Ein Hauch von Beethoven - Mozart als Titan

  • Liebe Mozartfreunde,


    Mozart hat ja bekanntlich viele Facetten - und unterliegt (welch ein glück !!!) zeitlichen Moden.


    Ich kenne den "süsslichen, lieblichen Mozart", den "eleganten Mozart", den "Mozart mit dem Silberstift", den "rabiaten, spritzigen Mozart, und einige mehr.


    Heute jedoch soll es um eine andere Lesart Mozarts gehen - den "herben" "männlichen", dunkel getönten, und gelegentlich "gigantischen" Mozart.


    Als wichtigste Vertreter dieser Gruppe fallen mir Sir Thomas Beecham, Sergiu Celibidache, Georges Szell, teilweise Josef Krips und Otto Klemperer ein. aber es gibt sicher noch mehr Dirigenten dieser Richtung - wobei die Unterschiede wahrscheinlich ebenso groß sind, wie das, was diese Gruppe verbindet:


    Sie rückten Mozart in die Nähe Beethovens (oder zumindest dessen, was man sich vor ca 40 Jahren unter Beethoven vorstellte) was den Gesamteindruck seiner Werke zum Teil erheblich verändert - ohne daß - so meine zumindest ich - die Substanz der Kompositionen ernstlich in Frage gestellt wurde.


    Man kann dieses Thema von verschiedenen Seiten her beleuchten:
    Zum einen, ob meine Behauptung von der "Beethoven-Nähe" überhaupt stimmt, zu andern, wenn ja - welchen Eindruck solcherart ausgeleuchtete Werke auf Euch überhaupt machen - wenn ihr sie überhaupt kennt - denn sie stehen diametral zum heutigen Mozartbild (Karl Böhm beispielsweise, mein Hausgott in Sachen Mozart war irgendwo zwischen diesen beiden Positionen angesiedelt - "natürlich, unverkampft, elegant, leuchtend).
    Die Aufnahmen, die ich meine kommen irgendwie bedeutundschwer oder zumindest streng, daher, teilweise üppig großorchestral, "titanenhaft.


    Letztlich kann nioch geschrieben werden, wie man zu solch einer Intrapretationsweise steht, bzw welche Aufnahmen dieser Richtung man kennt, ob man sie liebt oder ablehnt.


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,
    hängt die Möglichkeit Mozart als Titanen zu interpretieren nicht ein Stück weit auch von dem jeweiligen Werk ab? Es wäre sicher eine große Leistung die Kleine Nachtmusik in die Nähe der Eroica zu rücken, während etwa das Klavierkonzert c-moll KV 491 schon Beethoven etwas vorwegnimmt.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Beecham würde ich hier eher nicht nennen, aber von dem kenne ich zu wenig.
    Furtwängler (von einigen seiner Extreme bleibt Mozart zum Glück verschont) und besonders Klemperer dirigierten Mozart kaum anders als Beethoven. Oder heute eben Gardiner oder Harnoncourt.


    Ich bin mir eigentlich sicher, dass eine solche Vorgehensweise in mancher Hinsicht angemessener ist als viele Alternativen. Wir sind alle durch Beethoven verdorben. :D Er ist hauptsächlich dran schuld, dass die Idee des porzellanpuppenhaften Mozart überhaupt aufkommen konnte.
    Für die Zeitgenossen war Mozart sehr häufig ein kühner, herausfordernder Komponist, dessen Werke als zu lang, zu schwierig, zu aufwendig, "zu viele Noten" eben, aufgefaßt wurden. Klar, man kann mit einer solchen Vorgehensweise manche Sachen auch vergröbern. Aber erinnern wir uns an seine Wunschbesetzung für große Sinfonien mit 40 Geigen, 10 Bässen und verdoppelten Bläsern.
    Nehmen wir Werke wie die Haffner-, Linzer-, Prager- oder Jupitersinfonie, die beiden Moll-Klavierkonzerte. Die müssen angemessen mächtig und dramatisch gegeben werden.
    Anders natürlich das letzte Klavierkonzert oder das Klarinettenkonzert. Ein Stück wie das Konzert KV 503 läßt einem "beethovenschen" Kopfsatz (u.a. weil der selbst noch in seinem 4. sich hiervon hat inspirieren lassen) zwei eher "unbeethovensche" weitere Sätze folgen. Oder KV 543: ich bin sehr dafür, den Kopfsatz schon mit einem Auge auf die Eroica zu nehmen, aber für Menuett und Finale gilt das wohl nicht.


