HAYDN, Joseph: Symphonie Nr. 39 in g-moll

  • Hallo,


    Ich kenne mich ja recht wnig bei den Wiener Klassikern aus, und sie interessieren mich meißt auch nur begrenzt - und trotzdem entdecke ich immer mal wieder Werke, die mich spontan ansprechen.


    So auch die Symphonie Nr.39 von Josef Haydn. Insbesondre der düstere und mysteriöse Kopfsatz mit seinen Generalpausen hat es mit angetan.
    Ich lernte diese Symphonie in einer mir unbekannten Aufnahme kennen. Es wurde wirklich sehr schnell gespielt und mit wahnsinss Crescendi und Decrescendi über den einzelnen Anfangs-Phrasen. Der große, durch die Bässe eingeleitete Aubruch war sehr extrem und überwältigend...eine richtige Aufnahme für mich! (Vielleicht sogar non-HIP?!) :D


    Nun habe ich mir nach langem zögern aber aus pflichtbewusstsein die Adam-Fischer-Haydnbox von Brilliant gekauft. Von einigem bin ich positiv überrascht, anderes lässt mich aber sehr kalt - z.B. Nr.39...sehr langsam gespielt für meinen Geschmack und generell sehr lahm - ich wünsche mir mehr Spannung und Dynamik/Dramatik bei solch einem Kopfsatz. Welche Aufnahmen könnt ihr also empfehlen, die meinen Vorstellungen möglicherweise genügen?


    Ich kann leider nichts zu dieser Symphonie sagen - genauere Werkbeschreibung überlasse ich daher freiwilligen Kennern...! :D


    LG
    Raphael

  • Also ich hab auch die Adam Fischer Box und finde dessen Sturm und Drang Sinfonien ziemlich gut! Wobei mir bei der besagten Sinfonie vor allem das Menuett und der Finalsatz zusagen... aber da hauen die Hörner doch gut rein, oder nicht?


    Ansonsten hab ich mal eine HIP-Aufnahme mit Trevor Pinnock - seehr düster, wirklich beeindruckend. Von dem gibts ein Sturm und Drang Set (im Vergleich zur Fischerbox allerdings nicht ganz billig), was sich sicherlich lohnt.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo Raphael,


    ich besitze sowohl die Adam-Fischer-Haydnbox, wie auch die Sturm-und-Drang-Box von Trevor Pinnock. Die Interpretationen von Pinnock gefallen mir extrem gut. Diese sind mit viel Spannung und Dramatik gespielt. Eigentlich kannst du damit gar nicht falsch liegen!
    Wirklich konkret Überprüftes könnte ich aber erst nach einem Vergleichshören der 39. Symphonie sagen - dazu komme ich aber frühestens Freitag Abend.


    Hier das verlinkte Pinnock-Cover:


    In dieser Box gibt es dann auch noch mehr Schätze zu entdecken, als nur die Symphonie Nr. 39!


    Viele Grüße
    Frank

    From harmony, from heavenly harmony
    this universal frame began.

  • Ich kann es gerade nicht überprüfen, aber ich habe Fischers 39. auch als eine der besten in der Box in Erinnerung, jedenfalls nicht langsam.
    Wer die vielleicht fetzigste Einspielung des Werks sucht, ist aber mit dieser preiswerten CD gut bedient.



    eine dringende Empfehlung für alle Haydn-Freunde ohne HIP-Allergie. Allerdings sollte man sich auf MAK-ähnliche Tempi und Verve bei verhältnismäßig kleiner Besetzung gefaßt machen.
    Pinnocks Box ist auch gut, aber gegen Solomons relativ zahm.


    (Und diejenigen, die gerne Zitate und Zusammenhänge hören, vergleichen bitte mal den Beginn dieses Werkes mit dem Kopfsatz von Mozarts g-moll-Quintett...)



    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von raphaell
    Hallo,


    Ich kenne mich ja recht wnig bei den Wiener Klassikern aus, und sie interessieren mich meißt auch nur begrenzt - und trotzdem entdecke ich immer mal wieder Werke, die mich spontan ansprechen.


