Librettisten - Segen und Fluch des Musiktheaters

  • Nachdem ich mich schon in verschiedenen Threads zu der beklagenswerten Vernachlässigung von Librettisten geäußert habe, ist es an der Zeit, denke ich, dieses Thema einmal in einem eigenen Strang zusammenzufassen. Mit Librettisten seien hier sowohl die Verfasser ganzer Textbücher als auch die mit der Operette aufgekommene Spezialisierung der reimenden Gesangstexte gemeint.


    Über Libretti von Opern hört man so manches, aber selten Gutes.


    Über den Urvater aller professionellen Librettisten, Pietro Metastasio, hört man fast gar nichts, außer dass Generationen von Librettisten von ihm abgeschrieben haben.


    Über die ganz Großen wie Da Ponte, Boito, Hofmannsthal u. a. hört man gelegentlich mehr, aber im Fall Da Ponte stammte die erste Feststellung, dass er ein Genie war, bezeichnenderweise wohl von ihm selbst. Andererseits kann man hier über Hofmannsthal lesen, dass er zu lange an seinen Texten gefeilt habe.


    Besonders häufig kann man hören, dass ein schlechtes Textbuch die häufigere Aufführung einer großartigen Oper bzw. Operette verhindert. Umgekehrt traut sich das nie jemand zu sagen, obwohl es auch dafür Beispiele gibt.


    Bei gefühlten 99 % aller Bewertungen von Werken für das Musiktheater hört man, dass die Musik der Oper, Operette etc. viel besser ist als das Buch.


    Sind all diese Bücher wirklich so schlecht und die Komponisten, die sie ausgewählt haben, so inkompetent? Oder liegt das nicht viel öfter daran, dass jedermann sich zutraut, einen Text beurteilen zu können, aber nur relativ Wenige sich (zu-)trauen, eine Musik öffentlich gering zu schätzen? Oder woran sonst? Jedenfalls begründet das Musiktheater nicht von ungefähr ein Zusammenspiel von Musik UND Text, und auch dieser Aspekt sollte in einem Opernforum gewürdigt werden.


    Dass das so selten geschieht, finde ich jedenfalls ungerecht, nicht nur als Rideamus, der Librettist, sondern auch als praktizierender Amateurtexter, der aus Erfahrung weiß, dass die Arbeit des Buch- bzw. Textautoren, selbst wenn sie sehr gut ist, allgemein zwar weniger Ehrfurcht hervor ruft, deswegen aber keineswegs leichter ist als die des Komponisten, und oft schwerer, weil abhängiger, als die des Dramatikers für das Sprechtheater.


    Deshalb soll dieser Thread etwas für ausgleichende Gerechtigkeit tun. Gefragt sind Opern, Operetten, Musicals, Zarzuelas und andere Werke des Musiktheaters, welche nicht zuletzt wegen ihrer guten Dramaturgie, brillanten Verse oder geschickten Bearbeitung eines Originalstoffes die Lorbeeren verdienen, die ihnen zu selten gewährt werden. Da mit Da Ponte und Hofmannsthal die üblichen Hauptverdächtigen schon genannt sind, und Doppelbegabungen wie die Komponisten Lortzing, Berlioz, Boito, Wagner, Berg etc. schon als Komponisten gefeiert werden, können wir die hier vielleicht außen vor lassen. selbst wenn das natürlich ihrer Eigenschaft als Textdichter ungerecht ist. Einsprüche dagegen werden also ernst genommen.


    Zur Sache: welche Werke des Musiktheaters beeindrucken Euch (auch) durch ihr Buch und/oder ihre Gesangstexte? Welche herausragenden Librettisten möchtet Ihr vorstellen? Wenn Ihr das wollt, tut es bitte möglichst mit kurzer Begründung und der Angabe einiger weiterer Werke, so vorhanden.


    Als Auftakt und Anregung hier drei bewusst sehr verschiedene Opern.


    OPER:
    Raniero di Calzabigi: ORFEO ED EURIDICE. Musik: Christoph Willibald Gluck
    Weil diesem Urvater der Reformoper nicht nur eine erlesene Sprache zu Gebote stand, sondern er es auch vermochte, einem zeitlosen, aber vermeintlich abgedroschenen Stoff neue Größe, Würde und dabei noch sehr humane Züge zu geben, die der Oper vor ihm eher fremd waren. Hervorzuheben ist auch seine geschickte Auswahl dramatischer Kernsituationen bei gleichzeitiger Durchschaubarkeit der Handlung von Anfang bis Ende.