    Dennoch halte ich es aber für verfehlt, Mozart besonders hervorzuheben, wenn er für uns nach Beethoven klingt. Man kann solche Beschreibungen zwar kaum vermeiden, sollte aber aufpassen, den Vorgänger nicht "kleiner" zu machen (vgl. Alexander Kinskys Kommentare zu Haydnschen Quartetten, wo alles Lob etwas zweischneidig wirkt, weil immer Schubert oder Beethoven herhalten müssen, wenn etwas besonders herausgestellt werden soll ;), man weiß natürlich, dass es nicht negativ gemeint ist).


    Wir machen Mozart aber erst recht kleiner, wenn wir meinen, uns hier immer zurückhalten zu müssen, im emotionalen Ausdruck, klanglichen Kontrasten usw., nur weil Beethoven 20 Jahre später eben noch weiter ging. Das teilweise Befremden der Zeitgenossen dürfte bei einem derart vereinnahmten Komponisten nur sehr schwer nachvollziehbar sein (von ganz wenigen Stellen abgesehen). Aber ein wenig davon kriegt man m.E. leichter bei den Interpretationen, die gegenüber dem traditionellen Bild, schroff, unelegant usw. wirken.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo!


    Bei titanischem Mozart denke ich sofort an diese CD:



    KV 551 wird hier total übertrieben als titanischer Symphonie-Koloß dargeboten - nichts für alle Tage, wie ich häufig sage - aber wenn, dann :jubel::jubel::jubel:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Glauben denn wirklich die jetzigen Künstler des musikalischen Vortrags, das höchste Gebot ihrer Kunst sei, jedem Stück so viel Hochrelief zu geben, als nur möglich ist (...)?


    Oder meint ihr, Mozartsche Musik sei gleichbedeutend mit "Musik des steinernen Gastes"? - Und nicht nur Mozartsche, sondern alle Musik?



    (Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches II) :yes:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

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  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Als wichtigste Vertreter dieser Gruppe fallen mir Sir Thomas Beecham, Sergiu Celibidache, Georges Szell, teilweise Josef Krips und Otto Klemperer ein.


    Ich würde eindeutig noch Herbert von Karajan hinzufügen, man denke nur an seinen "Don Giovanni".

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Da wir ja - im Gegensatz zum Threadbeginn heute die Möglichkeit haben Tonbeispiele anzubieten - wollen wir von dieser Möglichkeit Gebrauch machen:



    Man höre beispielsweise in den ersten Satz der Sinfonie Nr 41 "Jupiter"
    Der Begeginn ist eigentlich nciht besonders auffällig langsam - aber an der Stelle wo andere Dirigenten üblicherweise beschleunigen, beharrt Klemperer auf seinem Tempo, das er noch dazu rhythmisch betont.
    Eigenartigerweise tut das der Wirkung des Werkes keinen Abbruch, es verliert nicht an Spannung - fast möchte ich meinen: im Gegenteil


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo, liebe Mozartianer,


    heute finde ich trotz meiner mehrwöchigen Therapie mal einige Minuten Zeit für Tamino.


    Ich denke bei dieser Fragestellung generell an Don Giovanni, nicht nur in der Karajanschen Ausdeutung.
    Desgleichen muss natürlich das Requiem genannt werden, das ebenso wie Don Giovanni (in einigen Szenen) weit in die Romantik weist und dem Verdischen Requiem näher ist als irgendeinem anderen.
    Auf jeden Fall ist es m.E. titanenhaft genug, um jeden Vergleich mit Beethovens Titanentum auszuhalten.
    Denken wir auch an die Klavierkonzerte bzw. zahlreiche Sätze daraus in moll.
    Auch bei den Solo-Klavierstücken denke ich an zwei schöne Beispiele, die c-moll-Sonate KV 457 und die c-moll-Fantasie KV 475.
    Und das Gesamtoeuvre Mozarts ist sowieso titanisch.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Irgendwie gefällt mir die Frage nicht so recht.


