Wie inszeniert man diese Szene????

  • Liebe Freunde des Musiktheaters!
    Angeregt durch Fairys Thread zu Fragen des »historisch korrekten« Dekors und Rideamus‘ Hinweis, daß man dies am besten an einem konkreten Beispiel diskutieren könne, eröffne ich mal diesen Thread.


    Ziel ist es, konkret an einem Beispiel Inszenierungskonzepte, Regievorschläge und Fragen der Ausstattung bzw. des Dekors zu diskutieren – und zwar nicht anhand einer ganzen Oper sondern anhand einer einzelnen Szene einer Oper (dabei kann man naklar auch den einen oder anderen Satz zu einem möglichen Gesamtkonzept loswerden). Wichtig wäre mir, daß nicht einfach die Phantasie vor sich hinsprudelt und wir einen genial-originellen Vorschlag an den nächsten reihen, sondern daß die einzelnen Vorschläge begründet und dann auch diskutiert werden. Besonders interessant wäre dabei, die Frage, WARUM man etwa gerade bei diesem Werk und dieser Szene das vorgeschlagene Konzept für tragfähig und das geforderte Dekor für mehr oder weniger notwendig oder passend hält.


    Ich werde mir mal die Freiheit nehmen und eine erste Szene vorschlagen - ach so: bei Szenenvorschlägen ist naklar Nennung von Komponist, Werk, Entstehungsdatum (soweit bekannt) und eine kurze, nicht unbedingt allzu ausführliche Inhaltsangabe erwünscht.
    Damit's nicht gleich langweilig wird, etwas eher nicht ganz so regiemäßig Rundgelutschtes:



    Reinhard Keiser: Der geliebte Adonis. Singspiel in drei Akten (1697)
    Libretto: Christian Heinrich Postel.



    Die Story:


    Das Singspiel erzählt die landläufig bekannte Geschichte von Venus und Adonis, also die komplizierte und unglückliche Liebesbeziehung zwischen der griechischen Göttin der Liebe und einem einfachen, menschlichen Schäfersburschen.


    Zu Beginn des Stücks holt sich die verliebte Venus eine Zukunftsprognose vom Seegott Proteus, der sich aber zunächst als ein wenig widerspenstig erweist. Naja, schließlich ist er auskunftsbereit und erklärt Venus, daß Adonis in Folge der Verbindung mit Venus Unsterblichkeit erlangen wird, Venus aber sich den Tod wünschen werde. Außerdem rät Proteus, daß Adonis sich stets vor der Jagd hüten solle.
    Und so kommt, was kommen muß: die Göttin und der Schäfer werden ein Paar, eifersüchtig beäugt von den verschiedensten göttlichen und nichtgöttlichen Figuren. Mars ist eifersüchtig auf Adonis, und die hübschen Schäferinnen Eumene und Dryante sind scharf auf Adonis. Eumene hat dabei aber auch noch ganz andere Probleme: sie muß sich Philistus, einen anderen recht netten Schäfer, der zudem auch noch mit Adonis befreundet ist, vom Leibe halten. Dryantes Eifersucht aber steigert sich zu Haß auf den sie verschmähenden Adonis und sie schließt ein Mordkomplott mit dem ebenfalls ziemlich mies gestimmten Mars.


    Ja und dann ist da noch die komische Figur Gelon – ebenfalls, na was wohl?, ein Schäfer, der ziemlich einfach strukturiert ist und das ganze Trara um Liebe und Eifersucht so gar nicht versteht und seine Umwelt ungefragt mit Binsenweisheiten nervt.


    Philistus lädt den Adonis zu einer Jagd ein – naklar hat Venus was dagegen, weil sie ja noch des Proteus‘ Warnung im Ohr hat. Aber die Männer hören nicht auf sie und ziehen los. Die Szene wechselt und die drei Damen Venus, Eumene und Dryante plaudern über die Liebe und ihre Unbill - als justament die Nachricht vom Tod des Adonis dieses gepflegte Gespräch empfindlich stört: ein von Mars geimpfter Eber hat den schönen Leib des Adonis in Stücke gerissen – Tiefe Trauer! Venus klagt, daß sie nun auch nicht länger leben wolle – doch sie muß erkennen, daß für sie als unsterbliche Göttin der Tod keine wirkliche praktikable Lösung ist. Dryante gesteht Venus, mit Mars verbündet gewesen zu sein und wird von ihr zur Strafe in eine Eiche verwandelt. Anschließend rät Venus dann noch der Eumene, sich nicht länger zu zieren, sondern den ebefalls traurigen Philistus endlich zu erhören, was diese auch tut


    Und dann geschieht das Unfaßbare: Der Venus Tränen verwandeln sich in einen Anemonenbusch und der Leichnam des Adonis wird zu einem Rosenstrauch. Venus erklärt die Rose »zur Königin der Blumen« und zack: Adonis hat die prognostizierte Unsterblichkeit erlangt.


    End of the Story



    Als Szene für die ersten Regie- und Ausstattungsvorschläge (und Begründungen) habe ich die Anfangsszene ausgewählt, den (zugegeben: kurzen) Dialog zwischen Venus und Proteus´. Hier ist sie:



    Viel Spaß beim Inszenieren!!


    Herzlichst,
    Medard

  • na, das nenne ich ja mal eine grandiose thread-idee. super vorschlag :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    wenn ich doch nur mehr zeit hätte ...grrrr... aber ich werde begierigst mitlesen :yes:


    phantasie frei!!! :P


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Lieber Klawirr, die Idee ist toll und beschert mir ausserdem die Kenntnisnahme einer mir noch unbekannten Oper. =)


    Alerdings hast Du da ganz schön boshaft in die Kiste gegriffen!!!!!!! :D :pfeif:


    DAS zu inszenieren dürfte die Historisten-Fraktion jeder Couleur vor arge Probleme stellen!
    Wo bekommen sie die etwa Quellen her, wie Venus und Proteus historisch RICHTIG sind? Und wie z.B. ein Delphin zu omlympischen Vorzeiten ,vor der Evloution, aussah?
    Und für diejenigen,die wie Ulli oder KSM den Geist der Uraufführung wollen wird es auch nciht eben einfach, da es ein besonderers komplizierter Aktsein dürfte mit heutigen technischen Mitteln genau dasselbe auf die Bühne zu bringen wie mit den damaligen Môglcihkeiten.
    Und dann noc heine ganz heikle Frage: Alle Meerbewohner und vor allem die Venus waren mit absoluter Sciherheit unbekleidet...... :wacky:


    Und was das Regietheater angeht: viel Tiefsinn steckt nun nciht eben in dieser Szene . Man kann evtl tiefenpsychologisch arbeiten und dasMeer als waberdes Unbewusstes darstellen, das Venus im Traum befragt, wie ihre Zukunft verlaufen wird. Die Gazne Oper ist dann ein Traumgeschehen und Proteus sozusagen das Über-Ich.


    Nu ja.....
    Also ich für mein Teil als "Canti-Fraktion" würde eine Art von Anna Netrebko oder Anette Dasch(noch besser wegen der Botticelli Haare und passender Stimme) für die Venus engagieren , in ein hautfarbenes Trikot stecken , mit einen goldenen Netz behängen(als Symbol der Verstrickung und Anspileung auf ihre Ehe mit Hephaistos und Affäre mit Mars) und von der Personenregie und den Stimmen ausgehend, eine Art modernes Märchen daraus machen.
    Illusionstheater wie zu barocken Zeiten, aber ein bisschen modernisiert. Jedoch ohne dem ganze einen aufgeproften "tieferen" Sinn zu geben. der steckt schon in der Geschichte selbst: Auch wenn man weiss, dass man in sein Verderben rennt, die Liebe streckt selbst eine Göttin nieder!


    Fairy Queen

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Lieber Klawirr, die Idee ist toll und beschert mir ausserdem die Kenntnisnahme einer mir noch unbekannten Oper. =)


    Ja, aber das macht den Reiz ja aus - die 5.000.000 Tosca können wir ja später machen...


    Zitat

    Alerdings hast Du da ganz schön boshaft in die Kiste gegriffen!!!!!!! :D :pfeif:


    :D Ein Leben ohne Herausforderungen ist doch langweilig...


    Zitat

    DAS zu inszenieren dürfte die Historisten-Fraktion jeder Couleur vor arge Probleme stellen!


    Ja, aber die Regilies auch - am einfachsten haben es hier vielleicht tatsächlich noch die Anhänger eines kulturhistorisch informierten Rekonstruktionstheaters (das ist jetzt nicht polemisch gemeint)...


    Zitat

    Wo bekommen sie die etwa Quellen her, wie Venus und Proteus historisch RICHTIG sind? Und wie z.B. ein Delphin zu omlympischen Vorzeiten ,vor der Evloution, aussah?
    Und für diejenigen,die wie Ulli oder KSM den Geist der Uraufführung wollen wird es auch nciht eben einfach, da es ein besonderers komplizierter Aktsein dürfte mit heutigen technischen Mitteln genau dasselbe auf die Bühne zu bringen wie mit den damaligen Môglcihkeiten.
    Und dann noc heine ganz heikle Frage: Alle Meerbewohner und vor allem die Venus waren mit absoluter Sciherheit unbekleidet...... :wacky:


    Ich denke, es könnte und wird überraschende und überzeugende Konzepte geben... Bin wirklich gespannt!


    Zitat

    Und was das Regietheater angeht: viel Tiefsinn steckt nun nciht eben in dieser Szene . Man kann evtl tiefenpsychologisch arbeiten und dasMeer als waberdes Unbewusstes darstellen, das Venus im Traum befragt, wie ihre Zukunft verlaufen wird. Die Gazne Oper ist dann ein Traumgeschehen und Proteus sozusagen das Über-Ich.


    Ja, man kann das ganze tiefenpsychologisch aufladen - oder man kann den Mythos de[kon]struieren. Ich tendiere eher zu letzterem. Augenblicklich sehe ich die ganze Szenerie auf einer Müllhalde neben einem Baggersee, Venus als eine unglückliche Bordsteinschwalbe und Proteus als arbeitslosen Philosophen, eine Art post-'68er, weltfremd und zeitvergessen... Statt Schäfer-Idylle gibt's dann Großstadt und Asphalt. Ist vielleicht 'n bischen billig... :( Bin davon bisher selbst nicht überzeugt und werde mich nächstens etwas ausführlicher dazu äußern.


