht immer) intensivere, kontrastreichere Interpretationen als fesselnder empfunden werden. Das läuft nicht selten auf mehr Dramatik (ich glaube, das meint Alfred mit "spannend") hinaus - Johannes hat schon betont, dass die Musik zwischen 1600 und 1900 im Wesentlichen von Spannung und Aufhebung derselben lebt - , aber es ist natürlich werkabhängig. Bei manchen Werken mag höherer Kontrast bedeuten, das Süßliche, das Ätherische oder was auch immer zu betonen.
    Ob man für die einen oder die anderen Werke jetzt nach möglichst viel Kontrast strebt, ist aber, in den Beiträgen zu diversen Werken erkennbar, von Hörer zu Hörer unterschiedlich.


    Verwandt ist vielleicht auch dieser Thread, auch wenn er mehr auf Repertoire denn Interpretation ziehlt.



    Gruß,
    Spradow.

  • Zitat

    Original von audiamus
    Muss also, in Anbetracht solcher Korrelationen, Musik nicht zwangsläufig Spannung enthalten und vermitteln?


    Das glaube ich nicht. Zwar ist der Wechsel von Spannung und Entspannung ein klassisches und plausibles Konzept. Aber zum einen kann der Zweck der Musik, ich denke da an Hintergrundmusik zum Dinieren und Parlieren oder Meditieren, bedeuten, dass Spannung keine allzu große oder vielleicht sogar gar keine Rolle spielen sollte.
    Zum Anderen kann es bei der Frage vom Verhältnis von Spannung und Entspannung wohl auch einen Fortschritt geben, indem paradoxe Wirkungen durch Einseitigkeit hervorgerufen werden. Mit meditativer Musik (z. B. bei Messiaen) tue ich mich schwer, weil sie so gleichförmig entspannt ist. Da werde ich dann ungeduldig, also gespannt ("wann geht's denn endlich mal weiter hier :motz: ").
    Musik mit permanenter Spannung im Sinne von dauerndem Wechsel von chaotischen Impulsen (hier fällt mir gerade nur Musik von "merzbow" ein, vielleicht keine klassische Musik), führt doch wieder zu einer Gleichförmigkeit und Statik, also in gewisser Weise wieder zu einer permanenten Entspannung.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Ihr geht da viel zu tiefgründig und gründlich an die Fragetsellung heran.


    Dabei ist dieser thread lediglich eine weitere Verkleidung der Alfred Tag und Nacht umtreibenden Frage, ob es denn immer so verflixt unschön in der Musik hergehen muss und ob eine alte (bei ganz genauem Hinhören vielleicht auch irgendwo spannende) Böhm-Aufnahme nicht auch ihren Dienst tut.


    Und ihr fallt auch noch drauf rein und macht daraus eine Grundsatzdiskussion - so gar nicht im Sinne des thread-Starters. Somit seid ihr alle OT :P


    :hello:
    Wulf

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  • Lieber audiamus,


    das unterläßt Du mal schön.


    Stattdessen empfehle ich einen Satz wie: "Hast recht Alfred, der Böhm wußte noch wie man ordentlich Musik macht" hinzuzufügen. Deiner Weitsicht schließen wir uns alle an, anschließend kann wegen allgemeiner Zsutimmung der thread auf Eis gelegt werden und eure Beiträge werden in einen thread mit dem vielleicht passenderen Titel: "Wie definiert sich Spannung in der Musik" verschoben.
    Der alte wird umbenannt in: "Menschen, die behaupten, Böhm sei unspannend, sind doof - ganz doof." :baeh01::stumm::D


    :hello:
    Wulf

  • Da ich ja hier im Eingangsbeitrag zitiert wurde, möchte ich auch kurz antworten.
    Ich bezog mich bei Böhms Aufnahme, wie Johannes schon richtig bemerkte, auf Schuberts "Unvollendete" und dort vor allem auf den Kopfsatz.
    Und da will ich Johannes zustimmen, dass das einer der spannungsreichsten Sätze überhaupt von Schubert ist.
    Das heißt, dass ich da auch was geboten haben möchte und nicht unbedingt Verlangen bekomme, was Anderes zu tun.


    Ich möchte jetzt nicht Böhms Aufnahme charakterisieren, aber sie zwang mich halt nicht so sehr zum Zuhören, wie manch Andere, die ich gehört hatte.
    Und so kam es halt zu der Aussage.