    Das ist doch prima. Aber was hat das ganze mit meißeln zu tun?? :untertauch::D

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  • Hallo,


    Na, Wulf, die Anspielung Hinkt aber gewaltig... ;) (es sei denn, ich übersehe grade peinlicherweise ma wieder was... :O).


    Danke für eure bisherigen Tips! Sowohl von der Pinnock als auch Solomons-Aufnahme habe ich mir die Hörproben angehört - Pinnock begeistert mich schon ziemlich...!
    Ich werde mir diese (leider nicht ganz billige) Box wohl mal zulegen müssen!
    Aber auch einige andere Horproben aus der Box machten eingen sehr guten Eindruck...!


    Ich hatte das ganze aber noch wilder in Errinnerung...ich muss mal schauen, ob ich die Datei noch irgendwo finde...


    LG
    Raphael

  • Ich habe grade beim Hörproben-Hören noch eine sehr flotte Interpretation gehört, die mir gut gefällt. Die Heidelberger Sinfoniker unter Fey. Es ist aber glaube ich nicht die von mir gesuchte Einspielung...


  • Tach zusammen,
    ich kenne die 39. in einer Aufnahme mit Frans Brüggen und dem Orchestra of the Age of Enlightenment. Die ist aus dieser Box:



    Da dies die einzige Aufnahme der 39. ist, die ich kenne, kann ich natürlich nicht besonders viel darüber sagen, wie die Interpretation im Vergleich abschneidet. Diese Interpretation ist jedenfalls sehr akzentuiert und dynamisch, nicht unbedingt mitreißend - das ist Brüggens Haydn für mein Gefühl ohnehin nicht (jedenfalls wenn ich einmal von seiner Interpretation der Pariser Sinfonien im Vergleich zu der wirklich atemberaubend treibenden, voll innerer Dramatik schillernden und zugleich, ja, festlich wirkenden Einspielung dieser Sinfonien mit der Hanover Band unter Roy Goodman auf Brüggens Haydn-Stil schließen darf) - aber doch immer schwungvoll.


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Wenn im Begleitheft zu den Pinnock'schen Sturm- und Drang-Symphonien die 39. als erster Genieblitz angesprochen wird und gleich eine Parallele zu Mozarts später g-moll-Symphonie gezogen wird (was allerdings auch nur emotionell begründet wird), dann fragt sich doch, inwiefern das gerechtfertigt ist, und da diese Haydnsche g-moll von 1768 ist, bietet sich Johann Christian Bachs berühmte g-moll-Symphonie von vor 1770, bekannt als op. 6/6 als Vergleich an, die unter Bachs Symphonien einen Ehrenplatz zu haben scheint.


    Ich beschränke mich auf die Finalsätze, die beides Sturm- und Drang-Prototypen sind. Beide beginnen recht wild im Tutti mit weiten Sprüngen. Die Unterschiede stechen recht sofort ins Auge: Haydn ist geschwätziger, die Materialökonomie der 45. (erster Satz) ist hier (noch) nicht zu finden. Bach wirkt in den ersten Takten wesentlich bestürzender, das hingeschleuderte minimale Material wird nach dem g-moll-Takt (ich habe keine Partitur, vielleicht sind es 2 Takte) durch eine scharfe Dissonanz intensiviert (eigentlich auch ähnlich Haydns späterer 45.)


    Hört man weiter, bleibt es bei diesem Gegensatz. Haydn bringt eine Reihe von Einfällen, die sehr eindrucksvoll sind aber etwas bunt erscheinen könnten. Bach führt sukzessive motivisches Material ein, zunächst 5 triolische Noten, die schrittweise auf- und abgehend einen kleinen Schritt von der reinen Akkord-Repetition und den weiten Sprüngen in Richtung Motivik gehen, das passiert auf dem von g-moll wegmodulierenden Abschnitt, dann, auf dem B-Dur-Beginn wird ein Zielton mit Vorschlagsnoten angehängt, im folgenden sequenzierenden Abschnitt werden die Ketten länger. Beeindruckend, wie die angehängte Vorschlags-Zielfigur zum Aufhellen der Tonart passt, wie die längeren Ketten logisch in einen sequenzierenden Abschnitt hineinspielen.