    Ich habe Mozart noch nie als 'Titan' gesehen, nicht mal in seinen avanciertesten Werken.


    Der Titan hat bei mir bestimmte Konnotationen: dazu gehört für mich das titanenhafte Ringen um jede Note, die tiefe Erlösungsbotschaft, die sich mit jedem Werk verknüpft (gerade, wenn man sich die Beethovensche Mission und Machart der Sinfonien vor Augen hält)...


    Das alles sehe ich bei Mozart nicht. Hier bricht sich ein Genie fast spielerisch Bahn. Mozart schafft geniale Werke aus seinem tiefsten Inneren, sie sprudeln scheinbar leicht und von selbst. Mozart ringt nicht um jede Note, die Noten sind einfach da.


    Für mich ist Mozart ein Genie, aber kein Titan.

  • Zitat

    Original von Travinius
    Das alles sehe ich bei Mozart nicht. Hier bricht sich ein Genie fast spielerisch Bahn. Mozart schafft geniale Werke aus seinem tiefsten Inneren, sie sprudeln scheinbar leicht und von selbst. Mozart ringt nicht um jede Note, die Noten sind einfach da.


    Wir wissen aber zum einen, dass Mozart (besonders in späteren) Werken durchaus Skizzen anfertigte, selbst wenn er gewiß sehr zügig komponierte. Im Zusammenhang mit den sog. Haydn-Quartetten sprach er selbst von einer langen und mühseligen Arbeit. Zum anderen wurde ein großer Teil seiner Musik von Zeitgenossen als sehr schwierig und anspruchsvoll wahrgenommen. Irgendjemand, das habe ich schonmal anderswo zitiert, verglich damals seine Musik mit Klopstocks Dichtung. Schaut Euch mal im Netz ein paar Sachen von Klopstock an und versucht das mit dem heute verbreiteten Mozartbild müheloser Eleganz zusammenzubringen.
    Damit will ich den Eindruck der mühelosen Eleganz, der sich durchaus manchmal einstellen kann, nicht in Abrede stellen. Aber er scheint etwas einseitig zu sein.


    :hello:


    JR

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  • Wenn ich zu Beginn des Threads Mozart in die Nähe Beethovens rückte - oder besser gesagt SCHEINBAR in die Nähe Beethovens rückte, dann war damit eigentlich nicht das Werk Mozarts gemeint, sondern die Art wie diverse Dirigenten Mozart interpretierten.


    Dei Frage wird sich nie beantworten lassen, wie "authentisch" ein solches Mozartbild denn nun sei - aber sie lässt sich in der Hinsicht beantworten, ob solch eine Interpretation uns einen "anderen" Mozart beschert, ob solch eine Lesart seine Werke eindrucksvoller machen, oder sie verfälschen bis zerstören.
    Selbstverständlich handelt es sich hier umd Klavierkonzerte und Sinfonien - nicht um die "Kleine Nachtmusik".....


    Es wäre schön, wenn sich an diesem Thread Interessierte eine Mozart Sinfonie unter Szell, Krips oder Klemperer anhören könnten und dann ein entsprechendes Statement abgeben könnten..


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich würde auch nicht behaupten, dass Mozarts Musik vorwiegend geprägt ist von "müheloser Eleganz" - das Nomen stört mich dabei, weniger das Adjektiv. Travinius hat es zudem gar nicht verwendet.


    Der Begriff des "Titanen" scheint mir dennoch unpassend. Es mag sein, dass auch Mozart um seine Musik bisweilen ringen musste - so explizit psychologisch werden wir das wohl nicht nachvollziehen können. Und aufgrund von Mozarts eigentlich schon "ironischem" Charakter, der (sicher nicht immer) Leiden und Mühen im realen Leben und Schreiben (das meine ich jetzt außermusikalisch) hinter einer Fassade des Unernstes versteckt, werden uns die Geheimnisse seiner Musik wohl auch in Zukunft kaum biographistisch zugänglich gemacht werden können.


    Wenn aber der Begriff einen Sinn machen soll, der über die bloße Synonymie zu "Genie" hinausgeht, würde ich ihn bei Mozart nicht anwenden.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!