    Dass es natürlich von Stück zu Stück verschieden ist, ist klar. Jedes Werk braucht neben Spannung auch zwingend Entspannung. Also darf es auch durchaus mal etwas entspannter in der Interpretation zugehen. Aber halt nur da, wo es auch passt.



    Gruß, Peter.

  • Ich muß ja sogar lächeln.


    Denn ich pflege in der Regel Themen nicht zweideutig sondern mehrdeutig anzulegen - und was hier herausgekommennist, das kann sich IMO sehen lassen.


    Karl Böhm wurde von mir - das betone ich - bis jetzt noch überhauipt nicht erwähnt.
    Aber natürlich ist er ein gutes Beispiel von geschickt aufgebauter Spannung - auch wenn die nicht von jedem wahrgenommen wird


    Es ist ähnlich wie bei meiner spöttischen Art, die von manchen als extrem infam empfunden wird, von der Mehrheit jedoch gar nicht als solche wahrgenommen wird.


    Böhm kann in der Tat sehr unspektakular wirken, hebt sich aber das Spektakuläre für die geeigneten Stellen auf.
    Und er kann sehr dramatisch sein - Jeder der sein Wagner Dirigat je gehört hat, wird mir beipflichten (?)


    Bei Mozart hingegen ist "Spannung" (von ausnahmestellen mal abgesehen) eher fehl am Platz. Der "rabiate" Mozrt ist ein künstliches Konstrukt des späten 20./ frühen 21. Jahrhunderts uind wird vergehen wi es entstanden ist.
    Aber letztlich ist der "njoirmale" Mozart den Leuten schon zu wenig "spannend" - wenn er nicht "umgestrickt" wird.


    Ich möchte hier als Gegensatz Roger Norrington erwähnen.
    Er SCHEINT Spannung zu erzeugen, beispielsweise durch forciertes Tempo und Attacke - kann aber in jenen Momenten, wo es angebracht wäre, den Effekt nicht mehr steigern, weil er all sein Pulver schon verfeuert hat....


    Oder Rattle, bei dem man stets die Absicht merkt, das Werk gegen den Strich bürsten zu wollen - und damit steht er keineswegs alleine da.


    Aber mir ist die Grundsatzdiskussion schon sehr recht - alles andere ergibt sich ohnedies von selbst.


    Die Frage, ob es denn immer wieder so unschön in der Musik hergehen muiß beantworten die Klassikhörer und Käufer eigentlich von alleine.
    In jenen Städten wo es nicht so unschön klingt sind die Konzertsääle täglich ausverkauft....


    Zitat

    "Menschen, die behaupten, Böhm sei unspannend, sind doof - ganz doof."


    Sowas sagt man nicht............. :baeh01:


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Karl Böhm wurde von mir - das betone ich - bis jetzt noch überhauipt nicht erwähnt.
    Alfred


    Hallo Alfred,
    also für mich ist ein Zitat auch eine Erwähnung. Deswegen benutzte ich das Wort "Verkleidung". ;)

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  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Bei Mozart hingegen ist "Spannung" (von ausnahmestellen mal abgesehen) eher fehl am Platz. Der "rabiate" Mozrt ist ein künstliches Konstrukt des späten 20./ frühen 21. Jahrhunderts uind wird vergehen wi es entstanden ist.
    Aber letztlich ist der "njoirmale" Mozart den Leuten schon zu wenig "spannend" - wenn er nicht "umgestrickt" wird.


    Da drängt sich wieder die Frage in den Vordergrund: hip oder hin? :D


    Nein, ganz im Ernst: ich meine, meinen zu können, daß es auch vor 200 oder 300 Jahren diverse Spielarten gab. Woher will man aber nun wissen, welche "Mode" gerade "in" war?


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo,


    inwieweit mich ein Musikwerk fesselt und Bedeutung erlangt, hängt u.a. von der Existenz und Art der Spannung ab, so hinsichtlich des bereits genannten Aspekts im Sinne des Wechsels Spannungsaufbau / Auflösung.


    Aber hinzu kommt für mich noch ein weitere Aspekt, und zwar auf anderer Ebene. Dabei gehe ich vom Verlauf innerhalb des Musikwerkes hinaus auf die Spannungswirkung dieses Werkes als Ganzes.


