Die Bachkantate (147): BWV149: Man singet mit Freuden vom Sieg

  • BWV 149: Man singet mit Freuden vom Sieg
    Kantate zum Michaelistag (Leipzig, 29. September 1728 oder 1729)




    Lesungen:
    Epistel: Offenbarung 12,7-12 (Michaels Kampf mit dem Drachen)
    Evangelium: Matth. 18,1-11 (Den Kindern gehört das Himmelreich; ihre Engel im Himmel sehen das Angesicht Gottes)



    Sieben Sätze, Aufführungsdauer: ca. 22 Minuten


    Textdichter: Picander, aus dessen Kantaten-Jahrgang von 1728
    Choral: Martin Schalling (1569/71)



    Besetzung:
    Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe I-III, Fagott, Trompete I-III, Pauken, Violino I/II, Viola, Continuo





    1. Chor SATB, Oboe I-III, Fagott, Trompete I-III, Pauken, Streicher, Continuo
    Man singet mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten:
    Die Rechte des Herrn behält den Sieg, die Rechte des Herrn ist erhöhet, die Rechte des Herrn behält den Sieg.


    2. Aria Bass, Continuo
    Kraft und Stärke sei gesungen
    Gott, dem Lamme, das bezwungen
    Und den Satanas verjagt,
    Der uns Tag und Nacht verklagt.
    Ehr’ und Sieg ist auf die Frommen
    Durch des Lammes Blut gekommen.


    3. Recitativo Alt, Continuo
    Ich fürchte mich
    Vor tausend Feinden nicht,
    Denn Gottes Engel lagern sich
    Um meine Seiten her;
    Wenn alles fällt, wenn alles bricht,
    So bin ich doch in Ruhe.
    Wie wär’ es möglich zu verzagen?
    Gott schickt mir ferner Ross und Wagen
    Und ganze Herden Engel zu.


    4. Aria Sopran, Streicher, Continuo
    Gottes Engel weichen nie,
    Sie sind bei mir allerenden.
    Wenn ich schlafe, wachen sie,
    Wenn ich gehe,
    Wenn ich stehe,
    Tragen sie mich auf den Händen.


    5. Recitativo Tenor, Continuo
    Ich danke dir,
    Mein lieber Gott, dafür.
    Dabei verleihe mir,
    Dass ich mein sündlich Tun bereue,
    Dass sich mein Engel drüber freue,
    Damit er mich an meinem Sterbetage
    In deinen Schoß zum Himmel trage.


    6. Aria Alt, Tenor, Fagott, Continuo
    Seid wachsam, ihr heiligen Wächter,
    Die Nacht ist schier dahin.
    Ich sehne mich und ruhe nicht,
    Bis ich vor dem Angesicht
    Meines lieben Vaters bin.


    7. Choral SATB, Oboe I-III, Fagott, Trompete I-III, Pauken, Streicher, Continuo
    Ach Herr, lass dein’ lieb’ Engelein
    Am letzten End’ die Seele mein
    In Abrahams Schoß tragen,
    Den Leib in sei’m Schlafkämmerlein
    Gar sanft und ohn’ ein’ge Qual und Pein
    Ruh’n bis am jüngsten Tage!
    Alsdenn vom Tod erwecke mich,
    Dass meine Augen sehen dich
    In aller Freud’ o Gottes Sohn,
    Mein Heiland und Genadenthron!
    Herr Jesu Christ, erhöre mich, erhöre mich,
    Ich will dich preisen ewiglich!






    Wie die Kantate BWV 19 ist auch die hier besprochene Kantate vom Leipziger Dichter Picander verfasst worden. Sie entstammt seinem Kantaten-Jahrgang von 1728 und daher kann die erste Aufführung dieser Kantate dann offensichtlich frühestens für den Michaelistag 1728, oder (falls dies zu früh sein sollte) höchstwahrscheinlich für das Jahr 1729 angenommen werden.


    Auch diese Kantate wartet mit einem – dem Feiertag angemessenen – festlich besetzten Orchester auf: Mit „Pauken und Trompeten“, sowie reichhaltiger Oboenbesetzung wird vom errungenen Sieg der Engel über den Satan gesungen.



    Raffael: Der heilige Michael, den Drachen besiegend (ca. 1505)


    Diese Dankeshaltung beherrscht denn auch die gesamte Kantate, sie ist thematisch daher der Michaeliskantate (BWV 130) von 1724 ähnlich, die ebenfalls eine große Dankes- und Lobeshymne darstellt, während die Kantate BWV 19 ja die himmlische Schlacht gegen den „höllischen Drachen“ direkt zur Sprache bringt.