    Zitat

    Nu ja.....
    Also ich für mein Teil als "Canti-Fraktion" würde eine Art von Anna Netrebko oder Anette Dasch(noch besser wegen der Botticelli Haare und passender Stimme) für die Venus engagieren , in ein hautfarbenes Trikot stecken , mit einen goldenen Netz behängen(als Symbol der Verstrickung und Anspileung auf ihre Ehe mit Hephaistos und Affäre mit Mars) und von der Personenregie und den Stimmen ausgehend, eine Art modernes Märchen daraus machen.
    Illusionstheater wie zu barocken Zeiten, aber ein bisschen modernisiert. Jedoch ohne dem ganze einen aufgeproften "tieferen" Sinn zu geben. der steckt schon in der Geschichte selbst: Auch wenn man weiss, dass man in sein Verderben rennt, die Liebe streckt selbst eine Göttin nieder!


    Fairy Queen


    Grandiose Idee und ganz schön rund! Muß ich erstmal drüber nachdenken...


    Danke für Dein Posting!!!


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Also ich für mein Teil als "Canti-Fraktion" würde eine Art von Anna Netrebko oder Anette Dasch (noch besser wegen der Botticelli Haare und passender Stimme) für die Venus engagieren , in ein hautfarbenes Trikot stecken , mit einen goldenen Netz behängen(als Symbol der Verstrickung und Anspileung auf ihre Ehe mit Hephaistos und Affäre mit Mars) ...


    Als Nichtmöchtegern-aber-wohl-oder-übel-de-facto Mitglied der Regiefraktion würde ich natürlich das Trikot weglassen, weil sonst die Provokation nicht stark genug ist und das Publikum bei mangelnder Nacktheit nicht mehr begreift, dass es hier (auch) um Sex geht. Deshalb werde ich auf eine prominente Sängerin verzichten müssen, weil eine solche es nicht mehr nötig hat, sich nackt ausstellen zu lassen, kaum mit der neuen Elevein proben können, die als Ersatz engagiert wurde, weil die vom Dirigenten zunächst eingehend in HIP-Gesang geschult werden muss, so dass sie erst alles vergisst, was sie gelernt hat und schließlich auch nicht mehr den Text behalten kann. Daraufhin weigern sich die übrigen Ensemblemitglieder, diese eklatant protektionistische Förderung einer untalentierten Hübschheit mitzumachen und treten in den Streik. ...


    Das ist natürlich erst der Anfang allen Übels


    Das Ende wird sein, dass eine Aufführung eines Mitschnitts der ersten und letzten Stellprobe vor rein weißer Kulisse auf ansonsten leerer Bühne stattfindet, auf der lediglich zum Schluss ein Rosenstrauch aufblüht, Übertitel den Text verraten, das staunende Publikum am Schluss begeistert Beifall spendet, weil es sich nicht traut zuzugeben, dass es nichts begriffen hat, was wiederum den örtlichen Starkritiker dermaßen beeindruckt, dass er am nächsten Tag von Regie in höchster Abstraktionsstufe faseln wird, die es dem Zuschauer endlich einmal ermöglicht, sich seine eigenen Gedanken zu machen und der Musik zuzuhören, die zwar noch nicht ganz fertig gebrobt klang, sich aber vielversprechend anhöre. Den größten Teil seines Artikels wird er dann Äußerungen aus Tamino widmen, in denen Fans der Barockoper über Reinhard Keiser lästern und fordern, dass man sich endlich einmal den wahren Opern widmen möge, nämlich denen des französischen Barock. Das aber liest das pp Publikum schon nicht mehr, denn das ist ihm zu speziell.


    Die Staubis werden die Aufführung ebenfalls feiern, weil die Inszenierung endlich einmal das Original perfekt restauriert, denn den Olymp gab es bekanntlich nie, und die Inszenieruhng vermag das Nichts in geradezu vorbildlicher Weise wiederzugeben. Lediglich ein paar Fundamentalisten unter ihnen werden bemängeln, dass es sich bei diesem Rosenstrauch nicht um echte, sondern um Kunstblumen gehandelt hat, was die Illusion authentischer Realität massiv gestört hätte.


    Der Intendant dagegen reibt sich die Hände, weil er nun ein Erfolgsstück hat, das ihn praktisch nichts kostet und den unverhofften Gewinn in eine authentische Exhumierung von Oscar Straus' HUGDIETRICHS BRAUTFAHRT investieren, nachdem er sich zuvor die Rechte an der ersten Wiederaufführung einiger vergessener Meisteroperetten gesichtert und in seinen Vertrag eine Erfolgsprovision eingebaut hat, die es ihm nach dem riesigen Erfolg dieser Exhumierung ermöglichen wird, fortan ohne Subventionen eine ganze Kette erfolgreicher Bühnen zu unterhalten, die sich mit großem Ernst ganz der vermeintlich kleinen Kunst des musikalischen Unterhaltungstheaters widmen. So wird die Buchmesse im Herbst 2010 als die der großen Flut von Operettenbüchern in die Geschicht6e eingehen, der die Schallplattenindustrie natürlich nicht wiederstehen kann, zumal sie endlich wieder über ein großes und qualitativ hochrangiges Repertoire verfügt, das noch NIE aufgenommen, geschweige denn adäquat vermarktet wurde. Schließlich wird auch noch die ARD-Intendantenkonferenz in ihrem üblichen atemberaubenden Reaktionsgeschwindigkeit auf nicht politische Veränderungen der Zeit beschließen, die Samstagabend nicht mehr der Volksmusik, sondern einer Fernsehoperette zu widmen. Um nicht gleich all zu mutig voran zu preschen, wird das erste Stück dieser neuen Sendeschiene eine HIP Aufführung der FLEDERMAUS sein. Da die Schiene ein Erfolg wird, dauert es nur noch Monate, bis RTL eiskalt mit einer Musicalschiene kontert und das ZDF ganz kühn einen CANDIDE dagegen setzt.


    Im Tamino des Jahres 2050 wird dann ein Thread eröffnet werden, der ängstlich spekuliert: "Muss Oper naturalistisch sein um neben der Operette bestehen zu können?"


    Was das mit dem geliebten Adonis zu tun hat, verschweige ich, denn Diskretion über die privaten Geschehnisse hinter der Bühne gehörte schon immer zu meinen großen Stärken.


    :hello: Rideamus

  • Da ich hier ja für den historisch-informierten Geruch auf und vor der Bühne zuständig bin, bin ich Klawirr für diesen Vorschlag natürlich sehr dankbar.


    Die Zeit Ludwigs XIV. war ja bekanntlich in ganz Europa eine stinkende. Und das will natürlich historisch-informiert und nahe am Ideal der Uraufführung realisiert sein.


    Es ist denn auch kein Zufall, dass das Thema des infernalischen Gestanks dieser Zeit schon im ersten und sodann mehrfach wiederholten Vers „Angenehmste Westwinde“ quasi leitmotivisch eingeführt wird. Bereits hier wird der geneigte Zuschauer auf das Kommende, nämlich den ungewaschenen Schäfer mit seinen schlechten Zähnen, geruchs-assoziativ in typisch ironischer Singspiel-Manier vorbereitet.


    Und wie der von der offenbar liebestrunkenen Venus herbeigesehnte Schäfer gestunken haben muss, das liebe Freunde der historisch-informierten Ausstattung, können wir uns angesichts der vielfach bezeugten Tatsache, dass selbst der überaus reichliche Gebrauch von Parfüm am Hofe von Versailles nicht ausgereicht hat, den fürchterlichen königlichen Gestank von Ludwig XIV. zu überdecken, heute kaum mehr vorstellen. Da müssen wir stark sein und uns mit der tiefen Wahrheit trösten, dass die wahre Kunst von uns eben Opfer verlangt!


    Mir schwebt für die historisch-informierte Realisierung der Szene ein schier atemberaubender Gestank vor, der die Nase betäubt und in den Augen brennt. Ich will noch nicht zuviel verraten, aber ich werde an einer ausgefeilten, süßlichen Tinktur aus verschiedenen tierischen Grundstoffen arbeiten, wobei selbstverständlich auch der Auftritt des Löwen seine Berücksichtigung finden soll.


    So macht Oper Spaß!


    Loge

  • :hahahaha:


    Mon Dieu, das ist zuviel für mein Zwerchfell!
    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Lieber Rideamus, ich bewerbe mich auf der Stelle für die Rolle der nciht etablierten Elevin ohne Trikot. Und vergesse auch ganz sicher nicht den Text und brauche auch keinen jungen Adonis hinter der Bühne, ein (nciht stinkender!!!!) Schäfer tuts auch! Für einen solchen Schritt auf der Karreireleiter mit garantiertem Skandal Effekt muss frau eben Opfer bringen. :yes:


    Das ist wirklich der Hammer schlechthin, was ihr hier an Satire auf die Beine stellt und Loges Beitrag müsste nun endgültig allen........ :stumm:



    Aber der arme Medard hat ja noch eine Regietheaterinszenirung auf Lager, die ich zwar aus ästhetischen Gründen ablehne, aber die man zumindest in Erwägung ziehen kann.



    Nenene, bin ich froh, dass ich ein ästhetizistischer Canti bin: eine schön tirilierende Anette Dasch mit Botticelli-Haar als Venus und einige barockstimmige Schäferinnen,(Nathalie Dessay, Patricia Petibon, Miah Persson) dazu Juan Diego Florez als Adonis und Thomas Hampson als Proteus, schon ist unsereins voll zufrieden. :jubel: Was die anhaben, darüber lassen wir mit uns reden-wie gesagt, Trikot mit Goldnetz ist ok. Bei Florez reichen notfalls ein paar Blütenblätter am richtigen Ort und bei Hampson ein Dreizack.


    Eine projizierte Spiegelfläche als Meer würde mir schon reichen und der Delphin darf gerne auch aus dem off kommen. Oder so märchenhaft aussehen wie das Ungeheuer in Bergmanns Zauberflöte-wie gesagt: WIR sind da flexibel, Hauptsache es klingt schön und stinkt nciht! :yes::D
    Deshalb bedufte ich vorsorglich das gazne Theater vorher mit einer Literflasche "Venus".