    Francesco Maria Piave: RIGOLETTO. Musik: Giuseppe Verdi
    Natürlich ist der Erfolg dieser Oper vor allem ein Verdienst von Verdis Musik, aber man beachte einmal, wie dieser viel gescholtene Librettist es geschafft hat, die sehr komplexe Vorlage von Victor Hugo zu einem straffen Drama zu verdichten, in dem keine Szene zuviel ist, aber auch keine notwendige Information fehlt. Und die Sprache ist auch nicht zu verachten.


    Stefan Zweig: DIE SCHWEIGSAME FRAU. Musik: Richard Strauss
    Weil Zweig das mutige Kunststück gelungen ist, der alten Vorlage Ben Johnsons ("The Silent Woman";) um ein vermeintlich brave Frau, die sich nach der Eheschließung als Furie entpuppt, die schon in einigen herausragenden Opern (PIMPINONE; DON PASQUALE u.a.) variiert wurde, höchst reizvolle Varianten abzugewinnen und dem gefoppten Helden eine seelische Dimension zu geben, die echtes Mitleid hervorruft. Sprachlich ist er ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Im übrigen: Komödien haben es nur scheinbar leichter.


    Vorschläge zu den anderen Gattungen werden folgen, wenn dieses Thema auf Interesse stößt. Natürlich gehören OPHÉE AUX ENFERS, DIE FLEDERMAUS und THE MIKADO bei der Operette dazu, und beim Musical PAL JOEY, ANNIE GET YOUR GUN oder WEST SIDE STORY.


    Wer bietet mehr?


    :hello: Rideamus

  • Sir William Schwenck Gilbert (* 18. November 1836 in London, England; † 29. Mai 1911 in London) war ein englischer Schriftsteller, Dramatiker und Librettist. Zusammen mit dem Komponisten Arthur Sullivan verfasste er 14 komische Opern, die an Wortwitz und Esprit den Operetten von Jacques Offenbach ebenbürtig gegenüberstehen.
    Eins seiner Libretti: Der Mikado, komponiert von Arthur Sullivan.


    :hello:



    :hello:

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Da mit Da Ponte und Hofmannsthal die üblichen Hauptverdächtigen schon genannt sind, und Doppelbegabungen wie die Komponisten Lortzing, Berlioz, Boito, Wagner, Berg etc. schon als Komponisten gefeiert werden, können wir die hier vielleicht außen vor lassen. selbst wenn das natürlich ihrer Eigenschaft als Textdichter ungerecht ist. Einsprüche dagegen werden also ernst genommen.


    Von Wagner wird immer über seine Libretti geredet, und behauptet, sie seien so gut.


    Das Lortzing dagegen wunderbare Libretti schrieb, ist viel weniger bekannt. Ja, jemand nannte sogar seine Libretti "verstaubt". 8o
    Für mich ist Lortzing ein größerer Librettist als Komponist. Ja, ich nenne ihn schlicht genial. Und seine Musik finde ich schon gut. :yes:
    Deshalb soll man ihn m.E. nicht außer Betracht lassen.


    LG, Paul

  • Lieber Rideamus,


    ich will ja nicht klein kariert...äh...kleinkariert :D sein - aber eine ähnliche Debatte wurde unter anderem Titel schon mal in diesem Thread geführt:


    Sind Libretti Literatur?



    Vielleicht könnte man Deinen überaus lesenswerten Beitrag sowie die Antworten einfach an den bestehenden Thread anhängen?


    (Sorry, manchmal kommt bei mir in diesem Forum, das einerseits so hervorragend organisiert, andererseits aber manchmal recht chaotisch ist, der Pedant durch... :rolleyes:...außerdem herrscht gerade Sommerlochstimmung :D).