    Der Eingangschor ist ein Bibelwort-Chor (Psalm 118, Vers 15-16), der die Freude über den errungenen Sieg entsprechend triumphal wiedergibt.
    Bei diesem Satz handelt es sich um die sehr gelungene Parodie (hier ging Bach ja meist äußerst geschickt zu Werke!) des Schlusschores der bekannten Jagdkantate ( BWV 208 ), die Bach während seiner Weimarer Zeit um 1713 komponiert hatte. Da wir hier nicht bei der Jagd sind, hat Bach die beiden Hörner für seine Bearbeitung gestrichen und durch die schon erwähnten „Pauken und Trompeten“ ersetzt.


    Neben der tänzerischen Arie Nr. 4 fällt in dieser Kantate besonders das als Arie Nr. 6 bezeichnete Duett zwischen Alt und Tenor ins Auge:
    Zu beiden Singstimmen gesellt sich nämlich ein Solo-Fagott, was bei Bach höchst selten vorkommt, aber in dieser seiner Rolle wirklich überzeugend klingt, so dass man bedauert, dass er dieses Instrument nicht häufiger solistisch eingesetzt hat (siehe z. B. auch die Kantaten BWV 42 und BWV 177).


    Der Schlusschoral ist dem Hörer sicherlich aus der Johannes-Passion bekannt, wo Bach ebenfalls ganz am Ende mit eben dieser Choralstrophe einen ähnlichen Effekt erzielt und sich von einer fast schüchternen Bitte zu Beginn bis zu einer machtvollen Glaubens-Hymne am Ende steigert.
    In der hier besprochenen Kantate setzt am Ende dann konsequenterweise auch nochmals das Trompeten- und Pauken-Ensemble mit ein und sorgt für einen festlichen Ausklang.
    Die hier im Schlusschoral passend erwähnte „Engelsthematik“ hatte Bach in der Michaeliskantate BWV 19 aus dem Jahr 1726 durch das bloße instrumentale Zitieren dieser bekannten Choralmelodie durch eine Solo-Trompete schon einmal „non-verbal“ eingesetzt. :angel:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Lieber Marccologne!


    vielen Dank für Deine Interpretation der Michaels-Kantate. Als Junge hatte ich die mal im Sopran mitgesungen-, jetzt höre ich sie jedes Jahr. UNheimlichen Trost gibt mir immer wieder das Reziativ Nr.3 und die Arie Nr.4.


    Ich frage mich, bei der Engelhysterie des esoterischen Raumes werden die akustischen Hilfestellungen und seelsorgerischen Eingaben nie erwähnt. Dies sind für mich Zeichen dafür, das die Esoteriker der Sache nicht auf den Grund gehen.


    Was solls: Für mich sind Rezitativ-Arie-Rezitativ-Duett wirklich 'argumentative' Darstellungen der Hilfe, die in unserem Leben manchmal da ist.


    Bei dieser Kantate ist die Rilling-Aufnahme unübertroffen.


    Gruß


    Adamo

    Magnificat anima mea

  • Zitat

    Bei dieser Kantate ist die Rilling-Aufnahme unübertroffen.


    Hallo Wolfgang,


    da bin ich ganz deiner Meinung. Auch ich liebe diese Kantate sehr und habe bislang noch keine überzeugendere Aufnahme gefunden.


    Die Arie Nr.4 gewährt mir, obwohl ich inzwischen meiner (katholischen) Kirche den Rücken gekehrt habe, ebenfalls immer wieder Trost und Hoffnung. Musikalisch ganz besonders kühn und groß finde ich aber die Nr.6, die in ihrer relativen Knappheit für meinen Geschmack zu Bachs unkonventionellsten und packensten Eingebungen gehört.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Nach der guten Einführung in Beitrag 1 kann ich mich stärker auf das Thema Interpretation konzentrieren und möchte hiermit meine Referenzaufnahme für diese Kantate vorstellen:



    Bach-Collegium Japan, Masaaki Suzuki


    Eingangschor: "Man singet mit Freuden vom Sieg"


    Wie von Marc schon erwähnt, handelt es sich um eine Parodie des Schlusschores der o.g. Jagdkantate. Was mich sehr wundert, ist wie genial und passend dieses Umarrangieren bei Bach funktionierte. Wüsste man nicht um diesen entstehungsgeschichtlichen Zusammenhang, dann könnte man schwören, dass dieser selbstverständlich in D-Dur stehende Eingangschor original für genau diesen geistlichen Text komponiert wurde. Auch hierin zeigt sich die überragende Meisterschaft Bachs, meine ich.