    Fairy Queen

  • Lieber Rideamus,
    ich glaube Du hast Dich zulange im »Was wäre wenn Oper im richtigen Leben weitergehen würde?« (oder so ähnlich)-Thread rumgetrieben. :D Das war hier eigentlich nicht gefragt, denn dafür gibt’s ja schon einen Thread. ;)
    Ich hatte eigentlich wirklich gehofft, konkrete Ideen und Vorschläge dafür zu finden, wie man eine solche Szene in einer solchen Oper heute auf die Bühne bringen könnte oder wie man sie dort sehen möchte, um dann anhand eines konkreten Beispiels zu diskutieren - und Fairy hat das ja auch schon versucht.
    Daß manchen Leuten Keiser nicht zusagt, ist wohl selbstverständlich bei der Vielfalt der Geschmäcker. Wenn Du mich etwa fragtest, wie ich »La Traviata« oder die »Boheme« inszenieren oder auf der Bühne sehen wollen würde, wäre meine Antwort wahrscheinlich: am liebsten gar nicht! Wenn man mich aber fragte, wie ich es machen würde, wenn ich es müßte - dann könnte mir da schon was einfallen.
    Aber wir können gerne auch zu den akademischen Grundfragen im Parallel-Thread zurückkehren. Das ist eh' eher mein Metier als mich künstlerisch-kreativ zu exponieren...
    Ganz herzlich,
    Medard

  • Lieber Medard,


    wahrscheinlich hast Du Recht und ich habe heute einfach meinen albernen Tag. Kommt ja gelegentlich vor, worunter bislang vor allem der von Dir schon angesprochene Thread zu leiden hatte. Es freut mich aber, dass Du den auch kennst. :D


    Es tut mir Leid, wenn ich Deinen Thread aus dem geplant seriösen Gleis geworfen habe, aber wie Loges parallel gepostetes Konzept zu belegen scheint, fällt es wohl nicht nur mir schwer, Deine Vorlage nicht als ironische Provokation naturalistischer Regiekonzepte zu begreifen. Fairy hat es in der Tat versucht, und eigentlich habe ich nur ihre Anregung in Richtung Regietheater weiter entwickelt. :angel:


    Ein paar Sätze aus der abstrakten Diskussion habe ich ja auch aufgegriffen und umgesetzt. :pfeif:


    Zu Keiser habe ich übrigens gar keine Meinung, da ich so gut wie nichts von ihm kenne und überhaupt nichts, das mich nicht gelangweilt hätte. Daran trägt meine Reserve gegen die Opera seria allgemein sicher mehr Schuld als seine Musik, aber so ist es nun mal. Ich tue mich ja sogar noch mit dem IDOMENEO schwer. Mich hat nur überrascht, wie stark Keiser auch von manchen Liebhabern der Barockoper abgelehnt wird, obwohl ich noch viele Besprechungen in Erinnerung habe, die ihn als echte Entdeckung und einen Großmeister der frühern deutschen Oper feiern. Ein Verdikt gegen seine Serien virtuoser Seria-Arien von mir würde wenig bedeuten, hat allerdings tatsächlich zur Folge, dass ich es vorzöge, ihn nicht zu inszenieren, weil mir dazu einfach nichts einfällt, was ich zeitgemäß interpretieren könnte oder auch nur wollte. Mir fällt halt zur Antike immer nur Offenbach ein, und der ist hier wohl weniger gefragt.


    Das heißt aber nicht, dass andere es nicht ernsthaft könnten und auch versuchen sollten.


    Ich finde Deine Thread-Idee übrigens hervorragend und hoffe, dass sie, ggf. mit anderen Beispielen, fortgeführt wird, weil hier nämlich wirklich die konkrete Auseinandersetzung mit einer sonst zu bequem abstrakten Forderung verlangt wird. Nur ist das, wenn man es ernst nimmt, enorm zeitaufwändig und kann deshalb auch mit gutem Grund, also nicht nur mit Feigheit vor der Herausforderung, verweigert werden.


    Aber wer weiß? Vielleicht versuche ich es wirkich noch einnal ernsthaft an einem anderen Tag. Deshalb wünsche ich diesem Thread viel Glück, denn ich habe zumindest eine Ahnung davon, wie gut er es brauchen kann.


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Lieber Medard,


    wahrscheinlich hast Du Recht und ich habe heute einfach meinen albernen Tag. Kommt ja gelegentlich vor, worunter bislang vor allem der von Dir schon angesprochene Thread zu leiden hatte. Es freut mich aber, dass Du den auch kennst. :D


    Ich bin gut, nicht wahr... :D ;)


    Zitat

    Es tut mir Leid, wenn ich Deinen Thread aus dem geplant seriösen Gleis geworfen habe,


    Dir muß nichts Leid tun und ich bin auch weitaus weniger humorlos als mein Posting vielleicht nahegelegt hat. Fände es nur schade, wenn dieser Versuch gleich nach zwei Beiträgen ausschließlich zur (wenn auch überaus geistreichen und witzigen) Lachnummer werden würde.


    Zitat

    aber wie Loges parallel gepostetes Konzept zu belegen scheint, fällt es wohl nicht nur mir schwer, Deine Vorlage nicht als ironische Provokation naturalistischer Regiekonzepte zu begreifen.


    Das finde ich überhaupt nicht. Es geht ja nicht um naturalistisch hin oder her, sondern um 'historisch korrektes' Dekor oder nicht, und wenn ja, warum und wenn nein, dann warum nicht. Ich halte diese Szene geradezu für eine Provokation sämtlicher denkbarer Regiekonzepte - außer vielleicht des von KSM und Ulli präferierten rekonstruktiven. So sicher - wie Du es zumindest zu sein scheinst - bin ich mir nicht, daß eine Inszenierung, die den Regieanweisungen weitgehend folgt, hier automatisch lächerlich sein müßte. Und Loges Posting ging auch nicht in diese Richtung, sondern wendete sich doch eher gegen die Idee, Regie und »sinnliche« Atmosphäre der Uraufführung rekonstruieren zu können, indem er schlicht diesen Ansatz in seiner letzten Konsequenz überzeichnet hat.


    Jedenfalls halte ich die ausgewählte Szene für weitaus nützlicher, um solche Modelle zu diskutieren, als etwa irendetwas beliebiges aus »Tosca« oder »Macbeth«, weil es da die sog. Fraktionen doch viel leichter haben, a) scheinbar schlüssige Konzepte zu entwerfen und b) Ihre Position dann als womöglich einzig schlüssige zu verteidigen.


    Aber es können ja gerne andere Szenen vorgeschlagen werden.



    Ich habe diese Ahnung auch - hatte auch kaum erwartet, schnell irgendwelche ausgereiften Konzepte vorgeschlagen zu lesen. Aber Fairys Idee ist doch ein bemerkenswerter Anfang; und vielleicht kommen mit der Zeit ja weitere.


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Rideamus
    Mir fällt halt zur Antike immer nur Offenbach ein, und der ist hier wohl weniger gefragt.


    Bei Keiser und einigen Konsorten hätte ich nichts dagegen, eine Theo-Lingen-Kopie über die Bühne zu schicken, die "Als ich einst Prinz war..." näselnd vor sich hin summt. Vielleicht sogar mehrmals. :D

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Zu Keiser habe ich übrigens gar keine Meinung, da ich so gut wie nichts von ihm kenne und überhaupt nichts, das mich nicht gelangweilt hätte. Daran trägt meine Reserve gegen die Opera seria allgemein sicher mehr Schuld als seine Musik, aber so ist es nun mal. Ich tue mich ja sogar noch mit dem IDOMENEO schwer. Mich hat nur überrascht, wie stark Keiser auch von manchen Liebhabern der Barockoper abgelehnt wird, obwohl ich noch viele Besprechungen in Erinnerung habe, die ihn als echte Entdeckung und einen Großmeister der frühern deutschen Oper feiern. Ein Verdikt gegen seine Serien virtuoser Seria-Arien von mir würde wenig bedeuten, hat allerdings tatsächlich zur Folge, dass ich es vorzöge, ihn nicht zu inszenieren, weil mir dazu einfach nichts einfällt, was ich zeitgemäß interpretieren könnte oder auch nur wollte.


    Hm, das hatte ich eben wohl überlesen. Also: ich kann in den drei Keiser Opern, die ich vollständig kenne (einige weitere kenne ich in kurzen Auszügen) beileibe keine Kaskaden von »virtuosen Seria-Arien« vorfinden - verglichen mit so ziemlich jeder Händel-Oper ist das alles geradezu schlicht. Im übrigen ist weder der Croesus , noch der Masaniello eine richtige Seria - vom Geliebten Adonis ganz zu schweigen. Wahrscheinlich ist es der insgesamt eher wenig »repräsentative« und ziemlich unhöfisch Charakter der Keiser-Opern, die sie auch für viele Barockfreunde nicht so recht genießbar machen. Ich find sie gerade deshalb interessant - und in mancher hinsicht wesentlich »zeitgemäßer« als Händes Agrippina oder Rodelinda oder Alessandro oder so ziemlich jede französische Barockoper (was übrigens gar hicht heißt, daß ich diese Sachen nicht mögen würde - im Gegenteil). Aber mit der Frage nach den Möglichkeiten einer »zeitgemäßen« Inszenierung legst Du naklar den Finger in die Wunde des Umgangs mit barocker Oper und barockem Theater. Die Dinger sind schlicht nicht mehr zeitgemäß, in ihrer Thematik und ihrer Symbolik sind sie uns schlicht fremd geworden - vormodern. Das ist der Punkt, den ich meinte, als ich gestern im Dekor-Thread von »historischer Distanz« gesprochen habe, die eine Regiearbeit überwinden muß. So oder so, mit welchen Mitteln auch immer. Und wenn ein solches Übersetzen über die historische Distanz hinweg unmöglich ist, dann soll man so ein Ding auch einfach in Frieden ruhen lassen - das gilt IMO aber dann nicht nur für den armen Keiser, sondern auch für so ziemlich jeden Lully, die meisten (wenn nicht alle) Opern Händels und A. Scarlattis und ohnehin bis auf wenige Ausnahmen für sämtliche Bühnenwerke, die vor, na, ca. 1750 geschrieben worden sind. Das gilt für's Sprechtheater und die Prose genauso. Heute liest auch kaum ein Mensch noch einen Barockroman mit Genuß (der Simplizissimus gilt nicht). Aber wer liest heute Beers »Ritter Hopfensack von der Speckseiten« (übrigens totkomisch, wie ich finde) seinen »Jungfrauenhobel« oder sein »Narrenspital« (von den monströsen »Winternächten und Sommertägen« mal ganz zu schweigen). Also: vielleicht nur noch was für unverbesserliche Fachleute, oder?


    Aber jetzt wird's schon wieder abstrakt...


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Lieber Medard, ich finde deien Idee zwar hervorragend, aber bei allem Respekt: DIESE Szene ist eine Herausforderung zur Satire.
    Ich sehe keine Möglichkeit , ein solches Ambiente nach den Prämissen von Ulli, KSM , Musicophil oder Alfred auf die Bühne zu bringen.
    Loge hat das in grandioser Form satirisch auf den Punkt gebracht .
    Und ich frage noch mal ganz seriös: wie bitte sollen bei einer streng historichen Inszenierung die Kostüme aussehen bei lauter Nackten im Meer, wie die Delphine, Löwen etc, das Meer an sich? Einzig für die Schäferszenen sehe ich eine Chance. Dazu die Tatsache, die Rideamus ebenfalls wunderbar satirisch rausstellte, dass es all das ja gar nciht gibt, also eine weisse Bühne das "historischste" sei.


