Mediziner in der Oper - Die Rache des Patienten ?

  • Vorab sei mal gesagt, daß der Threadtitel scherzhaft gemeint ist.


    Aber es ist schon auffällig wie negativ Ärzte und Apotheker in Opern wegkommen. Vielleicht liegt es daran, daß der "Dottore" schon zu Zeiten der "Commedia dell`Arte" eine beliebte Figur war, über die man gerne spottete.


    In Molieres "Malade imaginaire" wird ja geradezu ein Feuerwerk von Bosheiten über Ärzte - und nicht minder über Apotheker - losgelassen.


    Opern wie Dittersdorfs "Doktor und Apotheker" (ich komme im Laufe des Threads gerne drauf zurück ;) ) setzen diese Tradition in bewährter Manier fort.


    Mir fallen auf Anhieb gleich fünf Opern ein, wo die Mdizin an sich mehr oder weniger verunglimpft oder lächerlich dargestellt wird - Aber ich möchte auch Euch "arbeiten" lassen.
    Es gibt feine (und weniger feine) Anspielungen auf reale Personen, Usancen und medizinische Moden - alle kenne ich wahrscheinlich selber nicht, aber es wäre vielleich nicht uninteressant, die "medizynischen" Stellen im Kontekt der Zeit, in der sie geschrieben wurden zu beleuchten...


    Viel Spaß am Thema
    wünscht Euch
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    Hoffentlich gelten falsche Ärzte auch, und natürlich müssen wir korrekt und geschlechterneutral verfahren. Daher sei alsogleich an Despina als falscher Doktor erinnert, aber war das die erste Ärztin auf der Opernbühne? Das weiß ich nun nicht. Ist wohl eine Ulli-Frage...
    Despinas Heilmethode galt jedenfalls schon zur Entstehungszeit der "Cosi" nicht mehr als ernstzunehmende Therapie.
    Der Dottore ist übrigens eine Figur der Commedia dell'arte.


    Rossini kennen sowieso alle. Donizetti die meisten (Dottore Malatesta).


    LG


    Waldi

  • Hallo Alfred,


    schon mal vorab danke, dies wird bestimmt ein ergiebiger Thread.


    Ich glaube, dass die Dottores auch deshalb so schlecht wegkommen, weil die meisten ja keine richtigen sind.


    Man denke an den Quacksalber Dulcamara in Donizettis L'elisir d'amore.


    In Cosi fan Tutte verkleidet sich Despina in einen Dottore und wendet Methoden nach dem umstrittenen Magnetismus von Franz Anton Mesmer an.


    Le Docteur Miracle (alias Lindorf pp) in Les Contes d'Hoffmann/Offenbach
    verordnet Antonia sogar eine todbringende Therapie.


    In Lulu/Alban Berg hat allerdings ein wirklicher Medizinalrat eine kurze, wenn auch tragische Rolle.


    Mehr fällt mir momentan zu diesem Thema nicht ein.


    :hello:


    Emotione

  • Despina war ja nicht die erste "Ärztin" auf der Opernbühne.
    Zum einen war sie ja keine, siondern nur ein Dienstmädchen - zum anderen spielt dieses Dienstmädchen ja eienen "Arzt" und keine "Ärtzin" - Molieres Toinette lässt hier grüßen - das Vorbild ist in diesem Falle kaum zu übersehen.


    Es ist umstritten, ob Mozart hier dem Förderer und Gönner Dr. Mesmer ein heiteres musikalisches Denkmal setzen wollte, oder ob er sich über dei mesmersche die mesmersche Heilmethode an sich lustig machen wollte.


    Ebensowenig ist man sich heut in der Beurteilung Mesmers einig: Meinen die einen einen Scharlatan in seiner Person zu erblicken - sehen andere in ihm eine Vorläufer diverser Hypnose - und Suggestionstechniken. Alternativmediziner sehen das natürlich völlig anders.


    Festzuhalten wäre, daß seine Methode weitgehend erfolgreich war - trotz der vernichtenden Urteile der medizinischen Kommissionen in Wien und Paris. - und daß er seit 1766 Doktor der Medizin war. Problematisch war meiner Meinung nach, sein Versuch ein Phänomen "wissenschaftlich" zu erklären - welches bis heute nicht erklärt werden konnte.


    Egal wie und warum diese Szene der Opernliteratur geschrieben wurde - sie zählt zum heitersten was je in einer Mozart-Oper zu sehen war....


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wenn auch von Doktor Mirakel schon die Rede war, sollte man keineswegs LE DOCTEUR MIRACLE vergessen, die hübsche Operette von Georges Bizet, von der gerade in dem Bizet-Thread ausführlich die Rede war.