    Der erste Höreindruck dieses Bach-Satzes mag nach Haydn etwas dünn ausfallen. Läßt man sich auf die Ökonomie der Mittel ein und betrachtet man sie im Detail und im Zusammenhang mit dem formellen Ablauf, so findet man aber ein geniales großflächiges Entwickeln (das ich oben zu beschreiben versucht habe).


    Nach dem Doppelstrich ändert sich das Bild. Bach reduziert und badet in taktweisen Akkorden, die den Beginn der Symphonie variieren. Ein Gegenpool zum vorigen Ablauf, durch völlige motivische Leere gekennzeichnet und etwas langatmig. Die Reprise ist dann wieder ein wohltuender Kontrast, aber an den ersten Teil kann das nicht mehr heranreichen.


    Auch Haydn bietet ein Gegenbild zur Exposition, erstmals findet sich ein zarter Abschnitt. Der ist dann die Ausgangslage für einen in großem Bogen Spannung aufbauenden Abschnitt, der Motive der Exposition wieder bringt, jedoch aus dem dichteren Fluss der Exposition gelöst ein wiederholtes Anschwemmen von Energie darstellt. Durch diese Kleingliedrigkeit kommt der Beginn der anschließenden Reprise in seiner Geschlossenheit recht prägnant als neuer Formteil zur Geltung, ohne dass der Spannungsbogen Abbruch erlitte, indem die Reprise stark verkürzt wird (was auch Bach macht - bei ihm aber mit weniger groß-formaler Wirkung).


    Eigentlich sind die typisch frühklassischen Qualitäten bei beiden Komponisten in wunderbarer Form ausgebildet. Ich behaupte mal, dass Haydn erst wenige Jahre später Bach weit hinter sich zurück läßt. Man darf nicht Haydn bei Bach suchen und dann von der al-fresko-Schreibweise und der motivischen Überschaubarkeit enttäuscht sein - weniger kann auch mehr sein.

  • Hi,


    in der Box Sinfonias from the Enlightenment ist die #39 ebenfalls enthalten:



    ...allerdings (leider) mit nur einem Finalsatz (eine weitere Fassung ist nicht mal erwähnt). Hier die Sätze:


    01 (5:36) Allegro assai
    02 (4:12) Andante
    03 (3:13) Menuett
    04 (5:11) Finale. Allegro di molto


    Es spielt das Ensemlbe moderntimes_1800. Die 39te ist das von mir meistgehörte Stück dieser CD. Welcher Finalsatz ist denn hier gespielt? Von wann sind die Fassungen und warum gibt es sie überhaupt?


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Zitat

    Original von Ulli
    ...allerdings (leider) mit nur einem Finalsatz (eine weitere Fassung ist nicht mal erwähnt).


    Äh - ich habe zwei Sinfonien miteinander verglichen, die die Entstehungszeit, die Tonart, den Sturm- und Drangcharakter gemeinsam haben, nicht zwei Fassungen einer Sinfonie.


    Der Konkurrent ist die Sinfonie g-moll Op. 6 Nr. 6 von Johann Christian Bach.


    Eine weitere schöne Sinfonie in stürmischem g-moll aus den 1760er Jahren ist die Sinfonie WV 418 von Georg Christoph Wagenseil, die werde ich jetzt einwerfen.
    8)

  • Ich habe nun auch mal den Bach und den Wagenseil (cpo) gehört, ebenso Mozarts KV 183. Allerdings bin ich vorgeprägt, den Mozart kenne ich seit gut 20 Jahren; ich war damals sofort fasziniert und mochte die Sinfonie vorübergehend lieber als fast alle seiner späten. Den Wagenseil habe ich zum ersten Mal bewußt gehört.


    Ich stimme KSM zu, daß Bachs Werk sehr ökonomisch und jedenfalls hörenswert ist. Am besten gefällt mir im Vergleich aber der Mittelsatz des Werks. Haydn ist im Finale zwar sehr stürmisch, aber etwas "chaotisch", eigentlich zu viel Material für den knappen Satz. Relativ enttäuschend finde ich allerdings besonders das andante, das trocken und recht nichtssagend wirkt. Hier "gewinnen" die anderen drei. Der überragende Satz Haydns ist der Kopfsatz, sowohl sehr ökonomisch, quasi monothematisch, als auch dicht (kontrapunktisch in der Durchführung) und emotional packend.