    Und wenn man es dann als barockes Illusionstheater im Sinne von Ulli oder KSM machen würde und sich an Bühnenbildern der Uraufführung orientierte und dem vielbeschworenen Flair der Zeit, dann muss man erstmal wiederum Loges Post lesen..... und eine Sauerstoffmaske anziehen, wenn man diese "authentisch historische" Aufführung besucht oder mitwirkt......


    Man kann also im Grunde gar nciht umhin, bei dieser Szene zu "modernisieren" und das führt nichts anderes als die Absurdität bestimmter Konzepte vor Augen.
    Diese Aktion finde ich dann jedoch als Satire wesentlich allgemeinverträglciher......... :pfeif:


    Aber ich nehme deine Idee trotzdem wirklich seriös und habe meinen ersten Vorschlag ja bereits unterbreitet. Gute Sänger, die auch äusserlich eine Venus und einen Adonis hergeben, ein märchenhaft romantisches Ambiente sei es im Sinne von Bergmanns Zauberflöte, einfach mit schönen Ideen und guter Personenregie oder aber moderner stilisiertes, ästhetisch ansprechendes Ambiente. Da wäre ich offen.
    Ablehnen würde ich hier jede modernistische Überfrachtung. Sei es mit politischen oder tiefenpsychologischen Deutungen. :no:
    Die Geschichte von Venus und Adonis ist allgemein verständlich und immer aktuell: man verliebt sich rasend in jemanden, der einem gefällt, lässt alle Warnungen der Umwelt ausser Acht und rennt sehenden Auges ins eigene Unglück. Am Ende kommt aber doch noch etwas Gutes dabei raus, weil die Liebe eine metamorphosierende Kraft besitzt und über den Tod hinaus Schmerz in Schönheit(hier die Blume, zu der Adonis wird) verwandelt.
    Wenn diese zentrale Aussage von Ovid mit SCHÖNEN Ideen(also weder Müllhalde ,noch 68 iger :D) irgendwie rüberkommt, wäre ich zufrieden, solange es auch musikalisch stimmt. Venus kann dann meinetwegen auch in Marylin Monroes auf den Körper genähtem Goldlamée- Kleid erscheinen, egal.


    Die Musik des Herrn Keiser kenne ich nciht, kann dazu also leider ncihts beitragen.


    Fairy Queen

  • Es ist natürlich reizvoll, sich als Hobby-Regisseur und -Bühnenbildner zu betätigen - allerdings muss man sich über die Grenzen solcher Gedankenspiele klar sein. (Musik-)Theater arbeitet mit Sprache/Gesang, Bildern und Objekten sowie dem menschlichen Körper. Man kann auf dem (virtuellen) Papier ein dramaturgisches Konzept skizzieren, auch seine Vorstellungen über die Ausstattung und die Vorgänge auf der Bühne darlegen. Ob eine Theateraufführung letztendlich überzeugt, ist von solchen Konzepten aber zumindest relativ unabhängig. Die meisten von uns werden z.B. in Programmheften schon einmal brillante dramaturgische Analysen zu einer Oper gelesen haben, auch intelligente Ausführungen des jeweiligen Regisseurs - und von der dazugehörigen Aufführung maßlos enttäuscht gewesen sein. Dazu kommt, dass Theater auch ein Handwerk ist, das man beherrschen muss.


    Abseits von all diesen Bedenkenträgereien :D - ich sehe zwei Möglichkeiten, die geschilderte Szene in Szene zu setzen:


    1. die "aktualisierte" Variante, wie bereits schon kurz von Medard skizziert (Müllhalde, Bordsteinschwalbe, Post-68er usw.). Potentiale und Gefahren eines solchen Verfahrens sind ja bereits gelegentlich diskutiert worden... Die Aktualisierung kann das Korsett enger oder weiter schnüren - es muss nicht immer alles aufgehen, man kann auf verschiedenen "Zeitebenen" spielen, man kann stärker abstrahieren und nur vereinzelt auf Aktualisierungen zurückgreifen etc.


    2. Die Keiser-Oper ist ist in Inhalt und Struktur sehr eng an barocke Theaterformen gebunden. Diese Bindung kann man - ohne gleich kulturgeschichtlich-rekonstruierend tätig zu werden - aufgreifen, z.B. in Effekten, die dem barocken Maschinentheater entstammen, oder als ein "Theater im Theater": man spielt die Aufführung einer Barockoper, die beiden Sphären vermischen sich, die Fremdheit des barocken Theaterkonzepts wird nicht verleugnet, aber gleichzeitig werden Wege aufgezeigt, die Fremdheit aufzubrechen und mit den archetypischen Situationen Liebe/Trauer etc. Emphase beim heutigen Rezipienten hervorzurufen (und nicht bloß kulturgeschichtliches Interesse) - letzteres m.E. eine ganz wichtige Funktion des Theaters. Als er noch lebte und Barockopern inszeniert hat, sind Herbert Wernicke einige solcher Inszenierungen geglückt (Cavallis "Calisto", von Wernicke inszeniert, hat ja hier Beifall von beiden Seiten des Spektrums bekommen).


    Das war jetzt nicht sonderlich konkret, gebe ich zu. Aber zwei Punkte scheinen mir doch wichtig zu sein:


    - dass die historische Distanz zu einem Werk nicht vorschnell aufgehoben wird, dass man die Fremdheit aber auch nicht einfach "ausstellt", sondern zwischen beiden Ebenen vermittelt


    - dass man Theater als "Spiel" versteht und nicht als totale Illusion, die in einer bestimmten Zeit stattfindet. Theater spielt immer im Hier und Jetzt und kann auf verschiedene Weise auf vergangene Zeiten (z.B. die der Handlung, die der Werkenstehung, auf einen bestimmten Zeitpunkt der Rezeptionsgeschichte etc.) Bezug nehmen.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Lieber Medard, ich finde deien Idee zwar hervorragend, aber bei allem Respekt: DIESE Szene ist eine Herausforderung zur Satire.



    Liebe Maria,
    das stimmt - aber irgendwie fordert nahezu jede Szene der meisten Opern irgendwie den einen oder anderen zur Satire heraus. Und »mit allem Respekt«: man kann sich hin und wieder auch disziplinieren. ;)



    Zitat

    Ich sehe keine Möglichkeit , ein solches Ambiente nach den Prämissen von Ulli, KSM , Musicophil oder Alfred auf die Bühne zu bringen.


    Das sehe ich anders. Man könnte nach einigen Recherchen durchaus eine sehr streng rekostruktive Inszenierung im Sinne von KSMs Konzept auf die Bühne bringen. Außerdem hat Bernd ja gerade dankenswerter Weise ziemlich genau beschrieben, wie eine solche Inszenierung, die barocke Theterkonventionen und Bühnentechnik reflektiert, aussehen könnte, ohne daß man doktrinär rekonstruktiv verfahren müßte.


    Und ich glaube auch immer noch, daß man eine irgendwie »naturalistische« Inszenierung machen könnte: als große Traummaschine mit allem toten Teufel und was sonst noch dazu gehört.


    Zitat

    Loge hat das in grandioser Form satirisch auf den Punkt gebracht .


    Mit Verlaub: Loge hat nicht satirisch auf den Punkt gebracht, daß die Szene nur zur Parodie gereicht - denn die Szene wird in seinem Posting gar nicht parodiert. Er hat satirisch überspitzt dargestellt, wie eine Regiearbeit, die ein barockes Theaterstück so richtig zünftig barockig auf die Bühne bringen will in letzter Konsequenz verfahren müßte. Das hätte auch für jede andere x-beliebige Barockoper Gültigkeit und ist von Herrn Keiser völlig unabhängig.


    Zitat

    Und ich frage noch mal ganz seriös: wie bitte sollen bei einer streng historichen Inszenierung die Kostüme aussehen bei lauter Nackten im Meer, wie die Delphine, Löwen etc, das Meer an sich? Einzig für die Schäferszenen sehe ich eine Chance. Dazu die Tatsache, die Rideamus ebenfalls wunderbar satirisch rausstellte, dass es all das ja gar nciht gibt, also eine weisse Bühne das "historischste" sei.


    Du hast den »Blumentopf« vergessen! Es war gerade die Regieanweisung Er verändert sich in einen Blumentopf, die mich dazu verleitet hat, diese Szene auszuwählen. Ich finde das - zumindest aus heutiger Perspektive - einen wunderbar selbstironischen Kniff des Librettisten. Proteus verwandelt sich nicht (wie später Adonis) in einen wundervollen Rosenstrauch, nicht einmal in ein Gänseblümchen, sondern in einen Blumentopf - der Mythos selbst ist hier schon zur archäologischen Reliquie geschrumpft. Klasse! Genau daran würde ich eben meine Destrukltion des Mythos aufhängen (daher eben auch die Müllhalde - vielleicht sollte es besser ein Schrottplatz werden). So einfach ist das: manches ist eben nicht nur Material für eine Parodie - zumindest dann nicht, wenn man sich mal drauf einläßt.


    Zitat

    Und wenn man es dann als barockes Illusionstheater im Sinne von Ulli oder KSM machen würde und sich an Bühnenbildern der Uraufführung orientierte und dem vielbeschworenen Flair der Zeit, dann muss man erstmal wiederum Loges Post lesen..... und eine Sauerstoffmaske anziehen, wenn man diese "authentisch historische" Aufführung besucht oder mitwirkt......


    Naja, siehe oben. Aber ich weiß auch nicht so richtig, ob Loge da wirklich die notwendigen Konsequenzen eines solchen Ansatzes entwirft, oder ob der Feuerteufel da nicht vornehmlich ein lustiges Gespenst an die Wand malt.


    Zitat

    Man kann also im Grunde gar nciht umhin, bei dieser Szene zu "modernisieren" und das führt nichts anderes als die Absurdität bestimmter Konzepte vor Augen.


    Das sehe ich vollkommen anders. Man (und frau) kann immer anders, wenn wir nur mal über den Schatten unserer Rezeptionskonventionen hüpfen, uns auf eine Sache einlassen und nicht einfach alles nur lächerlich finden, was uns auf den ersten Blick absurd erscheint.


    Zitat

    Diese Aktion finde ich dann jedoch als Satire wesentlich allgemeinverträglciher......... :pfeif:


    Sehe ich naklar anders.


    Zitat

    Aber ich nehme deine Idee trotzdem wirklich seriös und habe meinen ersten Vorschlag ja bereits unterbreitet. Gute Sänger, die auch äusserlich eine Venus und einen Adonis hergeben, ein märchenhaft romantisches Ambiente sei es im Sinne von Bergmanns Zauberflöte, einfach mit schönen Ideen und guter Personenregie oder aber moderner stilisiertes, ästhetisch ansprechendes Ambiente. Da wäre ich offen.