    :hello: Rideamus

  • Kurz und tragisch auch die Rolle des Arztes in "La Traviata", der seiner Patientin nicht helfen kann - gegen SChwindsucht gab es im 19. Jhdt. außer Luftveränderung keine Therapie, meist war der Krankheitsverlauf tödlich.
    lg Severina :hello:

  • Violettas Arzt: Dr. Grenvil, n'est pas?


    Rideamus vielen Dank auf den Docteur Miracle von Georges Bizet :hello:


    ... kann es eigentlich sein, dass sich die meisten Dottores in Oper und Operette mehrheitlich dadurch auszeichnen, dass sie eigentlich nur vorgeben, welche zu sein??? :wacky:


    Der Herr Doktor aus La traviata ist da ja fast schon eine Ausnahme...

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    ... kann es eigentlich sein, dass sich die meisten Dottores in Oper und Operette mehrheitlich dadurch auszeichnen, dass sie eigentlich nur vorgeben, welche zu sein???


    Nein, nein, es gibt schon echte....


    So zum Beispiel in "Doktor und Apotheker" von Dittersdorf


    Die Rivalität zwischen Apotheker Stössel und dem Arzt Dr Krautmann



    "Ein Doktor ist bei meiner Ehr der grösste Mann im Staate"


    In dieser Arie erklärt Krautmann mehr oder weniger, daß der Arzt Herr über Leben und Tod sei......



    Auch interessant zu hören der Disput der beiden Kontrahenden


    "Sie Sind ein Scharlatan - ein Ignorant"


    oder die Arie von Stössel


    "Galenos und Hippokrates sind gegen mich nur Stümper"


    wo er sich schon als berühmter Arzt sieht


    "dann reiß ich mich stolz aus dem niedren Gewimmel
    und glänz vor allen wie Venus am Himmel
    dann werden sie vor mich sich bücken und drehen
    und ich werd verächtlich auf sie herab sehen
    Dann Apothek,e gute Nacht
    dann zier ich das Katheder
    von mir lernt dan ein jeder
    welch seltne und geheime Macht
    ich durch Chemie hervorgebracht ....


    (in Wahrheit braut er nur experimentele Säfte, bei deren Genuss man stirbt)


    Heute gibt es sowa natürlich längst nicht mehr


    :baeh01:


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von severina
    Kurz und tragisch auch die Rolle des Arztes in "La Traviata", der seiner Patientin nicht helfen kann - gegen SChwindsucht gab es im 19. Jhdt. außer Luftveränderung keine Therapie, meist war der Krankheitsverlauf tödlich.
    lg Severina :hello:


    Ähnlich: Im Schlussakt von La Bohème wird das Kommen des Arztes durch Marcello angekündigt, Mimi stirbt aber vorher.


    LG
    Rosenkavalier

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  • Ein ganz übles Exemplar ist der Doktor in Bergs Wozzek. Schon die erste Szene, zeigt seine Experimentierfreude (Bohnenfutter für das Versuchskaninchen Wozzek):


    Doktor:
    Hab' ich nicht nachgewiesen,
    dass das Zwerchfell dem Willen unterworfen ist?
    (wieder auffahrend)
    Die Natur, Wozzeck! Der Mensch ist frei!
    In dem Menschen verklärt sich die Individualität zur Freiheit!
    (kopfschüttelnd, mehr zu sich)
    Husten müssen!
    (wieder zu Wozzeck)
    Hat Er schon seine Bohnen gegessen, Wozzeck?
    Nichts als Bohnen, nichts als Hülsenfrüchte! Merk' Er sich's!
    Die nächste Woche fangen wir dann mit Schöpsenfleisch an.
    Es gibt eine Revolution in der Wissenschaft:
    (an den Fingern aufzählend)
    Eiweiss, Fette, Kohlenhydrate;
    und zwar: Oxyaldehydanhydride…
    (plötzlich empört)
    Aber, Er hat wieder gehustet!


    ... das ist ja keine Satire mehr sondern die Beschreibung grausiger Menschenexperimente.


    Gruß Winfried

    Beste Grüße!

  • Köstlich natürlich auch der menschenverachtende, verückte Doktor in Bergs Wozzeck.




    Ich habs gesehen, Wozzeck, Er hat wieder gehustet [gepisst], auf der/die Strasse gehustet/gepisst wie ein Hund, gebellt/gepisst wie ein Hund! Geb ich ihm dafür alle zwei Tage einen Groschen? Wozzeck! Das ist schlecht! Die Welt ist schlecht, sehr schlecht! (stöhnend) Oh!


    ...