    Die Streicher, abwechselnd mit den Oboen, preisen den errungenen Sieg, indem sie sich eine dreifache erklingende und sich nach oben bewegende „Hail-Figur“ (ein synkopisches, aus zwei Tönen bestehendes Motiv, beim dritten Mal länger, sozusagen ganz „ausgesprochen“) abwechselnd zuwerfen. Diese Figur diesen :hail: -Affekt zuzuschreiben, ist eine Interpretation meinerseits, und keine definitorische Behauptung.


    (Überdies muss ich grundsätzlich erwähnen, dass ich in meinen Rezensionen und Beiträgen niemals einen definitiven Wahrheitsanspruch erheben will, sondern eben nur einen Sachverhalt aus meiner subjektiven Sicht schildere, zum vergnüglich-entspannten Austausch unter freundlichen Menschen).


    Dazu spielen – ebenfalls abwechselnd- die Trompeten und das Fagott (!), welches sich aus der Continuogruppe herauslösen darf, trompetenhafte Siegesfiguren, in typischen, etwas kriegerischen Tonrepetitionen. Dennoch beschreibt der Eingangschor keine kriegerischen Szenen, sondern erinnert nur daran. Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten und nicht in den Palästen der Gerechten, was theologisch gesehen wohl auch ein Hinweis auf das Laubhüttenfest sein könnte, dass ja ebenso wie Passah mit der sieghaften Passion und Auferstehung Jesu Christi von den Toten eng verwoben ist. Bach wird diesem Affekt einer frohen Siegesfeier dadurch gerecht, dass er einen beschwingten 3/8-Takt vorgibt.


    Der Chor nutzt auf dem Wort „Freuden“ die für Bach typischen bewegten 16-tel-Figuren, die bei richtiger Ausführung eine schwingende Gestik erzeugen und von Bach in ähnlicher Form auch verwendet werden, um das Wehen des Geistes oder auch die Freude im Heiligen Geist rhythmisch-körperlich nachzuzeichnen (siehe auch den Anfang der Motette „Der Geist hilft unser Schwachheit auf….“)
    Im B-Teil des Chores hört man förmlich durch die melismatischen Figuren und die langen Zieltöne, wie „Rechte des Herrn“ erhöht ist.
    Suzuki und seine japanischen Musiker sind in dieser Phase ihres Kantatenprojektes auf einem instrumentalen und vokalen Niveau angekommen, dass man zur weltweiten absoluten Spitzenklasse zählen muss. Auch seine Dirigate sind im Laufe der Jahre gereift und haben sich von anfangs „sehr gut“ auf „Bach-Weltklasse“ gesteigert. Er konnte von Anfang an ein sehr hohes Niveau etablieren, ist aber im Laufe der Jahre wohl einfach durch die enormen Erfahrungen, die er sammeln konnte, dahin gekommen, dass man ihn zu den m.E. zwei führenden Bachdirigenten unserer Tage zählen muss.
    Dieser Eingangschor wird im m.E. idealen Tempo schwingend, transparent, lebendig und mitreißend vorgetragen. Die von mir beschriebenen Elemente werden auf eine klare, aber dennoch sehr natürliche Art hörbar gemacht. Es gibt keine Hektik, kein „zeigen Wollen“, kein hörbares Bestreben, dem Stück die eigene Signatur aufzudrücken, obwohl der Bachfreund – ebenso wie bei Herreweghe- natürlich nach wenigen Takten erkennt, um welchen Dirigenten es sich handeln muss.


    Der klanglich in sich sehr homogene Chor singt akzentfrei mit einer vollkommen natürlichen Deklamation entlang des Sprachflusses.
    Das Orchester artikuliert sehr präzise, dabei jedoch ebenso sehr natürlich fließend, wodurch sich eine wunderbare Transparenz ergibt. Lobend erwähnen muss ich auch die für das Verständnis der Partitur sehr gut gelungene Aufstellung der Musiker. Links sind wie üblich die Streicher, rechts sitzen die Oboen, die sich im Dialog mit den Streichern ihre „Hail-Motive“ zuwerfen, dahinter links die Trompeten, links außen die Pauke, das Continuo Mitte rechts, sodass auch der Dialog Trompeten – Fagott zwischen Mitte links und Mitte rechts sehr gut nachvollziehbar wird.
    Ich habe einige andere Aufnahmen dieses Eingangschors gehört, kann aber nicht finden, dass irgendeine von denen auch nur in die Nähe dieser Interpretationsqualität käme.