    Viele Grüße


    Bernd


  • Lieber Bernd,


    schon wieder schwanke ich zwischen Zustimmung und Widerspruch. Nicht zu den Blumen, für die ich danke, und auch nicht zu der ungerechten Selbstbezichtigung als Pedant, die ich nicht angebracht finde, sondern zu der Bewertung, ob die Diskussion in dem anderen Thread tatsächlich eine sehr ähnliche oder nur eine Verwandte ist, wie sie hier in der Tat verwirrend oft auftauchen. Ich denke da nur mal daran, in wie viele Operettenstränge ich in den knapp zwei Wochen meiner Mitgliedschaft mehr oder weniger Ähnliches hinein schreiben "musste".


    Vorab: ich gebe zu, den von Dir erwähnten, sehr informativen und lesenswerten Thread erst auf Deinen dankenswerten Hinweis hin, den ich vorbehaltlos unterstütze, gesehen zu haben. Leider fördert die im Prinzip lobenswerte Suche hier anscheinend nur haufenweise Stichworte zutage, dafür aber nur eher zufällig alle dazu existierenden Thread. Das habe ich nämlich durchaus versucht. Oder mache ich da etwas falsch?


    Ich habe natürlich nichts dagegen, wenn im Rahmen einer Aufräumaktion, die eine wahre Sysyphusarbeit mit buchstäblich unendlichem Zeitaufwand bedeuten dürfte, für die den fleißigen Administratoren mein volles Mitgefühl gewiss ist, die beiden Threads zusammengeführt werden, falls dies als sinnvoll erscheint.


    Andererseits gebe ich zu bedenken, dass sich die beiden Threads für mein Gefühl weit eher sinnvoll ergänzen als überschneiden. Während der Thread, auf den Du verweist, sich laut Überschrift mit der interessanten Frage beschäftigt, ob oder wie weit Libretti Literatur sein können, ging es mir bei der Etablierung dieses Threads eher um Grundlagenarbeit, also darum, überhaupt erst einmal Namen und Leistungen zu sammeln, die hier so gut wie nie genannt werden, aber für den anderen Thread sehr relevant sind, obwohl sie dessen eigentlicher Fragestellung wenig bringen. Deshalb habe ich ja angeregt, die wiederkehrenden Doppelbegabungen, die diesem Forum überall auftauchen, auszuklammern.


    Zugegeben: hätte ich den anderen Thread gekannt, hätte ich nicht schon wieder Calzabigi oder RIGOLETTO als Einstiegsvorschläge genannt. Da habe ich nicht gründlich genug gesucht. Hätte ich ihn aber gekannt, hätte ich mich darauf bezogen und dennoch einen eigenen Thread mit dem von mir angeregten Schwergewicht vorgeschlagen.


    Ich lege die Entscheidung aber gerne in die Hände derer, denen es womöglich gelungen ist, in dieser Wundertüte voller schöner Überraschungen genannt Tamino noch genügend Überblick zu behalten. Ich habe ihn nicht, und werde ihn wohl auch kaum bekommen, obwohl mich seit zwei Wochen höchst intensiv nachlese und aufhole.


    @ musicophil: Dein geliebter Lortzing, für den ich, wie Du weißt, große Sympathien hege, auch und gerade als Librettist, ist von mir angesprochen und - als unverbindliche Anregung - als Doppelbegabung ausgespart worden. Das heißt aber nicht, dass Du mit Deinem Hinweis Unrecht hast. Vielleicht ist er wirklich ein noch besserer Librettist als Komponist. Aber Lortzing-Debatten gibt es hier in der Tat auch anderswo, und in jeder davon kannst Du mit mir als überzeugtem Mitstreiter rechnen.


    :hello: :hello: Rideamus

  • Ja, was denn nun? Wie geht es weiter? Mache ich mir unnötig Arbeit und kann oder soll ich sie nun schreiben oder nicht?


    ?( ?( ?(


    :boese2:

  • Zitat

    Original von musika
    Ja, was denn nun? Wie geht es weiter? Mache ich mir unnötig Arbeit und kann oder soll ich sie nun schreiben oder nicht?


    ?( ?( ?(


    :boese2:


    Ich bin ja nicht der Obermacher hier, aber ich denke, Dein Gilbert-Portrait ist das beste Beispiel dafür, warum und wie dieser Thread etwas ganz Eigenes werden kann.