    (aber wenn einem) Die Natur kommt! Die Natur kommt! Aberglaube, abscheulicher Aberglaube! Hab ich nicht nachgewiesen, dass das Zwerchfell/die Blase dem Willen unterworfen ist? Die Natur, Wozzeck! Der Menh ist frei! In dem Menschen verklärt sich die Individualität zur Freiheit! Hat er schon seinen Bohnen gegessen, Wozzeck?


    ...


    Ich ärgere mch nicht, ärgern ist ungesund, ist unwissenschaftlich! Ich bin ganz ruhig, mein Puls hat meine gewöhnlichen sechzig, behüt, wer wird sich über einen Menschen ärgern! (mit Wärme) Wenn es noch ein Molch wäre, der einem unpässlich wird.


    Wozzeck, er kommt ins Narrenhaus. Er hat eine schöne fixe Idee, eine köstliche aberratio mentalis partilis, zweite Spezies! Sehr schön ausgebildet! Wozzeck, er kriegt noch mehr Zulage! ...


    Was muß Er tun? Was? Bohnen essen, dann Schöpsenfelisch essen, nicht husten [pissen], seinen Hauptmann rasieren, dazwischen die fixe Idee pflegen! (immer mehr in Extase geratend) Oh! Meine Theorie! Oh mein Ruhm! Ich werde unsterblich! Unsterblich! Unsterblich! (plötzlich wieder ganz sachlich) Wozzeck, zeig ermir jetzt die Zunge...

  • Liebe Medicoanhänger und -skeptiker,


    Ich habe es nun einmal mit den Ärzten unter Anführungszeichen. Tiere sind auch Menschen, daher: Hans Stadinger, nicht nur Waffenschmied von Lortzings Gnaden sondern auch berühmter Tierarzt. Wenn ihn sein Noch-nicht-Eidam aber schriftlich als "Hochgelahrter Doktor" anstrudelt, so ist das leicht übertrieben. Dem Angesprochenen freilich gefällt's. Und mich erbaut's.


    LG


    Waldi

  • ich möchte nochmals Dr Dulcamara erwähnen - ja in manchen Opernführern ist er so verzeichnet.
    In der Regel steht dort aber im Verzeichnis der handelnden Personen : Dulcamara - ein Quacksalber


    Zitat

    Im Volksmund wurde der Begriff des Quacksalbers ursprünglich für Personen benutzt, die ohne einen festen Praxisraum der Heilkunde nachgingen und dafür eine Vergütung verlangten oder erhielten.


    Genau das machte Dulcamara - die Methoden waren unterschiedlich, auch ausgebildete Ärzte warben für ihre teilweise obskuren Heilmethoden auf Marktschreierische Art.


    So z.B. der Wundarzt Dr. Christian Eisenbarth


    Uber den gibt es folgendes Lied:



    In der Tat soll er markschreierisch für seine Augenoperationen geworben haben - aber er war äusserst erfolgreich.


    ____________________________________



    Man kann - so man will - die Oper der Liebestrank (Donizettis Vertonung ist bereits die zweite, es gab schon vorher eine Oper dieses Namens - von Daniel Francois Esprit AUBER - Die Textvorlage stammte ursprünglich - wie so oft -von Eugen Scribe) als erste Beschreibung des Placebo Effekts betrachten - oder aber als geglücktes Exempel einer Suggestivbehandlung
    Das ist Geschmackssache.....


    Jedenfalls erreicht Dr (?) Dulcamara, genau das, was er Nemorino versprochen hat. In dieser Beziehung erweist sich das Werk als im besten Sinne des Wortes doppelbödig.


    Siehe auch den Thread:


    Triumph des Quacksalbers - Gaetano Donizetti: L´Elisir d´Amore


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    das habe ich nun davon, dass ich mein geplantes Rätsel zur Ausübung von Heilkunde auf der Opernbühne so lange unfertig habe liegen lassen :D


    Und große Teile meiner Stoffsammlung wurden inzwischen auch genannt....


    Ergänzen möchte ich


    - den Chirurgen in LA FORZA DEL DESTINO


    - Haydns APOTHEKER


    - und einen weiteren Apotheker, der in der Oper ADRIANA LECOUVREUR aber nicht selbst auftritt - "Lo zio di Carcassona" ist der Onkel und Erblasser Michonnets.


    Zwei weitere Beispiele der (vermeindlichen) Heilkunde:


    Zerlina in DON GIOVANNI, nachdem Masetto Prügel eingesteckt hat,


    und natürlich das geheimnisvolle Kraut der Ulrica Arvidson in UN BALLO IN MASCHERA.


    :hello:


    Elisabeth