    Wagenseils Kopfsatz hat sehr prägnantes und kontrastierendes Material, schöne Seufzerfiguren, durchführungsmäßig passiert aber irgendwie nicht besonders viel (und die Hörner scheinen zu fehlen); dennoch ein ziemlch guter Satz, wohingegen ich sein Finale etwas flau finde: der 3/8?-Kehraus eben mal in Moll macht noch keinen rechten Sturm...


    Mozarts Werk (1773) hat zwar auch alle Sturm-und-Drang-Elemente beisammen, wirkt auf mich aber wegen der regelmäßigen Phrasen (und vielleicht auch, weil ich es so gut kenne) am "klassischsten." Wie oft bei ihm deutlich getrennte Expositionsabschnitte, insgesamt recht breit angelegt, mit prägnanten Seiten- und Überleitungsthemen und eher knappe Durchführungen.
    Gefällt mir (s.o.) insgesamt wohl doch noch am besten, obwohl ich Kopfsatz und Menuett von Haydns Werk mindestens gleichwertig sehe.


    vielleicht sollte man derlei Gegenüberstellungen aber noch besser hier durchführen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich habe nun auch mal den Bach und den Wagenseil (cpo) gehört, ebenso Mozarts KV 183.


    Freut mich, dass meine Anregung so gut angekommen ist!
    =)

    Zitat

    Ich stimme KSM zu, daß Bachs Werk sehr ökonomisch und jedenfalls hörenswert ist. Am besten gefällt mir im Vergleich aber der Mittelsatz des Werks.


    Ja, der ist emotional unheimlich "mitreißend". Bemerkenswert ist ja auch, dass alle drei Sätze in g-moll sind.


    Zitat

    Wagenseils Kopfsatz hat sehr prägnantes und kontrastierendes Material, schöne Seufzerfiguren, durchführungsmäßig passiert aber irgendwie nicht besonders viel


    Zitat

    Mozarts Werk (1773) hat zwar auch alle Sturm-und-Drang-Elemente beisammen, wirkt auf mich aber wegen der regelmäßigen Phrasen (und vielleicht auch, weil ich es so gut kenne) am "klassischsten."


    Das ist eigentlich nicht verwunderlich (deshalb habe ich Wagenseil und Mozart ja auch erstmal beiseitegelassen). Wagenseils Werk ist das älteste (Anfang 60er) Mozarts das jüngste, Bach und Haydn in der Mitte. Das gilt auch für das Alter der Komponisten selbst.


    Ich kenne Haydns Entwicklung von 1760 bis 1766 nicht, lediglich die "Tageszeiten", die mir verglichen mit den Sturm- und Drang-Sinfonien noch recht barock vorkommen. Ich hatte mir schon vorgenommen, einmal eine davon mit einer gleichaltrigen Wagenseil-Sinfonie zu vergleichen, wahrscheinlich wird Wagenseils "Durchführungsarmut" dann weniger auffallen?


    Zitat

    vielleicht sollte man derlei Gegenüberstellungen aber noch besser hier durchführen.


    Bei Atterberg und Moeran? Ich weiß nicht so recht ...
    :hello:

  • Interessanterweise ist die Sinfonie Nr 39 in der Literatur nicht immer den "Sturm und Drang" Sinfonien zugeordnet -Ich würde das aber doch behaupten - denn schon nach den ersten Takten des unerbittlichen ersten Satzes haben sich mir die Nackenhaare gesträubt. Durch mehrfaches Hören konnt ich mich aber mit dem Werk versöhnen, das ja - wenngleich aus unterschiedlichen Gründen - teilweise angegriffen wurde. Howard Chandler Robbins Landon kritisierte die Seichtheit der beiden Mittelsätze. Das kommt davon wenn Amerikaner sich mit Wiener Klassik befassen und darüber zu befinden versuchen (und das tun sie leider mit Vorliebe !!)

    Ein Pluspunkt aus meiner Sicht ist der massive Einsatz der vier Hörner im 3. Satz.

    Gehört habe ich die Sinfonie in den Interpretationen von Russell Davies und Müller-Brühl, wobei letzterer auf die Wiederholungen verzichtet...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !