BWV 139: Wohl dem, der sich auf seinen Gott
Kantate zum 23. Sonntag nach Trinitatis (Leipzig, 12. November 1724)
Lesungen:
Epistel: Phil. 3,17-21 (Wir haben schon jetzt Bürgerrecht im Himmel bei Gott)
Evangelium: Matth. 22,15-22 (Fangfrage der Pharisäer an Jesus: Ist es recht, dass man dem Kaiser Steuern zahle?)
Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 23 Minuten
Textdichter: unbekannt, inspiriert aber vom titelgebenden Choral
Choral: Johann Christoph Rube (1692)
Besetzung:
Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe d’amore I + II, Solo-Violine I (+ II), Violino I/II, Viola, Continuo
1. Choral SATB, Oboe d’amore I + II, Streicher, Continuo
Wohl dem, der sich auf seinen Gott
Recht kindlich kann verlassen!
Den mag gleich keine Sünde, Welt und Tod
Und alle Teufel hassen,
So bleibt er dennoch wohlvergnügt,
Wenn er nur Gott zum Freunde kriegt.
2. Aria Tenor, Solo-Violine I (+ II), Continuo
Gott ist mein Freund; was hilft das Toben,
So wider mich ein Feind erhoben!
Ich bin getrost bei Neid und Hass.
Ja, redet nur die Wahrheit spärlich,
Seid immer falsch, was tut mir das?
Ihr Spötter seid mir ungefährlich.
3. Recitativo Alt, Continuo
Der Heiland sendet ja die Seinen
Recht mitten in der Wölfe Wut.
Um ihn hat sich der Bösen Rotte
Zum Schaden und zum Spotte
Mit List gestellt;
Doch da sein Mund so weisen Ausspruch tut,
So schützt er mich auch vor der Welt.
4. Aria Bass, Oboe d’amore I + II, Violini (in unisono oder solo?), Continuo
Das Unglück schlägt auf allen Seiten
Um mich ein zentnerschweres Band.
Doch plötzlich erscheinet die helfende Hand.
Mir scheinet des Trostes Licht von weiten;
Da lern’ ich erst, dass Gott allein
Der Menschen bester Freund muss sein.
5. Recitativo Sopran, Streicher, Continuo
Ja, trag’ ich gleich den größten Feind in mir,
Die schwere Last der Sünden,
Mein Heiland lässt mich Ruhe finden.
Ich gebe Gott, was Gottes ist,
Das Innerste der Seelen.
Will er sie nur erwählen,
So weicht der Sünden Schuld, so fällt des Satans List.
6. Choral SATB, Oboe d’amore I+ II, Streicher, Continuo
Dahero trotz' der Höllen Heer!
Trotz' auch des Todes Rachen!
Trotz' aller Welt! mich kann nicht mehr
Ihr Pochen traurig machen!
Gott ist mein Schutz, mein Hilf’ und Rat;
Wohl dem, der Gott zum Freunde hat!
Zur Aussage des heutigen Sonntagsevangelium verweise ich auf das zur Kantate BWV 163 bereits Geschriebene. Der unbekannte Dichter, der den Text dieser Choralkantate aus den Strophen des Chorals von Bachs Zeitgenossen Johann Christoph Rube (1665-1746) gewonnen hat, spielt auf das Evangelium besonders im Rezitativ Nr. 3 an, in dem er die heimtückischen Pharisäer, die Jesus eine Falle stellen wollen, mit Wölfen vergleicht. Überhaupt stützt sich die Aussage der hier besprochenen Kantate weniger auf die eigentliche Frage nach dem „Zinsgroschen“ für den Kaiser, sondern eher auf die heimtückischen Feinde Jesu (und derjenigen, die an ihn glauben).
Die Kantate wird – charakteristisch für die meisten Choralkantaten Bachs – von einer Choralbearbeitung eingeleitet, in der der Sopran die Choralmelodie vorträgt, während die übrigen Stimmen sich musikalisch auf diese beziehen, bzw. sie imitieren und variieren.
Zur hier besprochenen Kantate sind leider nicht alle Stimmen erhalten. Vermutlich der Part einer zweiten Solo-Violine, die in der Arie Nr. 2 ist nicht überliefert – hier gibt es mittlerweile allerdings wohl recht überzeugend gelungene Rekonstruktionsversuche. Hier ist also wieder einmal die Phantasie jedes Interpreten gefragt: Soll man die Arie so aufführen, wie sie erhalten ist oder doch den (nicht in allen Einzelheiten auf Bach zurückzuführenden) Part der zweiten Violine hinzunehmen?
Fragen wie diese machen das Musizieren und Vergleichen verschiedener Versionen und CD-Einspielungen ein und desselben Satzes immer wieder besonders abwechslungsreich.
Ebenso fehlt in der Arie Nr. 4 offenbar ein weiteres Solo-Instrument, das zusätzlich zu den beiden Oboen eine Stimme übernimmt (Alfred Dürr vermutet ein Violoncello piccolo). Bachs Schwiegersohn Johann Christoph Altnickol hat in späteren Jahren (als Alternative zum Cello?) eine Violinstimme für diesen Satz angefertigt.