    Also würde ich (mir großer Neugier und Begeisterung) sagen: weitermachen, bitte. Vielleicht beteilige ich mich sogar in ähnlicher Form.


    Wenn dann jemand meint, man solle die Stränge doch zusammenführen, wäre es ein Leichtes, ALLE Einträge hier auf einmal zu verschieben.


    OK?


    :D Rideamus


    PS: hättest Du etwas dagegen, wenn man Deine jeweilige Box zitiert und dann weitere Titel und Wertungen einfügt? Dann könnte nämlich mit der Zeit ein eigenes Kompendium wichtiger Librettisten entstehen, das nicht ganz so viel Platz verschlingt bzw. Blättern erzwingt. Oder hat jemand eine bessere Idee, wie man das organisieren könnte? Administrator please?

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Lieber Bernd,


    schon wieder schwanke ich zwischen Zustimmung und Widerspruch. Nicht zu den Blumen, für die ich danke, und auch nicht zu der ungerechten Selbstbezichtigung als Pedant, die ich nicht angebracht finde, sondern zu der Bewertung, ob die Diskussion in dem anderen Thread tatsächlich eine sehr ähnliche oder nur eine Verwandte ist, wie sie hier in der Tat verwirrend oft auftauchen. Ich denke da nur mal daran, in wie viele Operettenstränge ich in den knapp zwei Wochen meiner Mitgliedschaft mehr oder weniger Ähnliches hinein schreiben "musste".


    Lieber Rideamus,


    dieses Gefühl der Energieverschwendung von allen Seiten beschleicht mich eben auch manchmal...und dann geht's mit mir durch. Diesmal hat's leider Deinen Thread getroffen - dabei gäbe es in der Tat viel "bessere" Beispiele. Im Klartext: Wir sollten diese Metadiskussion einfach beenden und den Thread so lassen, wie er ist. :) Wenn ich hier Verwirrung gestiftet habe (auch bei Musika, wie ich soeben sehe), dann tut es mir leid.



    Zitat

    Vorab: ich gebe zu, den von Dir erwähnten, sehr informativen und lesenswerten Thread erst auf Deinen dankenswerten Hinweis hin, den ich vorbehaltlos unterstütze, gesehen zu haben. Leider fördert die im Prinzip lobenswerte Suche hier anscheinend nur haufenweise Stichworte zutage, dafür aber nur eher zufällig alle dazu existierenden Thread. Das habe ich nämlich durchaus versucht. Oder mache ich da etwas falsch?


    Du kannst bei der "Suche nach Inhalten" zwischen "gesamten Beitrag durchsuchen" (das war wahrscheinlich bei Dir eingestellt) und "nur Betreff durchsuchen" auswählen. Bei letzterer Variante werden nur die Threadtitel durchsucht - und wenn Du da den Suchbegriff "Libretto", "Libretti" oder gleich "Librett*" eingibst, findest Du schnell alle relevanten Threads.



    Und damit ich auch endlich etwas zum Thema beitrage: Wie ist denn das Phänomen der sog. Literaturoper hier zu verorten? Zumindest seit der vorletzten Jahrhundertwende ist doch oft genug versucht worden, für das Sprechtheater geschriebene Stücke einfach zu vertonen, wenn auch gelegentlich etwas gekürzt oder komprimiert. In diesem Sinne sind "Pelléas", "Salome", "Elektra", "Wozzeck", "Lulu" und dutzende weiterer Opern auch textlich Meisterwerke, ohne dass es sich im eigentlichen Sinne um Libretti handeln würde.


    Ein etwas anders gelagertes Beispiel: Tschaikowskys „Eugen Onegin“ schätze ich wirklich sehr, gerade auch als dramatische Konstruktion – die jeweils um eine andere Person zentrierten Akte, die spiegelsymmetrische Entsprechung des ersten und des dritten Aktes usw. Diese dramatische Konstruktion ist weitgehend Tschaikowskys Verdienst, während das Libretto zunächst natürlich nur ein Destillat aus Puschkins großem Epos ist – ein Destillat, das offenbar gerade viele Russen Tschaikowsky unendlich übelgenommen haben (Nabokov sinngemäß: „Jeder gebildete Russe verachtet Tschaikowskys Puschkin-Opern“), weil es den bei Puschkin durch den Erzähler ironisch gebrochenen Text den Figuren identifikatorisch in den Mund legt. Ich mag’s trotzdem…


    Bei den Doppelbegabungen sollte unbedingt noch Peter Cornelius genannt werden, dessen „Barbier von Bagdad“ als Text und Musik schlichtweg brillant ist.