    Bassarie „Kraft und Stärke“


    Bach interpretiert die Worte „Kraft und Stärke“ sehr direkt und plastisch in seiner Continuobegleitung dieser Arie. Das h-moll Vorspiel (die Arie bezieht sich damit inhaltlich direkt auf den Eingangschor, allein schon durch die Wahl der Paralleltonart zu D-Dur) des Continuos ist pure Klangrede.
    Er verwendet den Schwung einer Drehfigur, an die sich gespreizte Arpeggio-Intervalle anschließen, die auf einem tiefen Basston kurz stehenbleiben, bis die gleiche Figur wieder in einem weiterführenden harmonischen Zusammenhang erklingt. Dann kommen verschiedene Motive, die einen daran erinnern, dass der Kampf zwischen Gut und Böse zwar gewonnen ist, aber doch heftig war.
    Suzuki lässt hier – im Gegensatz etwa zu Leonhardt- die volle Continuogruppe die Mächtigkeit, jene Kraft und die Stärke des siegenden Lammes ausspielen. Das Continuo besteht hier aus Cello, Violone (spielt in der Lage des Kontrabasses), Fagott, Cembalo und Orgel.
    Peter Kooij lässt bei den Worten „und den Satanas verjagt“ keinen Zweifel daran, wer da verjagt wurde, was ja auch gut möglich ist, denn Bach hat hier den Tritonus D-Gis eingebaut, der ja das Wahrzeichen des Teufels in der Musik ist.


    Sopranarie „Gottes Engel weichen nie“


    Suzuki erkennt hier sehr richtig, dass die Arie im Affekt des „süßen Trostes“ gemeint ist. Man als Christ kann getrost und sicher sein, dass Gottes Engel nicht weichen, und man durch sie unter seinem Schutz steht. Die 16-tel-Figuren, mit paarweiser Artikulation sind hier nicht als Seufzerketten wie bei „O Mensch bewein Dein Sünde groß“ aus der Matthäuspassion zu sehen, sondern eher als Andeutung auf den sicheren Schlummer, in den man fallen darf, wenn die Engel wachen. Suzukis Streicher zeichnen sich durch einen silbrigen, überirdisch-schwebenden und engelshaften Glanz aus, klingen aber dennoch auch kernig. Hört man sich danach diese Arie in der wirklich nicht schlecht gespielten Fassung der Gardiner-Pilgerreise an, dann fühlt man sich nahezu aus der Engelswelt vertrieben. Auch bei den Sängerinnen kann das Hana Blazikova (für mich momentan mit Dorothee Mields vielleicht das Beste, was man im Bereich Barocksopran/Bachssopranistin hören kann) voll und ganz überzeugen. Diese Kombination aus Intonationsreinheit, klarer Stimme und hohem fachlich musikalischen Wissen und Einfühlungsvermögen ist ganz selten. Ein Vergleich mit der Gardiner-Aufnahme (dort singt eine durchaus sehr gute Sängerin) macht dem geneigten Hörer das Außergewöhnliche an Blazikovas Bachgesang deutlich.


    Duettarie Altus/Tenor : „Seid wachsam, ihr heiligen Wächter“


    Der instrumentale Kommentar (so nenne ich grundsätzlich Bachs „Begleitungen“ , die eben weit mehr sind, als nur ein stützender Background, auf dem sich die „eigentliche Musik“ der Sänger Liebhaber schöner Stimmen entfalten soll) ist hier besonders reizvoll, weil sich das Fagott schon nahezu konzertant aus dem Kontext der Continuogruppe lösen darf. Man darf wohl davon ausgehen, dass Bach für diese Kantatensonntag mit einem fähigen Fagottisten rechnete, und diesem diese Partie sozusagen ins Instrument schrieb.
    Suzukis Fagottist macht seine Sache ganz vorzüglich, und Suzuki trifft mit seiner in sich schwingenden Tempowahl auch hier genau ins ins Schwarze. Wie „schier dahin“ die Nacht doch sein kann, hört man in Takt 34, in denen bis aufs Fagott alle plötzlich auf einem Trugschluss verharren, und das Fagott geradezu witzig ein Motiv aus zwei 8teln und einer Viertel in die kleine Pause hineinspielen darf. Es klingt sehr überraschend, obwohl das Fagott diese kleine Figur auch schon vorher begleitend einwerfend durfte. Durch die prominente Stelle bekommt der Gedanke dann also endlich zu seinem Recht, und muss von den anderen ernstgenommen werden. Dieser geistreiche Moment wird von Suzuki sehr gut erkannt und passend gespielt.
    Robin Blaze (Altus) und Gerd Türk (Tenor) bewältigend dieses heikle und schwer zu singende Duett sowohl technisch als auch musikalisch mit meisterhaft klarer Linienzeichnung und der richtigen Text-Deklamation. An der Leonhardt-Aufnahme (Esswood/Equiluz) hört man, wie schwierig diese Aufgabe eigentlich ist. Im Vergleich mit der demgegenüber besser gelungenen Gardiner-Aufnahme ziehe ich wiederum Suzuki vor. Der Fagottist schafft hörbar größere musikalische Zusammenhänge statt sich nur an etwas mechanischen Betonungen der Takt-Eins festzuhalten.
    Die Arie macht in Suzukis Aufnahme so viel Spaß, dass man bedauert, wenn sie schon zu Ende ist.