    Ja, über Deinen schönen Vorschlag denke ich auch immer noch nach.
    Aber eine Frage habe ich: was ist »ästhetisch ansprechendes Ambiente«?


    Zitat

    Ablehnen würde ich hier jede modernistische Überfrachtung. Sei es mit politischen oder tiefenpsychologischen Deutungen. :no:


    Eine tiefenpsychologische Deutung würde ich auch ablehnen - das gibt der Text nicht her, da ist weder Tiefenpsychologie noch Oberflächenpsychologie drin. Ob eine politische Deutung möglich ist weiß ich nicht - da müßte man sich das ganze Libretto nochmals daraufhin zu Gemüte führen. Möglich ist aber in jedem Fall eine Interpretation, die die Gültigkeit einer mythischen Deutung von Liebe, Geschichte und Schicksal auslotet. Und genau dahin ging mein Gedanke, das Ganze auf der Müllhalde des Mythos zu verorten und die Figuren zu »entzaubern« (was nicht heißt sie so zu zeigen wie sie wirklich sind, sondern aktuelle Personen/Masken zu finden, in denen sich die mythischen Figuren heute vielleicht verloren haben).


    Zitat

    Die Geschichte von Venus und Adonis ist allgemein verständlich und immer aktuell: man verliebt sich rasend in jemanden, der einem gefällt, lässt alle Warnungen der Umwelt ausser Acht und rennt sehenden Auges ins eigene Unglück. Am Ende kommt aber doch noch etwas Gutes dabei raus, weil die Liebe eine metamorphosierende Kraft besitzt und über den Tod hinaus Schmerz in Schönheit(hier die Blume, zu der Adonis wird) verwandelt.
    Wenn diese zentrale Aussage von Ovid mit SCHÖNEN Ideen(also weder Müllhalde ,noch 68 iger :D) irgendwie rüberkommt, wäre ich zufrieden, solange es auch musikalisch stimmt. Venus kann dann meinetwegen auch in Marylin Monroes auf den Körper genähtem Goldlamée- Kleid erscheinen, egal.


    Genau diese allgemeine Gültigkeit einer archetypische Narration, die Du da siehst, würde ich knallhart gegen den Strich bürsten wollen. Bei mir wäre etwa der Rosenstrauch am Ende allenfalls eine Kunstblume. Aber ich werde darüber noch ein wenig grübeln.


    Zitat

    Die Musik des Herrn Keiser kenne ich nciht, kann dazu also leider ncihts beitragen.
    Fairy Queen


    Solltest Du kennenlernen, finde ich...


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Zitat

    Original von Klawirr


    Dir muß nichts Leid tun und ich bin auch weitaus weniger humorlos als mein Posting vielleicht nahegelegt hat. Fände es nur schade, wenn dieser Versuch gleich nach zwei Beiträgen ausschließlich zur (wenn auch überaus geistreichen und witzigen) Lachnummer werden würde....
    Es geht ja nicht um naturalistisch hin oder her, sondern um 'historisch korrektes' Dekor oder nicht, und wenn ja, warum und wenn nein, dann warum nicht. Ich halte diese Szene geradezu für eine Provokation sämtlicher denkbarer Regiekonzepte - außer vielleicht des von KSM und Ulli präferierten rekonstruktiven. So sicher - wie Du es zumindest zu sein scheinst - bin ich mir nicht, daß eine Inszenierung, die den Regieanweisungen weitgehend folgt, hier automatisch lächerlich sein müßte.
    Ganz herzlich,
    Medard


    Lieber Medard,


    keine Angst, für humiorlos hielt ich Dich absolut nicht. Ich kenne ja auch ein paar andere Postings von Dir. :yes:


    Jetzt habe ich mal meinen ganzen Ernst versammelt, mir bei jpc die dort anspielbaren Ausschnitte aus der Oper angehört und mir getreu dem Motto "Dem Regisseur ist nichts zu schwör" vorgenommen, das Beste aus dieser Aufgabe zu machen, zu dem ich fähig bin (ich weiß: was das schon sein kann).


    Zunächst einmal muss ich Herrn Keiser Abbitte tun. Ich hatte ihn tatsächlich etwas falsch erinnert, bleibe aber - notabene nach den gehörten Ausrissen - bei der Ansicht, dass diese Musik zwar gefällig, auf Dauer aber auch ganz schön eintönig ist. Ich höre sie nicht ungern, aber auf Dauer lieber im Hintergrund.


    Das bringt mich zur ersten von mehreren Fragen, die ich an den Auftrag und das Werk stellen muss:


    1. Was will und kann uns das Stück heute überhaupt noch sagen?
    Gerade die von Dir gewählte Szene mit der Serie von Verwandlungen erinnert mich fatal an einen Disney-Cartoon, in dem sich die Hexe in immer neue Figuren verwandelt (ich glaube es war bei MERLIN UND MIM) und schließlich reingelegt wird, weil sie sich auf Aufforderung in eine Maus verwandelt und unter Glas gesteckt wird. Offensichtlich ging es den Machern darum, das Publikum in Erstaunen zu versetzen und zugleich mit lieblichen Melodien für sich zu gewinnen. Ein wirklicher Respekt vor dem Werk müsste da ansetzen und das berücksichtigen. Eine Modernisierung der Zauberbilder im technischen Sinn erscheint mir erlaubt, nicht aber ein Austausch in eine Welt jenseits der geschilderten Naivität. Hier wird wirklich ein 1:1 verlangt, denn ein intensives Interpretieren oder gar gegen den Strich bürsten greift hier ins Leere. Das Stück zeigt jenseits des hochgeistig Lehrstückhaften seiner Fabel nichts, was es nicht direklt erzählt. Zeitliche Verschiebungen in Müllhalden o.ä. würden das Problem allenfalls verlagern, aber nicht lösen.


    2. Wie gewinne ich das Publikum dafür, die Aufführung zu mögen?
    Da die Fabel recht einfach und auch die Musik nicht gerade ungeheuer komplex oder auch nur besonders vielseitig ist, ernenne ich mich ausnahmsweise zu einem Wiedergänger des Intendanten LaRoche aus CAPRICCIO und versuche das Publikum durch visuelle Effekte mitzureißen. Ich zeige also bei nur sehr teilweise geöffnetem Vorhang eine möglichst naturalistische Pantomime, die dem lebendig gewordenen Bild Botticellis von der Geburt der Venus zu den Klängen der Ouvertüre Keisers entspricht.


    Die Neugier und vielleicht auch die (Woll-) Lust des Publikums auf mehr ist geweckt, und wir wissen außerdem sofort, mit wem wir es zu tun haben.


    Nun öffnet sich der Vorhang ganz und gibt den Blick auf eine noch im Errichten begriffene Dekoration eines Schäferspiels frei, die alle Leute beständig hin und her schieben um die jeweiligen Verwandlungen zu demonstrieren, die (später?) tatsächlich durchgeführt werden. Der Regisseur und die übrigen Mitwirkenden (die Sänger/innen bereits im Kostüm) diskutieren pantomimisch über die optimale Realisation dieser Oper heute. Den Ablauftext dazu muss ich zwar noch schreiben, und es wäre auch zu überlegen, Keisers Instrumentalwerke nach ergänzender Musik zur Pantomime zu durchforsten, aber das ist Detailarbeit.


    Die grundlegende Inszenierungsidee ist eine Variante der endgültigen Fassung von ARIADNE AUF NAXOS, nur nicht als Vorspiel plus Oper, sondern mit der Oper DER GELIEBTE ADONIS gleichzeitig. Das Geschehen läuft darauf hinaus, dass der Regisseur und der Dirigent, wechselweise unterstützt und bekämpft durch den Bühnenarchitekten, die Sänger/innen und das technische Personal sich über die technischen Möglichkeiten der jeweiligen Verwandlungen unterhalten und diese auf der heutigen Höhe der technischen Verwandlungskunst demonstrieren. Natürlich werden wir keinen ganzen Delphin, sondern einen riesigen Delphinkopf zeigen etc. Wichtig ist, dass einfache Illusionen ausdrücklich als solche dargestellt werden, während die besonders schwierigen, ggf. mittels Filmaufnahmen, so naturalistisch wie möglich wirken.


    Nach dieser Brechung greifen wir den normalen Handlungsfaden wieder auf und spielen die Oper eine Weile im Sinne eines Watteauschen Schäferspieles durch, aber die jederzeit mögliche Brechung des Geschehens kann jetzt vom Publikum antizipiert, idealerweise sogar erhofft werden. So wird sich der Zuschauer zunehmend, aber ohne ausdrücklich darauf hingewiesen zu werden, als Teilnehmer der Diskussion von CAPRICCIO fühlen. Am Schluss wird ein stummer Souffleur den verbluteten Adonis von der Bühne schleppen lassen und zu Venus' klagendem Kommentar einen Rosenstrauch aus der Versenkung auftauchen lassen, an den er ein großes Schild mit der Aufschrift "Adonis in aeternam" hängt, und den er dann mit einer grandiosen Verbeugung dem inzwischen längst enthusiastischen Publikum präsentiert. So haben wir die Problematik der Inszenierung zum Kern derselben gemacht und dennoch eine vollgültige Version des Dramas geboten, dessen "Naivität" uns auf einmal niemand mehr übel nimmt.


    Der Grund: das Illusionstheater wird fortlaufend als solches kenntlich gemacht, aber immer wieder auch möglichst vollendet ausgeführt, der Zuschauer also möglichst lange und intensiv in die Welt des Geschehens entführt. Wann immer es zu langweilig zu werden droht, erfolgt eine neuerliche Brechung. Zu überlegen wäre, ob all dies nicht auch von einem Logenpublikum auf der Bühne, das die Funktion der lenkenden Nahaufnahme eines Films übernimmt, mit Beifall, Buhs, Tränen etc. kommentiert wird. Das ist natürlich auch eine Budgetfrage.


    Soweit mein Spontankonzept, das die Aufgabe hoffentlich ernst genug nimmt.