    Ein Musikwerk kann im obigen Sinne einen dramatischen Spannungsaufbau haben, der faszinierend und fesselnd ist, durch die völlige Auflösung und Abrundung dann abgeschlossen wird und in sich letztlich ruht. Der angesprochene Mozart ist ein großer Repräsentant dieser Meisterschaft. Darüber hinaus kann es aber auch den Zustand geben, dass ein musikalisches Werk trotz musikalischer Auflösung und Komplettheit keinesfalls gänzlich ruht, sondern beim Hörer (zumindest bei mir) ein Spannungsgefühl auf anderer Ebene beibehalten wird, was sich womöglich aus bleibenden Fragen ergibt wie: Wie habe ich das Werk iin sich emotional einzuordnen? Wo führt es mich hin? Inwieweit ist es trotz innerer Geschlossenheit äußerlich noch offen? Was ist das Mystische in dem musikalischen Geschehen? Warum wirkt die Musik trotz musikalischer Abrundung für mich immer noch offen und hinterlässt eine kreative Unruhe?


    Letztere "Spannung" tritt bei mir besonders bei Beethoven und Schönberg ein; sie sind für mich der Meister der Offenheit trotz Geschlossenheit.


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Also wenn ich ins Konzert gehe finde ich schon, dass die Musik spannend sein soll. Ich für mich gehe nicht ins Konzert um mich zu entspannen. Nein, es soll mich umwerfen, es soll pure euporie in mir auslösen.


    Nunja, ich bin ja allgemein nur selten mit ruhigen und langsamen Sätzen zu begeistern. Wenn dann muss ich in Stimmung dafür sein und das bin ich nie. Vielleicht bin ich ein zu euporischer Mensch, aber ich brauch halt dieses gewisse etwas.


    Also im Konzert jedenfalls nicht. Zuhause schon eher...da gibt es ja auch mehr Anlässe um sich zu entspannen.


    WAS Musik aber nun spannend macht ist glaub ich zu umfassend um es irgendwie zu beschreiben. Ohrwürmpassagen mit umwerfender Mehrstimmigkeit und einer flotten homologen Begleitung...ja solche Szenen zum Beispiel haben was spannendes. Diese schrille Phase im ersten Satz von Mozarts 24stem Klavierkonzert die nach ein paar Takten ertönt zum Beispiel. :P

  • Also ich finde langsame Sätze (bestes Beispiel: Bruckner) nicht weniger spannend als schnelle.
    Und entspannen kann ich mich auch bei Sätzen, die spannend sind (wahrscheinlich sogar nur - Langweile ist für mich keine Entspannung ;) außerdem geht dann schnell die Aufmerksamkeit bei mir verloren und die Musik läuft nur noch nebenbei).

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von Sakow
    [..]
    Ohrwürmpassagen mit umwerfender Mehrstimmigkeit und einer flotten homologen Begleitung...ja solche Szenen zum Beispiel haben was spannendes.[..]


    Ehrlich gesagt erfüllen gerade Ohrwürmer nicht das , was ich als "spannend" bezeichnen würde. Altbekanntes zum mitwippen und mitsummen, das erscheint mir eher unterhaltsam.
    "Spannend": dass sind doch gerade die Neuentdeckungen, unbekannte werke, unbekannte Komponisten!


    Max Gold schrieb einmal dazu:
    "Das Publikum klatscht doch nicht, weil ein Lied besonders gut ist, sondern weil es ein Lied bereits kennt. Es beklatscht sein eigenes Gedächtnis, es beklatscht, daß die vielen Flaschen Voltax nicht umsonst getrunken wurde."
    :baeh01:


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

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  • Ich gehöre auch zu den Menschen, die Spannung gerne benutzen und möchte meine Wortverwendung gerne erklären.


    Für mich ist "ich fand XY spannend" ausdruck eines subjektiven Fesselungsgefühls - oder im Falle der Vernenung des Fehlens desselben - das ich (vielleicht um den Zauber nicht zu lösen) nicht weiter erläutern möchte.


    Außerdem ist es eine Modefloskel, die gerne aufgegriffen wird. Wenn etwas "nicht so spannend" war, so bedeutet es in etwa "Es hat nicht die erwarteten Eigenschaften oder Wirkungen gehabt".


    Ob das die Diskussion wieder befruchtet, weiß ich nicht. Muß aber auch nicht sein.

  • Ich denke, dass Musik nicht spannend sein muss. Was sie haben muss, ist Spannung und zwar jene, welche der Komposition entspricht. Darüber, welche Spannung nun entspricht, wird immer diskutiert werden.


