Sie stehen ganz unten auf dem Besetzungszettel, nach der Vorstellung treten sie als erstes vor den Vorhang - und dann meistens ganz schnell wieder ab. Im Zuschauerraum wird getuschelt: "Wer war das noch mal?" Ein hartes Los! Aber es geht noch schlimmer: Wer im letzten Akt nichts mehr zu singen hatte, geht manchmal einsam und ohne den verdienten Applaus nach Hause. Und auch die Tonträgerindustrie kennt keine Gnade: Auf dem Cover von Operngesamtaufnahmen tauchen sie nie auf, nicht selten sind sie noch nicht einmal im Kleingedruckten erwähnt.
Die Nebendarsteller haben im heutigen Opernbetrieb einfach keine Lobby. Dabei haben sie es auf der Bühne doch schwer genug:
Sie sind so gute Freunde und so gute Zuhörer! Mary muss sich gleich drei Strophen von Sentas Holländer-Ballade anhören und erntet nicht mal ein paar dürre Dankesworte. Leonora erzählt Inez schwülstige Geschichten vom Troubadour, diese zeigt höfliches Interesse. Alisa leistet Lucia di Lammermoor ohne erkennbares Eigeninteresse freundlich Gesellschaft und wird, als Edgardo dann endlich erscheint, einfach weggeschickt. Pedro jammert zuerst, wie einsam es doch in den Bergen sei, nur um dann ins Tiefland zu ziehen und Nando allein in der Einöde zurückzulassen. Ein toller Freund! Nein, das ist alles nicht die feine Art.
Oder all diese hart arbeitenden Helfer! Was wären die gefeierten "Opernhelden" ohne sie! Scarpia lümmelt träge im Palazzo Farnese herum, während Spoletta draußen die Drecksarbeit erledigen muss. König Marke schickt erst mal Melot vor, damit dieser statt seiner von Kurwenal massakriert wird. Und der Dank? Marke hat nur Tränen für Tristan übrig. Das ist einfach ungerecht! Auch Monostatos weiß wohl bis heute nicht, wofür er 77 Sohlenstreich' bekommen hat.
Ob all dieser Zurücksetzungen sind bereits einige in die innere Emigration gegangen. Als Hirten oder Seeleute senden sie uns melancholische Botschaften von unerfüllter Liebe und gemahnen so den Opernbesucher daran, dass es abseits des Kerngeschehens noch andere Menschen mit Gefühlen und Leidenschaften gibt. Alle Rufe verhallten bislang ungehört. Am Ende interessieren sich doch alle wieder nur für Tosca und Cavaradossi, Tristan und Isolde, Senta und den Holländer.
Es gibt einfach keine Gerechtigkeit in der Opernwelt. Aber jetzt ist Schluss! Die ewige Unterdrückung muss ein Ende haben! Dieser Thread gehört daher den wackeren Comprimarii und vernachlässigten Nebendarstellern, die nur darauf warten, von ihrem Image als gesichtslose Ansingstationen befreit zu werden.
Also, Forianer, hört die Signale:
Wer sind die Entrechteten, für deren Probleme sich bisher niemand interessiert hat? Welche unerkannten Schicksale verbergen sich in altbekannten Opern? Wer hat für seine Treue oder seine harte Arbeit endlich einmal besonderen Dank verdient?
Welche Interpretationen von Nebenrollen auf Tonträgern haltet Ihr für besonders gelungen? Welche Sänger schaffen es, mit wenigen Zeilen aus dem langen Schatten der Primadonna oder des Primo Tenore herauszutreten?
Jetzt ist es an Euch, den ewig Unbeachteten ihre Individualität zurückzugeben!