    :hello: Rideamus

  • Lieber Medard, ich habe hier lediglich die "Staubis" der verschiedenen Couleur("Radikale Historisten, "HIP", die Unreflektierten kann ich ja schlecht einbeziehen, wenn sie selbst lieber schweigen) ernst und beim Wort genommen und Loge hat das meiner Meinung nach ebenso getan und ad absurdum geführt.
    Wenn jemand auf streng historisch adäquatem Ambiente besteht z.B einer spaniscchen Halskrause und einer Escorial-Kulisse im Don Carlos, dann gilt dasselbe für diese Keiser-Oper. Also Löwe, Blumentopf, Delphin usw usw So wurde das im entsprechenden Thread gesagt und ich nehme das beim Wortrt. Und was dann mit der nackten Venus im Meer hier passiert sollen die mir auch erst mal sagen! ?(
    Interessanterweise halten sich genau diese Leute ja hier vornehm heraus, denn wie absurd das Alles ist, haben ihnen Loge und Rideamus ja wohl deutlich gezeigt. Dassselbe gilt meines Erachtens noch viel extremer für die radikale HIP Inszenierung-denn Loges Satire zielt im Grunde eher darauf ab und trifft den Nagel auf den Kopf.
    Man kommt nicht umhin, zu Mischformen und gemässigter Annäherung zu greifen. Wieviel oder wie wenig barocker Geist dann da drinnen sein soll, das ist Geschmackssache und mir persönlich sowieso egal, Hauptsache es ist ästhetisch stringent und ein Konzept für mich erkennbar.
    Deine Argumente sind mir viel zu intellektuell und von des Theoriegedankens Blässe angekränkelt. ;) Ich möchte konkrete Dinge hier hören: was machst du mit Löwe, Delphin, Blumentof nackter Venus?
    Im Regietheater kein Problem, das sehe ich auch so aber bei der strengen HIP, die Du ja für machbar hälst, wie geht das da?


    Zwielicht propagiert M.E. bereits, das, was für mich eine eindeutige Mischform ist. "Historisch informiertes Regietheater" nenne ich das mal ganz frech :D
    Damit bin ich vollkommen einverstanden denn das wäre für mich z.B. barock inspirertes Märchen à la Bergmann-Zauberflöte. Ohne den Zwang, das Flair einer Uraufführung mit" Scheinkerzen und Schafgestank" herzustellen.


    Dein Konzept vom reinen Regietheater , das die Liebesauffassung gegen den Strich bürstet finde ich ebenfalls serh diskussionswürdig, obschon es MIR für eine solche Oper nciht gefallen würde. Aber es ist zumindest durchführbar und stringent.


    Ich bin nach wie vor hier in deisem vorliegenden für das historsich informierte Regietheater, das ich schon verscuht habe anzudeuten. Also beim Mythos und Ovids Geschcihte bleiben. Anspielungen , Symbole, phantasievolles Dekor reinbringen mit mehr oder weniger barocken Anklängen, aber keinesfalls naturalistischen Schafe und Löwen und Wasserfluten eigens aus Cythera eingeschifft...... :baeh01:
    Ich habe keine Lust, hier wieder in eine rein theoretische Diskussion abzudriften und beteilige mich in dem Falle auch nciht weiter. Ich möchte nun konkret hören, was die verschiednen Fraktionen hier mit Löwe, Schafen? Delphinen, Venus und Blumentopf machen. Sonst kann m n den Thread genausogutschliessen und im Anderen einfach nahtlos weitermachen. Theoretisieren ist natürlich viel einfacher, das war schon immer so....... :D


    Fairy Queen

  • Lieber Rideamus, bravissimo! :jubel:
    das ist genau das in extremis, was ich unter "historisch informiertem Regietheater" verstehen würde. Und die Idee ,das Ganze als "Film im Film" zu zeigen finde ich genial, denn sie löst fast alle Probleme und müsste theoretisch alle Seiten zufrieden stellen. Die Staubis haben ihren Schäfer, die Regielis ihre Brechung. Fehlen nur noch die tollen Sänger für die Cantis :hello: Was mehr? Du solltest Regisseur im diplomatischen Dienst werden! :jubel:
    Ähnliches habe ich mal in einer Inszenierung des Ré pastore aus Salzburg gesehen, wo auch zwischen Schäferspiel und moderner "Reflektion" abgewechselt wurde und fand das sehr überzeugend.
    Wie kann man denn heutzutage noch "authetisch" ein solches Ding anders auf die Bühne stellen?
    Schade, dass sich hier nciht auch mal die melden, die so etwas für realisierbar halten. :(

  • Zitat

    Die Zeit Ludwigs XIV. war ja bekanntlich in ganz Europa eine stinkende. etc.


    da solltest Du Dich lieber nochmal mit den Quellen auseinandersetzen - denn das was Du da schreibst ist mit absolut nichts belegbar, außer der Geschichtsschreibung um 1870 :no:



    Zur Info:


    Louis XIV verfügte in Versailles über eine Badeappartement das sich über 5 große Säle erstreckte.




    Aber zurück zum Thema.


    Ich denke, wenn die Regieanweisungen sogar noch vorhanden sind, kann man ja damit fabelhaft arbeiten.
    (ich beschränke mich aber jetzt nur auf die Ausstattung der Bühne)


    Vor allem bin ich ein Freund der barocken Bühnentechnik - und da gibt es ja soviele tolle Dinge, die auch recht einfach zu machen sind - und ich würde das so gerne endlich mal sehen.
    Stiche von barocken Opern gibt es zwar einige, aber eben nur von einigen ausgesuchten Werken - man kann sie aber mit Phantasie durchaus weiterspinnen und erahnen was möglich war.



    z.B. gibt es einfache Gestelle mit 3 Walzen die dann gedreht werden. Darüber ist bemalte Leinwand gespannt und auf dem Gestell ist dann ein barocker Delphin aus dessen Maul dieses falsche Wasser läuft.


    Ich glaube wenn man diesen ganzen Firlefanz zusammenträgt, kann das recht bezaubernd wirken. Das Meer wird einfach mit weiteren Walzen dargestellt, die Grotte ist gemalt und ist wie eine Art Torbogen über der Szene zu sehen.
    Das Bühnenbild selbst könnte außer dem Meer noch eine Insel zeigen.


    Wolken kann man über die Szene fliegen lassen, an Strippen.


    Und den Felsen würde ich aber gerne gegen eine große Muschel austauschen, diese taucht mit Hilfe einer Hebebühne zwischen den forderen Wellen auf und öfnnet sich, darin steht Venus - allerdings in einem barocken Kostüm - nichts antikes, eben den barocken Theaterkostümen nachempfunden.
    Die Wellen könnte man mit niedrigen bemalten Kulissen darstellen, die hin und her geschoben werden.
    Zwischen den hinteren Walzen könnten noch Delphine wuseln, indem man die Pappfische an Stäben einfach zwischen den Wellen auftauchen lässt.


    Die Tritonen, haben als Flossen, einfach nur bemalte Kulissen umhängen, so war das damals auch, aber natürlich könnte man das auch mit richtigen Kostümen arrangieren - ich würde das erstere aber bevorzugen.


    Wenn sie auftreten kann das auch mittels Hebebühne passieren, vielleicht kann man das noch mit extra schäumenden Wellen unterstreichen.



    Ich würde nach möglichkeit keine modellierten Kulissen verwenden, sondern stets bemalte Kulissen.



    Das mag vielleicht für manche lächerlich sein, ich würde es aber sehr schön finden.


    :hello:

  • Das Konzept des Lullisten scheint mit mit meinem recht gut vereinbar, denn, liebe Fairy, es geht nicht um Film im Film, sondern um Theater auf dem Theater, das eindeutig als solches kenntlich gemacht wird und bleibt.


    Allerdings sollten wir das so bald wie möglich umsetzen, denn Sängerinnen mit barocken Figuren geraten ja zunehmend aus der Mode, und auf der Botticelliverlebendigung im original barocken Evakostüm bestehe ich - schon um Waldi einen Gefallen zu tun. :untertauch:


    :hello: Rideamus

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  • Lieber Rideamus, nun verstehst du mich wohl absichtlich miss , um mir meine rhetorische Nachlässigkeit vor Augen zu führen :(;)
    Ich habe natürlich nicht Film gemeint, wenn es um Oper geht :no:
    Was der Lullist hier vorschlägt kann ich endlich praktisch nachvollziehen und das ist schon wieder so kurios, dass es sicher als solcher Akt verstanden, dann schon in sich gebrochen ,und damit nicht mehr lächerlich sondern entzückend wäre. :yes:
    Eigentlich würde das deine Zusatzbrechung fast hinfällig machen, denn solange das Ganze mit einem Augenzwinkern und eben nciht mit eiferndem deutschen Bierernst angekündigt würde, wäre die ironische Brechung schon allein dadurch gegeben und jeder Peinlichkeit enthoben.


    Was Botticellis Venus angeht: sie hat absolut KEINE barocke Figur sondern ist rank und renaissanceschlank, auch wenn Waldi das Barocke evtl lieber sähe und es zu einer HIP 1690 besser passt... :angel:

  • Also erstmal ganz herzlichen Dank an Rideamus und den Lullisten für die tollen Konzepte!! Und an Zwielicht und Fairy sowieso, die ja in Vorleistung gegangen waren!!


    Geht doch!!!


    :jubel: :jubel:


    Ich finde die vorgestellten Regiekonzepte überaus interessant und gangbar!! Auch wenn ich selbst das Ganze, wie schon angedeutet, anders machen würde. Das ist das schöne an wirklicher Kunst - sie ist deutungsoffen und läßt ganz unterschiedliche Lesarten zu, wobei immer andere und neue Bedeutungshorizonte erschließbar werden.


    Ich würde etwa die von Rideamus unter Punkt 1 vorgetragenen Aspekte ganz anders sehen (aber nicht unbedingt richtiger). Ich assoziiere keineswegs Disney und eine Hexe im Verwandlunsgswahn. Ich glaube auch nicht, daß Herr Postel hier einfach eine große Bühnenschau abzieht - das auch - sondern zugleich eine ironische Distanz zum zitierten Mythos aufbaut. Das habe ich ja weiter oben schon angedeutet: Proteus verwandelt sich in einen Delphin, eine Feuerflamme, einen Springbrunnen, einen Blumentopf und einen Löwen. Der »Blumentopf« ist - so absurd das auch klingen mag - für mich der Aufhänger. Hier ironisiert der Librettodichter das mythologische Narrativ - und zudem das um 1700 konventionelle emblematische System. In letzteres sind Delphin, Feuerflamme, Springbrunnen und Löwe mit festen Konnotationen eingebunden - der »Blumentopf« nicht. »Blumen« und »Blumensträuße« übrigens schon - »Blumentöpfe« aber definitiv nicht, es gibt sie dort gar nicht (und in Ovids »Metamorphosen« gibt es auch keinen Blumentopf ;) ).


    Weh dem der Symbole sieht!! Ich lese das als ein ironisierendes, ja dekonstruktives Moment, das Postel in das von ihm zitierte mythologische Narrativ still und leise einschleift.


    Was bedeutet das aber? Der Mythos bröckelt, da hat jemand womöglich Zweifel an der Festigkeit des ganzen höfisch-mythenschweren Trara (nicht umsonst ist die Hamburger Oper am Gänsemarkt eine »Bürgeroper« gewesen). Ich glaube, hier bricht sich etwas Bahn, was Bachtin »Volkskultur« oder »Karneval« genannt hat - die Ironisierung der »Hochkultur«.