    Jetzt merke ich, dass die beiden Beispiele wieder nicht ganz im Sinne Deines Threads waren …ich hoffe, Du siehst es mir nach. ;)


    Viele Grüße


    Bernd


  • OK, ich schreibe, du schiebst oder zitierst die Beiträge so, wie du sie haben willst.
    Aber vor nächster Woche komme ich nicht mehr dazu.


    Liebe Grüsse :hello:

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    ... Wir sollten diese Metadiskussion einfach beenden und den Thread so lassen, wie er ist. :)


    Gerne. Das heißt ja nicht, dass man ihn nicht, z. B. in dem von musica sehr praktisch angeregten Sinn, stringenter und selbständiger machen könnte.


    Zitat


    Und damit ich auch endlich etwas zum Thema beitrage: Wie ist denn das Phänomen der sog. Literaturoper hier zu verorten? …


    Eine gute Frage und sehr bedenkenswerte Erörterung. Mein Gefühl sagt mir, dass die Autoren "geraffter" Theaterstücke andernorts ihre Foren haben (sollten) und ebenso wie die auf beiden Sektoren gleich guten Doppelbegabungen, zu denen Peter Cornelius unbedijngt gehört, hier ablenken würden, denn mir geht es vor allem um die Ehrenrettung "professioneller" Librettisten. Aber ich will da nicht päpstlich sein und das zum Dogma machen.


    Zu Deinen guten Beispielen für "gekürzte" Originaldramen wären ja auch Boitos Shakespeare-Bearbeitungen zu zählen, die m. E. kongenial neben den anerkannten Originalen bestehen, und vielleicht auch Berlioz' Trojaner, die ich als Nichthumanist für lesbarer halte als Vergils Aeneis. Ich weiß, dass es sich dabei um ein Versepos handelt, aber Du siehst, wie weit eine solche Fragestellung von der hier beabsichtigten wegführen kann. Also würde ich die beiden "Gruppen" hier außen vor lassen, gerne aber einen anderen Thread verfolgen und mich daran beteiligen, wenn ihn jemand starten möchte.


    Zitat


    Jetzt merke ich, dass die beiden Beispiele wieder nicht ganz im Sinne Deines Threads waren …ich hoffe, Du siehst es mir nach. ;)


    Viele Grüße


    Bernd


    In Nachsicht war ich schon immer besser als mit Vorsicht. :D


    Sic salutat Rideamus :hello:

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  • Lieber Rideamus,


    der thread wirft IMO noch einige zusätzliche Fragen auf:


    Welchen Einfluß konnte/ kann der Librettist noch auf die Umsetzung seines Librettos nehmen?


    Wo ist ein gutes Libretto auch von einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Librettist und Komponist begleitet?


    Zur Zusammenarbeit zwischen Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal habe ich hinsichtlich der Arabella letzthin die These gelesen, dass Hofmannsthal die Arabella eher als Operette gesehen habe - Einflußmöglichkeit?


    :hello:
    Elisabeth


  • Liebe Elisabeth,


    bist Du Dir eigentlich klar darüber, dass über dieses hochinteressante Thema schon viele schlaue Bücher und nicht nur im übertragenen Sinne ganze Opern geschrieben wurden (z. B. CAPRICCIO, in dem sogar dem Impresario noch ein erheblicher Einfluss zugetraut wird)? Wie soll da jemand in ein paar Sätzen erschöpfend Stellung nehmen? ?( :D ?(