    Die Einschätzung "spannend" wird wohl auch oft dazu verwendet, die eigene Ratlostigkeit einem Werk gegenüber zu kaschieren. Auch wird der Sprecher für die Qualifikation "spannend" selten Gegenwind bekommen, weil die das Wort "spannend", zumindest für mich, zu wenig Emotion hat.


    Je nach Musikstück soll Musik erhebend, irritierend, nachdenklich machend, beruhingend, aufwühlend sein oder einfach den Hörer auch einmal ratlos zurücklassen. Spannend muss Musik für mich nicht sein, nur so lari fari gespielt darf sie nicht sein. Das wäre dann keine spannende Musik.


    lg,
    Franz

    Sagt nicht:"Ich habe die Wahrheit gefunden", sondern:"Ich habe eine Wahrheit gefunden." (Khalil Gibran; Der Prophet, dtv, 2002)

  • Hallo Franz,


    Zitat

    Original von Franz Laier
    Die Einschätzung "spannend" wird wohl auch oft dazu verwendet, die eigene Ratlostigkeit einem Werk gegenüber zu kaschieren. Auch wird der Sprecher für die Qualifikation "spannend" selten Gegenwind bekommen, weil die das Wort "spannend", zumindest für mich, zu wenig Emotion hat.


    Da bin ich mir nicht sicher. Ist das Wort "spannend" nicht sogar sehr emotional aufgeladen? Man sitzt mit gereizter Aufmerksamkeit auf der Stuhlkante und muss viel Disziplin aufbringen von dieser nicht runterzurutschen aus lauter erregter Erwartung dessen, das als nächstes kommen mag.
    Aber es stimmt schon: man kann seine Ratlosigkeit damit hervorragend kaschieren. Denn Spannung unterstellt, dass da noch etwas Unklares ist, man ist mit dieser Musik noch nicht fertig, ist noch zu keinem ruhigen Resultat gelangt. Aber leicht lässt sich hinter dem Unklaren, das ja durchaus ein schwer in Worte zu fassendes "gewisses Etwas" sein kann, verstecken, dass bei einem selber auch nur totale Mattscheibe herrscht.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Hinter "Spannend" können mehrere Aussagen stehen, sodass sich die Eingangsfrage nicht unbedingt gradlinig mit nur Ja oder Nein beantworten lässt. Hier ein paar (populär-) philosophische Betrachtungen:


    Wird der Begriff als Gegensatz zu "langweilig" definiert, dann muss die Musik, die mir gefällt, auf jeden Fall spannend sein. Was allerdings als langweilig empfunden wird und somit nicht gefällt, bemisst sich nach subjektivem Geschmack, nach "Tagesform" und vielleicht erschließt sich die Musik auch erst nach zweitem Hinhören und ist dann eben nicht mehr langweilig, sondern "spannend".


    Musik hat zudem immer mit Spannung zu tun. Es wird ein Verlauf in Gang gehalten und dazu sind die Ausübenden in Spannung, besonders stark wir SängerInnen. Wenn diese Spannung auf die Zuhörenden übertragen wird, ist die Darbietung "spannend", erreicht die Leute und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Das wird zumindest als Einzelaspekt positiv wahrgenommen, auch wenn kontrovers rezipiert wird (Beispiel Neutöner).


    Diese Spannung ist keineswegs gleichbedeutend mit laut und schnell. Dies als Dauerzustand wird zunehmend fad. Intensive Langsamkeit kann enorm fesseln, lätschertes Verschleppen vermittelt Spannungs- und Energielosigkeit.


    Werke, deren Abwechslungsreichtum deutlich wahrnehmbar ist, sprechen naturgemäß mehr Menschen an als solche, die erst mit viel Muße beim Hinhören ihre Nuancen zeigen.


    Das dürfte m. E. eine Ursache sein, warum beispielsweise Beethovens Symphonien, speziell die Neunte, sehr populär sind und etwa Chopin - Klavierkonzerte (für mich leider nach wie vor einschlafträchtig) weniger.


    Es ist sicher richtig, dass es auch zunächst wenig präzise ist, wenn jemand sagt, ein Stück ist spannend. Ich selbst meine das meistens im Sinne von "interessant", wenn ich gerade etwas Neues gehört habe (oder auch am Anfang einer Neueinstudierung stehe). Der sog. erste Eindruck macht schon zuweilen ratlos, aber es wird wohl den meisten so gehen, dass es sich sehr schnell herausfiltern lässt, ob sich die Auseinandersetzung lohnt.


    LG


    :hello:
    Ulrica