    So, und genau da würde ich mit meinem Regiekonzept ansetzen: bei der Destruktion eines rostigen Mythos. Derowegen wäre das Setting meiner Inszenierung ein Schrottplatz oder eine Müllhalde, auf der sich (erkennbare) Trümmerstücke antiker Bauwerke und Skulpturen mit Industrieabfall und bunten Plastikmüll ein lustiges Stelldichein geben. »Der See« ist eine Zinkbadewanne neben einem Wohnwagen. Venus ist keine antike Liebesgöttin sondern eine (durchaus nicht nackte) Prostituierte, eine zutiefst verletzte und einsame Bordsteinschwalbe (ihre »Westwind«-Arie ist soooo wehmütig...) im Kunstlederminirock und pinkem Top auf dem vorne in Goldpailetten »Venus« steht und hinten eine URL in der Art von 'www.venus-love.xy' oder so. Proteus ist, wie schon geschrieben, ein abgehalfteter Intellektueller, der sich auf dem Schrottplatz eingerichtet hat und bei Venus Ankunft in seiner Badewanne sitzt - er ist nackt (eine Bankrotterklärung der Weltendeuter und übrigens auch ein guter Grund warum sich dieser seltsam klemmige Misantroph vor der hübschen Venus zu verstecken versucht). Nun ja, und in meiner Inszenierung »verwandelt« sich Proteus auch nicht in irgendetwas, sondern er versteckt sich hinter Schrott- und Abfallteilen, die er gerade auf seiner Halde findet: einen aufblasbaren Delphin, wie man ihn in Freibadshops kaufen kann; einen ausrangierten Nachtspeicherofen; eine Toilettenschüssel; einen auf antik gemachten großen Blechblumentopf mit Motiven aus Ovids »Venus und Adonis«; einen großen, ziemlich abgerissenen Stofftier-Löwen.


    Fortsetzung folgt....


    Liebe Fairy,
    ich hoffe, das ist jetzt in der Tendenz nicht mehr ganz so »theoretisch« wie alles, was ich zuvor hier gepostet habe (aber ich habe auch erst gestern abend angefangen darüber nachzudenken, wie man sowas machen könnte - doch der »Blumentopf« ist mir schon seit Tagen nicht aus dem Kopf gegangen).


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Mir gefallen die Konzepte von Rideamus und Matthias auch sehr gut, und eine Verbindung von beiden wäre vielleicht noch besser, wobei ich dann eventuell auf Rideamus' Zuschauergruppe als vielleicht übergroßem Zeigefinger verzichten würde.


    Bei Medards Ansatz hätte ich ein bisschen Angst, dass es zur Langeweile führen könnte, weil man es so oder so ähnlich schon zu gut kennt. Solche Brechungen sieht man doch heute – pardon – auf jeder Modelleisenbahn. Mir wäre das zu nah am Cäsar in US-Uniform, und das "och nö, nich schon wieder" wäre bei einem Teil des Publikums mit Sicherheit zu erwarten.
    Könnte es da nicht eine weniger brachial-plakative Möglichkeit geben?


    Bei derartigen Inhalten fände ich eine spektakelmäßige, mit ironischen Kleinigkeiten durchsetzte Inszenierung am ehesten angebracht. Versuche, die Story mit Bedeutung aufzuladen, könnten doch im Gähnen enden.


    Seltsam, dass erst Matthias darauf hinweisen musste, dass diese hartnäckige Fabel vom Gestank doch nicht so stimmt, wie es das 19. Jh. behauptet. Da wäre ein bisschen mehr hiP vielleicht auch nicht sooo schlecht. :untertauch:


    Auf jeden Fall großen Respekt vor allen, die hier ihr Hirnschmalz und ihre Zeit investieren. :jubel: :jubel: :jubel:
    Es wäre ja fast jetzt schon zu schade, das Ergebnis hinterher ohne Umsetzung zu den Akten zu legen. Wo soll die Premiere stattfinden? :D

  • Lieber Medard, jetzt ist es mir wirklcih praktisch genug! :D


    Ich merke, dass ich bei all dem Theoretisieren die Leute oft nciht ganz richtig verstehe und das passiert mir in der Ptraxis weit weniger.
    Zumindest kann ich mit allen hier vorgestellten Inszeieirungen etwas anfangen und finde sie alle auf ihre Weise reizvoll. Die vom Lullisten eher als entzückendes Kuriosum. Und Deine als sehr stringent in ihrer Weise aber meiner Auffassung einer Barockoper nciht angemessen. Ich hätte da eher Angst, dass der "Bierernst" und die Bedeutungsüberfrachtung den barocken Geist ermordet. Oder wie Hildebrandt schreibt, überdruss erzeugt.
    Allerdings: bevor ich den Charakter der Keiser Musik nciht kenne, ist ein Urteil nur Stûckwerk.
    Das Ganze sollte in jedem Fall auch noch mit einer etwas bekannteren Szene durchgespielt werden.
    Und einer naturalistische Inszenierung der Historisten-Fraktion(im Gegensatz zu der HIP von Lullist) würde mich auch interessieren.
    Fairy Queen

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Allerdings: bevor ich den Charakter der Keiser Musik nciht kenne, ist ein Urteil nur Stûckwerk.


    Liebe Fairy Queen,


    das finde ich hier so sympathisch, dass man hier über Musik - und dann erst über Interpret(en/ationen) spricht. Ich gehöre zu den Bewunderern von Keisers Kunst, die sollte man mal in einem anderen Thread ausführlicher vorstellen. Das von Medard angesprochene Werk kenne ich leider noch nicht, habe es mir aber jetzt bei jpc bestellt.


    Liebe Grüße Peter

  • Liebe Maria, lieber Hildebrand,
    ich kann Euch in allen Punkten nur zustimmen! Allerdings finde ich das Konzept des Lullisten durchaus interessant und würde gern einmal eine solche Inszenierung sehen. Wenn die musikalischec Darbierung hervorragend ist und es zudem gelingt, das barocke »Kulissieren« nicht ins Lächerliche abgleiten zu lassen, könnte das ein überaus vergnüglicher Opernabend werden! Würde mir eine solche Inszenierung sicherlich mehrmals anschauen.


    Was Hildebrands Einwand der potentiellen Langeweile im Müllhaldenkonzept angeht, sehe ich das Problem durchaus auch. Hängt sicherlich von der Stringenz ab, mit der sich das Konzept über die gesamte Oper durchhalten läßt und zudem von der Überzeugungskraft der singenden Schauspieler – und das ist mir wichtig: ich gehe, wenn es um »Operinszenierungen« geht, immer vom Schauspiel aus, nicht von der Musik. Das ist vielleicht eine persönliche Marotte, aber das ist so.


    Eine Parallelität zu Inszenierungen von Händels »Julius Caesar« in der Uniform eines US-Amerikanischen Offiziers sehe ich so nicht. Warum nicht? Eine solche Inszenierung geht von einer IMO recht oberflächlichen Beobachtung aus: Aha, Julius Caesar ist ein europäischer Feldherr, der als Eroberer in ein orientalischen Land kommt. Das haben wir heute doch auch, oder: Amerikaner in Afghanistan und im Irak. Klar: das Ding ist deshalb aktuell. Also stecke ich Caesar in eine amerikanische Militäruniform, Cleopatra und alle anderen ägyptischen Frauen in eine Burka. Fertig ist die aktualisierende Inszenierung! Leider übersieht ein solches Konzept, daß es in Händels »Julius Caesar« gar nicht zuvorderst um Machtpolitik, erst recht nicht um kulturelle Vorurteile und interkulturelle Mißverständnisse geht (Caesar und Cleopatra verstehen sich eigentlich doch nahezu blendend – andere Opern thematisieren sowas durchaus, etwa Meyerbeers »Afrikanerin«). Ein solches Regiekonzept verwechselt schlicht das Setting der Oper mit dem Plot. Es ist eigentlich eine »historisch korrekte« Inszenierung in falschen Kostümen und Kulissen, ein traditionelles und zudem zutiefst historisch desinformiertes Regiekonzept, das sich für den Text eigentlich gar nicht interessiert oder ihn zumindest nicht wirklich ernst nimmt (wobei das so allgemein natürlich nicht stimmt, denn Peter Sellers etwa, der den »Julius Caesar« ja ungefähr in diesem Stil inszeniert hat, macht da schon etwas mehr draus...), sondern nur oberflächliche Homologien als Aufhänger beobachtet, die aber keineswegs Analogien sind und zudem für das Werk nebensächlich.


    Meine Idee basiert auf einem expliziten Ernstnehmen des Textes in seiner mythologischen, semiotischen und emblematischen Struktur. Ich würde gern etwas in Szene gesetzt sehen, was im Text selbst geschieht: das Unterlaufen des Mythos, der erzählt wird; das implizite Infragestellen von dessen Gültigkeit. Der Text ist eben in einer bestimmten Hinsicht subversiv. Daß meine Szenerie etwas brachial und uninspiriert ist, liegt an mir (das mit der künstlerischen Inspiration klappt bei mir nicht so, deshalb bnin ich ja auch kein Künstler und erst recht kein Regisseur geworden) – andere (Konwitschny etwa oder Frank-Patrick Steckel, der allerdings meines Wissens leider keine Opern inszeniert) könnten aus einer solchen Beobachtungen vielleicht etwas subtileres und ansprechenderes machen.


    Es ist mir einfach nur wichtig, deutlich zu machen, daß ein »modernisierendes« Regiekonzept, nicht unbeding einfach nur aus der fixen Idee eines Regisseurs entspringt (ich habe überhaupt keine Müllhalden- oder Bordsteinschwalbenfixierung), sondern aus einer ernsthaften und überaus historisch informierten Auseinandersetzung mit dem Text, mit dem Narrativ, seinen Kontexten, seinen Tiefen und Untiefen enspringen kann. Es gibt nämlich durchaus soetwas wie »historisch informiertes Regietheater«, das nicht den Text einfach zertrümmert oder belibig bunt irgendwohin verrückt, sondern in all seinen Dimensionen ernst nimmt und nach Aspekten sucht, die eine Vergegenwärtigung ermöglichen könnten.


    Ob die Musik für ein Regiekonzept wirklich wichtig ist, weiß ich bisher nicht. Kann ich mir auch nicht so recht vorstellen (könnte man vielleicht in einem eigenen Thread diskutieren) – außer insofern als der Charakter der Musik bestimmte Assoziationen unmittelbar ausschließt. Die melancholische Stimmung der ersten Arie des Venus etwa, würde wohl kaum zu einer grellen Parodie der Szenerie herausfordern.


    Ich fände es schön, wenn jemand anderes eine weitere Szene vorschlagen würde...


