Geben wir es zu: Die Welt außerhalb Taminos ist böse und feindselig. Zumindest für jeden Feingeist (auch wenn er - wie ich - im Körper eines Metzgers gefangen ist). Überall diktiert der Markt die Gesetze, der Durchschnitt setzt sich durch, jede Leistung zählt nur, wenn sie sich finanziell niederschlägt. Schnelligkeit und Hektik bestimmen das Leben, Häppchen ersetzen den kulinarischen und ästhetischen Genuss. Individuell und erfolgreich, so suggeriert der Markt, ist nur der, der dem uniformierten Geschmacksdiktat Folge leistet; stromlinienförmige Managertypen übernehmen mit gewinnendem Bleaching-Lächeln die Schaltzentralen und merzen jede Kante aus, an der man sich reiben kann. Modewellen schwappen an Land, und kaum, dass die eine Schaumkrone den Strand des Alltagsleben benetzt hat, ist die nächste schon auf dem Sprung, jeden, der nicht rechtzeitig zurücktritt, erneut zu durchnässen. So geht es hin und her. Platsch folgt auf Platsch. In der bildenden Kunst ersetzt der Geldbeutel mehr schlecht als recht den ästhetischen Sinn, im Radio plärren Drei-Minuten-Stücke austauschbare Weisen, die Geisteswelt vermerkt still und leise den Abgang der letzten Größen, kaum bemerkt von der Masse der Bildleser und RTL2-Schauer. Fazit: Ganz Gallien ist von den Römern besetzt.
Ganz Gallien? Nun, da gibt es ein Volk derer, die es sich nicht nehmen lassen, ihrem eigenen Verstand und Kunstsinn zu folgen. Die sich nicht in jede Welle stellen; die in der Lage sind, mehr als drei Minuten einem Musikstück zu folgen und abseits der Strömungen eigene Biotope anlegen und dabei belächelt werden, wie Bewohner obskurer Einrichtungen, die man wohlweislich fern der Wohngebiete errichtet hat. Doch oftmals ernten die Bewohner nicht nur ein verständiges, bemitleidendes Lächeln, sie werden beargwöhnt ob ihres Ticks, Komponisten zu hören, die kein Mensch aussprechen kann. Man begegnet ihnen mit Misstrauen, warum sie dem Glück des Mediokren widerstehen wollen. Man wirft ihnen vor, mit ihrem Verlangen nach Hochkultur, den Bürgersinn in Frage zu stellen. Muss man museale Kunst subventionieren? fragen die Ausgeschlossenen. Eine Kunst, die nicht primär am Geldverdienen interessiert ist? Eine Kunst, die so nützlich wie Kaviar oder Champagner ist? Letztere kann man zumindest auch ohne Sachverstand in sich reinpressen, dazu gehört im Zweifelsfalle lediglich Hunger und Durst. Ist Klassikhören nicht nur total daneben sondern sogar subversiv?