    Schlusschoral "Ach Herr lass Deine lieben Engelein"


    Ich mag Suzukis Art, die sehr heikle Frage der „Interpretation“ der Choräle anzugehen.
    Er belebt und entlang des Textes nur behutsam und macht aus den kurzen Kirchenliedern keine Symphonien. Suzuki drückt den Chorälen nicht einen Dirigentenstempel auf, sondern belässt sie in ihrem Charakter des Gemeindelieds. Ich empfinde das als sehr angenehm, weil die Textinterpretation schon durch Bach mit seinen harmonisch immer aussergewöhnlich expressiven Sätzen eigentlich schon da ist und nicht durch eitle Eigenheiten eines Dirigenten überdeckt werden sollten. Die Wiederholung wird weicher angegangen, bei „Alsdenn vom Tod erwecke mich“ gibt er mehr Dynamik, aber keine peinliche ff-Überrumplung, sozusagen damit es auch noch der letzte in der hintersten Kirchenbank versteht.
    Die zum Schluss einsetzenden Blechbläser bei „ich will dich preisen ewiglich“ sind für Bach zwar ungewöhnlich, setzen hier aber auch „normal“, d.h. nicht hineinplatzend ein. So wird der mit Pauken und Trompeten gespielte Hinweis auf die lebendige Hoffnung der Christen auf die himmlische Herrlichkeit m.E. im richtigen noch irdischen Kontext und in passender Abstufung verstanden werden.


    Aus meiner Sicht ist diese SACD einer der besten Kantateneinspielungen Suzukis und BWV 149 ist eine Kantate, die man häufiger hören kann, weil sie einfach geistreich und unterhaltsam ist. Mir macht es -modern gesagt- großen Spaß, mich damit zu beschäftigen. In barocker Sprache hat diese Kantateneinspielung mich ergötzt, belehrt, aber auch erbaut.


    Auch die anderen Kantaten, die hier nicht besprochen werden können, fallen interpretatorisch vom hohen Niveau bei BWV 149 nicht ab.


    Aus aufnahmetechnischer Sicht gibt es ebenfalls nur Lob von mir. Die Raumakustik ist gut eingefangen, zwischen den Polen "luftige Räumlichkeit" und "nötige Direktheit" haben die BIS-Techniker die richtige Mitte gefunden. Der SACD und CD-Stereomix ist über Kopfhörer sehr gut gelungen, auch bei Lautsprecherwiedergabe. Im direkten Vergleich scheint es mir so, dass die Höhen bei SACD/ DSD-Stream etwas seidiger und doch strahlkräftiger wirken, als bei der 44,1kHz /16bit-Auflösung der CD.


    Wer über eine 5.1.-Surroundanlage verfügt, darf sich freuen, denn hier gewinnt die Lautsprecherwiedergabe spürbar an Räumlichkeit, Realismus und Transparenz. Es lohnt sich hier sehr, den Subwoofer mit Hilfe des Bassmanagements der Surround-Vorstufe mitlaufen zu lassen, da die Abmischung nicht über einen eigenen Basskanal für Tiefbässe - wie bei Filmen- verfügt. Mit Hilfe des Subwoofers wird - jedenfalls bei mir- die Basslinie noch besser durchgezeichnet, was dem Klang mehr Wärme, Fundament, klangliche Öffnung und musikalisch mehr Sinn gibt.


    Allen Bachfreunden sei diese hochwertige Bach-Einspielung also warm ans Herz gelegt.
    Ich müsste sie eigentlich in die Liste meiner unverzichtbaren Aufnahmen einfügen, die ich schon seit vielen Jahren leider habe verwaisen lassen.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)