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Lieber Medard,


    um es vorab zu sagen: mir hat Dein Konzept sehr gefallen. Was mich am meisten überrascht hat, war das Ausmaß, in dem mich das Bild berührte und Dein ingeniöser Umgang mit den Objekten der Verwandlung. Dazu sollte man nicht vergessen, dass Du es auch sehr schön und eindringlich beschrieben hast. Würde Deine Inszenierung der emotionalen Kraft ihrer Beschreibung gerecht und wäre sie die erste ihrer Art eines solchen Stoffes, sie wurde zu Recht Begeisterung hervorrufen.


    Leider ist Dein Setting heutzutage aber nachgerade der automatische Einfall eiones Regisseurs, wenn er mit dem originalen nichts anfangen kann. Auch wenn ich gerne einräume, dass Deine Assoziation angemessener ist als in vielen anderen Fällen und Du sehr viele schöne Funken im Detail daraus zu schlagen verstehst, es verrät doch auch - ebenso wie mein Konzept - eine gewisse Hilflosigkeit gegenüber der Herausforderung einer direkten Umsetzung des Originals.


    Höchst problematisch finde ich allerdings diesen Satz:
    "Ob die Musik für ein Regiekonzept wirklich wichtig ist, weiß ich bisher nicht."
    Wenn sie es wirklich nicht sein sollte, warum dann überhaupt Oper inszenieren? Eine der schlimmen Sünden der rücksichtslosen Aktualisierung historischer Opernsettings ist für mich die Ignorierung des Charakters der Musik und der Assoziationen, die wir damit verbinden. Ein Caesar im Kostüm eines amerikanische Generals beschädigt die Musik und Caesar (von mir aus auch den General), und es bedarf eines nachvollziehbaren aufklärerischen Gedankens um zu rechtfertigen, dass etwas in einem neu geschaffenen Zusammenhang falsch klingt, was im richtigen durchaus am Platz ist.


    Hier habe ich das Problem: soweit ich Keisers Musik kenne, was, wie gesagt, sehr begrenzt ist, verbinde ich damit sofort ein bestimmtes Schäferspiel-Setting, dessen Darstellung für mich zu einem runden Werk gehört. Wenn man diesen Cocon aufbricht, muss man dafür eine Begründung liefern. Es genügt mir nicht, zu demonstrieren, dass Verlorenheit und blinde Liebe auch auf einer Müllhalde zu finden ist (wo sonst eigentlich, wenn nicht dort?), ich möchte zunächst einmal begreifen, warum das in diesem vermeintlich so elysischen Setting der Fall ist. Das hat nichts mit Tiefenpsychologie zu tun, sondern mit dem Begreifen, Vermitteln und Nachvollzug des Umstands, dass unsere Vorväter (und -mütter) psychische Proboleme und Verwicklungen, zu deren Erklärung ihnen die Instrumente und das Vokabular fehlten, gerne in abstrakte Götter hinein projizierten um sie greifbarer zu machen.


    Damit müsste sich eine ernsthafte Regie beschäftigen und dabei vermeiden, dass das Ergebnis einer Restauration mit der Maschinerie des Barocktheaters einfach putzig wirkt und damit in die Nähe einer liebenswerten, aber doch sehr distanziert goutierten Marionettenaufführung rückt.


    Insofern hoffe ich, Don Basilios Anmerkung auch als ein Versprechen auffassen zu dürfen und freue mich auf den Vorschlag eines weiteren Anhängers der Barockoper.


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Lieber Medard,


    um es vorab zu sagen: mir hat Dein Konzept sehr gefallen. Was mich am meisten überrascht hat, war das Ausmaß, in dem mich das Bild berührte und Dein ingeniöser Umgang mit den Objekten der Verwandlung. Dazu sollte man nicht vergessen, dass Du es auch sehr schön und eindringlich beschrieben hast. Würde Deine Inszenierung der emotionalen Kraft ihrer Beschreibung gerecht und wäre sie die erste ihrer Art eines solchen Stoffes, sie wurde zu Recht Begeisterung hervorrufen.


    Leider ist Dein Setting heutzutage aber nachgerade der automatische Einfall eiones Regisseurs, wenn er mit dem originalen nichts anfangen kann. Auch wenn ich gerne einräume, dass Deine Assoziation angemessener ist als in vielen anderen Fällen und Du sehr viele schöne Funken im Detail daraus zu schlagen verstehst, es verrät doch auch - ebenso wie mein Konzept - eine gewisse Hilflosigkeit gegenüber der Herausforderung einer direkten Umsetzung des Originals.


    Ja, das ist das Dumme, weil Leuten heute nur noch Müll einfällt :D - ob's zur Sache paßt oder nicht. Hilflos ist es in jedem Fall - vielleicht aber aben auch deshalb, weil es phantasielos ist. Andere könnten aus ähnlichen Beobachtungen vielleicht deutlich besseres machen - und das ist jetzt keine Koketterie oder ein fishing for compliments.


    Zitat

    Höchst problematisch finde ich allerdings diesen Satz:
    "Ob die Musik für ein Regiekonzept wirklich wichtig ist, weiß ich bisher nicht."
    Wenn sie es wirklich nicht sein sollte, warum dann überhaupt Oper inszenieren?


    Da habe ich mich sicherlich etwas ungeschickt ausgedrückt - und eigentlich den Satz im Nachsatz ja schon in die Richtung verschoben, die Du im folgenden ausgeführt hast. Ich hätte vielleicht schreiben sollen: »In welchem Ausmaß die Musik für ein Regiekonzept wichtig ist, weiß ich bisher nicht.« Der Satz würde mein Problem wesentlich besser treffen: Natürlich ist die Musik wichtig (das habe ich selbst im Nachsatz deutlich gemacht, denn sie forciert oder »verbietet« bestimmte Assoziationen) - sonst brauchte man, da hast Du recht, gar nicht damit beginnen, eine Oper zu inszenieren. Aber in »welchem Ausmaß« sie letztlich für das Regiekonzept bestimmend sein muß, das weiß ich bisher nicht - wobei das »weiß ich bisher nicht« keinen Zweifel daran formuliert, daß der Musik Bedeutung für die Inszenierung zukommt, sondern eher eine bei mir persönlich vorliegende Unsicherheit hinsichtlich der Reichweite dieser Bedeutung.


    Zitat

    Eine der schlimmen Sünden der rücksichtslosen Aktualisierung historischer Opernsettings ist für mich die Ignorierung des Charakters der Musik und der Assoziationen, die wir damit verbinden. Ein Caesar im Kostüm eines amerikanische Generals beschädigt die Musik und Caesar (von mir aus auch den General), und es bedarf eines nachvollziehbaren aufklärerischen Gedankens um zu rechtfertigen, dass etwas in einem neu geschaffenen Zusammenhang falsch klingt, was im richtigen durchaus am Platz ist.


    Da bin ich ganz Deiner Meinung! - und hatte das doch auch in meiner Abgrenzung von solchen seltsamen Caesaren in US-Uniform deutlich gemacht.


    Zitat

    Hier habe ich das Problem: soweit ich Keisers Musik kenne, was, wie gesagt, sehr begrenzt ist, verbinde ich damit sofort ein bestimmtes Schäferspiel-Setting, dessen Darstellung für mich zu einem runden Werk gehört. Wenn man diesen Cocon aufbricht, muss man dafür eine Begründung liefern. Es genügt mir nicht, zu demonstrieren, dass Verlorenheit und blinde Liebe auch auf einer Müllhalde zu finden ist (wo sonst eigentlich, wenn nicht dort?), ich möchte zunächst einmal begreifen, warum das in diesem vermeintlich so elysischen Setting der Fall ist. Das hat nichts mit Tiefenpsychologie zu tun, sondern mit dem Begreifen, Vermitteln und Nachvollzug des Umstands, dass unsere Vorväter (und -mütter) psychische Proboleme und Verwicklungen, zu deren Erklärung ihnen die Instrumente und das Vokabular fehlten, gerne in abstrakte Götter hinein projizierten um sie greifbarer zu machen.


    Ja siehst Du - verschiedene Personen, lesen ganz unterschiedliche Dinge in den selben Texten - ohne daß die eine oder die andere Lesart falsch sein muß. Nicht die »verlorene Liebe« ist für mich der Aufhänger, sondern die Dysfunktion des mythologischen Narrativs. Das hatte ich eigentlich deutlich zu machen versucht. Die verlorene Liebe ist nicht auf der Müllhalde zu finden, sondern der Mythos ist heute ein Schrottplatz oder Recyclinghof auf dem fragmentierte Versatzstücke herumliegen und »zitiert« werden können. Mit Psychologie hat das nun wahrlich nichts zu tun ;) . Und die Musik scheint mir in der ersten Szene dieser Lesart nicht zu widersprechen.


    Zitat

    Damit müsste sich eine ernsthafte Regie beschäftigen und dabei vermeiden, dass das Ergebnis einer Restauration mit der Maschinerie des Barocktheaters einfach putzig wirkt und damit in die Nähe einer liebenswerten, aber doch sehr distanziert goutierten Marionettenaufführung rückt.


    Auch da bin ich ganz Deiner Meinung. Wenn man die barocke Theatermaschienerie anwirft, darf dies nicht zur Karikatur werden.


    Zitat

    Insofern hoffe ich, Don Basilios Anmerkung auch als ein Versprechen auffassen zu dürfen und freue mich auf den Vorschlag eines weiteren Anhängers der Barockoper.


    :hello: Rideamus


    Ich auch!


    Ganz herzlich,
    Medard


  • Lieber Lullist,


    schwierig auf so etwas zu erwidern. Ich versuchs mal:


    1. erstreckten sich Ludwigs Baderäume nicht über ganz Europa.


    2. habe ich keine Geschichtsbücher und Quellen von 1870, sondern nur solche aus dem 20. und 21. Jahrhundert, und die beschreiben nachvollziehbar, dass es im 17. und 18. Jahrhundert recht schnell barbarisch riechen konnte, wenn Menschen zusammenkamen oder -lebten. Der Mühe, Dir hierzu eine Quelle zu nennen, unterziehe ich mich erst, wenn Du mir eine einzige seriöse Quelle angeben kannst, aus der hervorgeht, dass es zu jener Zeit den heutigen Vorstellungen gemäß in den Straßen erträglich roch. Ich bin sehr gespannt!


    3. ich gerate selbst heute an Menschen, die ihre sanitären Anlagen nicht zu nutzen scheinen, und von Ludwig XIV. ist überliefert, dass er Körperschweiß in Puderkruste geradezu liebte und im Beisein anderer trotz der im Schloss vorhandenen Toilettenanlagen mit Vorliebe hinter bodenlange Vorhänge schiss.


    4. auch Lully roch vermutlich wie ein Iltis, was aber seiner Musik keinen Abbruch tut (wenn Dir das hilft).


    Loge

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