    Ganz praktisch gesehen, hängt das sicher vom jeweiligen Einzelfall ab. Ein Beispiel für eine absolute Autorität des Librettisten ist das Gespann Gilbert & Sullivan. William S. Gilbert hatte stets mindestens schon einen detaillierten Entwurf, oft aber auch ein vorläufiges Libretto fertig, bevor Sullivan sich überhaupt mit dem neuen Stoff beschäftigte. Die (nicht negativ gemeint, sondern ökonomisch bedingt) Serienkomponisten des Belcanto hatten kaum Zeit und Gelegenheit, in den wenigen Wochen, die ihnen für die Komposition eines Werkes zur Verfügung standen, nennenswert in ein - meist so gut wie fertiges - Libretto einzugreifen, das ihnen von den jeweiligen Impresarii vorgeschlagen wurde und mussten sich in der Regel mit Wünschen nach Korrekturen und Ergänzungen im Detail zufrieden geben. Erst Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts lässt sich eine zunehmende Dominanz des Komponisten beobachten. Man kann das sehr schön in der Entwicklung Verdis beobachten, der immer sehr genau wusste, was er wollte und brauchen konnte, aber sich erst im späteren Verlauf seiner "Galeerenjahre" durchsetzen konnte - das dann aber auch mit aller Konsequenz tat, bis ihm Boito derart in die Feder dichtete, dass er wiederum nur spezifische Wünsche für Korrenkturen im Detail vorzubringen brauchte.


    Von den Ausnahmebegabungen abgesehen, die wie Dittersdorf, Berlioz, Cornelius, Lortzing und natürlich Wagner ihre eigenen Libretti verfassten, verläuft der wachsende Einfluss des Komponisten auf seine Libretti ziemlich parallel zu der Emanzipation der Künstler von adligen Dienstherren und reichen Auftraggebern. Insofern war Mozart sicher einer der frühesten Komponisten, die ihre Libretti nicht nur (teilweise) selbst aussuchen, sondern auch gehörig Einfluss darauf nehmen konnten. Dass sich dabei erwies, dass Komponisten nicht immer die besten Bewerter eines Librettos sind, steht auf einem anderen Blatt, das mit erlesenen Namen wie Beethoven, Schubert oder Weber nicht schlecht beschrieben ist.


    Als die Operette aufkam, war der Wettbewerb aber schon (in aller Regel) zugunsten der Komponisten
    entschieden, und es gibt wohl nur wenige Beispiele für einen dominierenden LIbrettisten wie der genannte William S. Gilbert, der ja auch der faktische Produzent seiner Operetten war (D'Oyly Carte, der eigentliche Impresario des Savoy Theater, begnügte sich weitgehend mit finanziellen und oprganisatoprischen Aufgaben). Wenn Du kannst, versuche Dir mal den sehr schönen Film von Mike Leigh, TOPSY TURVY, anzusehen. Der ist nicht nur einer der schönsten "Opernfilme" überhaupt, sondern gibt tiefe und wohl auch gut recherchierte Einblicke in die Entstehung des MIKADO und anderer Werke von G&S.


    Was Strauss und Hofmannsthal betrifft, so haben sie einander fraglos enorm respektiert, und Hofmannsthal hatte genug eigenes Standing um sich zwar Vorschläge und musikalisch bedingte Forderungen anzuhören, sich aber Eingriffe in seine Bücher zu verbitten. Was jedoch das musikalische betrifft, so war die Situation genau umgekehrt. Hofmannsthal durfte sich zwar dagegen wehren, aus dem Octavian des Rosenkavalier eine Hosenrolle für einen Mezzo zu machen oder für die ARABELLA mehr Musik im Erfolgsstil Lehárs einzufordern, aber durchgesetzt hat sich immer Strauss, und im letzten Fall mit fast grober Deutlichkeit.


    Am besten geht es natürlich mit kongenialen Künstlern (Mozart/Da Ponte, Verdi/Boito, Strauss/Hofmannsthal bzw. Zweig, Strawinsky/Auden, Henze/Bachmann, Straus bzw. Künneke/Rideamus:D, Rodgers/Hart, Styne/Sondheim usw), die sich bereits in ihrem jeweiligen Fach eigenständige Anerkennung gesichert hatten, bevor sie zueinander fanden. Das heißt aber nicht, dass gute Librettisten automatisch auch jenseits dieser Spezialität gute Literaten sein müssen.


    :hello: Rideamus

  • Lieber Rideamus,


    danke für Deine prägnante Antwort, die auch gleich wieder viele weiterführende Themen enthält, die einer weiteren Beschäftigung harren. Die Librettisten sollten wir also nicht aus den Augen verlieren.



    Hatte uns Musika nicht noch weitere Beiträge versprochen?




    [Zitat]Der ist nicht nur einer der schönsten "Opernfilme" überhaupt[/Zitat]


    Wolltest Du dazu nicht auch mal einen thread machen?


    :hello:
    Elisabeth

  • Zitat

    Original von Elisabeth


    TOPSY TURVY... ist nicht nur einer der schönsten "Opernfilme" überhaupt...[/Zitat]


    Wolltest Du dazu nicht auch mal einen thread machen?


    Schon, und will ich auch noch, aber... tempus fugit, und manchmal muss auch ich mich noch ums Geldverdienen kümmern, was derzeit leider nicht ganz einfach ist.


    Irgendwann kommt der aber noch, wenn ihn nicht vorher jemand auflegt (einen über Komponistenfilme gibt es ja schon, wie ich später entdeckt habe, und in dem ich sicher demnächst etwas mehr zu TOPSY TURVY schreiben werde). Es ist halt einfacher, einen Thread spontan zu kommentieren oder einen aktuellen zu starten als einen in Gang zu bringen, der erst einmal einen fundierteren Überblick braucht. Immerhin: der ist in Arbeit.


    Nach einem Monat intensiver Tamino-Lektüre und -Mitarbeit möchte ich nicht noch einen Thread lesen, geschweige denn in Gang bringen, in dem jemand ein kleines Schild hoch hält und dann mit dem Hut sammeln geht. Als jemand, der sich etwas in der Musik(geschichte) auszukennen glaubt und im Film auskennen sollte, möchte ich da etwas mehr einbringen, zumal es eigentlich zwei sehr verschiedene sind, nämlich über Opernfilme und Oper im Film.


    Um nicht missverstanden zu werden: ich mag die Rätsel- und Sammlungsspiele hier nicht weniger als andere und beteilige mich bekanntlich auch gerne und intensiv daran. Aber irgendwie führen sehr viele davon einfach ins Leere, weil sie sich meist in Materialsammlungen erschöpfen, die eigentlich auch alle mal durchgehört werden wollen. An denen habe ich aber mit "meinen" Threads zum Ensemblegesang und zu Lachender Musik, die weiter gepflegt, betreut und irgendwann auch ausgewertet werden wollen, schon genug zu tun. Nicht zuletzt ihretwegen musste ich ja diesen Thread und den über die Zarzuela so schmählich vernachlässigen und konnte ich einen geplanten zur Ehrenrettung des Musicals hier noch nicht einmal weiter andenken. Danke dafür, dass Du geholfen hast, diesen auch mir in Erinnerung zu bringen.


    Ansonsten kann ich Dir versichern, dass Du mich gerade in den Schnittmengen von Oper, Operette, Musical und Film sowie, wie hier, deren Textautoren noch häufig finden wirst. Vielleicht sogar etwas eher und ausführlicher, als es mir selbst im Augenblick möglich erscheint. Ich möchte aber das Gefühl totaler Überforderung vermeiden. Auch wenn mir bewusst ist, dass jede Äußerung hier freiwillig ist, für jemanden, der sich gerne in die einmal - auch selbst - gestellte Pflicht nimmt, kann Tamino auch eine Hydra sein, die um so mehr Themen gebiert, je mehr man glaubt "erledigt" zu haben (erledigt natürlich nur in dem Sinn von "sich eingebracht", nicht abschließend behandelt, was zu glauben mehr als anmaßend wäre, nämlich dumm).


    :hello: Rideamus

  • Während ich beginnen wollte, diesen Thread wieder etwas mit Librettistenbiographien zu beleben und ganz ambitioniert bei Eugène Scribe ansetzte, der womöglich die meisten komponierten Libretti überhaupt in die Welt setzte und zudem an vielen der besten Opern seiner Zeit beteiligt war, stieß ich zufällig auf diesen Thread, der eigentlich alles zu dem Thema sagt, was einem hier dazu einfallen könnte: Eugène Scribe - Opernlibretti en gros


    Vielen Dank an MarcCologne, dessen Beitrag noch viel mehr Besuche und Kommentare verdient hat.


    :jubel: :jubel: :jubel: Rideamus